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„Darwinismus“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Darwinism - Titlepage.png|mini|[[Alfred Russel Wallace]]: ''Darwinism. An exposition of the theory of natural selection with some of its applications'' (1889)]]
'''Darwinismus''' bezeichnet 1. die biologische [[Evolutionstheorie]] von [[Charles Darwin]], 2. die zugrundeliegende abstrakte Theorie der Evolutionsmechanismen, die besagt, dass in beliebigem Rahmen bei Vorhandensein von [[Evolutionsfaktoren]] [[Evolution]] stattfindet (universeller Darwinismus), 3. einen Oberbegriff für die darunter fallenden konkreten Theorien und Konzepte, unter anderem neben der Biologie auch in der Philosophie und in den Gesellschaftswissenschaften (klassischer Darwinismus). Dabei liegt eine besondere Betonung auf Evolution durch [[Selektion (Evolution)|Selektion]]. Der Begriff wird oft abwertend von Gegnern gebraucht. Deshalb wird er heute von einigen Wissenschaftlern abgelehnt{{Ref|EOW}}.
Als '''Darwinismus''' bezeichnet man die Erklärung der Artentransformation ([[Evolution]]) von [[Charles Darwin]], wobei insbesondere die [[Selektion (Evolution)|natürliche Auslese]], d. h. das Selektionsprinzip, im Vordergrund steht. Daneben wird der Begriff auch in der Bedeutung des '''universellen Darwinismus''' verwendet, einer General[[theorie]] der Evolutionsmechanismen, die besagt, dass in beliebigem Rahmen (d. h. auch außerhalb der Biologie) bei Vorhandensein von Variabilität und einem [[Selektionsdruck]] Evolution stattfinden kann.


Im 19. Jahrhundert war Darwinismus auch ein gebräuchlicher Oberbegriff für mehrere Theorien und Konzepte aus der Biologie, der Philosophie und den Gesellschaftswissenschaften. Die Bezeichnung Darwinismus wird oft abwertend von Gegnern, u.&nbsp;a. [[Kreationismus|Kreationisten]], gebraucht. Deshalb, aber vor allem weil es sich nicht um einen „[[-ismus]]“ im Sinne einer Ideologie, sondern um ein von Darwin und [[Alfred Russel Wallace]] erkanntes [[Naturprinzip]] handelt, wird diese Bezeichnung heute von vielen Evolutionsbiologen abgelehnt.<ref>E. O. Wilson sprach von „Scientists don’t call it ‘Darwinism’.“ in Jerry Adler (28. November 2005): ''Charles Darwin: Evolution of a Scientist''. Newsweek.</ref> Der Begriff Darwinismus wurde im April 1860 von [[Thomas Henry Huxley]] populär gemacht, als er im ''Westminster Journal'' Darwins ''[[Über die Entstehung der Arten|On the Origin of Species]]'' besprach.<ref>Huxley, T. H. (1860): [http://darwin-online.org.uk/content/frameset?viewtype=side&itemID=A32&pageseq=29 ''Darwin On The origin of Species'']. In: ''Westminster Review''. Band 17, S. 541–570.</ref>
==Evolutionstheorie==
Hauptartikel: [[Evolutionstheorie]]


== Evolutionstheorien ==
Der Begriff des Darwinismus wird heutzutage überwiegend von [[Kreationismus|Kreationisten]] bzw. Gegnern des Darwinismus als eine in gewisser Weise abschätzige Bezeichnung für die Evolutionsbiologie im allgemeinen sowie die Evolutionstheorie im speziellen verwendet. Sie sprechen dabei von Evolution in der Rolle eines [[-ismus]] – einer Lehre bzw. eines Glaubens – um darauf aufbauend die Forderung einer Gleichbehandlung von Glaubensauffassungen wie dem Kreationismus aufzustellen. Im gleichen Kontext wird oft auch die Bezeichnung [[Evolutionismus]] benutzt.
{{Hauptartikel|Evolutionstheorie|Geschichte der Evolutionstheorie}}


Die Evolution wurde bereits im 19. Jahrhundert als Tatsache akzeptiert.<ref>U. Kutschera: ''Tatsache Evolution. Was Darwin nicht wissen konnte.'' Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009, S. 291–292.</ref> Verschiedene Theorien erklären die Entstehung, die Entwicklung und die Vielfalt der [[Lebewesen]] auf natürliche, d.&nbsp;h. physikalisch-chemische Weise. Grundsätzlich wird der Begriff Darwinismus verwendet, um den Inhalt von Darwins ''[[Origin of Species]]'' von anderen Evolutionstheorien zu unterscheiden, beispielsweise von dem nach [[Jean-Baptiste de Lamarck|Lamarck]] benannten [[Lamarckismus]]. Die Darwin’sche Theorie basiert auf der [[Vererbung (Biologie)|Vererbung]], der Variabilität und der natürlichen Auslese (Selektion). In diesem Zusammenhang wird der Begriff Darwinismus auch manchmal verwendet, um den Aspekt der natürlichen Selektion besonders zu betonen, der von Darwin und Wallace erstmals beschrieben wurde und den entscheidenden Unterschied zu anderen, diskreditierten Evolutionstheorien bildet, wie Lamarckismus oder [[Mutationismus]], die nur noch von historischer Bedeutung sind.
Die Evolutionstheorie erklärt Entwicklung und Vielfalt des Lebens. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Darwinismus manchmal verwendet, um bestimmte Punkte zu betonen, die erstmals konkret von Darwin behandelt wurden. Dabei steht besonders die Wichtigkeit der natürlichen Selektion im Vergleich zu nicht von Darwin einbezogenen Evolutionsmechanismen im Vordergrund, wie [[Gendrift]] und [[Genfluss]]. Die Evolutionstheorie wurde in der [[synthetische Evolutionstheorie|synthetischen Evolutionstheorie]] unter anderem um diese Aspekte erweitert. Oft wird in diesem Zusammenhang von [[Neodarwinismus]] gesprochen, jedoch ist auch dieser Begriff umstritten.


Weiterhin wird die u.&nbsp;a. von Wallace<ref name="Wallace">Wallace, A. R.: ''Darwinismus. An Exposition of the Theory of Natural Selection with some of its Applications.'' MacMillan & Co., London 1889, S. 8.</ref> verbreitete Bezeichnung ''Darwinismus'' benutzt, um die Rolle von Charles Darwin als Vordenker und Pionier der Evolutionsforschung hervorzuheben, oder auch um eine Abgrenzung von nicht durch Darwin einbezogene Evolutionsmechanismen vorzunehmen, wie [[Gendrift]] und [[Genfluss]], die in der modernen Synthese ([[synthetische Evolutionstheorie]]) unter anderen Aspekten neu eingeführt wurden. Oft wird in diesem Zusammenhang von [[Synthetische Evolutionstheorie|Neodarwinismus]] gesprochen, ein auf [[August Weismann]] zurückgehendes Theoriesystem, das eine Übergangsform zwischen der Darwin’schen und der Synthetischen Theorie darstellt: Dabei war die Vererbung über [[Chromosom]]en bereits einbezogen, noch nicht jedoch die [[Populationsgenetik]]. Diese Disziplin wurde von [[Theodosius Dobzhansky]] begründet und in die [[Evolutionsbiologie]] integriert. Durch die Weiterentwicklungen innerhalb der Biologie hat der Darwinismus (im Sinne der Darwin-Wallace’schen Selektionstheorie) heute im Wesentlichen nur noch historische Bedeutung.
Die Bezeichnung Darwinismus wird auch benutzt, um die Rolle von Charles Darwin als Vordenker der Evolution hervorzuheben. Desweiteren wird er eingesetzt, um einen Kontrast zu anderen, diskreditierten Evolutionstheorieen zu setzen, wie [[Lamarckismus]] oder [[Mutationismus]], die nur noch von historischer Bedeutung sind.


Der Begriff des Darwinismus wird von Kreationisten bzw. Gegnern der Evolutionsbiologie als eine eher abschätzige Bezeichnung für die Evolutionswissenschaften im Allgemeinen sowie naturalistischer Evolutionstheorien im Speziellen verwendet. Sie sprechen dabei von Evolution in der Rolle eines [[-ismus]] – einer Lehre bzw. eines Glaubens –, um darauf aufbauend die Gleichbehandlung von Glaubensauffassungen, wie dem Kreationismus oder dem [[Intelligent Design]], zu fordern. Im gleichen Kontext wird oft auch die abfällige Bezeichnung [[Evolutionismus]] benutzt; dieser Begriff hat aber in der [[Ethnologie]] eine andere Bedeutung.
== Klassischer Darwinismus ==
Im Kontext des 19. Jahrhunderts, in dem Darwins ''Origin of Species'' ursprünglich aufgenommen wurde, stand ''Darwinismus'' für eine ganze Bandbreite von auf Evolution basierenden (und oft damals revolutionär neuen) Philosophieen sowohl in der Biologie als auch in den Gesellschaftswissenschaften. Einer der prominenteren Ansätze wurde vom Philosophen [[Herbert Spencer]] in dem Schlüsselsatz 'Survival of the fittest' (überleben des am besten Angepassten) zusammengefasst. Dieser wurde später als Sinnbild für den Darwinismus verwendet, obwohl Spencers eigenes Verständnis von Evolution mehr dem von Lamarck als dem von Darwin entsprach. Was heutzutage als [[Sozialdarwinismus]] bezeichnet wird, war damals im Begriff des Darwinismus enthalten – die Anwendung der Darwinschen Prinzipien des Überlebenskampfs auf die Gesellschaft, für gewöhnlich zugunsten von anti-[[philantrop]]ischen politischen Strömungen. Eine andere Interpretation vertrat insbesondere Darwins Cousin [[Francis Galton]]. Er glaubte an eine vordergründige Gefahr, dass in einer Zivilisation die natürliche Selektion nicht mehr funktionieren würde und dass überlegene Menschenrassen deshalb von unterlegenen Rassen (die sonst ausgefiltert würden) überflutet würden. Er hielt Gegenmaßnahmen für notwendig – die Grundlage der Eugenik.


== Darwinismus im 19. Jahrhundert ==
Zu Lebzeiten Darwins gab es keine klare Definition des Darwinismus-Begriffs. Er wurde von Anhängern wie Gegnern von Darwins Theorie gleichsam in jeder beliebigen Bedeutung verwendet, die in den größeren Kontext passte.
In den Jahrzehnten nach dem Erscheinen von Darwins ''[[Über die Entstehung der Arten|Origin of Species]] by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life (Deutsch: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe ums Dasein)'' (1859) stand ''Darwinismus'' für eine ganze Bandbreite von auf Evolution basierenden (und damals z.&nbsp;T. revolutionären) Philosophien sowohl in der Biologie als auch in den Gesellschaftswissenschaften. Einer der prominenteren Ansätze wurde vom Philosophen [[Herbert Spencer]] in dem Schlüsselsatz ''[[Survival of the Fittest]]'' (dt.: Überleben des am besten Angepassten)<ref>Während in der angelsächsischen Welt dies als das fitteste Individuum angesehen wurde, wurde es in Deutschland als fitteste [[Rasse]] interpretiert, vgl. [[Arnd Krüger]]: ''A Horse Breeder’s Perspective. Scientific Racism in Germany. 1870–1933.'' In: [[Norbert Finzsch]], Dietmar Schirmer (Hrsg.): ''Identity and Intolerance. Nationalism, Racism, and Xenophobia in Germany and the United States.'' University Press Cambridge, Cambridge 1998, ISBN 0-521-59158-9, S. 371–396.</ref> zusammengefasst. Dieser wurde später als Sinnbild für den Darwinismus verwendet, obwohl Spencers eigenes Verständnis von Evolution mehr dem von Lamarck als dem von Darwin entsprach. Was heutzutage als [[Sozialdarwinismus]] bezeichnet wird, war damals im Begriff des Darwinismus enthalten – die Anwendung der Darwin’schen Prinzipien des Überlebenskampfs auf die Gesellschaft, für gewöhnlich zugunsten von anti-[[philanthrop]]ischen politischen Strömungen. Dabei wurde Darwins Begriff der besten Anpassung oft als die Überlegenheit des Stärkeren und der Kampf ums Dasein als gewalttätiger Krieg um das Überleben missverstanden. Eine andere Interpretation vertrat insbesondere Darwins Vetter [[Francis Galton]]. Er glaubte an eine vordergründige Gefahr, dass in einer Zivilisation die natürliche Selektion nicht mehr funktionieren würde und dass überlegene Menschenrassen deshalb von unterlegenen Rassen (die sonst ausgefiltert würden) überflutet werden könnten. Er hielt Gegenmaßnahmen für notwendig – die Grundlage der [[Eugenik]].

Zu Lebzeiten Darwins gab es keine klare Definition des Darwinismus-Begriffs. Er wurde von Anhängern wie Gegnern von Darwins Theoriensystem gleichsam in jeder beliebigen Bedeutung verwendet, die in den größeren Kontext passte.


== Universeller Darwinismus ==
== Universeller Darwinismus ==
Der „Universelle Darwinismus“ (manchmal auch ''universale Selektionstheorie'',<ref>Hodgson, G. M. (2005): ''Generalizing Darwinism to social evolution: Some early attempts.'' Journal of Economic Issues, 39, S. 899–914.</ref> oder ''Darwinistische Metaphysik''<ref>von Sydow, M. (2012).: [http://www.univerlag.uni-goettingen.de/content/list.php?cat=subject&show=Biologie&details=isbn-978-3-86395-006-4 From Darwinian Metaphysics towards Understanding the Evolution of Evolutionary Mechanisms.] A Historical and Philosophical Analysis of Gene-Darwinism and Universal Darwinism. Universitätsverlag Göttingen.</ref><ref>von Sydow, M. (2013): {{Webarchiv |url=http://crisp.psi.uni-heidelberg.de/sites/default/files/vonSydow/von_Sydow_2013_Darwinian_Metaphysics.pdf |text=''Darwinian Metaphysics.'' |wayback=20160304074821}} In: A. Runehov & L. Oviedo (Hrsg.): ''Encyclopedia of Sciences and Religions.'' Springer Science, Heidelberg und New York 2013, ISBN 978-1-4020-8264-1, S. 1306–1314, [[doi:10.1007/978-1-4020-8265-8]].</ref><ref>M. von Sydow: {{Webarchiv|url=http://crisp.psi.uni-heidelberg.de/sites/default/files/vonSydow/von_Sydow_2014_Survival_of_the_Fittest_in_Darwinian_Metaphysics_Scan.pdf |wayback=20160303235109 |text=''‘Survival of the Fittest’ in Darwinian Metaphysics – Tautology or Testable Theory?''}} In: E. Voigts, B. Schaff & M. Pietrzak-Franger (Hrsg.): ''Reflecting on Darwin.'' Ashgate, Farnham und London 2014, S. 199–222.</ref> genannt) bezeichnet die insbesondere von [[Richard Dawkins]] und [[Daniel Dennett]]<ref>Dennett, D. C.: ''Darwin's Dangerous Idea: Evolution and the Meanins of Life: Evolution and the Meanings of Life.'' Simon & Schuster, New York 1995, S. 343.</ref> formulierte [[Evolution (Begriff)#Universeller Darwinismus|Verallgemeinerung des Darwinismus]] auf Gebiete, auch außerhalb der Biologie. Dabei wird folgendes Schema genutzt:
Darwinismus in moderner Bedeutung des Begriffs bezieht sich auf die folgenden Schemata:
# [[Reproduktion]]/[[Vererbung (Biologie)|Vererbung]]: Eine Anzahl von Einheiten muss zusammen fähig sein, Kopien von sich selbst anzufertigen. Die Kopien müssen ebenfalls reproduktionsfähig sein und müssen Eigenschaften erben. Dabei werden verschiedene Variationen rekombiniert.
# [[Mutation|Variation]]: Es muss eine Bandbreite von verschiedenen Merkmalen in der Population der Einheiten geben. Es muss einen Mechanismus geben, der neue Variationen in die Population einführt.
# [[Selektion (Evolution)|Selektion]]: Vererbte Merkmale müssen die Reproduktionsfähigkeit der Einheiten beeinflussen, entweder durch Überlebensfähigkeit (natürliche Selektion) oder die Fähigkeit, für die Reproduktion notwendige Partner zu finden (sexuelle Selektion)


# [[Reproduktion]]/[[Vererbung (Biologie)|Vererbung]]: Eine Anzahl von Einheiten, sogenannte Replikatoren, müssen fähig sein, Kopien von sich selbst anzufertigen oder andere Einheiten zu veranlassen, entsprechende Kopien zu erzeugen. Die Kopien müssen ebenfalls reproduktionsfähig sein und müssen Eigenschaften erben. Dabei werden verschiedene Variationen rekombiniert.
Wenn die Einheit oder der [[Organismus]] bis zur weiteren Reproduktion überlebt, beginnt der Prozess von neuem. Bei engeren Formulierungen wird manchmal zusätzlich verlangt, dass Variation und Selektion auf verschiedene Einheiten wirken, Variation beim [[Genotyp]] und Selektion beim [[Phänotyp]].
# [[Mutation|Variation]]: Es muss eine Bandbreite von verschiedenen Merkmalen in der Population der Einheiten gegeben sein. Es muss einen Mechanismus geben, der neue Variationen in die Population einführt. Diese Varianten können zum Beispiel durch ungenaue Replikation entstehen.
# [[Selektion (Evolution)|Selektion]]: Vererbte Merkmale müssen (auf längere Sicht gesehen) die Reproduktionsfähigkeit der Einheiten beeinflussen, entweder durch Überlebensfähigkeit (natürliche Selektion) oder die Fähigkeit, für die Reproduktion notwendige Partner zu finden (sexuelle Selektion). Die Überlebensfähigkeit kann sich dabei auf die konkrete Umgebung beziehen, einschließlich anderer entsprechender Systeme. Selektionsursachen können zum Beispiel Ressourcenknappheit oder die Möglichkeit zu [[Kooperation]] sein.


Wenn ein Replikant (Erbe) der Einheit oder des [[Organismus]] bis zur weiteren Reproduktionsstufe überlebt, beginnt der Prozess von neuem. Im anderen Fall kann er seine Eigenschaften nicht an die kommende Generation weitergeben. Bei engeren Formulierungen wird manchmal zusätzlich verlangt, dass Variation und Selektion auf verschiedene Einheiten wirken, Variation beim [[Genotyp]] und Selektion beim [[Phänotyp]].
Der Darwinismus geht nun davon aus, dass bei jedem System mit diesen Bedingungen, ganz gleich in welchem konkreten Rahmen, Evolution stattfinden wird. D.h. dass die Einheiten mit der Zeit komplexe Eigenschaften herausbilden, die ihre Reproduktion begünstigen (universeller Darwinismus).


Das Konzept des universellen Darwinismus geht nun davon aus, dass bei jedem System mit diesen Bedingungen Evolution stattfinden wird, ganz gleich in welchem konkreten Rahmen. Das heißt, dass sich bei den Einheiten mit der Zeit komplexe Eigenschaften herausbilden, die ihre Reproduktion begünstigen, während in jeder Generation auch ein Teil verdrängt wird (d.&nbsp;h. ausstirbt). Teilweise können Eigenschaften auch an Komplexität verlieren, wenn der entsprechende Selektionsdruck nachlässt oder sich eine weniger komplexe Eigenschaft als vorteilhafter durchsetzt. Der Universelle Darwinismus sagt für die Entwicklung keine Zielrichtung voraus.<ref name="Wallace" />
Ganz offensichtlich kann sich dies auf die biologische Evolution beziehen. Es gibt jedoch auch andere potentielle Bereiche, wovon das [[Mem]] wohl am bekanntesten ist. Es ist ein Konzept der Weitergabe und Veränderung von Ideen, das von [[Richard Dawkins]] in seinem Buch ''Das egoistische Gen'' (1976) eingeführt wurde. Es ist jedoch umstritten, ob dies ein darwinischer Prozess ist, da es keine zwingenden Anzeichen dafür gibt, dass Meme zufälliger Mutation unterworfen sind.


Ganz offensichtlich kann sich dies auf die biologische Evolution beziehen. Es gibt jedoch auch andere potentielle Bereiche, wovon das [[Mem]], das als [[Replikator]] wirkt, wohl am bekanntesten ist. Es ist ein Konzept der Weitergabe und Veränderung von Ideen, das von [[Richard Dawkins]] in seinem Buch ''[[Das egoistische Gen]]'' (1976) eingeführt wurde. Es ist jedoch umstritten, ob dies ein darwinischer Prozess ist, da es keine zwingenden Anzeichen dafür gibt, dass die bei den Memen stattfindenden Mutationen zufälliger Natur sind.
==Referenzen==
*{{Fußnote|EOW|E. O. Wilson sprach von "Scientists don't call it 'Darwinism'." in Jerry Adler: [http://www.msnbc.msn.com/id/10118787/site/newsweek/ Charles Darwin: Evolution of a Scientist]. ''Newsweek'' (28.11.2005).}}


==Literatur==
== Gegenposition ==
* Guenter Altner (Hrsg.): ''Der Darwinismus, Geschichte einer Theorie'' (Darmstadt 1981). Sammlung von historischen, kurzen zentralen Auszügen aus Originalarbeiten die recht breit als darwinistisch zu bezeichnen sind.
*Thomas P. Weber: ''[http://www.fischer-kompakt.de/darwinismus Darwinismus]'' (2002), Reihe Fischer kompakt.
* Wuketits, Franz M.: ''Darwin und der Darwinismus'', München 2005. ISBN 3-406-50881-2


[[Datei:James Henry Beard - "It Is Very Queer, Isn't It" - 2007.179 - Crystal Bridges Museum of American Art.jpg|mini|[[James Beard (Maler)|James Beard]]: ''Es ist schon recht schräg, nicht wahr? (It Is Very Queer, Isn’t It?)'', 1885, [[Crystal Bridges Museum of American Art]]]][[Rudolf Virchow]] kritisierte 1877 die schnelle öffentliche Verbreitung des Darwinismus und befürchtete, diese könne in der [[Arbeiterklasse|Arbeiterschaft]] als „wissenschaftliche Bestätigung des [[Sozialismus]]“ aufgefasst werden. Darwin widersprach dem scharf.<ref>{{Literatur |Autor=Erhard Lucas |Titel=Marx' und Engels' Auseinandersetzung mit Darwin |Sammelwerk=International Review of Social History |Band=9 |Nummer=3 |Datum=1964-12 |ISSN=0020-8590 |DOI=10.1017/S0020859000002637 |Seiten=436 |Online=https://www.cambridge.org/core/product/identifier/S0020859000002637/type/journal_article |Abruf=2023-12-26 |Zitat=Virchow attackierte in einer improvisierten Rede auf der 50. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte 1877 in München die vorschnelle Popularisierung des wissenschaftlich noch gar nicht einwandfrei gesicherten Darwinismus und wies dabei warnend auf die Wirkung hin, die eine solche Popularisierung bereits in den Köpfen ungebildeter sozialistischer Arbeiter anrichte: man nehme sie dort als wissenschaftliche Bestätigung des Sozialismus. [...] [Darwin:] "eine thörichte [sic!] Idee"}}</ref> [[Karl Marx]] und [[Friedrich Engels]], die Darwins Schriften früh lasen und schätzten, kritisierten jedoch auch, dass Darwin mit der Hervorhebung des Selektionsdrucks und ''survival of the fittest'' Verhaltensmuster der „[[Bürgerliche Gesellschaft|bürgerliche[n] Gesellschaft]]“ und der [[Bevölkerungsgesetz|Bevölkerungsthese]] nach [[Thomas Robert Malthus|Malthus]] auf die Natur projiziert habe.<ref>{{Literatur |Autor=Dieter Groh |Titel=MARX, ENGELS UND DARWIN: NATURGESETZLICHE ENTWICKLUNG ODER REVOLUTION? Zum Problem der Einheit von Theorie und Praxis |Sammelwerk=Politische Vierteljahresschrift |Band=8 |Nummer=4 |Datum=1967 |ISSN=0032-3470 |JSTOR=24194245 |Seiten=553 |Zitat=[Engels an Marx über Darwin:] "ganz famos" [...] Marx warf Darwin in einem Brief an Engels 1862 vor, Kategorien der Gesellschaftswissenschaften in die Natur übertragen und das "Tierreich als bürgerliche Gesellschaft" dargestellt zu haben. [...] [Marx:] "Auch fiel gleich bei der ersten Lektüre Darwins die frappante Ähnlichkeit [...] mit der Malthusschen Theorie auf."}}</ref> Engels führte die Kritik später in der zeitlebens nie veröffentlichten ''[[Dialektik der Natur]]'' aus.<ref>{{Internetquelle |autor=Friedrich Engels |url=http://www.mlwerke.de/me/me20/me20_554.htm |titel=Dialektik der Natur. Abschnitt "Biologie" |werk=MLWerke |abruf=2023-12-26 |zitat=Die ganze Darwinsche Lehre vom Kampf ums Dasein ist einfach die Übertragung der Hobbesschen Lehre vom [[bellum omnium contra omnes]] [Krieg aller gegen alle], und der bürgerlichen ökonomischen von der Konkurrenz, sowie der Malthusschen Bevölkerungstheorie aus der Gesellschaft in die belebte Natur. Nachdem man dies Kunststück fertiggebracht (dessen unbedingte Berechtigung, besonders was die Malthussche Lehre angeht, noch sehr fraglich), ist es sehr leicht, diese Lehren aus der Naturgeschichte wieder in die Geschichte der Gesellschaft zurückzuübertragen, und eine gar zu starke Naivität, zu behaupten, man habe damit diese Behauptungen als ewige Naturgesetze der Gesellschaft nachgewiesen.}}</ref>


[[Oscar Hertwig]] nahm in seiner Schrift ''Zur Abwehr des ethischen, des sozialen, des politischen Darwinismus'' (1918) gegen diese die gesellschaftliche Entwicklungen massiv beeinflussenden Strömungen ausführlich Stellung.<ref>[http://www.zum.de/stueber/hertwig/ Oscar Hertwig: ''Zur Abwehr des ethischen, des sozialen, des politischen Darwinismus.'' Jena 1921.]</ref><ref>Kutschera, U.: ''Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design.'' Lit-Verlag, Berlin 2004, S. 270–273.</ref> Hierbei bezog er sich primär auf die als Sozialdarwinismus bezeichnete politische Ideologie.[[Datei:William holbrook beard, la scoperta di adamo, 1891.jpg|mini|[[William Beard (Maler)|William Beard]]: ''Die Entdeckung Adams (The Discovery of Adam)'', 1891, [[Toledo Museum of Art]]]]
==Weblinks==
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/darwinism/}}


==Siehe auch==
== Literatur ==
* Charles Darwin: ''On the Origin of Species.'' Faksimile der Erstausgabe. Harvard University Press, Cambridge, MA 1964; 2003, ISBN 0-674-63752-6 (englisch).
*[[Neodarwinismus]]
* [[Ernst Mayr]]: ''One Long Argument. Charles Darwin and the Genesis of Modern Evolutionary Thought.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 1991, ISBN 0-674-63906-5 (englisch).
*[[Sozialdarwinismus]]
* [[Franz M. Wuketits|Franz Wuketits]]: ''Darwin und der Darwinismus'' (= ''Beck’sche Reihe'', Band 2381: ''C. H. Beck Wissen''). Beck, München 2005, ISBN 3-406-50881-2.
*[[Kulturdarwinismus]]
* [[Günter Altner]] (Hrsg.): ''Der Darwinismus, Geschichte einer Theorie'' (= ''Wege der Forschung'', Band 449). WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1981, ISBN 3-534-06738-X (Sammlung von historischen, kurzen zentralen Auszügen aus Originalarbeiten (four essays in English), die recht breit als „darwinistisch“ zu bezeichnen sind).
* [[James Watson]]: ''Darwin: The Indelible Stamp, The Evolution of an Idea.'' Running Press, Philadelphia, PA 2005, ISBN 0-7624-2136-3 (englisch).
* Thomas P. Weber: ''Darwinismus'' (= ''Fischer'', Band 15367: ''Fischer kompakt''). Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2002, ISBN 978-3-596-15367-1.
* [[Ulrich Kutschera]]: ''Evolutionsbiologie. Ursprung und Stammesentwicklung der Organismen.'' 4. Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-8252-8623-1.


== Weblinks ==
{{Wiktionary|Darwinismus}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/darwinism/|Darwinism|James Lennox}}
* {{YouTube|id=P5E3Foh9crY|title=Was ist Darwinismus?}} (Juli 2011, 12:55 Min.)
* Jörg Räwel: ''[https://www.telepolis.de/features/Paradigmenwechsel-in-der-Evolutionsbiologie-4649692.html?seite=all Paradigmenwechsel in der Evolutionsbiologie]''. 9. Februar 2020.


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Evolution]]
<references/>


[[da:Darwinisme]]
[[Kategorie:Evolution]]
[[Kategorie:Biologiegeschichte]]
[[en:Darwinism]]
[[Kategorie:Charles Darwin als Namensgeber]]
[[es:Darwinismo]]
[[ja:ダーウィニズム]]
[[lt:Darvinizmas]]
[[nl:Darwinisme]]
[[no:Darwinisme]]
[[pl:Darwinizm]]
[[pt:Darwinismo]]
[[sv:Darwinism]]

Aktuelle Version vom 24. November 2024, 12:10 Uhr

Alfred Russel Wallace: Darwinism. An exposition of the theory of natural selection with some of its applications (1889)

Als Darwinismus bezeichnet man die Erklärung der Artentransformation (Evolution) von Charles Darwin, wobei insbesondere die natürliche Auslese, d. h. das Selektionsprinzip, im Vordergrund steht. Daneben wird der Begriff auch in der Bedeutung des universellen Darwinismus verwendet, einer Generaltheorie der Evolutionsmechanismen, die besagt, dass in beliebigem Rahmen (d. h. auch außerhalb der Biologie) bei Vorhandensein von Variabilität und einem Selektionsdruck Evolution stattfinden kann.

Im 19. Jahrhundert war Darwinismus auch ein gebräuchlicher Oberbegriff für mehrere Theorien und Konzepte aus der Biologie, der Philosophie und den Gesellschaftswissenschaften. Die Bezeichnung Darwinismus wird oft abwertend von Gegnern, u. a. Kreationisten, gebraucht. Deshalb, aber vor allem weil es sich nicht um einen „-ismus“ im Sinne einer Ideologie, sondern um ein von Darwin und Alfred Russel Wallace erkanntes Naturprinzip handelt, wird diese Bezeichnung heute von vielen Evolutionsbiologen abgelehnt.[1] Der Begriff Darwinismus wurde im April 1860 von Thomas Henry Huxley populär gemacht, als er im Westminster Journal Darwins On the Origin of Species besprach.[2]

Evolutionstheorien

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Die Evolution wurde bereits im 19. Jahrhundert als Tatsache akzeptiert.[3] Verschiedene Theorien erklären die Entstehung, die Entwicklung und die Vielfalt der Lebewesen auf natürliche, d. h. physikalisch-chemische Weise. Grundsätzlich wird der Begriff Darwinismus verwendet, um den Inhalt von Darwins Origin of Species von anderen Evolutionstheorien zu unterscheiden, beispielsweise von dem nach Lamarck benannten Lamarckismus. Die Darwin’sche Theorie basiert auf der Vererbung, der Variabilität und der natürlichen Auslese (Selektion). In diesem Zusammenhang wird der Begriff Darwinismus auch manchmal verwendet, um den Aspekt der natürlichen Selektion besonders zu betonen, der von Darwin und Wallace erstmals beschrieben wurde und den entscheidenden Unterschied zu anderen, diskreditierten Evolutionstheorien bildet, wie Lamarckismus oder Mutationismus, die nur noch von historischer Bedeutung sind.

Weiterhin wird die u. a. von Wallace[4] verbreitete Bezeichnung Darwinismus benutzt, um die Rolle von Charles Darwin als Vordenker und Pionier der Evolutionsforschung hervorzuheben, oder auch um eine Abgrenzung von nicht durch Darwin einbezogene Evolutionsmechanismen vorzunehmen, wie Gendrift und Genfluss, die in der modernen Synthese (synthetische Evolutionstheorie) unter anderen Aspekten neu eingeführt wurden. Oft wird in diesem Zusammenhang von Neodarwinismus gesprochen, ein auf August Weismann zurückgehendes Theoriesystem, das eine Übergangsform zwischen der Darwin’schen und der Synthetischen Theorie darstellt: Dabei war die Vererbung über Chromosomen bereits einbezogen, noch nicht jedoch die Populationsgenetik. Diese Disziplin wurde von Theodosius Dobzhansky begründet und in die Evolutionsbiologie integriert. Durch die Weiterentwicklungen innerhalb der Biologie hat der Darwinismus (im Sinne der Darwin-Wallace’schen Selektionstheorie) heute im Wesentlichen nur noch historische Bedeutung.

Der Begriff des Darwinismus wird von Kreationisten bzw. Gegnern der Evolutionsbiologie als eine eher abschätzige Bezeichnung für die Evolutionswissenschaften im Allgemeinen sowie naturalistischer Evolutionstheorien im Speziellen verwendet. Sie sprechen dabei von Evolution in der Rolle eines -ismus – einer Lehre bzw. eines Glaubens –, um darauf aufbauend die Gleichbehandlung von Glaubensauffassungen, wie dem Kreationismus oder dem Intelligent Design, zu fordern. Im gleichen Kontext wird oft auch die abfällige Bezeichnung Evolutionismus benutzt; dieser Begriff hat aber in der Ethnologie eine andere Bedeutung.

Darwinismus im 19. Jahrhundert

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In den Jahrzehnten nach dem Erscheinen von Darwins Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life (Deutsch: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe ums Dasein) (1859) stand Darwinismus für eine ganze Bandbreite von auf Evolution basierenden (und damals z. T. revolutionären) Philosophien sowohl in der Biologie als auch in den Gesellschaftswissenschaften. Einer der prominenteren Ansätze wurde vom Philosophen Herbert Spencer in dem Schlüsselsatz Survival of the Fittest (dt.: Überleben des am besten Angepassten)[5] zusammengefasst. Dieser wurde später als Sinnbild für den Darwinismus verwendet, obwohl Spencers eigenes Verständnis von Evolution mehr dem von Lamarck als dem von Darwin entsprach. Was heutzutage als Sozialdarwinismus bezeichnet wird, war damals im Begriff des Darwinismus enthalten – die Anwendung der Darwin’schen Prinzipien des Überlebenskampfs auf die Gesellschaft, für gewöhnlich zugunsten von anti-philanthropischen politischen Strömungen. Dabei wurde Darwins Begriff der besten Anpassung oft als die Überlegenheit des Stärkeren und der Kampf ums Dasein als gewalttätiger Krieg um das Überleben missverstanden. Eine andere Interpretation vertrat insbesondere Darwins Vetter Francis Galton. Er glaubte an eine vordergründige Gefahr, dass in einer Zivilisation die natürliche Selektion nicht mehr funktionieren würde und dass überlegene Menschenrassen deshalb von unterlegenen Rassen (die sonst ausgefiltert würden) überflutet werden könnten. Er hielt Gegenmaßnahmen für notwendig – die Grundlage der Eugenik.

Zu Lebzeiten Darwins gab es keine klare Definition des Darwinismus-Begriffs. Er wurde von Anhängern wie Gegnern von Darwins Theoriensystem gleichsam in jeder beliebigen Bedeutung verwendet, die in den größeren Kontext passte.

Universeller Darwinismus

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Der „Universelle Darwinismus“ (manchmal auch universale Selektionstheorie,[6] oder Darwinistische Metaphysik[7][8][9] genannt) bezeichnet die insbesondere von Richard Dawkins und Daniel Dennett[10] formulierte Verallgemeinerung des Darwinismus auf Gebiete, auch außerhalb der Biologie. Dabei wird folgendes Schema genutzt:

  1. Reproduktion/Vererbung: Eine Anzahl von Einheiten, sogenannte Replikatoren, müssen fähig sein, Kopien von sich selbst anzufertigen oder andere Einheiten zu veranlassen, entsprechende Kopien zu erzeugen. Die Kopien müssen ebenfalls reproduktionsfähig sein und müssen Eigenschaften erben. Dabei werden verschiedene Variationen rekombiniert.
  2. Variation: Es muss eine Bandbreite von verschiedenen Merkmalen in der Population der Einheiten gegeben sein. Es muss einen Mechanismus geben, der neue Variationen in die Population einführt. Diese Varianten können zum Beispiel durch ungenaue Replikation entstehen.
  3. Selektion: Vererbte Merkmale müssen (auf längere Sicht gesehen) die Reproduktionsfähigkeit der Einheiten beeinflussen, entweder durch Überlebensfähigkeit (natürliche Selektion) oder die Fähigkeit, für die Reproduktion notwendige Partner zu finden (sexuelle Selektion). Die Überlebensfähigkeit kann sich dabei auf die konkrete Umgebung beziehen, einschließlich anderer entsprechender Systeme. Selektionsursachen können zum Beispiel Ressourcenknappheit oder die Möglichkeit zu Kooperation sein.

Wenn ein Replikant (Erbe) der Einheit oder des Organismus bis zur weiteren Reproduktionsstufe überlebt, beginnt der Prozess von neuem. Im anderen Fall kann er seine Eigenschaften nicht an die kommende Generation weitergeben. Bei engeren Formulierungen wird manchmal zusätzlich verlangt, dass Variation und Selektion auf verschiedene Einheiten wirken, Variation beim Genotyp und Selektion beim Phänotyp.

Das Konzept des universellen Darwinismus geht nun davon aus, dass bei jedem System mit diesen Bedingungen Evolution stattfinden wird, ganz gleich in welchem konkreten Rahmen. Das heißt, dass sich bei den Einheiten mit der Zeit komplexe Eigenschaften herausbilden, die ihre Reproduktion begünstigen, während in jeder Generation auch ein Teil verdrängt wird (d. h. ausstirbt). Teilweise können Eigenschaften auch an Komplexität verlieren, wenn der entsprechende Selektionsdruck nachlässt oder sich eine weniger komplexe Eigenschaft als vorteilhafter durchsetzt. Der Universelle Darwinismus sagt für die Entwicklung keine Zielrichtung voraus.[4]

Ganz offensichtlich kann sich dies auf die biologische Evolution beziehen. Es gibt jedoch auch andere potentielle Bereiche, wovon das Mem, das als Replikator wirkt, wohl am bekanntesten ist. Es ist ein Konzept der Weitergabe und Veränderung von Ideen, das von Richard Dawkins in seinem Buch Das egoistische Gen (1976) eingeführt wurde. Es ist jedoch umstritten, ob dies ein darwinischer Prozess ist, da es keine zwingenden Anzeichen dafür gibt, dass die bei den Memen stattfindenden Mutationen zufälliger Natur sind.

James Beard: Es ist schon recht schräg, nicht wahr? (It Is Very Queer, Isn’t It?), 1885, Crystal Bridges Museum of American Art

Rudolf Virchow kritisierte 1877 die schnelle öffentliche Verbreitung des Darwinismus und befürchtete, diese könne in der Arbeiterschaft als „wissenschaftliche Bestätigung des Sozialismus“ aufgefasst werden. Darwin widersprach dem scharf.[11] Karl Marx und Friedrich Engels, die Darwins Schriften früh lasen und schätzten, kritisierten jedoch auch, dass Darwin mit der Hervorhebung des Selektionsdrucks und survival of the fittest Verhaltensmuster der „bürgerliche[n] Gesellschaft“ und der Bevölkerungsthese nach Malthus auf die Natur projiziert habe.[12] Engels führte die Kritik später in der zeitlebens nie veröffentlichten Dialektik der Natur aus.[13] Oscar Hertwig nahm in seiner Schrift Zur Abwehr des ethischen, des sozialen, des politischen Darwinismus (1918) gegen diese die gesellschaftliche Entwicklungen massiv beeinflussenden Strömungen ausführlich Stellung.[14][15] Hierbei bezog er sich primär auf die als Sozialdarwinismus bezeichnete politische Ideologie.

William Beard: Die Entdeckung Adams (The Discovery of Adam), 1891, Toledo Museum of Art
  • Charles Darwin: On the Origin of Species. Faksimile der Erstausgabe. Harvard University Press, Cambridge, MA 1964; 2003, ISBN 0-674-63752-6 (englisch).
  • Ernst Mayr: One Long Argument. Charles Darwin and the Genesis of Modern Evolutionary Thought. Harvard University Press, Cambridge, MA 1991, ISBN 0-674-63906-5 (englisch).
  • Franz Wuketits: Darwin und der Darwinismus (= Beck’sche Reihe, Band 2381: C. H. Beck Wissen). Beck, München 2005, ISBN 3-406-50881-2.
  • Günter Altner (Hrsg.): Der Darwinismus, Geschichte einer Theorie (= Wege der Forschung, Band 449). WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1981, ISBN 3-534-06738-X (Sammlung von historischen, kurzen zentralen Auszügen aus Originalarbeiten (four essays in English), die recht breit als „darwinistisch“ zu bezeichnen sind).
  • James Watson: Darwin: The Indelible Stamp, The Evolution of an Idea. Running Press, Philadelphia, PA 2005, ISBN 0-7624-2136-3 (englisch).
  • Thomas P. Weber: Darwinismus (= Fischer, Band 15367: Fischer kompakt). Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2002, ISBN 978-3-596-15367-1.
  • Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. Ursprung und Stammesentwicklung der Organismen. 4. Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-8252-8623-1.
Wiktionary: Darwinismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. E. O. Wilson sprach von „Scientists don’t call it ‘Darwinism’.“ in Jerry Adler (28. November 2005): Charles Darwin: Evolution of a Scientist. Newsweek.
  2. Huxley, T. H. (1860): Darwin On The origin of Species. In: Westminster Review. Band 17, S. 541–570.
  3. U. Kutschera: Tatsache Evolution. Was Darwin nicht wissen konnte. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009, S. 291–292.
  4. a b Wallace, A. R.: Darwinismus. An Exposition of the Theory of Natural Selection with some of its Applications. MacMillan & Co., London 1889, S. 8.
  5. Während in der angelsächsischen Welt dies als das fitteste Individuum angesehen wurde, wurde es in Deutschland als fitteste Rasse interpretiert, vgl. Arnd Krüger: A Horse Breeder’s Perspective. Scientific Racism in Germany. 1870–1933. In: Norbert Finzsch, Dietmar Schirmer (Hrsg.): Identity and Intolerance. Nationalism, Racism, and Xenophobia in Germany and the United States. University Press Cambridge, Cambridge 1998, ISBN 0-521-59158-9, S. 371–396.
  6. Hodgson, G. M. (2005): Generalizing Darwinism to social evolution: Some early attempts. Journal of Economic Issues, 39, S. 899–914.
  7. von Sydow, M. (2012).: From Darwinian Metaphysics towards Understanding the Evolution of Evolutionary Mechanisms. A Historical and Philosophical Analysis of Gene-Darwinism and Universal Darwinism. Universitätsverlag Göttingen.
  8. von Sydow, M. (2013): Darwinian Metaphysics. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) In: A. Runehov & L. Oviedo (Hrsg.): Encyclopedia of Sciences and Religions. Springer Science, Heidelberg und New York 2013, ISBN 978-1-4020-8264-1, S. 1306–1314, doi:10.1007/978-1-4020-8265-8.
  9. M. von Sydow: ‘Survival of the Fittest’ in Darwinian Metaphysics – Tautology or Testable Theory? (Memento vom 3. März 2016 im Internet Archive) In: E. Voigts, B. Schaff & M. Pietrzak-Franger (Hrsg.): Reflecting on Darwin. Ashgate, Farnham und London 2014, S. 199–222.
  10. Dennett, D. C.: Darwin's Dangerous Idea: Evolution and the Meanins of Life: Evolution and the Meanings of Life. Simon & Schuster, New York 1995, S. 343.
  11. Erhard Lucas: Marx' und Engels' Auseinandersetzung mit Darwin. In: International Review of Social History. Band 9, Nr. 3, Dezember 1964, ISSN 0020-8590, S. 436, doi:10.1017/S0020859000002637 (cambridge.org [abgerufen am 26. Dezember 2023]): „Virchow attackierte in einer improvisierten Rede auf der 50. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte 1877 in München die vorschnelle Popularisierung des wissenschaftlich noch gar nicht einwandfrei gesicherten Darwinismus und wies dabei warnend auf die Wirkung hin, die eine solche Popularisierung bereits in den Köpfen ungebildeter sozialistischer Arbeiter anrichte: man nehme sie dort als wissenschaftliche Bestätigung des Sozialismus. [...] [Darwin:] "eine thörichte [sic!] Idee"“
  12. Dieter Groh: MARX, ENGELS UND DARWIN: NATURGESETZLICHE ENTWICKLUNG ODER REVOLUTION? Zum Problem der Einheit von Theorie und Praxis. In: Politische Vierteljahresschrift. Band 8, Nr. 4, 1967, ISSN 0032-3470, S. 553, JSTOR:24194245: „[Engels an Marx über Darwin:] "ganz famos" [...] Marx warf Darwin in einem Brief an Engels 1862 vor, Kategorien der Gesellschaftswissenschaften in die Natur übertragen und das "Tierreich als bürgerliche Gesellschaft" dargestellt zu haben. [...] [Marx:] "Auch fiel gleich bei der ersten Lektüre Darwins die frappante Ähnlichkeit [...] mit der Malthusschen Theorie auf."“
  13. Friedrich Engels: Dialektik der Natur. Abschnitt "Biologie". In: MLWerke. Abgerufen am 26. Dezember 2023: „Die ganze Darwinsche Lehre vom Kampf ums Dasein ist einfach die Übertragung der Hobbesschen Lehre vom bellum omnium contra omnes [Krieg aller gegen alle], und der bürgerlichen ökonomischen von der Konkurrenz, sowie der Malthusschen Bevölkerungstheorie aus der Gesellschaft in die belebte Natur. Nachdem man dies Kunststück fertiggebracht (dessen unbedingte Berechtigung, besonders was die Malthussche Lehre angeht, noch sehr fraglich), ist es sehr leicht, diese Lehren aus der Naturgeschichte wieder in die Geschichte der Gesellschaft zurückzuübertragen, und eine gar zu starke Naivität, zu behaupten, man habe damit diese Behauptungen als ewige Naturgesetze der Gesellschaft nachgewiesen.“
  14. Oscar Hertwig: Zur Abwehr des ethischen, des sozialen, des politischen Darwinismus. Jena 1921.
  15. Kutschera, U.: Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design. Lit-Verlag, Berlin 2004, S. 270–273.