Zum Inhalt springen

„Vertrag von Maastricht“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
AndreasE (Diskussion | Beiträge)
daten angepasst (1992 in einleitung, s. disk.)
K typografische Anführungszeichen, Links optimiert, Kleinkram
 
(555 dazwischenliegende Versionen von mehr als 100 Benutzern, die nicht angezeigt werden)
Zeile 1: Zeile 1:
{{Dieser Artikel|ist mit dem EU-Vertrag in der Fassung von 1993 befasst. Für die aktuelle Fassung siehe [[Vertrag über die Europäische Union]].}}
Der '''Vertrag über die Europäische Union''' (auch als '''Vertrag von Maastricht''' bezeichnet) wurde im Februar [[1992]] im niederländischen [[Maastricht]] vom [[Europäischer Rat| Europäischen Rat]] unterzeichnet und stellt die bis dahin größte Änderung der Verträge seit der Gründung der [[Europäische Gemeinschaft | Europäischen Gemeinschaft ]] dar. Mit diesem Vertragswerk wurde die [[Europäische Union]] als übergeordneter Verbund gegründet.
[[Datei:GER — BY — Regensburg - Donaumarkt 1 (Museum der Bayerischen Geschichte; Vertrag von Maastricht).JPG|mini|Vertrag von Maastricht (Schriftform)]]
[[Datei:EU12-1992-93 European Union map.svg|mini|[[Europäische Union]] 1992/93]]

Als '''Vertrag von Maastricht''' wird das Vertragswerk bezeichnet, das unter anderem die ursprüngliche Fassung des [[Vertrag über die Europäische Union|Vertrags über die Europäische Union]] (EUV) enthält.

Der Vertrag von Maastricht wurde am 7. Februar 1992 im niederländischen [[Maastricht]] vom [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]] unterzeichnet. Er stellt den bis dahin größten Schritt der [[Europäische Integration|europäischen Integration]] seit der Gründung der [[Europäische Gemeinschaften|Europäischen Gemeinschaften]] (EG) dar.

Mit diesem Vertragswerk, das an die Stelle der 1957 geschlossenen [[Römische Verträge|Römischen Verträge]] trat, wurde die [[Europäische Union]] (EU) als übergeordneter Verbund für die Europäischen Gemeinschaften, die [[gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik]] sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen [[Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts|Justiz und Inneres]] gegründet.

Abgesehen von dem eigentlichen EU-Vertrag enthält der Vertrag von Maastricht auch Bestimmungen zu umfassenden Änderungen der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, also des [[Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft|EG-Vertrags]], des [[EURATOM-Vertrag#EURATOM-Vertrag|EURATOM-Vertrags]] und des damals noch in Kraft befindlichen [[Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl|EGKS-Vertrags]]. Er trat am 1. November 1993 in Kraft. Der damit geschaffene Rechtsstand wurde zum 1. Mai 1999 durch den [[Vertrag von Amsterdam]] erneut geändert.


== Einführung ==
== Einführung ==
[[Datei:Stone memorial in front of the entry to the Limburg Province government building in Maastricht, Netherlands, commemorating the signing of the Maastricht Treaty in February 1992.jpg|mini|Erinnerungsstele in Maastricht]]
Nach Verhandlungen, die im Dezember 1991 in Maastricht stattfanden, wurde der Vertrag bereits am 7. Februar 1992 unterzeichnet. Wegen einiger Hindernisse im [[Ratifizierung]]sverfahren (Zustimmung der [[Dänen|dänischen]] [[Bevölkerung]] erst in einem zweiten [[Referendum]]; [[Verfassung]]sklage in [[Deutschland]] gegen die parlamentarische Zustimmung zum Vertrag) konnte er jedoch erst am 1. November 1993 in Kraft treten konnte. Er bezeichnet sich selbst als „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der [[Völker]] Europas“.[[Bild:Saeulenmodell_EU.png|thumb|Die [[drei Säulen der Europäischen Union]]]]


Nach Verhandlungen, die im Dezember 1991 in Maastricht stattfanden, wurde der Vertrag am 7. Februar 1992 unterzeichnet. Wegen einiger Hindernisse im [[Ratifizierung]]sverfahren ([[Geschichte Dänemarks#Nachkriegszeit|Zustimmung der dänischen Bevölkerung]] erst in einem zweiten [[Volksabstimmung in Dänemark 1993 zum Vertrag von Maastricht|Referendum]]; [[Maastricht-Urteil|Verfassungsklage in Deutschland]] gegen die parlamentarische Zustimmung zum Vertrag) konnte er erst am 1. November 1993 in Kraft treten. Er bezeichnet sich selbst als „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der [[Volk|Völker]] Europas“.
Er beinhaltet neben einer Reihe von Änderungen des [[EG-Vertrag]]es und des [[Euratom]]-Vertrages den [[Gründungsakt der Europäischen Union]] (vgl. Präambel des EU-Vertrags), ohne diesen allerdings selbst zu vollenden. Es war – wie auch die Entwicklung der EG – ein erster Teilschritt auf dem Weg hin zu einer endgültigen [[EU-Verfassung]], die die EU-Verträge später ersetzen soll.


Er beinhaltet neben einer Reihe von Änderungen des [[Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft|EG-Vertrages]] und des [[Europäische Atomgemeinschaft|Euratom]]-Vertrages den Gründungsakt der Europäischen Union (vgl. Präambel des EU-Vertrags), ohne diesen selbst zu vollenden. Es war – wie auch die Entwicklung der EG – ein erster Teilschritt auf dem Weg hin zu einer [[Vertrag über eine Verfassung für Europa|EU-Verfassung]], die die EU-Verträge später ersetzen soll.
Die hiermit gegründete Europäische Union ersetzt nicht die Europäischen Gemeinschaften (Artikel 47 EU- Vertrag), sondern stellt diese mit den neuen „Politiken und Formen der Zusammenarbeit“ (Artikel 2 EU-Vertrag) unter ein gemeinsames Dach. Zusammen mit anderen Elementen bilden die Europäischen Gemeinschaften die [[drei Säulen der Europäischen Union]]:


Die hiermit gegründete Europäische Union ersetzt nicht die Europäischen Gemeinschaften (Artikel 47 EU-Vertrag), sondern stellt diese mit den neuen „Politiken und Formen der Zusammenarbeit“ (Artikel 2 EU-Vertrag) unter ein gemeinsames Dach. Zusammen mit anderen Elementen bilden die Europäischen Gemeinschaften die [[drei Säulen der Europäischen Union]]:
* die [[Europäische Gemeinschaft|Europäischen Gemeinschaften]]

* die [[Europäische Gemeinschaften|Europäischen Gemeinschaften]]
* die [[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union|Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)]],
* die [[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union|Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)]],
* die [[Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen]].
* die [[polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen]] (PJZS).


[[Datei:Saeulenmodell EU.svg]]
== Inhalt des Vertrages ==


== Zeitliche Einordnung ==

{{Europäische Union Geschichte}}

== Inhalt des Vertrages ==
=== Währungs- und Wirtschaftsunion ===
=== Währungs- und Wirtschaftsunion ===
[[Datei:Staatsverschuldung in Europa.png|mini|Defizit / Überschuss Europäischer Staatshaushalte bis 2011 in % des BIP]]
Im Mittelpunkt des Vertrages stehen Änderungen des EG-Vertrages, in den insbesondere die Bestimmungen zur Schaffung der [[Europäische Wirtschafts- und Währungsunion|Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion]] in drei Stufen eingefügt werden. Laut Vertragstext sollte frühestens zum 1. Januar 1997, spätestens zum 1. Januar 1999 in der EU eine gemeinsame Währung ([[Euro]]) eingeführt werden. Damit ein Land an der Währungsunion teilnehmen kann, muss es bestimmte wirtschaftliche Kriterien (die [[EU-Konvergenzkriterien]], auch als Maastricht-Kriterien bezeichnet) erfüllen, durch die die Stabilität der gemeinsamen Währung gesichert werden soll. Dabei handelt es sich um Kriterien, die Haushalts-, Preisniveau-, Zinssatz- und Wechselkursstabilität gewährleisten sollen. Das Kriterium der Haushaltsstabilität ([[Haushaltssaldo|Defizitquote]] unter 3 % und [[Staatsverschuldung|Schuldenstandsquote]] unter 60 % des [[BIP]]) wurde als dauerhaftes Kriterium ausgelegt ([[Stabilitäts- und Wachstumspakt]]), die anderen Kriterien müssen Mitgliedstaaten nur vor der Euro-Einführung erfüllen.


Im Vertrag war festgelegt, dass Länder, die die Konvergenzkriterien erfüllen (worüber der Ministerrat zu entscheiden hat), dem Euro nach dieser Zeit beitreten ''müssen.'' Lediglich Großbritannien und Dänemark behielten sich das Recht vor, selbst über den Beitritt zur Währungsunion zu entscheiden (sog. ''[[Eurozone#Mögliche Erweiterungen der Eurozone|opting out]]'').
Im Zentrum des Vertrages stehen die Bestimmungen zur Schaffung der [[Europäische Wirtschafts- und Währungsunion|Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion]] in drei Stufen. Laut Vertragstext sollte frühestens zum 1. Januar 1997, spätestens zum 1. Januar 1999 in der EU eine gemeinsame Währung ([[Euro]]) eingeführt werden. Damit ein Land an der Währungsunion teilnehmen kann, muss es bestimmte wirtschaftliche Kriterien ([[EU-Konvergenzkriterien|Konvergenzkriterien]]) erfüllen, durch die die Stabilität der gemeinsamen Währung gesichert werden soll. Die Konvergenzkriterien lauten: finanzpolitisches -, Preisniveau-, Zins- und Wechselkurskriterium. Wobei das finanzpolitische Kriterium (Defizitquote < 3% und Schuldenstandsquote < 60%) als dauerhaftes Kriterium ausgelegt wurde, die anderen Kriterien galten nur im Referenzjahr 1997.


Der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchwährung eingeführt (am 1. Januar 2002 als Bargeld); ab dem 1. Januar 1999 waren die Wechselkurse zwischen den beteiligten Währungen fixiert.
Mit der Unterzeichnung des Vertrages wurde ein Automatismus in Gang gesetzt, nach dem Länder, die die Konvergenzkriterien erfüllen, worüber der Ministerrat zu entscheiden hat, auch der gemeinsamen Währung beitreten. Lediglich Großbritannien und Dänemark behielten sich das Recht vor, selbst über den Beitritt zur Währungsunion zu entscheiden (sog. ''opting out'').


=== Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ===
=== Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ===

Die bisherige [[Europäische Politische Zusammenarbeit]] (EPZ) wird mit dem Vertrag von Maastricht durch die [[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik]] (GASP) ersetzt. Obwohl die GASP eine Säule der EU darstellt, bleiben die Entscheidungen letztlich in den Händen der Nationalstaaten. Für die meisten Beschlüsse gilt deshalb das [[Einstimmigkeitsprinzip]].
Die bisherige [[Europäische Politische Zusammenarbeit]] (EPZ) wird mit dem Vertrag von Maastricht durch die [[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik]] (GASP) ersetzt. Obwohl die GASP eine Säule der EU darstellt, bleiben die Entscheidungen letztlich in den Händen der Nationalstaaten. Für die meisten Beschlüsse gilt deshalb das [[Einstimmigkeitsprinzip]].
Das Ergebnis war eine Riesenenttäuschung für Bundeskanzler [[Helmut Kohl]], für den die Gründung einer Politischen Union ein lebenslanger Traum war.<ref>Christoph Driessen: ''Griff nach den Sternen. Die Geschichte der Europäischen Union'' Regensburg 2024, S. 193.</ref> Noch kurz vor dem Gipfel von Maastricht hatte er im Bundestag erklärt, es sei eine Lehre aus der Geschichte, dass „die Vorstellung, man könne eine Wirtschafts- und Währungsunion ohne Politische Union auf Dauer erhalten, abwegig ist“. Verhindert wurde die Einführung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durch Kohls Freund, den französischen Präsidenten [[Francois Mitterrand]]. Ihm seien „derart tiefe Einschnitte in die nationale Souveränität viel zu weit“ gegangen, schreibt der EU-Historiker [[Christoph Driessen]].<ref>Christoph Driessen: ''Griff nach den Sternen. Die Geschichte der Europäischen Union'' Regensburg 2024, S. 186.</ref>


=== Die Unionsbürgerschaft ===
=== Unionsbürgerschaft ===
Mit dem Vertrag wurde die [[Unionsbürgerschaft]] eingeführt. Sie ersetzt nicht die Staatsbürgerschaft, sondern ergänzt diese. Die Unionsbürgerschaft erhält jeder, der die Staatsbürgerschaft eines der Mitgliedsstaaten der EU besitzt. Er erhält damit unter anderem eine Aufenthaltserlaubnis in der gesamten Union, das [[Wahlrecht#Aktives Wahlrecht|aktive]] und [[Wahlrecht#Passives Wahlrecht|passive]] Kommunalwahlrecht im Wohnstaat, sowie das Recht, das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] unabhängig von der Staatsbürgerschaft in der gesamten EU jeweils am Wohnsitz zu wählen.


Außerdem erhielten Unionsbürger das Recht, [[Petition]]en an das Europäische Parlament zu richten, wo zu diesem Zweck ein [[Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments|Petitionsausschuss]] gegründet wurde. Als Ansprechpartner bei Beschwerden wurde das Amt des [[Europäischer Bürgerbeauftragter|Europäischen Bürgerbeauftragten]] eingerichtet.
Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die [[Unionsbürgerschaft]] eingeführt. Sie ersetzt nicht die Staatsbürgerschaft, sondern ergänzt diese. Die Unionsbürgerschaft erhält jeder, der die Staatsbürgerschaft eines der Länder der EU besitzt. Er erhält damit unter anderem eine Aufenthaltserlaubnis in der gesamten Union, das aktive und passive Kommunalwahlrecht, sowie das Recht das europäische Parlament unabhängig vom Wohnsitz in der gesamten EU zu wählen.


=== Demokratisierung ===
=== Demokratisierung ===
Eine weitere Neuerung ist die Einführung des [[Ordentliches Gesetzgebungsverfahren|Mitentscheidungsverfahrens]]. Damit wurde das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] in einigen Bereichen auf die gleiche Stufe wie der [[Rat der Europäischen Union|Ministerrat]] gestellt. Außerdem wurden erstmals die [[Europäische politische Partei|europäischen politischen Parteien]] vertraglich anerkannt, was eine Finanzierung der europaweiten Parteibündnisse aus EU-Mitteln ermöglichte.


Ferner wurde die Einrichtung des [[Europäischer Ausschuss der Regionen|Ausschusses der Regionen]] beschlossen, der eine angemessene Vertretung der Regionen, wie etwa in Deutschland der Bundesländer, garantieren soll.
Eine weitere Neuerung war die Einführung des [[Mitentscheidungsverfahren]]s. Damit wurde das [[Europäisches Parlament | Europäische Parlament]] in einigen Bereichen auf die gleiche Stufe wie der [[Rat der Europäischen Union|Ministerrat]] gestellt.
Außerdem wurde die Einrichtung des [[Ausschuss der Regionen|Ausschusses der Regionen]] beschlossen, die eine angemessene Vertretung der Regionen, wie etwa in Deutschland der Bundesländer, garantieren sollten. Sie führten den Weg Bismarcks weiter, der sich schon 1871 für eine Gründung der europäischen Gemeinschaft aussprach.


=== Justiz und Inneres ===
=== Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik ===
Außerdem wurde im Vertrag eine Verbesserung der [[Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts|Zusammenarbeit im Bereich der Justiz und des Inneren]] beschlossen. Wie bei der zweiten Säule, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, blieb aber auch in diesem Bereich das Einstimmigkeitsprinzip weitgehend erhalten. Für die bessere Koordination der polizeilichen Zusammenarbeit wurde die Europäische Polizeibehörde [[Europol]] gegründet.


=== Protokoll über die Sozialpolitik ===
Außerdem wurde im Vertrag eine Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich der Justiz und des Inneren beschlossen. Wie bei der zweiten Säule, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, blieb aber auch in diesem Bereich das Einstimmigkeitsprinzip weitgehend erhalten. Für die bessere Koordination der polizeilichen Zusammenarbeit wurde die Europäische Polizeibehörde [[Europol]] gegründet.

Dem Vertrag von Maastricht waren ein [[Sozialprotokoll|Protokoll über die Sozialpolitik]] und ein Abkommen zwischen elf der damaligen Mitgliedstaaten (ohne Großbritannien) beigefügt, mit dem erweiterte gemeinschaftliche Zuständigkeiten insbesondere zur Setzung arbeitsrechtlicher Mindestnormen und bei der Förderung des Sozialen Dialogs auf Gemeinschaftsebene geschaffen wurden. Großbritannien hatte sich als einziger Mitgliedstaat gegen diesen (vergleichsweise kleinen) Schritt zur Vertiefung der Integration im Bereich der Sozialpolitik ausgesprochen und eine Aufnahme in den Vertrag blockiert, sodass die übrigen Mitgliedstaaten diesen integrationspolitischen ''Zwischenschritt'' wählten.

Das Maastrichter Sozialprotokoll bzw. Sozialabkommen ist damit ein gutes Beispiel für eine Politik der abgestuften Integration (''Europa der zwei Geschwindigkeiten''), bei der nicht alle Integrationsschritte zur gleichen Zeit von allen Mitgliedstaaten vollzogen werden müssen.
1997 gab Großbritannien unter der neu gewählten Regierung von [[Tony Blair]] seinen Widerstand gegen eine vertiefte gemeinschaftliche Sozialpolitik auf, sodass der Text des Sozialabkommens mit dem [[Vertrag von Amsterdam]] als Artikel 137 ff. in den EG-Vertrag aufgenommen werden konnte. Das erste Gesetz, das durch den Sozialdialog angenommen worden ist, ist die Richtlinie 96/34/EG zum Elternurlaub.


=== Sonstiges ===
=== Sonstiges ===
* Mit dem Vertrag erhielten die europäischen Institutionen erstmals auch Zuständigkeiten im Bereich der [[Kultur]] (damals Art. 128 EG-Vertrag, seit dem [[Vertrag von Nizza]] Art. 151 EG-Vertrag). Die späteren Förderprogramme [[Raphael (Förderprogramm)|Raphael]], [[Ariane (Förderprogramm)|Ariane]] und [[Kaleidoskop (Förderprogramm)|Kaleidoskop]] sowie das Rahmenprogramm [[Kultur 2000]] haben hier ihre Rechtsgrundlage.


* Das so genannte [[Maastricht-Urteil]] des [[Bundesverfassungsgericht]]s ([[BVerfGE]] 89, 155) vom 12. Oktober 1993 befasste sich mit dem geschlossenen Vertrag. Das Gericht billigte das Vertragswerk als mit dem [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] vereinbar, machte jedoch dem deutschen Gesetzgeber Auflagen für die Umsetzung im Hinblick auf die demokratische Legitimation des [[Staatenverbund]]es.
Mit dem Vertrag von Maastricht erhielten die europäischen Institutionen erstmals auch Zuständigkeiten im Bereich der [[Kultur]] (damals Art. 128 EG-Vertrag, seit dem [[Vertrag von Nizza]] Art. 151 EG-Vertrag). Die späteren Förderprogramme [[RAPHAEL]], [[ARIANE]] und [[KALEIDOSKOP]] und das Rahmenprogramm [[KULTUR 2000]] haben hier ihre Rechtsgrundlage.


== Weitere Entwicklung ==
== Kritik ==
Direkt nach seiner Unterzeichnung wurde von 62 deutschen Wirtschaftswissenschaftlern das eurokritische Manifest ''[[Die währungspolitischen Beschlüsse von Maastricht: Eine Gefahr für Europa]]'' veröffentlicht, in dem vor einer überhasteten und fehlerhaften Umsetzung der Vertragsinhalte gewarnt wurde. Kritisiert wurde vor allem die Einführung einer Währungsunion, da große makroökonomische Strukturunterschiede bestünden und nationale Interessen eine gemeinsame Preisstabilität erschweren könnten. Das Manifest der Professoren löste eine breite Diskussion aus, blieb politisch aber folgenlos.<ref>[[Georg Kreis]]: ''Gerechtigkeit für Europa.'' Eine Kritik der EU-Kritik. Schwabe Verlag, Basel 2017, ISBN 978-3-7965-3743-1, S.&nbsp;164. ([https://books.google.de/books?id=wMmnDwAAQBAJ&pg=PA164 eingeschränkte Vorschau bei Google-Books])</ref>


Die geforderten Regeln zur Reduktion der Staatsschulden standen in der Kritik, eine [[Keynesianismus|keynesianistische Wirtschaftspolitik]] unmöglich zu machen und damit die Rahmenbedingungen einer klassischen [[Sozialdemokratie|sozialdemokratischen]] Politik auszuschließen. Der Vertrag stieß daher auf starke Kritik in der [[Arbeiterbewegung]] und bei [[Gewerkschaft]]en. Um die Kriterien zu erfüllen, mussten viele Länder der EU starke Kürzungen ihrer Ausgaben vornehmen, obwohl die EU-weite Arbeitslosenquote von 10 % schon vergleichsweise hoch war.<ref>{{Literatur |Autor=Kate Hudson |Titel=The New European Left |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum= |ISBN=978-1-349-32054-7 |DOI=10.1057/9781137265111 |Seiten=7 ff.}}</ref> Die Kriterien standen im Verdacht, bloß ein Argument zur Durchsetzung einer [[Neoliberalismus|neoliberalen]] [[Austerität]]spolitik zu sein. [[Ralph Rotte]] und [[Klaus F. Zimmermann]] stellten in diesem Zusammenhang 1998 fest: „Es spricht viel für die Hypothese, dass die Regierungen Maastricht tatsächlich als Instrument nutzen, um fiskalische Zurückhaltung zu erzwingen.“<ref>{{Literatur |Autor=Ralph Rotte, Klaus F. Zimmermann |Titel=Fiscal Restraint and the Political Economy of EMU |Sammelwerk=Public Choice |Band=94 |Nummer=3/4 |Datum=1998 |ISSN=0048-5829 |Seiten=385–406}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Anne Karrass |Titel=Die Europäische Union als Beispiel für institutionalisierte (Sach-)Zwänge |Hrsg=[[Christoph Butterwegge]], [[Bettina Lösch]], [[Ralf Ptak]] |Sammelwerk=Neoliberalismus |Verlag=VS Verlag für Sozialwissenschaften |Datum=2008 |DOI=10.1007/978-3-531-90899-1 |Seiten=254}}</ref>
Der EU-Vertrag wurde mit dem [[Vertrag von Amsterdam]] und den darauf folgenden Verträgen erweitert, z.B. wurde darin die Stellung des Europäischen
Parlaments durch eine Verbesserung des Mitentscheidungsverfahrens und dessen Ausweitung weiter gestärkt.


Siehe auch: [[Stabilitäts- und Wachstumspakt]]
== Siehe auch ==
{{Portal|Europäische Union}}
* [[Vertrag über eine Verfassung für Europa]]
* [[Eurokrise]], [[Griechische Staatsschuldenkrise ab 2010|griechische Finanzkrise]]


== Literatur ==
* [[Christoph Driessen]]: ''Griff nach den Sternen. Die Geschichte der Europäischen Union'', Verlag Friedrich Pustet Regensburg 2024, ISBN 978-3-7917-3474-3
* Carl-Otto Lenz, Klaus-Dieter Borchardt (Hrsg.): ''EU-Verträge. Kommentar,'' Bundesanzeiger Verlag Köln, 5. Aufl. 2010, ISBN 978-3-89817-702-3
* Jürgen Schwarze, Ulrich Becker, u.&nbsp;a.: ''EU-Kommentar,'' Nomos Verlag Baden-Baden, 2. Aufl. 2009, ISBN 978-3-8329-2847-6
* Dietmar Herz, Christian Jetzlsperger: ''Die Europäische Union,'' C.H.Beck München, 2. Aufl. 2008, ISBN 978-3-406-57622-5


== Weblinks ==
{{Navigationsleiste Europäische Verträge}}
{{Commonscat|Maastricht Treaty|Vertrag von Maastricht}}
* {{CELEX|11992M/TXT|''Vertrag über die Europäische Union, unterzeichnet zu Maastricht am 7. Februar 1992''}}. In: ''[[Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften]].'' C&nbsp;191, 29. Juli 1992, ISSN 0376-9461.
* {{CELEX|11992E/TXT|''Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft''}} in der gemäß Titel II VEU konsolidierten Fassung gültig ab 1. November 1993. In: ''Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.'' C 224 vom 31. August 1992, S. 6–79.


== Anmerkungen ==
[[Kategorie:Europäischer Vertrag]]
<references />
[[Kategorie:Zoll]]

[[Kategorie:1991]]
{{Navigationsleiste Europäische Verträge}}
{{Normdaten|TYP=w|GND=4510028-7}}


[[Kategorie:Europäisches Primärrecht]]
[[ar:معاهدة الاتحاد الأوروبي]]
[[Kategorie:Vertrag (Europäische Union)]]
[[bg:Маастрихтски договор]]
[[Kategorie:Rechtsgeschichte der Europäischen Union]]
[[ca:Tractat de Maastricht]]
[[Kategorie:Politik 1991]]
[[cs:Maastrichtská smlouva]]
[[cy:Cytundeb Maastricht]]
[[Kategorie:Geschichte (Maastricht)]]
[[Kategorie:Staatsverschuldung]]
[[da:Maastricht-traktaten]]
[[Kategorie:Vertrag (20. Jahrhundert)|Maastricht]]
[[en:Maastricht Treaty]]
[[es:Tratado de la Unión Europea]]
[[fi:Maastrichtin sopimus]]
[[fr:Traité de Maastricht]]
[[gl:Tratado de Maastricht]]
[[he:אמנת מאסטריכט]]
[[hu:Maastrichti szerződés]]
[[is:Maastrichtsamningurinn]]
[[it:Trattato di Maastricht]]
[[ja:マーストリヒト条約]]
[[ka:მაასტრიხტის ხელშეკრულება]]
[[lb:Traité iwwert d'Europäesch Unioun]]
[[li:Tractaot vaan Mestreech]]
[[nl:Verdrag van Maastricht]]
[[pl:Traktat z Maastricht]]
[[pt:Tratado de Maastricht]]
[[ro:Tratatul de la Maastricht]]
[[sr:Мастрихтски уговор]]
[[sv:Maastrichtavtalet]]
[[zh:欧洲联盟条约]]

Aktuelle Version vom 30. November 2024, 22:49 Uhr

Vertrag von Maastricht (Schriftform)
Europäische Union 1992/93

Als Vertrag von Maastricht wird das Vertragswerk bezeichnet, das unter anderem die ursprüngliche Fassung des Vertrags über die Europäische Union (EUV) enthält.

Der Vertrag von Maastricht wurde am 7. Februar 1992 im niederländischen Maastricht vom Europäischen Rat unterzeichnet. Er stellt den bis dahin größten Schritt der europäischen Integration seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) dar.

Mit diesem Vertragswerk, das an die Stelle der 1957 geschlossenen Römischen Verträge trat, wurde die Europäische Union (EU) als übergeordneter Verbund für die Europäischen Gemeinschaften, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres gegründet.

Abgesehen von dem eigentlichen EU-Vertrag enthält der Vertrag von Maastricht auch Bestimmungen zu umfassenden Änderungen der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, also des EG-Vertrags, des EURATOM-Vertrags und des damals noch in Kraft befindlichen EGKS-Vertrags. Er trat am 1. November 1993 in Kraft. Der damit geschaffene Rechtsstand wurde zum 1. Mai 1999 durch den Vertrag von Amsterdam erneut geändert.

Erinnerungsstele in Maastricht

Nach Verhandlungen, die im Dezember 1991 in Maastricht stattfanden, wurde der Vertrag am 7. Februar 1992 unterzeichnet. Wegen einiger Hindernisse im Ratifizierungsverfahren (Zustimmung der dänischen Bevölkerung erst in einem zweiten Referendum; Verfassungsklage in Deutschland gegen die parlamentarische Zustimmung zum Vertrag) konnte er erst am 1. November 1993 in Kraft treten. Er bezeichnet sich selbst als „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas“.

Er beinhaltet neben einer Reihe von Änderungen des EG-Vertrages und des Euratom-Vertrages den Gründungsakt der Europäischen Union (vgl. Präambel des EU-Vertrags), ohne diesen selbst zu vollenden. Es war – wie auch die Entwicklung der EG – ein erster Teilschritt auf dem Weg hin zu einer EU-Verfassung, die die EU-Verträge später ersetzen soll.

Die hiermit gegründete Europäische Union ersetzt nicht die Europäischen Gemeinschaften (Artikel 47 EU-Vertrag), sondern stellt diese mit den neuen „Politiken und Formen der Zusammenarbeit“ (Artikel 2 EU-Vertrag) unter ein gemeinsames Dach. Zusammen mit anderen Elementen bilden die Europäischen Gemeinschaften die drei Säulen der Europäischen Union:

Zeitliche Einordnung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inhalt des Vertrages

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Währungs- und Wirtschaftsunion

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Defizit / Überschuss Europäischer Staatshaushalte bis 2011 in % des BIP

Im Mittelpunkt des Vertrages stehen Änderungen des EG-Vertrages, in den insbesondere die Bestimmungen zur Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen eingefügt werden. Laut Vertragstext sollte frühestens zum 1. Januar 1997, spätestens zum 1. Januar 1999 in der EU eine gemeinsame Währung (Euro) eingeführt werden. Damit ein Land an der Währungsunion teilnehmen kann, muss es bestimmte wirtschaftliche Kriterien (die EU-Konvergenzkriterien, auch als Maastricht-Kriterien bezeichnet) erfüllen, durch die die Stabilität der gemeinsamen Währung gesichert werden soll. Dabei handelt es sich um Kriterien, die Haushalts-, Preisniveau-, Zinssatz- und Wechselkursstabilität gewährleisten sollen. Das Kriterium der Haushaltsstabilität (Defizitquote unter 3 % und Schuldenstandsquote unter 60 % des BIP) wurde als dauerhaftes Kriterium ausgelegt (Stabilitäts- und Wachstumspakt), die anderen Kriterien müssen Mitgliedstaaten nur vor der Euro-Einführung erfüllen.

Im Vertrag war festgelegt, dass Länder, die die Konvergenzkriterien erfüllen (worüber der Ministerrat zu entscheiden hat), dem Euro nach dieser Zeit beitreten müssen. Lediglich Großbritannien und Dänemark behielten sich das Recht vor, selbst über den Beitritt zur Währungsunion zu entscheiden (sog. opting out).

Der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchwährung eingeführt (am 1. Januar 2002 als Bargeld); ab dem 1. Januar 1999 waren die Wechselkurse zwischen den beteiligten Währungen fixiert.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die bisherige Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) wird mit dem Vertrag von Maastricht durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ersetzt. Obwohl die GASP eine Säule der EU darstellt, bleiben die Entscheidungen letztlich in den Händen der Nationalstaaten. Für die meisten Beschlüsse gilt deshalb das Einstimmigkeitsprinzip. Das Ergebnis war eine Riesenenttäuschung für Bundeskanzler Helmut Kohl, für den die Gründung einer Politischen Union ein lebenslanger Traum war.[1] Noch kurz vor dem Gipfel von Maastricht hatte er im Bundestag erklärt, es sei eine Lehre aus der Geschichte, dass „die Vorstellung, man könne eine Wirtschafts- und Währungsunion ohne Politische Union auf Dauer erhalten, abwegig ist“. Verhindert wurde die Einführung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durch Kohls Freund, den französischen Präsidenten Francois Mitterrand. Ihm seien „derart tiefe Einschnitte in die nationale Souveränität viel zu weit“ gegangen, schreibt der EU-Historiker Christoph Driessen.[2]

Unionsbürgerschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Vertrag wurde die Unionsbürgerschaft eingeführt. Sie ersetzt nicht die Staatsbürgerschaft, sondern ergänzt diese. Die Unionsbürgerschaft erhält jeder, der die Staatsbürgerschaft eines der Mitgliedsstaaten der EU besitzt. Er erhält damit unter anderem eine Aufenthaltserlaubnis in der gesamten Union, das aktive und passive Kommunalwahlrecht im Wohnstaat, sowie das Recht, das Europäische Parlament unabhängig von der Staatsbürgerschaft in der gesamten EU jeweils am Wohnsitz zu wählen.

Außerdem erhielten Unionsbürger das Recht, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten, wo zu diesem Zweck ein Petitionsausschuss gegründet wurde. Als Ansprechpartner bei Beschwerden wurde das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten eingerichtet.

Demokratisierung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine weitere Neuerung ist die Einführung des Mitentscheidungsverfahrens. Damit wurde das Europäische Parlament in einigen Bereichen auf die gleiche Stufe wie der Ministerrat gestellt. Außerdem wurden erstmals die europäischen politischen Parteien vertraglich anerkannt, was eine Finanzierung der europaweiten Parteibündnisse aus EU-Mitteln ermöglichte.

Ferner wurde die Einrichtung des Ausschusses der Regionen beschlossen, der eine angemessene Vertretung der Regionen, wie etwa in Deutschland der Bundesländer, garantieren soll.

Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außerdem wurde im Vertrag eine Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich der Justiz und des Inneren beschlossen. Wie bei der zweiten Säule, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, blieb aber auch in diesem Bereich das Einstimmigkeitsprinzip weitgehend erhalten. Für die bessere Koordination der polizeilichen Zusammenarbeit wurde die Europäische Polizeibehörde Europol gegründet.

Protokoll über die Sozialpolitik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Vertrag von Maastricht waren ein Protokoll über die Sozialpolitik und ein Abkommen zwischen elf der damaligen Mitgliedstaaten (ohne Großbritannien) beigefügt, mit dem erweiterte gemeinschaftliche Zuständigkeiten insbesondere zur Setzung arbeitsrechtlicher Mindestnormen und bei der Förderung des Sozialen Dialogs auf Gemeinschaftsebene geschaffen wurden. Großbritannien hatte sich als einziger Mitgliedstaat gegen diesen (vergleichsweise kleinen) Schritt zur Vertiefung der Integration im Bereich der Sozialpolitik ausgesprochen und eine Aufnahme in den Vertrag blockiert, sodass die übrigen Mitgliedstaaten diesen integrationspolitischen Zwischenschritt wählten.

Das Maastrichter Sozialprotokoll bzw. Sozialabkommen ist damit ein gutes Beispiel für eine Politik der abgestuften Integration (Europa der zwei Geschwindigkeiten), bei der nicht alle Integrationsschritte zur gleichen Zeit von allen Mitgliedstaaten vollzogen werden müssen. 1997 gab Großbritannien unter der neu gewählten Regierung von Tony Blair seinen Widerstand gegen eine vertiefte gemeinschaftliche Sozialpolitik auf, sodass der Text des Sozialabkommens mit dem Vertrag von Amsterdam als Artikel 137 ff. in den EG-Vertrag aufgenommen werden konnte. Das erste Gesetz, das durch den Sozialdialog angenommen worden ist, ist die Richtlinie 96/34/EG zum Elternurlaub.

  • Mit dem Vertrag erhielten die europäischen Institutionen erstmals auch Zuständigkeiten im Bereich der Kultur (damals Art. 128 EG-Vertrag, seit dem Vertrag von Nizza Art. 151 EG-Vertrag). Die späteren Förderprogramme Raphael, Ariane und Kaleidoskop sowie das Rahmenprogramm Kultur 2000 haben hier ihre Rechtsgrundlage.

Direkt nach seiner Unterzeichnung wurde von 62 deutschen Wirtschaftswissenschaftlern das eurokritische Manifest Die währungspolitischen Beschlüsse von Maastricht: Eine Gefahr für Europa veröffentlicht, in dem vor einer überhasteten und fehlerhaften Umsetzung der Vertragsinhalte gewarnt wurde. Kritisiert wurde vor allem die Einführung einer Währungsunion, da große makroökonomische Strukturunterschiede bestünden und nationale Interessen eine gemeinsame Preisstabilität erschweren könnten. Das Manifest der Professoren löste eine breite Diskussion aus, blieb politisch aber folgenlos.[3]

Die geforderten Regeln zur Reduktion der Staatsschulden standen in der Kritik, eine keynesianistische Wirtschaftspolitik unmöglich zu machen und damit die Rahmenbedingungen einer klassischen sozialdemokratischen Politik auszuschließen. Der Vertrag stieß daher auf starke Kritik in der Arbeiterbewegung und bei Gewerkschaften. Um die Kriterien zu erfüllen, mussten viele Länder der EU starke Kürzungen ihrer Ausgaben vornehmen, obwohl die EU-weite Arbeitslosenquote von 10 % schon vergleichsweise hoch war.[4] Die Kriterien standen im Verdacht, bloß ein Argument zur Durchsetzung einer neoliberalen Austeritätspolitik zu sein. Ralph Rotte und Klaus F. Zimmermann stellten in diesem Zusammenhang 1998 fest: „Es spricht viel für die Hypothese, dass die Regierungen Maastricht tatsächlich als Instrument nutzen, um fiskalische Zurückhaltung zu erzwingen.“[5][6]

Portal: Europäische Union – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Europäische Union
Commons: Vertrag von Maastricht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Christoph Driessen: Griff nach den Sternen. Die Geschichte der Europäischen Union Regensburg 2024, S. 193.
  2. Christoph Driessen: Griff nach den Sternen. Die Geschichte der Europäischen Union Regensburg 2024, S. 186.
  3. Georg Kreis: Gerechtigkeit für Europa. Eine Kritik der EU-Kritik. Schwabe Verlag, Basel 2017, ISBN 978-3-7965-3743-1, S. 164. (eingeschränkte Vorschau bei Google-Books)
  4. Kate Hudson: The New European Left. Palgrave Macmillan UK, London, ISBN 978-1-349-32054-7, S. 7 ff., doi:10.1057/9781137265111.
  5. Ralph Rotte, Klaus F. Zimmermann: Fiscal Restraint and the Political Economy of EMU. In: Public Choice. Band 94, Nr. 3/4, 1998, ISSN 0048-5829, S. 385–406.
  6. Anne Karrass: Die Europäische Union als Beispiel für institutionalisierte (Sach-)Zwänge. In: Christoph Butterwegge, Bettina Lösch, Ralf Ptak (Hrsg.): Neoliberalismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2008, S. 254, doi:10.1007/978-3-531-90899-1.