„Kanzler“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel|erläutert den Kanzler im Staatswesen; zu anderen Bedeutungen siehe [[Kanzler (Begriffsklärung)]].}} |
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Das Wort '''Kanzler''' (aus [[Latein|lateinisch]]: ''cancellarius'') bezeichnete im [[Mittelalter]] einen Hofgeistlichen, der in einer ''Kanzlei'' (von lat. "cancelli" - "Gitter, Schranken"), einem abgetrennten Raum, Urkunden ausfertigte. |
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Das Wort '''Kanzler''' ({{laS|cancellarius}}) bezeichnete im [[Mittelalter]] zunächst den ''[[Kanzlei]]leiter'' einer Urkundenbehörde und wird seitdem auch für hohe politische Beamte im Staatswesen verwendet. In Deutschland und Österreich steht die Bezeichnung (auch) für den Regierungschef. |
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== Herzogtum Bayern == |
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===Historisches=== |
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Im [[Herzogtum Bayern (HRR)|Herzogtum Bayern]] waren die Kanzler zunächst (insbesondere unter den Herzögen [[Albrecht V. (Bayern)|Albrecht V.]] und [[Wilhelm V. (Bayern)|Wilhelm V.]]) mit der Behauptung des [[Katholizismus]] gegenüber dem [[Protestantismus]] betraut. Sie verhalfen dem Herzogtum Bayern zu einer politischen Vormachtstellung im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]]. Bayerische Kanzler waren beispielsweise der vorherige Kanzler [[Bayern-München]]s [[Johann Neuhauser (Kanzler)|Johann Neuhauser]] oder auch [[Simon Eck]], [[Christoph Elsenheimer]] und [[Augustin Lösch]].<ref>{{Internetquelle |autor=Deutsche Biographie |url=https://www.deutsche-biographie.de/gnd136478417.html |titel=Neuhauser, Johann |sprache=de |abruf=2022-08-10}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Deutsche Biographie |url=https://www.deutsche-biographie.de/gnd116460105.html |titel=Elsenheimer, Christoph |sprache=de |abruf=2022-08-10}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Deutsche Biographie |url=https://www.deutsche-biographie.de/gnd116335165.html |titel=Eck, Simon Thaddäus |sprache=de |abruf=2022-08-10}}</ref> |
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Seit [[Ludwig der Deutsche|Ludwig dem Deutschen]] stand an der Spitze der königlichen [[Hofkapelle]] der Erzkaplan, der wegen der [[Kanzlei]]funktion der Hofkapelle bald ''Erzkanzler'' genannt wurde. Ab [[870]] bekleidete dieses Amt der [[Erzbischof]] von [[Mainz]]. |
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Das Amt des Erzkanzlers gehörte zu den [[Erzamt|Erzämtern]] des [[Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]] und wurde bis 1806 vom [[Kurfürst]]-[[Erzbischof]] von [[Mainz]] ausgeübt. Entsprechend übernahmen die Kurfürst-Erzbischöfe von [[Köln]] und [[Trier]] die Kanzler-Ämter für die mit dem damaligen deutschen Reich verbundenen Königreiche [[Italien]] ([[Lombardei]]) bzw. [[Burgund]]. |
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== Heiliges Römisches Reich und Deutscher Bund == |
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{{Hauptartikel|Reichserzkanzler|Reichshofkanzlei}} |
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Seit [[Ludwig der Deutsche|Ludwig dem Deutschen]] stand an der Spitze der königlichen [[Hofkapelle (Amt)|Hofkapelle]] der Erzkaplan, der wegen der Kanzleifunktion der Hofkapelle bald ''Erzkanzler'' genannt wurde. Ab 870 bekleidete dieses Amt der [[Erzbischof]] von [[Mainz]]. Durch [[Otto I. (HRR)|Otto I.]] wurde der Kanzler erstmals kaiserlich bestätigt. Das Amt des Erzkanzlers gehörte zu den [[Erzamt|Erzämtern]] des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] und wurde bis 1806 vom [[Kurfürst]]en von [[Kurmainz|Mainz]] als Erzkanzler für Deutschland ausgeübt. Entsprechend übernahmen die Kurfürsten von [[Kurköln|Köln]] und [[Kurtrier|Trier]] die Kanzler-Ämter für die mit dem Reich verbundenen Königreiche [[Reichsitalien|Italien]] ([[Lombardei]]) beziehungsweise [[Königreich Burgund|Burgund]]. |
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Es dürfte diese Tradition der Staatskanzlerschaft gewesen sein, die den preußischen Ministerpräsidenten [[Otto von Bismarck]] veranlasste, in seiner zusätzlichen Funktion als Regierungschef des [[Norddeutscher Bund|Norddeutschen Bundes]] 1867-1871 den Titel [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]] anzunehmen, der nach der Reichsgründung von [[1871]] in '''[[Reichskanzler]]''' abgeändert wurde. Bismarck wurde später auch als "der eiserne Kanzler" bezeichnet. Der "Reichskanzler"-Titel bezeichnete bis 1945 unter verschiedenen politischen Verfassungen den Regierungschef des Deutschen Reiches - zuletzt unter der NS-Diktatur von Adolf [[Hitler]] als "Führer und Reichskanzler" (siehe auch [[Präsidialkanzler]]). |
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Der Kanzler musste stets mit seinem Herrn mitziehen. Dies änderte sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als die Kanzlei, verknüpft mit dem Archiv, einen diebstahl- und feuergeschützten Raum bekam. 1423 wurde die Stelle des Kanzlers mit Oswald Tuchenhauser erstmals mit einer [[weltlich]]en Person besetzt, was in Zukunft auch so beibehalten wurde. |
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Faktischer Leiter der Reichskanzlei war der ''Reichsvizekanzler'', der vom Erzkanzler mit Zustimmung des Kaisers ernannt wurde. 1620 wurde die österreichische Abteilung der Reichskanzlei als ''Österreichische Hofkanzlei'' herausgelöst, welcher der ''Österreichische Hofkanzler'' vorstand. In Folge wurden immer mehr Agenden, auch die Außenpolitik und Diplomatie des Reichs betreffend, in der Österreichischen Hofkanzlei angesiedelt, der Einfluss der Reichskanzlei wurde Schritt für Schritt zurückgedrängt und sie bearbeitete nur mehr innere Angelegenheiten des sogenannten engeren Reichs (ohne die habsburgischen Erbländer). Die Österreichische Hofkanzlei entwickelte sich zum Kern der österreichischen Staatlichkeit und des kaiserlichen Behördenwesens, sie blieb dem Einfluss der Reichsstände und der Stände der österreichischen Länder völlig entzogen.<ref>[[Thomas Winkelbauer]]: ''Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter Teil 1''. In: [[Herwig Wolfram]] (Hrsg.): ''Österreichische Geschichte 1522–1699.'' Wien 2004, ISBN 3-8000-3528-6, S. 394 ff.</ref> Ein bekannter Hofkanzler war zum Beispiel [[Wenzel Anton Graf Kaunitz|Wenzel Anton Kaunitz]]. |
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In ähnlicher Verwaltungstradition steht die vielfach übliche Bezeichnung der Hauptbürokratie einiger Ministerpräsidenten deutscher [[Bundesländer]] als "Staatskanzlei" - in der es allerdings keinen "Staatskanzler" gibt. |
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== Deutschland == |
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Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] erhielten sowohl der Vorsitzende der Bundesregierung in Deutschland als auch der Vorsitzende der österreichischen Regierung den Titel [[Bundeskanzler]]. |
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''Kanzler in Preußen'' war zuletzt der Titel des Präsidenten des [[Oberlandesgericht Königsberg|Oberlandesgerichtes Königsberg]]. |
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{{Siehe auch|Herzogtum Preußen#Herzogliche Regierung|titel1=„Herzogliche Regierung“ im Artikel Herzogtum Preußen}} |
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Der britische Finanzminister wird im Deutschen Sprachraum auch als [[Schatzkanzler]] ([[Englische Sprache|englisch]]: ''Chancellor of the Exchequer'') bezeichnet. |
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=== Monarchischer Bundesstaat 1867–1918 === |
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Bei der [[Gründung des Norddeutschen Bundes]] legte der preußische Ministerpräsident [[Otto von Bismarck]] Ende 1866 den verbündeten Regierungen einen Verfassungsentwurf vor. Dieser Entwurf sah einen [[Bundeskanzler (Norddeutscher Bund)|Bundeskanzler]] vor, der vom [[Präsidium des Bundes]] (dem preußischen König) zu ernennen war. Der Bundeskanzler war ein Beamter, der die Beschlüsse des [[Bundesrat (Deutsches Reich)|Bundesrats]] ausführen sollte, der Vertretung der Gliedstaaten. Der Bundeskanzler hätte gewissermaßen dem Präsidialgesandten im [[Bundestag des Deutschen Bundes]] entsprochen. |
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Diese Konstellation hätte aber den Bundesrat de facto zur Regierung des neuen Bundesstaats gemacht. Für das Parlament, den Reichstag, wäre eine solche Regierung kaum angreifbar gewesen. Darum setzte der [[Konstituierender Reichstag|Konstituierende Reichstag]] die sogenannte [[Lex Bennigsen]] durch: Dadurch wurde der Bundeskanzler der Sache nach ein politisch [[Ministerverantwortlichkeit|verantwortlicher Minister]]. Bismarck fand sich damit ab, entschied sich aber entgegen seiner ursprünglichen Absicht, selbst Bundeskanzler zu werden. In der neuen [[Verfassung des Deutschen Bundes|Verfassung vom 1. Januar 1871]], die den Bundesstaat in „[[Deutsches Reich]]“ umbenannte, blieb der Titel Bundeskanzler, erst in der [[Bismarcksche Reichsverfassung|Verfassung vom 4. Mai]] desselben Jahres wurde er zum „[[Reichskanzler]]“. |
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'''Siehe auch:''' [[Bundeskanzler (Österreich)]], [[Bundeskanzler (Deutschland)]], [[Bundeskanzler (Schweiz)]] |
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Mit dem [[Stellvertretungsgesetz]] von 1878 entstand eine Funktion, die inoffiziell „[[Vizekanzler (Deutschland)|Vizekanzler]]“ genannt wurde. Das Gesetz wertete die Staatssekretäre auf, aber weiterhin war der Reichskanzler der einzige Minister. Den Staatssekretären, den Leitern der obersten Reichsbehörden, konnte er Weisungen erteilen. In der Praxis näherte sich die Zusammenarbeit in der Reichsleitung allerdings einer Kollegialregierung an. |
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==Kanzler (Hochschule)== |
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An einer deutschen ''[[Hochschule]]'' ist der Kanzler Leiter der Verwaltung. Er ist Dienstvorgesetzter des nichtwissenschaftlichen bzw. nichtkünstlerischen Personals und zuständig für den Haushalt, die Liegenschaften sowie für Rechts- und sonstige Verwaltungsaufgaben. |
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Der ''chancellor'' an amerikanischen Hochschulen entspricht eher den deutschen Uni-Präsidenten bzw. -Rektoren. |
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=== Novemberrevolution und Weimarer Republik 1918–1933 === |
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==Beamtentitel== |
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Zu Beginn der [[Novemberrevolution]] 1918 war der [[Rat der Volksbeauftragten]] das oberste Organ im politischen System. Der Rat hatte zwei gleichberechtigte Vorsitzende. Allerdings war die Stellung des einen bedeutender als die des anderen: [[Friedrich Ebert]] hatte von seinem kaiserlichen Vorgänger das Amt des Reichskanzlers „übertragen“ bekommen. Das war verfassungswidrig, erhöhte aber Eberts Ansehen und damit seine Stellung. |
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Mit dem [[Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt]] vom 10. Februar 1919 hatte das Land wieder eine unzweifelhaft legitime Regierung. Der Vorsitzende der im Gesetz erwähnten Reichsminister, [[Philipp Scheidemann]] amtierte als ''Reichsministerpräsident''. Mit der [[Weimarer Reichsverfassung]] vom August 1919 lautete die Bezeichnung wieder ''Reichskanzler''. |
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Die Besoldungsguppen A 11 bis A 13 für [[Beamter|Beamte]] im [[Auswärtiges Amt|auswärtigen Dienst]] der Bundesrepublik Deutschland sind mit dem Beamtentitel "Kanzler" (A 11) bzw. "Kanzler Erster Klasse" (A 12 und A 13) verbunden. |
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In beiden Verfassungsordnungen ernannte der [[Reichspräsident]] den [[Reichskanzler (Weimarer Republik)|Reichskanzler]] und die Reichsminister. Der Reichskanzler hatte eine hervorgehobene Position, da er die Reichsminister dem Reichspräsidenten vorschlug (der Reichspräsident konnte niemanden ernennen, der nicht vorgeschlagen wurde). Außerdem bestimmte der Reichskanzler die [[Richtlinienkompetenz|Richtlinien der Politik]] (Art. 56). Der Reichstag durfte allerdings den Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen und damit zum Rücktritt zwingen. |
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==Kanzler (Leiter einer Kanzlei)== |
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Allgemein kann unter Kanzler auch jeder Leiter einer Kanzlei, also einer Verwaltung, verstanden werden. Den Leiter der städtischen Kanzlei nannte man im Mittelalter und in der frühen Neuzeit zumeist [[Stadtschreiber]]. |
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Nach Hitlers [[Machtergreifung]] 1933 verlor die Regierung als solche bald an Bedeutung und tagte nur noch selten. Nach dem Tod des Reichspräsidenten 1934 bestand das Amt formal weiter; statt eine Wahl abzuhalten, vereinte Hitler die Funktionen des Reichspräsidentenamtes mit seiner Reichskanzlerschaft und gab sich den Titel „Führer und Reichskanzler“. |
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In der Schweiz ist der [[Bundeskanzler (Schweiz)|Bundeskanzler]] der Leiter der Bundeskanzlei und damit Leiter der Bundesverwaltung. |
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=== Bundesrepublik Deutschland === |
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==Weitere Varianten== |
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{{Hauptartikel|Bundeskanzler (Deutschland)}} |
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[[Chancelier]], [[Schachvariante]]n mit Kanzler als Spielfigur |
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Der Regierungschef der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland hat den traditionellen Titel ''Bundeskanzler'' erhalten. Er wird als einziges Regierungsmitglied vom Bundestag gewählt; zusammen mit den Bundesministern bildet er die [[Bundesregierung (Deutschland)|Bundesregierung]]. |
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In den deutschen [[Land (Deutschland)|Ländern]] heißen die Regierungschefs Ministerpräsident, Regierender Bürgermeister (Berlin), Erster Bürgermeister (Hamburg) bzw. Präsident des Senats und Bürgermeister (Bremen). Allerdings heißen die (den Ministerpräsidenten beigeordneten) obersten [[Landesbehörde]]n ''[[Staatskanzlei]]'' oder ''[[Senatskanzlei]]''. Der Leiter der Staats- bzw. Senatskanzlei führt die Bezeichnung ''Chef der Staatskanzlei'' bzw. ''Chef der Senatskanzlei'' (jeweils ''CdS'' abgekürzt). In Baden-Württemberg dagegen ist die Behörde des Ministerpräsidenten das [[Staatsministerium Baden-Württemberg|Staatsministerium]]. |
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{{Wiktionary1|Kanzler}} |
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=== Auswärtiger Dienst === |
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In allen diplomatischen und konsularischen Vertretungen des Deutschen Reichs und der Bundesrepublik Deutschland ist der ''Kanzler'' zuständig für die Verwaltungsfragen der Vertretung.<ref>Auskunft des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts</ref> In den [[Deutsche Kolonien|Deutschen Kolonien]] stand der Kanzler dem [[Gouverneur]] zur Vertretung und Rechtspflege bei. |
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[[Kategorie:Historisches Amt]] |
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== Großbritannien == |
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[[da:Kansler]] |
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Der britische Finanzminister wird im [[Deutscher Sprachraum|deutschen Sprachraum]] auch als [[Schatzkanzler]] ({{enS|Chancellor of the Exchequer}}) bezeichnet. Der britische Justizminister trägt den Titel [[Lordkanzler]] (''Lord Chancellor''), er war, bis zu seiner Ablösung durch den ''[[Lord Speaker]]'', auch Präsident des [[House of Lords]]. |
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[[en:Chancellor]] |
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[[fr:Chancelier]] |
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== Lateinamerika == |
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[[hu:Kancellár]] |
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In manchen lateinamerikanischen Ländern, zum Beispiel [[Argentinien]], [[Brasilien]], [[Chile]], [[Kolumbien]], [[Panama]], [[Peru]] und [[Venezuela]], wird der [[Außenminister]] ''canciller'' (auf Spanisch) oder ''chanceler'' (auf Portugiesisch), also Kanzler genannt. |
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[[ja:宰相]] |
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[[nl:Kanselier]] |
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== Österreich == |
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[[pl:Kanclerz]] |
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{{Hauptartikel|Bundeskanzler (Österreich)|Staatskanzler (Österreich)}} |
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[[ro:cancelar]] |
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Bereits 1526/27 wurde von [[Ferdinand I. (HRR)|Ferdinand I.]] die [[Österreichische Hofkanzlei]] gegründet, jedoch 1559 mit der Reichskanzlei des Heiligen Römischen Reichs vereinigt. 1620 erneut als selbständige Behörde etabliert, entwickelte sie sich wie oben beschrieben zum Kern der österreichischen Staatlichkeit. |
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== Russland == |
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''Kanzler'' ({{ruS|Канцлер Российской империи|/ Kanzler des Russischen Reiches}}) war bis 1917 ein Spitzenrang im Kaiserlichen Russland, der gemäß [[Rangtabelle]] der ''Rangklasse K1'' entsprach.<ref>[http://akunin.ru/istoria/tabel Табель о рангах, Teil – Zivile Ränge 1722–1917], abgerufen am 9. Mai 2017.</ref> |
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== Schweiz == |
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{{Hauptartikel|Bundeskanzler (Schweiz)}} |
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== Süd- und westeuropäische Länder == |
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In den [[Botschaft (Diplomatie)|Botschaften]] oder [[Konsul]]aten [[Portugal]]s, [[Spanien]]s, [[Italien]]s und auch [[Frankreich]]s ist der ''canciller'' bzw. ''chancelier'' ein Beamter, der sich mit bestimmten Aufgaben des auswärtigen Dienstes befasst. |
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== Weblinks == |
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{{Wiktionary}} |
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* [[Joachim Wild]]: [https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kanzlei-_und_Urkundenwesen_(Hoch-_und_Spätmittelalter) ''Kanzlei- und Urkundenwesen (Hoch- und Spätmittelalter)'']. [[Historisches Lexikon Bayerns]] |
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== Einzelnachweise == |
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<references /> |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4123488-1}} |
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[[Kategorie:Amtsbezeichnung (Regierungschef eines Staates)]] |
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[[Kategorie:Historische Amtsbezeichnung]] |
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[[Kategorie:Amtsbezeichnung (Deutschland)]] |
Aktuelle Version vom 7. November 2024, 22:51 Uhr
Das Wort Kanzler (lateinisch cancellarius) bezeichnete im Mittelalter zunächst den Kanzleileiter einer Urkundenbehörde und wird seitdem auch für hohe politische Beamte im Staatswesen verwendet. In Deutschland und Österreich steht die Bezeichnung (auch) für den Regierungschef.
Herzogtum Bayern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Herzogtum Bayern waren die Kanzler zunächst (insbesondere unter den Herzögen Albrecht V. und Wilhelm V.) mit der Behauptung des Katholizismus gegenüber dem Protestantismus betraut. Sie verhalfen dem Herzogtum Bayern zu einer politischen Vormachtstellung im Heiligen Römischen Reich. Bayerische Kanzler waren beispielsweise der vorherige Kanzler Bayern-Münchens Johann Neuhauser oder auch Simon Eck, Christoph Elsenheimer und Augustin Lösch.[1][2][3]
Heiliges Römisches Reich und Deutscher Bund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit Ludwig dem Deutschen stand an der Spitze der königlichen Hofkapelle der Erzkaplan, der wegen der Kanzleifunktion der Hofkapelle bald Erzkanzler genannt wurde. Ab 870 bekleidete dieses Amt der Erzbischof von Mainz. Durch Otto I. wurde der Kanzler erstmals kaiserlich bestätigt. Das Amt des Erzkanzlers gehörte zu den Erzämtern des Heiligen Römischen Reiches und wurde bis 1806 vom Kurfürsten von Mainz als Erzkanzler für Deutschland ausgeübt. Entsprechend übernahmen die Kurfürsten von Köln und Trier die Kanzler-Ämter für die mit dem Reich verbundenen Königreiche Italien (Lombardei) beziehungsweise Burgund.
Der Kanzler musste stets mit seinem Herrn mitziehen. Dies änderte sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als die Kanzlei, verknüpft mit dem Archiv, einen diebstahl- und feuergeschützten Raum bekam. 1423 wurde die Stelle des Kanzlers mit Oswald Tuchenhauser erstmals mit einer weltlichen Person besetzt, was in Zukunft auch so beibehalten wurde.
Faktischer Leiter der Reichskanzlei war der Reichsvizekanzler, der vom Erzkanzler mit Zustimmung des Kaisers ernannt wurde. 1620 wurde die österreichische Abteilung der Reichskanzlei als Österreichische Hofkanzlei herausgelöst, welcher der Österreichische Hofkanzler vorstand. In Folge wurden immer mehr Agenden, auch die Außenpolitik und Diplomatie des Reichs betreffend, in der Österreichischen Hofkanzlei angesiedelt, der Einfluss der Reichskanzlei wurde Schritt für Schritt zurückgedrängt und sie bearbeitete nur mehr innere Angelegenheiten des sogenannten engeren Reichs (ohne die habsburgischen Erbländer). Die Österreichische Hofkanzlei entwickelte sich zum Kern der österreichischen Staatlichkeit und des kaiserlichen Behördenwesens, sie blieb dem Einfluss der Reichsstände und der Stände der österreichischen Länder völlig entzogen.[4] Ein bekannter Hofkanzler war zum Beispiel Wenzel Anton Kaunitz.
Auch nach dem Ende des Heiligen Römischen Reichs wurde in den größten Staaten des Deutschen Bundes, dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Preußen, der Kanzlertitel geführt. So fungierte in Österreich der Fürst Metternich im 19. Jahrhundert lange als „Staatskanzler“, der Graf Beust 1868–1871 sogar als „Reichskanzler“. In Preußen amtierte ähnlich um 1820 Fürst Hardenberg als „Preußischer Staatskanzler“.
Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kanzler in Preußen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kanzler in Preußen war zuletzt der Titel des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Königsberg.
Monarchischer Bundesstaat 1867–1918
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei der Gründung des Norddeutschen Bundes legte der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck Ende 1866 den verbündeten Regierungen einen Verfassungsentwurf vor. Dieser Entwurf sah einen Bundeskanzler vor, der vom Präsidium des Bundes (dem preußischen König) zu ernennen war. Der Bundeskanzler war ein Beamter, der die Beschlüsse des Bundesrats ausführen sollte, der Vertretung der Gliedstaaten. Der Bundeskanzler hätte gewissermaßen dem Präsidialgesandten im Bundestag des Deutschen Bundes entsprochen.
Diese Konstellation hätte aber den Bundesrat de facto zur Regierung des neuen Bundesstaats gemacht. Für das Parlament, den Reichstag, wäre eine solche Regierung kaum angreifbar gewesen. Darum setzte der Konstituierende Reichstag die sogenannte Lex Bennigsen durch: Dadurch wurde der Bundeskanzler der Sache nach ein politisch verantwortlicher Minister. Bismarck fand sich damit ab, entschied sich aber entgegen seiner ursprünglichen Absicht, selbst Bundeskanzler zu werden. In der neuen Verfassung vom 1. Januar 1871, die den Bundesstaat in „Deutsches Reich“ umbenannte, blieb der Titel Bundeskanzler, erst in der Verfassung vom 4. Mai desselben Jahres wurde er zum „Reichskanzler“.
Mit dem Stellvertretungsgesetz von 1878 entstand eine Funktion, die inoffiziell „Vizekanzler“ genannt wurde. Das Gesetz wertete die Staatssekretäre auf, aber weiterhin war der Reichskanzler der einzige Minister. Den Staatssekretären, den Leitern der obersten Reichsbehörden, konnte er Weisungen erteilen. In der Praxis näherte sich die Zusammenarbeit in der Reichsleitung allerdings einer Kollegialregierung an.
Novemberrevolution und Weimarer Republik 1918–1933
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zu Beginn der Novemberrevolution 1918 war der Rat der Volksbeauftragten das oberste Organ im politischen System. Der Rat hatte zwei gleichberechtigte Vorsitzende. Allerdings war die Stellung des einen bedeutender als die des anderen: Friedrich Ebert hatte von seinem kaiserlichen Vorgänger das Amt des Reichskanzlers „übertragen“ bekommen. Das war verfassungswidrig, erhöhte aber Eberts Ansehen und damit seine Stellung.
Mit dem Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt vom 10. Februar 1919 hatte das Land wieder eine unzweifelhaft legitime Regierung. Der Vorsitzende der im Gesetz erwähnten Reichsminister, Philipp Scheidemann amtierte als Reichsministerpräsident. Mit der Weimarer Reichsverfassung vom August 1919 lautete die Bezeichnung wieder Reichskanzler.
In beiden Verfassungsordnungen ernannte der Reichspräsident den Reichskanzler und die Reichsminister. Der Reichskanzler hatte eine hervorgehobene Position, da er die Reichsminister dem Reichspräsidenten vorschlug (der Reichspräsident konnte niemanden ernennen, der nicht vorgeschlagen wurde). Außerdem bestimmte der Reichskanzler die Richtlinien der Politik (Art. 56). Der Reichstag durfte allerdings den Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen und damit zum Rücktritt zwingen.
Nach Hitlers Machtergreifung 1933 verlor die Regierung als solche bald an Bedeutung und tagte nur noch selten. Nach dem Tod des Reichspräsidenten 1934 bestand das Amt formal weiter; statt eine Wahl abzuhalten, vereinte Hitler die Funktionen des Reichspräsidentenamtes mit seiner Reichskanzlerschaft und gab sich den Titel „Führer und Reichskanzler“.
Bundesrepublik Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Regierungschef der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland hat den traditionellen Titel Bundeskanzler erhalten. Er wird als einziges Regierungsmitglied vom Bundestag gewählt; zusammen mit den Bundesministern bildet er die Bundesregierung.
In den deutschen Ländern heißen die Regierungschefs Ministerpräsident, Regierender Bürgermeister (Berlin), Erster Bürgermeister (Hamburg) bzw. Präsident des Senats und Bürgermeister (Bremen). Allerdings heißen die (den Ministerpräsidenten beigeordneten) obersten Landesbehörden Staatskanzlei oder Senatskanzlei. Der Leiter der Staats- bzw. Senatskanzlei führt die Bezeichnung Chef der Staatskanzlei bzw. Chef der Senatskanzlei (jeweils CdS abgekürzt). In Baden-Württemberg dagegen ist die Behörde des Ministerpräsidenten das Staatsministerium.
Auswärtiger Dienst
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In allen diplomatischen und konsularischen Vertretungen des Deutschen Reichs und der Bundesrepublik Deutschland ist der Kanzler zuständig für die Verwaltungsfragen der Vertretung.[5] In den Deutschen Kolonien stand der Kanzler dem Gouverneur zur Vertretung und Rechtspflege bei.
Großbritannien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der britische Finanzminister wird im deutschen Sprachraum auch als Schatzkanzler (englisch Chancellor of the Exchequer) bezeichnet. Der britische Justizminister trägt den Titel Lordkanzler (Lord Chancellor), er war, bis zu seiner Ablösung durch den Lord Speaker, auch Präsident des House of Lords.
Lateinamerika
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In manchen lateinamerikanischen Ländern, zum Beispiel Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Panama, Peru und Venezuela, wird der Außenminister canciller (auf Spanisch) oder chanceler (auf Portugiesisch), also Kanzler genannt.
Österreich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bereits 1526/27 wurde von Ferdinand I. die Österreichische Hofkanzlei gegründet, jedoch 1559 mit der Reichskanzlei des Heiligen Römischen Reichs vereinigt. 1620 erneut als selbständige Behörde etabliert, entwickelte sie sich wie oben beschrieben zum Kern der österreichischen Staatlichkeit.
Von 1920 bis 1938 und erneut ab 1945 trägt der Regierungschef der Republik Österreich den Titel Bundeskanzler. Von 1918 bis 1920 sowie von Mai bis Dezember 1945 war die Bezeichnung Staatskanzler.
Russland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kanzler (russisch Канцлер Российской империи / Kanzler des Russischen Reiches) war bis 1917 ein Spitzenrang im Kaiserlichen Russland, der gemäß Rangtabelle der Rangklasse K1 entsprach.[6]
Schweiz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Bundeskanzler bekleidet in der Schweiz das Amt des Leiters der Bundeskanzlei, nicht aber des Regierungschefs. Die Bundeskanzlei ist die Stabsstelle des Bundesrates, der Schweizer Bundesregierung.
Süd- und westeuropäische Länder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den Botschaften oder Konsulaten Portugals, Spaniens, Italiens und auch Frankreichs ist der canciller bzw. chancelier ein Beamter, der sich mit bestimmten Aufgaben des auswärtigen Dienstes befasst.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Deutsche Biographie: Neuhauser, Johann. Abgerufen am 10. August 2022.
- ↑ Deutsche Biographie: Elsenheimer, Christoph. Abgerufen am 10. August 2022.
- ↑ Deutsche Biographie: Eck, Simon Thaddäus. Abgerufen am 10. August 2022.
- ↑ Thomas Winkelbauer: Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter Teil 1. In: Herwig Wolfram (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1522–1699. Wien 2004, ISBN 3-8000-3528-6, S. 394 ff.
- ↑ Auskunft des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts
- ↑ Табель о рангах, Teil – Zivile Ränge 1722–1917, abgerufen am 9. Mai 2017.