„Putsch“ – Versionsunterschied
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{{Begriffsklärungshinweis|Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Putsch (Begriffsklärung)]].}} |
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Ein '''Putsch''' oder '''Staatsstreich''' ist der Versuch einer meist kleineren Gruppe, gewaltsam die [[Regierung]] zu stürzen und die Macht im [[Staat]] [[Diktatur|diktatorisch]] zu übernehmen. Putschisten sind in der Regel hohe [[Militär]]s oder Führer [[Paramilitärische Organisation|paramilitärischer Organisationen]]. Oft übernimmt aber auch eine Gruppe die Macht, die bereits Teile des Staates [[Legitimität|legitim]] kontrolliert. Dies ist etwa der Fall, wenn die [[Legislative]] von der [[Exekutive]] ausgeschaltet wird. |
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[[Datei:Zentralbibliothek Zürich - Der 6te Herbstmonat 1839 in Zürich - 000001520 1.jpg|mini|Darstellung des ''[[Züriputsch]]'' (1839), durch welchen das Wort Putsch international bekannt wurde]] |
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Ursprünglich stammt der Begriff von den [[Geschichte der Schweiz|Schweizer Volksaufständen]] gegen die Industrialisierung (Züriputsch 1839, [[Uster|Ustermer]] Maschinensturm 1832) und ist [[Schweizerdeutsch|schweizerisch]] lautmalerisch für ''[[Knall]]'', ''Stoß''. |
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Ein '''Putsch''' oder '''Staatsstreich''' (oft {{frS|coup d’état}} [{{IPA|ˌkudeˈta}}]) ist eine illegale, meist gewaltsame und überraschende Aktion von Angehörigen des [[Militär]]s oder [[paramilitär]]ischer Organisationen und/oder einer Gruppe von Politikern mit dem Ziel, die Macht im Staat zu übernehmen oder für sich zu erhalten. |
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Das Wort ''Putsch'' wird zumeist nur für eine erfolgreiche Militärrevolte benutzt. Ihr folgt in der Regel eine [[Militärdiktatur]] oder die Herrschaft eines autoritären [[Regime]]s. Nach einem Fehlschlag ist meist von einem ''Putschversuch'' oder [[Revolte]] die Rede. Da das Wort ''Putsch'' negativ konnotiert ist, verwenden Putschisten selbst in der Regel [[Euphemismus|euphemistische]] Bezeichnungen für ihre Handlungen.<ref>Gundula Fienbork: ''Die Sprache als Hort der Freiheit. Sprachwende und Sprachwandel nach 1989.'' [[Heinrich-Böll-Stiftung]], Berlin 1996, S. 73.</ref> Bekannte Beispiele sind die Militärputsche [[Putsch in Chile 1973|in Chile 1973]] oder [[Griechische Militärdiktatur|in Griechenland 1967]]. Einer der seltenen Fälle, in denen ein Militärcoup eine Demokratisierung zur Folge hatte, war die [[Nelkenrevolution]] in Portugal 1974. |
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Die Begriffsbedeutungen "Putsch" und "Staatsstreich" sind jedoch nicht völlig identisch. Bei einem Putsch wird der gewaltsame Sturz der Regierung von außen versucht (etwa vom Militär), während an einem Staatsstreich ein oder mehrere Mitglieder der aktuellen Regierung beteiligt sind. |
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Als ''Staatsstreich'' wird in der Regel die Aktion einer bereits im Amt befindlichen Regierung oder von einzelnen Regierungsmitgliedern bezeichnet, die darauf abzielt, ihre Macht auf illegitime Weise zu verlängern oder zu festigen, indem sie die Institutionen und das geltende legale Prozedere untergräbt, umgeht oder gänzlich ausschaltet. Historische Beispiele dafür sind die [[Staatsstreich des 18. Brumaire VIII|Staatsstreiche Napoléons I. vom 18. Brumaire des Jahres VIII]] und der [[Staatsstreich vom 2. Dezember 1851|Napoléons III. vom 2. Dezember 1851]]. In neuerer Zeit wurde die Entmachtung der [[Nationalversammlung (Venezuela)|Nationalversammlung von Venezuela]] durch Präsident [[Nicolás Maduro|Maduro]] im Jahr 2017 als Staatsstreich von oben bezeichnet,<ref>[https://www.deutschlandfunk.de/venezuelas-parlament-entmachtet-das-ist-ein-staatsstreich.694.de.html?dram:article_id=382778 Venezuelas Parlament entmachtet]</ref> ebenso wie die [[Polnische Verfassungskrise und Justizreformen (seit 2015)|Polnische Verfassungskrise und Justizreform von 2015]].<ref>[https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/justiz/id_81690378/justizreform-polens-angst-vor-dem-staatsstreich-von-oben.html Polens Angst vor dem „Staatsstreich“ von oben]</ref> Der [[Sturm auf das Kapitol in Washington 2021|Angriff auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021]] durch Anhänger [[Donald Trump]]s wird von vielen Beobachtern als versuchter Staatsstreich betrachtet.<ref>{{Literatur |Autor=David Pion-Berlin, Thomas Bruneau, Richard B. Goetze |Titel=The Trump Self-Coup Attempt: Comparisons and Civil–Military Relations |Sammelwerk=Government and Opposition |Datum=2022-04-07 |ISSN=0017-257X |DOI=10.1017/gov.2022.13 |Seiten=1–18 |Online=https://www.cambridge.org/core/journals/government-and-opposition/article/trump-selfcoup-attempt-comparisons-and-civilmilitary-relations/16D5EF307C7DF49FCE86948D1569B014 |Abruf=2023-08-29}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Robert J. Antonio |Titel=Democracy and Capitalism in the Interregnum: Trump’s Failed Self-Coup and After |Sammelwerk=Critical Sociology |Band=48 |Nummer=6 |Datum=2022-09 |ISSN=0896-9205 |DOI=10.1177/08969205211049499 |Seiten=937–965 |Online=https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/08969205211049499 |Abruf=2023-08-29}}</ref> |
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Das deutsche Wort "Putsch" ist auch in andere Sprachen eingegangen (engl. ''the putsch'', frz. ''le putsch'' usw.). |
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Gebräuchlicher ist allerdings der Begriff "[[coup d'état]]" aus dem Französischen. |
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Das [[Antonym]] zu ''Putsch'' und ''Staatsstreich'' ist ''[[Revolution]]'', die nicht nur von einer kleinen Gruppe, sondern von relevanten Teilen des [[Volk]]es getragen wird und nicht nur einen Regimewechsel, sondern einen tiefgreifenderen Wandel zur Folge hat. |
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==Putsche in der Geschichte== |
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* [[Frankreich]], [[1799]]: [[Staatsstreich des 18. Brumaire VIII]], [[Napoléon Bonaparte]] übernimmt die Macht in Frankreich |
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* [[Deutschland]], [[1920]]: [[Kapp-Putsch]] |
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* [[Deutschland]], [[1923]]: [[Hitlerputsch]] |
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* [[Österreich]], [[4. März]] [[1933]]: Machtübernahme von [[Engelbert Dollfuß]] ("Selbstausschaltung des Parlaments") |
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* [[Deutschland]], [[1934]]: [[Röhm-Putsch]] (kein wirklicher Putsch, sondern in der NS-Propaganda so dargestellt) |
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* [[Österreich]], [[25. Juli]] [[1934]]: nationalsozialistischer Putschversuch ([[Juliputsch]]) schlägt fehl - [[Bundeskanzler (Österreich)|Bundeskanzler]] [[Engelbert Dollfuß]] wird erschossen. |
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* [[Japan]]: der [[Putschversuch vom 26. Februar 1936|Putschversuch einiger japanischer Offiziere vom 26. Februar 1936]] wird niedergeschlagen, hat aber dennoch weitreichende Folgen. |
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* [[Spanien]], [[17. Juli]] [[1936]]: Der Putsch (''pronunciamiento'') rechtsgerichteter Militärs führt zum [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]]. |
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* [[Deutschland]], [[7. März]] [[1944]]: [[[[Tresckow]]-[[Dohnanyi]]-Putsch]] (Attentat auf Hitler) |
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* [[Deutschland]], [[20. Juli]] [[1944]]: Umsturzversuch (Attentat auf Hitler), siehe [[20. Juli 1944]] |
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* [[Tschechoslowakei]], [[25. Februar]] [[1948]]: Der seit ein paar Jahren vorbereitete Putsch, mit Unterstützung [[Moskau]]s, führt zu Machtübernahme durch die [[Kommunistische Partei der Tschechoslowakei]] ''([[KSČ]])'', und [[Totalitarismus|totalitärer]] stalinistischer [[Diktatur]], bis [[1989]] offiziell gefeiert als "[[Siegreicher Februar]]" ''([[Vítězný Únor]])'' |
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*[[Iran]], [[22. August]] [[1953]]: [[Mohammad Mossadegh]] wird gestürzt, siehe [[Operation Ajax]] |
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* [[Griechenland]], [[1967]]: Beginn der griechischen Militärdiktatur |
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* [[Chile]], [[11. September]] [[1973]]: Putsch [[Augusto Pinochet]]s gegen [[Salvador Allende]], siehe [[Geschichte Chiles]] |
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* [[Portugal]], [[1974]]: „[[Nelkenrevolution]]“, siehe [[Geschichte Portugals]] |
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* [[Argentinien]], [[1943]], [[1962]], [[1966]] und [[1976]]: diverse Putsche, siehe [[Geschichte Argentiniens]] |
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* [[Iran]], [[1979]]: [[Islamische Revolution]], Schah [[Mohammad Reza Pahlavi]] wird entmachtet, [[Ruhollah Chomeini]] wird Staatschef |
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* [[Sowjetunion]], [[1991]]: Versuchter Putsch des Militärs, Moskauer Bevölkerung verteidigt erfolgreich [[Boris Jelzin|Boris Jelzins]] Regierung. |
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== Begriffsherkunft == |
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==Siehe auch== |
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Ursprünglich stammt der Begriff aus der Schweiz, wo das [[schweizerdeutsch]]e Dialektwort {{lang|gsw|''bütsch''}} die Bedeutung ‚heftiger Stoß‘, ‚Zusammenprall‘ oder ‚Knall‘ hat.<ref>Lemma ''Putsch'', in: ''[[Brockhaus Enzyklopädie]]'' (21. Aufl., Bd. 22, S. 303).</ref> Schon im 16. Jahrhundert wurde es auch im übertragenen Sinn militärisch für einen plötzlichen Vorstoß, den Aufprall gegen ein Hindernis oder die Initiative zu einem Unternehmen verwendet und erhielt schließlich auch die speziellere Bedeutung ‚Volksauflauf‘, ‚Revolte‘.<ref name="id">Zum Sprachlichen siehe ''[[Schweizerisches Idiotikon]],'' Band IV, Spalte 1936 ff., Artikel [https://digital.idiotikon.ch/p/lem/173686 ''Putsch VII''], ebenda auch dessen Zusammensetzungen und Ableitungen.</ref> Im 19. Jahrhundert wurde das Wort im letztgenannten Sinn für verschiedene regionale und kantonale Umstürze und Unruhen wie den ''[[Freiämtersturm|Freiämter Putsch]]'' (1830), den ''[[Züriputsch]]'' (1839), den ''[[Neuenburgerhandel|Neuenburger Putsch]]'' (1856) oder den ''[[Geschichte des Kantons Tessin#Tessiner Putsch|Tessiner Putsch]]'' (1890) gebraucht.<ref name="id" /> Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich das Wort dann im gesamten deutschen Sprachraum, insbesondere befördert durch Zeitungsberichte über den reaktionären ''Züriputsch'' in Zürich (1839). |
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*[[Militärdiktatur]] |
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*[[Diktatur]] |
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*[[Bürgerkrieg]] |
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*[[Staat]] |
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*[[Revolution]] |
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Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Begriff auch ins [[Englische Sprache|Englische]]<ref>Lemma ''putsch, n.'', in: ''[[Oxford English Dictionary]]'' (Onlineausgabe), <www.oed.com/view/Entry/155262>.</ref> sowie ins [[Französische Sprache|Französische]]<ref>Lemma ''[https://www.cnrtl.fr/definition/putsch putsch]'' im ''Portail lexical des Centre national de ressources textuelles et lexicales (CNTRL)''.</ref> entlehnt, wobei er hier zunächst nur als Terminus technicus in Zusammenhang mit den politischen Wirren der Zwischenkriegszeit in Deutschland und Österreich begegnet (''[[Kapp-Putsch]]'' 1920, ''[[Hitlerputsch]]'' 1923, ''[[Juliputsch]]'' 1934), in der allgemeineren Bedeutung „Umsturzversuch [gleich wo]“ erst seit etwa 1950.<ref>[[Charles de Gaulle]] setzte den Begriff 1943 noch in Anführungszeichen, als er [[Georges Catroux]] in einem Brief vor der Unterwanderung des [[Französisches Komitee für die Nationale Befreiung|Französischen Komitee für die Nationale Befreiung]] durch Vichy-Sympathisanten und andere feindliche Mächte warnte (Brief an General Georges Catroux vom 9. Juni 1943, ediert in: Charles de Gaulle: ''Lettres, notes et carnets'', Band 13 (''Compléments 1924-1970''). Place des éditeurs, Pariss 2014).</ref> Spätestens seit dem so genannten ''[[Putsch d’Alger (1958)]]'' ist er im politischen Diskurs Frankreichs fest verankert. |
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{{wiktionary1|Putsch}} |
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Für die im Kontext von Putschaktivitäten stehende politisch sensible Region in Subsahara-Afrika hat sich unterdessen der Begriff ''Coup belt'' ([[Putschgürtel]]) etabliert. |
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[[Kategorie:Politischer Widerstand]] |
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[[Kategorie:Verschwörung]] |
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== Putsch und Staatsstreich == |
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[[ca:Cop d'estat]] |
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[[Datei:Bouchot - Le general Bonaparte au Conseil des Cinq-Cents.jpg|mini|Darstellung der Machtübernahme [[Napoleon Bonaparte|Napoleons]] 1799]] |
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[[cs:Puč]] |
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Darüber, ob und inwiefern sich die Begriffe ''Putsch'' und ''Staatsstreich'' unterscheiden, besteht keine Einigkeit. Oft wird der Unterschied darin gesehen, dass bei einem Putsch der gewaltsame Sturz der Regierung von außen versucht wird (etwa vom Militär), während an einem Staatsstreich ein oder mehrere Mitglieder der aktuellen Regierung beteiligt sind. Der Begriff ''Staatsstreich'' entstand im 17. Jahrhundert als deutsche Übertragung des französischen Begriffes ''coup d'état''. Die erste Monografie über den Staatsstreich wurde von Gabriel Naudé verfasst. Weite Verbreitung fand der Begriff im Zuge des [[Staatsstreich des 18. Brumaire VIII|Staatsstreichs des 18. Brumaire VIII]], d. h. der Machtübernahme [[Napoleon Bonaparte|Napoleons]] in Frankreich 1799 sowie des Staatsstreichs von [[Napoleon III.|Louis-Napoléon Bonaparte]] vom 2. Dezember 1851. |
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[[da:Statskup]] |
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* Der [[Duden]] gibt bei ''Putsch'' als Bedeutung an: „von einer kleineren Gruppe [von Militärs] durchgeführter Umsturz[versuch] zur Übernahme der Staatsgewalt“.<ref>Duden online: [https://www.duden.de/rechtschreibung/Putsch ''Putsch''] (der Zusatz „von Militärs“ in eckigen Klammern besagt, dass sich der Begriff in erster Linie auf Akteure aus dem Militär bezieht).</ref> Bei ''Staatsstreich'' lautet die Bedeutungsangabe dagegen: „gewaltsamer Umsturz durch etablierte Träger hoher staatlicher Funktionen“.<ref>Duden online: [https://www.duden.de/rechtschreibung/Staatsstreich ''Staatsstreich'']</ref> ''Coup d’État'' wird als (weitgehend) gleichbedeutend mit ''Staatsstreich'' behandelt.<ref>Duden online: [https://www.duden.de/rechtschreibung/Coup_d_Etat ''Coup d’État'']</ref> |
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[[en:Coup d'état]] |
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* Der [[Brockhaus Enzyklopädie|Brockhaus]] vermerkt ergänzend, dass ein Staatsstreich ein planmäßig gegen die [[Verfassung]] gerichteter Umsturz bzw. Umsturzversuch sei. [[Meyers Konversations-Lexikon]] nennt Verfassungswidrigkeit als besonderes Merkmal eines Staatsstreichs. Einen Putsch hingegen beschreiben beide weniger spezifisch, das Merkmal eines gegen die Verfassung gerichteten Umsturzplanes muss dafür nicht notwendig erfüllt sein. |
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[[eo:Puĉo]] |
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* Auch das ''Politiklexikon'' sieht den Unterschied darin, dass die Akteure eines Staatsstreiches bereits an der Macht beteiligt seien. Als [[Antonym]] zu ''Staatsstreich'' nennt es ''Putsch''.<ref>Klaus Schubert und Martina Klein: ''Das Politiklexikon.'' 4. Auflage. Dietz, Bonn 2006 ([https://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=E01B1C online], Zugriff am 2. Juni 2010).</ref> |
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[[es:Golpe de Estado]] |
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* Nach [[Walter Theimer]]s ''Lexikon der Politik'' wird ein Staatsstreich „insbesondere vom Militär oder Teilen davon“ durchgeführt. Der Unterschied bestehe darin, dass die Putschisten „subalterne Offiziersgruppen“ oder andere eher machtlose Gruppen seien; Voraussetzung für die Durchführung eines Staatsstreichs sei dagegen eine hohe Machtstellung der Akteure, die – wie bei der Absetzung [[Benito Mussolini|Mussolinis]] durch König [[Viktor Emanuel III.]] 1943 – sogar [[Staatsoberhaupt|Staatsoberhäupter]] sein könnten. Das Antonym von ''Staatsstreich'' sei ''Revolution''.<ref>Walter Theimer: ''Lexikon der Politik. Politische Begriffe, Namen, Systeme, Gedanken und Probleme aller Länder.'' 6. Auflage. Francke Verlag, Bern 1961, S. 673 f.</ref> |
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[[fr:Coup d'État]] |
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* Das ''Wörterbuch zur Geschichte'' definiert Putsch als Sonderform des Staatsstreichs: Er sei ein „Staatsstreich von unten durch eine kleinere Gruppe“.<ref>Erich Bayer (Hrsg.): ''Wörterbuch zur Geschichte. Begriffe und Fachausdrücke'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 289). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 1980, ISBN 3-520-28904-0, S. 429.</ref> |
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[[he:הפיכה]] |
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[[id:Kudeta]] |
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Andere Autoren behandeln die Begriffe als mehr oder weniger gleichbedeutend: |
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[[io:Stato-stroko]] |
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* Der Kriminologe Wolf Middendorf sieht keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied, allenfalls gehörten Putschisten oft niedrigeren militärischen Rängen an.<ref>Wolf Middendorf: ''20. Juli und Kapp-Putsch in der Sicht der Kriminologie.'' In: Hans-Dieter Schwind, Günter Blau, Ulrich Berz et al. (Hrsg.): ''Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag am 18. Dezember 1985.'' De Gruyter, Berlin und New York 1985, S. 257.</ref> |
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[[it:Colpo di stato]] |
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* Das Wortschatzlexikon der Universität Leipzig bezeichnet beide Begriffe als [[Synonymie|synonym]].<ref>{{Webarchiv |url=http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-bin/wort_www.exe?site=1&Wort=Putsch |text=Wortschatzlexikon der Universität Leipzig s. v. Putsch |wayback=20151217152627}}, Zugriff am 2. Juni 2010</ref> |
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[[ja:クーデター]] |
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* Auch der Osteuropahistoriker [[Manfred Hildermeier]] benutzt beide Begriffe synonym, wenn er etwa die [[Augustputsch in Moskau|Moskauer Ereignisse vom August 1991]] einmal als „gescheiterten Putsch“ und einmal als „versuchten Staatsstreich“ bezeichnet.<ref>Manfred Hildermeier: ''Die Sowjetunion 1917–1991.'' Oldenbourg, München 2007, S. 1 und 226.</ref> |
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[[ko:쿠데타]] |
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[[nl:Staatsgreep]] |
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== Militärputsch == |
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[[nn:Kuppforsøk]] |
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[[Militär|Streitkräfte]] haben häufig Traditionen und Organisationsstrukturen, die älter sind als das [[Regime]], dessen Existenz zu sichern ihre Aufgabe ist. Die Zusammensetzung des [[Offizierskorps]] kann dabei eine Rolle spielen, die Größe der Armee, eine Tradition von vorangegangenen Militärputschen, Niederlagen in Kriegen oder nationale Krisen, deren Bewältigung einer zivilen Regierung nicht zugetraut wird. Das kann dazu führen, dass zivile Regierungen entweder von Militärs in Putschen direkt beseitigt, oder aber vom Militär ihren inneren Feinden ausgeliefert werden. |
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[[no:Statskupp]] |
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[[pl:Zamach stanu]] |
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Häufiger als der direkte Putsch mit dem Sturz der Regierung ist die legalisierte Auflehnung, bei der das Militär seine umfangreichen Machtbefugnisse nutzt, um direkten Einfluss auf politische Regierungsentscheidungen zu nehmen. In der [[Türkei]], [[Thailand]], [[Putsch in Chile 1973|Chile]] und in [[Burma]] hatte sich das Militär nach Militärputschen auch für die Zeit nach der Rückgabe der Macht an die Zivilisten derartige Einflussmöglichkeiten gesichert. Parlamentssitze und andere institutionalisierte Einflussmöglichkeiten sichern dem Militär einen Einfluss an der politischen Macht, ohne dass eine direkte Gewaltandrohung ausgesprochen werden muss. |
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[[pt:Golpe de Estado]] |
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[[ru:Путч]] |
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[[Frankreich]] erlebte während der [[Dekolonisation|Auflösung seines Kolonialreiches]] zwei Militärputsche von Offizieren, die die Entwicklung aufhalten wollten. Der erste, der [[Putsch d’Alger (1958)|Putsch von Algier]], führte 1958 zum Sturz der [[Vierte Französische Republik|Vierten Republik]], der zweite [[Organisation de l’armée secrète|Putsch der Generale von 1961]] scheiterte, bevor [[Algerien]] schließlich im März 1962 unabhängig wurde. |
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[[sl:Državni udar]] |
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[[sv:Statskupp]] |
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== Palastrevolution == |
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[[zh:政變]] |
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Eine Sonderform des Putsches ist die Palastrevolution. Sie bezeichnet keine Revolution, sondern einen Sturz von Herrschern oder Staatsmännern,<ref>''dtv-Lexikon in 20 Bänden.'' F. A. Brockhaus GmbH, Mannheim, und Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1997, ISBN 3-423-05998-2.</ref> der nicht durch [[Volksaufstand|Volksaufstände]] oder [[Widerstand (Politik)|Erhebungen]] der Bevölkerung, sondern durch [[Intrige]]n im Umfeld der jeweiligen Herrscher herbeigeführt wird.<ref>''Knaurs Lexikon. Das Wissen unserer Zeit immer auf dem neuesten Stand.'' Vollständige Taschenbuch-Ausgabe 1987. Droemersche Verlagsanstalt, München 1985, 1987, ISBN 3-426-07739-6.</ref> Umgangssprachlich wird auch die Auflehnung gegen [[Vorgesetzter|Vorgesetzte]] in Firmen und Organisationen als ''Palastrevolution'' bezeichnet.<ref>Duden online: [https://www.duden.de/rechtschreibung/Palastrevolution ''Palastrevolution'']</ref><ref>wissen.de [https://www.wissen.de/search?keyword=palastrevolution ''Palastrevolution'']</ref> Beispiele sind die [[Russische Palastrevolutionen|Russischen Palastrevolutionen]]. |
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== Selbstputsch == |
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Als Selbstputsch (spanisch ''Autogolpe'') wird ein Staatsstreich bezeichnet, bei welchem ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt oder Regierungschef mithilfe des Militärs oder unverfassungsgemäßer Methoden das [[Parlament]] und/oder das [[Verfassungsgericht]] ausschaltet, um diktatorische Macht zu erlangen. Als bekanntestes Beispiel dieses Selbstputsches gilt der ''Autogolpe'' von [[Peru]]s Präsidenten [[Alberto Fujimori]] im April 1992.<ref>Julio Cotler, Romeo Grompone: El fujimorismo. Ascenso y caída de un régimen autoritario. Instituto de Estudios Peruanos (IEP), Lima 2000.</ref> In [[Guatemala]] versuchte 1993 [[Jorge Antonio Serrano Elias]] nach dem Vorbild Fujimoris die Macht an sich zu reißen, wurde aber nach massiven Protesten entmachtet.<ref name=pl20071108>''Prensa Libre'', 08 de noviembre de 2007 {{Webarchiv|text=Serrano quiere regresar con el nuevo gobierno |url=http://www.prensalibre.com/noticias/Serrano-quiere-regresar-nuevo-gobierno_0_151186304.html |wayback=20140512222754 }}</ref> Ein weiterer, aber erfolgloser Selbstputsch in Peru wurde im Dezember 2022 von [[Pedro Castillo]] durchgeführt, welcher infolgedessen des Amtes enthoben wurde.<ref>{{Internetquelle |autor=Marco Aquino |titel=Peru's President Castillo ousted following his attempt to dissolve Congress |werk=Reuters |datum=2022-12-07 |url=https://www.reuters.com/world/americas/perus-president-says-will-dissolve-congress-calls-elections-2022-12-07/ |abruf=2022-12-07}}</ref> |
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== Putsche in der Geschichte == |
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Obwohl das Wort ''Putsch'' international erst seit dem „[[Züriputsch]]“ in Gebrauch ist, können Staatsstreiche in davorliegenden Zeiten ebenso bezeichnet werden. |
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{{Siehe auch|Liste von Putschen und Putschversuchen}} |
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== Literatur == |
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* Gabriel Naudé: ''Considérations politiques sur les coups d’estat''. Erstauflage 1639, Neuauflage bei Le Promeneur. - ISBN 2-07-077275-6, deutschsprachige Erstausgabe: Politisches Bedencken über die Staats-Streiche, Leipzig 1668. |
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* David Hebditch, Ken Connor: ''Wie man einen Militärputsch inszeniert. Von der Planung bis zur Ausführung''. [[Leopold Stocker Verlag|Ares-Verlag]], Graz 2006, ISBN 3-902475-23-4. |
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* Edward Luttwak:'' Wie inszeniert man einen Staatsstreich oder: Der Coup d’Etat''. Rowohlt, Reinbek 1969. |
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* [[François Mitterrand]]: ''Le Coup d’État permanent'' (dt. ''Der permanente Staatsstreich''), 1964. |
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* [[Joachim Fest]]: ''Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli''. 4. Aufl. (August 1998), ISBN 978-3-88680-539-6. |
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* Bruce W. Farcau: ''The Coup. Tactics in the Seizure of Power.'' Praeger, Westport 1994, ISBN 0-275-94783-1, S. 2. |
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== Weblinks == |
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{{Commonscat|Coups d'état|Coup d’Etat|audio=1|video=1}} |
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{{Wiktionary}} |
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{{Wiktionary|Staatsstreich}} |
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* {{DNB-Portal|4193176-2}} |
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* [http://www.mherrera.org/trouble.htm Gefahr von Staatsstreichen in der Welt (''A World in Trouble'')], ''Maximiliano Herrera'' (englisch) |
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== Einzelnachweise == |
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<references /> |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4193176-2|LCCN=sh85033502|NDL=01225092}} |
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[[Kategorie:Putsch| ]] |
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[[Kategorie:Autoritarismus]] |
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[[Kategorie:Politisches Instrument]] |
Aktuelle Version vom 17. Juni 2025, 08:49 Uhr

Ein Putsch oder Staatsstreich (oft französisch coup d’état [ ]) ist eine illegale, meist gewaltsame und überraschende Aktion von Angehörigen des Militärs oder paramilitärischer Organisationen und/oder einer Gruppe von Politikern mit dem Ziel, die Macht im Staat zu übernehmen oder für sich zu erhalten.
Das Wort Putsch wird zumeist nur für eine erfolgreiche Militärrevolte benutzt. Ihr folgt in der Regel eine Militärdiktatur oder die Herrschaft eines autoritären Regimes. Nach einem Fehlschlag ist meist von einem Putschversuch oder Revolte die Rede. Da das Wort Putsch negativ konnotiert ist, verwenden Putschisten selbst in der Regel euphemistische Bezeichnungen für ihre Handlungen.[1] Bekannte Beispiele sind die Militärputsche in Chile 1973 oder in Griechenland 1967. Einer der seltenen Fälle, in denen ein Militärcoup eine Demokratisierung zur Folge hatte, war die Nelkenrevolution in Portugal 1974.
Als Staatsstreich wird in der Regel die Aktion einer bereits im Amt befindlichen Regierung oder von einzelnen Regierungsmitgliedern bezeichnet, die darauf abzielt, ihre Macht auf illegitime Weise zu verlängern oder zu festigen, indem sie die Institutionen und das geltende legale Prozedere untergräbt, umgeht oder gänzlich ausschaltet. Historische Beispiele dafür sind die Staatsstreiche Napoléons I. vom 18. Brumaire des Jahres VIII und der Napoléons III. vom 2. Dezember 1851. In neuerer Zeit wurde die Entmachtung der Nationalversammlung von Venezuela durch Präsident Maduro im Jahr 2017 als Staatsstreich von oben bezeichnet,[2] ebenso wie die Polnische Verfassungskrise und Justizreform von 2015.[3] Der Angriff auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 durch Anhänger Donald Trumps wird von vielen Beobachtern als versuchter Staatsstreich betrachtet.[4][5]
Das Antonym zu Putsch und Staatsstreich ist Revolution, die nicht nur von einer kleinen Gruppe, sondern von relevanten Teilen des Volkes getragen wird und nicht nur einen Regimewechsel, sondern einen tiefgreifenderen Wandel zur Folge hat.
Begriffsherkunft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ursprünglich stammt der Begriff aus der Schweiz, wo das schweizerdeutsche Dialektwort bütsch die Bedeutung ‚heftiger Stoß‘, ‚Zusammenprall‘ oder ‚Knall‘ hat.[6] Schon im 16. Jahrhundert wurde es auch im übertragenen Sinn militärisch für einen plötzlichen Vorstoß, den Aufprall gegen ein Hindernis oder die Initiative zu einem Unternehmen verwendet und erhielt schließlich auch die speziellere Bedeutung ‚Volksauflauf‘, ‚Revolte‘.[7] Im 19. Jahrhundert wurde das Wort im letztgenannten Sinn für verschiedene regionale und kantonale Umstürze und Unruhen wie den Freiämter Putsch (1830), den Züriputsch (1839), den Neuenburger Putsch (1856) oder den Tessiner Putsch (1890) gebraucht.[7] Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich das Wort dann im gesamten deutschen Sprachraum, insbesondere befördert durch Zeitungsberichte über den reaktionären Züriputsch in Zürich (1839).
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Begriff auch ins Englische[8] sowie ins Französische[9] entlehnt, wobei er hier zunächst nur als Terminus technicus in Zusammenhang mit den politischen Wirren der Zwischenkriegszeit in Deutschland und Österreich begegnet (Kapp-Putsch 1920, Hitlerputsch 1923, Juliputsch 1934), in der allgemeineren Bedeutung „Umsturzversuch [gleich wo]“ erst seit etwa 1950.[10] Spätestens seit dem so genannten Putsch d’Alger (1958) ist er im politischen Diskurs Frankreichs fest verankert.
Für die im Kontext von Putschaktivitäten stehende politisch sensible Region in Subsahara-Afrika hat sich unterdessen der Begriff Coup belt (Putschgürtel) etabliert.
Putsch und Staatsstreich
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Darüber, ob und inwiefern sich die Begriffe Putsch und Staatsstreich unterscheiden, besteht keine Einigkeit. Oft wird der Unterschied darin gesehen, dass bei einem Putsch der gewaltsame Sturz der Regierung von außen versucht wird (etwa vom Militär), während an einem Staatsstreich ein oder mehrere Mitglieder der aktuellen Regierung beteiligt sind. Der Begriff Staatsstreich entstand im 17. Jahrhundert als deutsche Übertragung des französischen Begriffes coup d'état. Die erste Monografie über den Staatsstreich wurde von Gabriel Naudé verfasst. Weite Verbreitung fand der Begriff im Zuge des Staatsstreichs des 18. Brumaire VIII, d. h. der Machtübernahme Napoleons in Frankreich 1799 sowie des Staatsstreichs von Louis-Napoléon Bonaparte vom 2. Dezember 1851.
- Der Duden gibt bei Putsch als Bedeutung an: „von einer kleineren Gruppe [von Militärs] durchgeführter Umsturz[versuch] zur Übernahme der Staatsgewalt“.[11] Bei Staatsstreich lautet die Bedeutungsangabe dagegen: „gewaltsamer Umsturz durch etablierte Träger hoher staatlicher Funktionen“.[12] Coup d’État wird als (weitgehend) gleichbedeutend mit Staatsstreich behandelt.[13]
- Der Brockhaus vermerkt ergänzend, dass ein Staatsstreich ein planmäßig gegen die Verfassung gerichteter Umsturz bzw. Umsturzversuch sei. Meyers Konversations-Lexikon nennt Verfassungswidrigkeit als besonderes Merkmal eines Staatsstreichs. Einen Putsch hingegen beschreiben beide weniger spezifisch, das Merkmal eines gegen die Verfassung gerichteten Umsturzplanes muss dafür nicht notwendig erfüllt sein.
- Auch das Politiklexikon sieht den Unterschied darin, dass die Akteure eines Staatsstreiches bereits an der Macht beteiligt seien. Als Antonym zu Staatsstreich nennt es Putsch.[14]
- Nach Walter Theimers Lexikon der Politik wird ein Staatsstreich „insbesondere vom Militär oder Teilen davon“ durchgeführt. Der Unterschied bestehe darin, dass die Putschisten „subalterne Offiziersgruppen“ oder andere eher machtlose Gruppen seien; Voraussetzung für die Durchführung eines Staatsstreichs sei dagegen eine hohe Machtstellung der Akteure, die – wie bei der Absetzung Mussolinis durch König Viktor Emanuel III. 1943 – sogar Staatsoberhäupter sein könnten. Das Antonym von Staatsstreich sei Revolution.[15]
- Das Wörterbuch zur Geschichte definiert Putsch als Sonderform des Staatsstreichs: Er sei ein „Staatsstreich von unten durch eine kleinere Gruppe“.[16]
Andere Autoren behandeln die Begriffe als mehr oder weniger gleichbedeutend:
- Der Kriminologe Wolf Middendorf sieht keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied, allenfalls gehörten Putschisten oft niedrigeren militärischen Rängen an.[17]
- Das Wortschatzlexikon der Universität Leipzig bezeichnet beide Begriffe als synonym.[18]
- Auch der Osteuropahistoriker Manfred Hildermeier benutzt beide Begriffe synonym, wenn er etwa die Moskauer Ereignisse vom August 1991 einmal als „gescheiterten Putsch“ und einmal als „versuchten Staatsstreich“ bezeichnet.[19]
Militärputsch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Streitkräfte haben häufig Traditionen und Organisationsstrukturen, die älter sind als das Regime, dessen Existenz zu sichern ihre Aufgabe ist. Die Zusammensetzung des Offizierskorps kann dabei eine Rolle spielen, die Größe der Armee, eine Tradition von vorangegangenen Militärputschen, Niederlagen in Kriegen oder nationale Krisen, deren Bewältigung einer zivilen Regierung nicht zugetraut wird. Das kann dazu führen, dass zivile Regierungen entweder von Militärs in Putschen direkt beseitigt, oder aber vom Militär ihren inneren Feinden ausgeliefert werden.
Häufiger als der direkte Putsch mit dem Sturz der Regierung ist die legalisierte Auflehnung, bei der das Militär seine umfangreichen Machtbefugnisse nutzt, um direkten Einfluss auf politische Regierungsentscheidungen zu nehmen. In der Türkei, Thailand, Chile und in Burma hatte sich das Militär nach Militärputschen auch für die Zeit nach der Rückgabe der Macht an die Zivilisten derartige Einflussmöglichkeiten gesichert. Parlamentssitze und andere institutionalisierte Einflussmöglichkeiten sichern dem Militär einen Einfluss an der politischen Macht, ohne dass eine direkte Gewaltandrohung ausgesprochen werden muss.
Frankreich erlebte während der Auflösung seines Kolonialreiches zwei Militärputsche von Offizieren, die die Entwicklung aufhalten wollten. Der erste, der Putsch von Algier, führte 1958 zum Sturz der Vierten Republik, der zweite Putsch der Generale von 1961 scheiterte, bevor Algerien schließlich im März 1962 unabhängig wurde.
Palastrevolution
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Sonderform des Putsches ist die Palastrevolution. Sie bezeichnet keine Revolution, sondern einen Sturz von Herrschern oder Staatsmännern,[20] der nicht durch Volksaufstände oder Erhebungen der Bevölkerung, sondern durch Intrigen im Umfeld der jeweiligen Herrscher herbeigeführt wird.[21] Umgangssprachlich wird auch die Auflehnung gegen Vorgesetzte in Firmen und Organisationen als Palastrevolution bezeichnet.[22][23] Beispiele sind die Russischen Palastrevolutionen.
Selbstputsch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Selbstputsch (spanisch Autogolpe) wird ein Staatsstreich bezeichnet, bei welchem ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt oder Regierungschef mithilfe des Militärs oder unverfassungsgemäßer Methoden das Parlament und/oder das Verfassungsgericht ausschaltet, um diktatorische Macht zu erlangen. Als bekanntestes Beispiel dieses Selbstputsches gilt der Autogolpe von Perus Präsidenten Alberto Fujimori im April 1992.[24] In Guatemala versuchte 1993 Jorge Antonio Serrano Elias nach dem Vorbild Fujimoris die Macht an sich zu reißen, wurde aber nach massiven Protesten entmachtet.[25] Ein weiterer, aber erfolgloser Selbstputsch in Peru wurde im Dezember 2022 von Pedro Castillo durchgeführt, welcher infolgedessen des Amtes enthoben wurde.[26]
Putsche in der Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Obwohl das Wort Putsch international erst seit dem „Züriputsch“ in Gebrauch ist, können Staatsstreiche in davorliegenden Zeiten ebenso bezeichnet werden.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gabriel Naudé: Considérations politiques sur les coups d’estat. Erstauflage 1639, Neuauflage bei Le Promeneur. - ISBN 2-07-077275-6, deutschsprachige Erstausgabe: Politisches Bedencken über die Staats-Streiche, Leipzig 1668.
- David Hebditch, Ken Connor: Wie man einen Militärputsch inszeniert. Von der Planung bis zur Ausführung. Ares-Verlag, Graz 2006, ISBN 3-902475-23-4.
- Edward Luttwak: Wie inszeniert man einen Staatsstreich oder: Der Coup d’Etat. Rowohlt, Reinbek 1969.
- François Mitterrand: Le Coup d’État permanent (dt. Der permanente Staatsstreich), 1964.
- Joachim Fest: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli. 4. Aufl. (August 1998), ISBN 978-3-88680-539-6.
- Bruce W. Farcau: The Coup. Tactics in the Seizure of Power. Praeger, Westport 1994, ISBN 0-275-94783-1, S. 2.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Putsch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gefahr von Staatsstreichen in der Welt (A World in Trouble), Maximiliano Herrera (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gundula Fienbork: Die Sprache als Hort der Freiheit. Sprachwende und Sprachwandel nach 1989. Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 1996, S. 73.
- ↑ Venezuelas Parlament entmachtet
- ↑ Polens Angst vor dem „Staatsstreich“ von oben
- ↑ David Pion-Berlin, Thomas Bruneau, Richard B. Goetze: The Trump Self-Coup Attempt: Comparisons and Civil–Military Relations. In: Government and Opposition. 7. April 2022, ISSN 0017-257X, S. 1–18, doi:10.1017/gov.2022.13 (cambridge.org [abgerufen am 29. August 2023]).
- ↑ Robert J. Antonio: Democracy and Capitalism in the Interregnum: Trump’s Failed Self-Coup and After. In: Critical Sociology. Band 48, Nr. 6, September 2022, ISSN 0896-9205, S. 937–965, doi:10.1177/08969205211049499 (sagepub.com [abgerufen am 29. August 2023]).
- ↑ Lemma Putsch, in: Brockhaus Enzyklopädie (21. Aufl., Bd. 22, S. 303).
- ↑ a b Zum Sprachlichen siehe Schweizerisches Idiotikon, Band IV, Spalte 1936 ff., Artikel Putsch VII, ebenda auch dessen Zusammensetzungen und Ableitungen.
- ↑ Lemma putsch, n., in: Oxford English Dictionary (Onlineausgabe), <www.oed.com/view/Entry/155262>.
- ↑ Lemma putsch im Portail lexical des Centre national de ressources textuelles et lexicales (CNTRL).
- ↑ Charles de Gaulle setzte den Begriff 1943 noch in Anführungszeichen, als er Georges Catroux in einem Brief vor der Unterwanderung des Französischen Komitee für die Nationale Befreiung durch Vichy-Sympathisanten und andere feindliche Mächte warnte (Brief an General Georges Catroux vom 9. Juni 1943, ediert in: Charles de Gaulle: Lettres, notes et carnets, Band 13 (Compléments 1924-1970). Place des éditeurs, Pariss 2014).
- ↑ Duden online: Putsch (der Zusatz „von Militärs“ in eckigen Klammern besagt, dass sich der Begriff in erster Linie auf Akteure aus dem Militär bezieht).
- ↑ Duden online: Staatsstreich
- ↑ Duden online: Coup d’État
- ↑ Klaus Schubert und Martina Klein: Das Politiklexikon. 4. Auflage. Dietz, Bonn 2006 (online, Zugriff am 2. Juni 2010).
- ↑ Walter Theimer: Lexikon der Politik. Politische Begriffe, Namen, Systeme, Gedanken und Probleme aller Länder. 6. Auflage. Francke Verlag, Bern 1961, S. 673 f.
- ↑ Erich Bayer (Hrsg.): Wörterbuch zur Geschichte. Begriffe und Fachausdrücke (= Kröners Taschenausgabe. Band 289). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 1980, ISBN 3-520-28904-0, S. 429.
- ↑ Wolf Middendorf: 20. Juli und Kapp-Putsch in der Sicht der Kriminologie. In: Hans-Dieter Schwind, Günter Blau, Ulrich Berz et al. (Hrsg.): Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag am 18. Dezember 1985. De Gruyter, Berlin und New York 1985, S. 257.
- ↑ Wortschatzlexikon der Universität Leipzig s. v. Putsch ( vom 17. Dezember 2015 im Internet Archive), Zugriff am 2. Juni 2010
- ↑ Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917–1991. Oldenbourg, München 2007, S. 1 und 226.
- ↑ dtv-Lexikon in 20 Bänden. F. A. Brockhaus GmbH, Mannheim, und Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1997, ISBN 3-423-05998-2.
- ↑ Knaurs Lexikon. Das Wissen unserer Zeit immer auf dem neuesten Stand. Vollständige Taschenbuch-Ausgabe 1987. Droemersche Verlagsanstalt, München 1985, 1987, ISBN 3-426-07739-6.
- ↑ Duden online: Palastrevolution
- ↑ wissen.de Palastrevolution
- ↑ Julio Cotler, Romeo Grompone: El fujimorismo. Ascenso y caída de un régimen autoritario. Instituto de Estudios Peruanos (IEP), Lima 2000.
- ↑ Prensa Libre, 08 de noviembre de 2007 Serrano quiere regresar con el nuevo gobierno ( vom 12. Mai 2014 im Internet Archive)
- ↑ Marco Aquino: Peru's President Castillo ousted following his attempt to dissolve Congress. In: Reuters. 7. Dezember 2022, abgerufen am 7. Dezember 2022.