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„Vikariat (evangelisch)“ – Versionsunterschied

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== Einleitung ==
Das Vikariat ist die praktische Vorbereitung für den Beruf des evangelischen [[Pastor|Pastors]]/der Pastorin. Jemand, der das Vikariat durchläuft, ist '''[[Vikar]]''' bzw. Vikarin. Das Vikariat ähnelt damit dem Referendariat des Juristen oder des Lehrers. Voraussetzung für das Vikariat ist u.a. das abgeschlossene evangelische Theologiestudium, also das Erste Theologische Examen (oder Erstes Kirchliches Examen). Dieses entspricht dem akademischen Grad des Diploms (Dipl. theol.), das sich je nach Landeskirche und Universität zusätzlich zu dem Ersten Theologischen Examen erwerben lässt (siehe [[Theologie]]). Mit dem Ende des Vikariats absolviert man das Zweite Theologische Examen (oder Zweites Kirchliches Examen); dies ist kein akademischer Grad. Wenn die Kirche einen dann in eine Anstellung als Pastor übernimmt, erhält man damit die [[Ordination]], man wird vollwertiger Pastor. Aber auch im Vikariat darf der Anwärter schon Kraft der Ordination des Pastors oder der Pastorin, der oder die die Ausbildung in der Gemeinde begleitet, das Abendmahl austeilen, Trauungen feiern, taufen etc.; dies ist eine Sonderregelung, um die Qualität dieser Ausbildung zu sichern. Der Ablauf und die Länge des Vikariats ist von [[Landeskirche]] zu Landeskirche je unterschiedlich. In der [[Nordelbische_Evangelisch-Lutherische_Kirche|Nordelbischen Kirche]] beginnt zweimal im Jahr ein Vikariatskurs, der zwei Jahre dauert und zwanzig Teilnehmer und Teilnehmerinnen hat.


Das '''Vikariat''' ist der praktische [[Vorbereitungsdienst]] für den Beruf des [[Evangelische Kirche|evangelischen]] [[Pastor]]s bzw. [[Pfarrer]]s.
== Zeitlicher Ablauf des Vikariats ==
Das Vikariat beginnt mit einem Gottesdienst mit Verleihung einer Urkunde. Damit wird man zunächst Beamter der Kirche (auf Widerruf) geworden. Das Vikariat besteht aus einer Schulphase (meist Grundschule), die ein halbes Jahr dauert. Es wird zunächst im Unterricht hospitiert und später auch selber unterrichtet, Religion, aber auch Deutsch, Mathe und Sport.
Es folgt die Gemeindephase, die gut ein Jahr dauert; dort ist der Anwärter einer Pastorin, einem Pastor fest zugeordnet. Dort lernt man schrittweise, Gottesdienst, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen zu halten. Als letztes folgt die Abschlussphase mit dem zweiten theologischen Examen und einigen Klausuren.
== Orte des Vikariats ==
''Orte'' des Vikariats sind zunächst Schule und dann Gemeinde. Parallel zur Schul- und zur Gemeindephase gibt es immer wieder Unterbrechungen, in denen man für 1-2 Wochen im '''[[Predigerseminar]]''' ist. Dort ist Zeit, die praktische Arbeit in Schule und Gemeinde zu reflektieren und neue Sachen zu erproben. Man übernachtet im Predigerseminar und lebt gemeinsam; Kurse zu Pädagogik, Seelsorge, Predigtlehre etc. werden besucht. Ein dritter wichtiger ''Ort'' ist die Regionalgruppe. Sie besteht aus Vikaren aus der Region in fester Zusammensetzung. Diese Vikare und Vikarinnen treffen sich mit ihrem Mentor zu einer Art Supervision, d.h. man kann sich in einer vertrauten Gruppe über die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen austauschen und so Anregungen für die eigene Arbeit erhalten.


== Links ==
== Bedeutung ==
Das Vikariat ist der zweite, praktische Teil der evangelischen [[Pfarrerausbildung]] in Deutschland, der Schweiz und Österreich nach dem Studium der Theologie. Es ist als solches vergleichbar dem [[Referendariat]] im öffentlichen Dienst; wer das Vikariat durchläuft, ist [[Vikar]] oder Vikarin.
Predigerseminar Nordelbien
[[http://www.dbh-preetz.de/pre.root/index.html]]


Voraussetzung für die Aufnahme in das Vikariat ist in den deutschen evangelischen Landeskirchen ein mit dem Ersten Theologischen oder Ersten Kirchlichen Examen abgeschlossenes Studium der [[Evangelische Theologie|evangelischen Theologie]]. In der Regel erfolgt schon während des Studiums durch die Aufnahme in eine landeskirchliche Anwärterliste eine Begleitung durch den späteren Anstellungsträger (Landeskirche). Das Erste Theologische Examen entspricht dem ersten Staatsexamen bzw. dem akademischen Grad des Masters (früher: Diplom), der sich je nach Landeskirche und Universität zusätzlich zu dem Ersten Theologischen Examen erwerben lässt (siehe [[Theologie]]). Am Ende des Vikariats wird das Zweite Theologische bzw. das Zweite Kirchliche Examen in Analogie zum zweiten Staatsexamen in der Lehrer- und Juristenausbildung absolviert.
[[Kategorie: Christentum in Deutschland|Christlicher Geistlicher]]

In der Schweiz gehören zu den Zulassungsvoraussetzungen neben dem abgeschlossenen Master-Studiengang in Evangelischer Theologie weitere kirchliche Ausbildungselemente mit Praxisbezug.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bildungkirche.ch/ausbildung/lernvikariat-der-konkordatskirchen/zulassung-zum-lernvikariat |titel=Zulassung zum Lernvikariat |abruf=2021-07-04}}</ref> In Österreich sind neben dem universitären Abschluss in Evangelischer Theologie mehrere studienbegleitende Praktika vorgegeben.<ref>{{Internetquelle |autor=Ingrid Bachler |url=https://evang.at/pfarrerin-werden-der-weg-zum-beruf/ |titel=PfarrerIn werden: Der Weg zum Beruf |abruf=2021-07-04}}</ref>

Im Anschluss an das Zweite Examen kann eine Übernahme in den kirchlichen Probedienst, je nach Landeskirche als [[Pastor]], [[Pfarrer]] zur Anstellung (Pfr.&nbsp;z.&nbsp;A.) oder zum Pfarrer auf Probe<ref>{{Internetquelle |url=https://www.kirchenrecht-ekd.de/document/14992#s47000018 |titel=Pfarrdienstgesetz der EKD: Kapitel 1 Pfarrdienstverhältnis auf Probe |werk=Kirchenrecht-ekd.de |datum=2016-11-08 |abruf=2018-04-17}}</ref> erfolgen. Die [[Ordination]] zum Pastor bzw. Pfarrer erfolgt in manchen Landeskirchen schon zu Beginn oder im Laufe dieses Probedienstes, in der Regel erst bei der Einführung auf die erste Pfarrstelle in einem unbefristeten Dienstverhältnis.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.kirchenrecht-ekd.de/document/14992#s47000164 |titel=Pfarrdienstgesetz der EKD § 118 |werk=Kirchenrecht-ekd.de |datum=2016-11-08 |abruf=2018-04-17}}</ref>

Während des Vikariats darf der Anwärter schon kraft der Ordination des Pastors oder der Pastorin, der oder die die Ausbildung in der Gemeinde begleitet, das Abendmahl verwalten, trauen, taufen etc.; dies ist eine Sonderregelung, um die Qualität dieser Ausbildung zu sichern, die teilweise (insbesondere in Bezug auf die Verwaltung des Abendmahls) zu Irritationen bei anderen Kirchen führt, mit denen die Evangelischen Kirchen in Deutschland in der [[Ökumenische Bewegung|Ökumene]] verbunden sind, wie auch bei stärker traditionalistisch eingestellten Kirchenmitgliedern insbesondere im Luthertum. Ebenso ist die Erlaubnis dazu in den verschiedenen Landeskirchen recht unterschiedlich geregelt. So dürfen z.&nbsp;B. in [[Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens|Sachsen]] die Vikare nur inklusiv „Es segne '''uns'''“, nicht aber exklusiv „Es segne '''euch'''“ [[Aaronitischer Segen#Christentum|segnen]]. Weiterhin dürfen sie der Feier des Abendmahls nicht vorstehen. Der Ablauf und die Länge des Vikariats variieren zwischen den einzelnen Landeskirchen.

== Zeitlicher Ablauf ==
[[Datei:LAHelwig-Scenen aus dem Leben eines Vikars 1842 (Einzelblatt).jpg|mini|Aufzug eines Vikars (im 19. Jahrhundert), Illustration im Buch „Scenen aus dem Leben eines Vikars“ von [[Ludwig August Helvig]] 1842]]
Das Vikariat beginnt mit der Berufung in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis auf Widerruf. Der zeitliche Ablauf eines Vikariats wird von der jeweiligen Kirche oder Landeskirche geregelt. In einigen Landeskirchen steht zu Beginn eine Phase der religionspädagogischen Ausbildung in der Schule, die bis zu einem halben Jahr dauern kann. Ergänzend wird in dieser Zeit eine religionsdidaktische Einrichtung der betreffenden Landeskirche besucht.

Es folgt die mindestens ein Jahr dauernde Gemeindephase, in der der Anwärter einem Pfarrstelleninhaber fest zugeordnet ist. Dort wird schrittweise gelehrt, Gottesdienst, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen zu halten. Als letztes folgt die Abschlussphase mit dem zweiten theologischen Examen, bestehend aus einigen Klausuren und/oder mündlichen Prüfungen. In der evangelischen Kirche in Österreich dauert das Vikariat drei Jahre.

Während des Vikariats finden teils mehrwöchige Kurse in einem [[Predigerseminar]] statt, in denen die praktische Arbeit in der Gemeinde reflektiert wird und neue Ansätze erprobt werden. Häufig ist auch ein Modell mit monatsweise eingerichteten Phasen im Predigerseminar, die das Gemeindevikariat unterbrechen. Es finden Kurse zu Pädagogik, Seelsorge, Predigtlehre und Gemeindeentwicklung statt. In den meisten Vikariatsmodellen ist eine Regionalgruppe hinzugekommen. Sie besteht aus Vikaren aus der Region in fester Zusammensetzung. Diese Vikare und Vikarinnen treffen sich mit ihrem Mentor zu einem Austausch eigener Erlebnisse und Erfahrungen, um so Anregungen für die eigene Arbeit zu erhalten.

== Literatur ==
* {{TRE|35|84|93|Vikar/Vikarin I. Kirchenrechtlich II. Praktisch-theologisch|[[Gero Dolezalek]], Hans-Martin Bregger, [[Isolde Karle]]}}
* Thomas Benner: ''Handreichung für Theologiestudium und Vikariat: Ausbildung zum Pfarramt in der [[EKKW|Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck]]''. Hrsg. vom Ausbildungsdezernat der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Kassel 1999

== Weblinks ==
* [https://kirchenrecht-ekir.de/document/2726 ''Kirchengesetz über die Ausbildung der Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Union''.] [[Evangelische Kirche der Union]], Stand 10. Dezember 1997
* [https://kirchenrecht-ekir.de/document/2725 ''Kirchengesetz der Evangelischen Kirche im Rheinland zur Ausführung des Pfarrerausbildungsgesetzes der Evangelischen Kirche der Union''.] [[Evangelische Kirche im Rheinland]], Stand 25. September 2015

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Evangelisches Kirchenwesen]]
[[Kategorie:Kirchliches Amt]]
[[Kategorie:Berufsbildung]]

Aktuelle Version vom 28. Dezember 2024, 03:09 Uhr

Das Vikariat ist der praktische Vorbereitungsdienst für den Beruf des evangelischen Pastors bzw. Pfarrers.

Das Vikariat ist der zweite, praktische Teil der evangelischen Pfarrerausbildung in Deutschland, der Schweiz und Österreich nach dem Studium der Theologie. Es ist als solches vergleichbar dem Referendariat im öffentlichen Dienst; wer das Vikariat durchläuft, ist Vikar oder Vikarin.

Voraussetzung für die Aufnahme in das Vikariat ist in den deutschen evangelischen Landeskirchen ein mit dem Ersten Theologischen oder Ersten Kirchlichen Examen abgeschlossenes Studium der evangelischen Theologie. In der Regel erfolgt schon während des Studiums durch die Aufnahme in eine landeskirchliche Anwärterliste eine Begleitung durch den späteren Anstellungsträger (Landeskirche). Das Erste Theologische Examen entspricht dem ersten Staatsexamen bzw. dem akademischen Grad des Masters (früher: Diplom), der sich je nach Landeskirche und Universität zusätzlich zu dem Ersten Theologischen Examen erwerben lässt (siehe Theologie). Am Ende des Vikariats wird das Zweite Theologische bzw. das Zweite Kirchliche Examen in Analogie zum zweiten Staatsexamen in der Lehrer- und Juristenausbildung absolviert.

In der Schweiz gehören zu den Zulassungsvoraussetzungen neben dem abgeschlossenen Master-Studiengang in Evangelischer Theologie weitere kirchliche Ausbildungselemente mit Praxisbezug.[1] In Österreich sind neben dem universitären Abschluss in Evangelischer Theologie mehrere studienbegleitende Praktika vorgegeben.[2]

Im Anschluss an das Zweite Examen kann eine Übernahme in den kirchlichen Probedienst, je nach Landeskirche als Pastor, Pfarrer zur Anstellung (Pfr. z. A.) oder zum Pfarrer auf Probe[3] erfolgen. Die Ordination zum Pastor bzw. Pfarrer erfolgt in manchen Landeskirchen schon zu Beginn oder im Laufe dieses Probedienstes, in der Regel erst bei der Einführung auf die erste Pfarrstelle in einem unbefristeten Dienstverhältnis.[4]

Während des Vikariats darf der Anwärter schon kraft der Ordination des Pastors oder der Pastorin, der oder die die Ausbildung in der Gemeinde begleitet, das Abendmahl verwalten, trauen, taufen etc.; dies ist eine Sonderregelung, um die Qualität dieser Ausbildung zu sichern, die teilweise (insbesondere in Bezug auf die Verwaltung des Abendmahls) zu Irritationen bei anderen Kirchen führt, mit denen die Evangelischen Kirchen in Deutschland in der Ökumene verbunden sind, wie auch bei stärker traditionalistisch eingestellten Kirchenmitgliedern insbesondere im Luthertum. Ebenso ist die Erlaubnis dazu in den verschiedenen Landeskirchen recht unterschiedlich geregelt. So dürfen z. B. in Sachsen die Vikare nur inklusiv „Es segne uns“, nicht aber exklusiv „Es segne euchsegnen. Weiterhin dürfen sie der Feier des Abendmahls nicht vorstehen. Der Ablauf und die Länge des Vikariats variieren zwischen den einzelnen Landeskirchen.

Zeitlicher Ablauf

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Aufzug eines Vikars (im 19. Jahrhundert), Illustration im Buch „Scenen aus dem Leben eines Vikars“ von Ludwig August Helvig 1842

Das Vikariat beginnt mit der Berufung in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis auf Widerruf. Der zeitliche Ablauf eines Vikariats wird von der jeweiligen Kirche oder Landeskirche geregelt. In einigen Landeskirchen steht zu Beginn eine Phase der religionspädagogischen Ausbildung in der Schule, die bis zu einem halben Jahr dauern kann. Ergänzend wird in dieser Zeit eine religionsdidaktische Einrichtung der betreffenden Landeskirche besucht.

Es folgt die mindestens ein Jahr dauernde Gemeindephase, in der der Anwärter einem Pfarrstelleninhaber fest zugeordnet ist. Dort wird schrittweise gelehrt, Gottesdienst, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen zu halten. Als letztes folgt die Abschlussphase mit dem zweiten theologischen Examen, bestehend aus einigen Klausuren und/oder mündlichen Prüfungen. In der evangelischen Kirche in Österreich dauert das Vikariat drei Jahre.

Während des Vikariats finden teils mehrwöchige Kurse in einem Predigerseminar statt, in denen die praktische Arbeit in der Gemeinde reflektiert wird und neue Ansätze erprobt werden. Häufig ist auch ein Modell mit monatsweise eingerichteten Phasen im Predigerseminar, die das Gemeindevikariat unterbrechen. Es finden Kurse zu Pädagogik, Seelsorge, Predigtlehre und Gemeindeentwicklung statt. In den meisten Vikariatsmodellen ist eine Regionalgruppe hinzugekommen. Sie besteht aus Vikaren aus der Region in fester Zusammensetzung. Diese Vikare und Vikarinnen treffen sich mit ihrem Mentor zu einem Austausch eigener Erlebnisse und Erfahrungen, um so Anregungen für die eigene Arbeit zu erhalten.

Einzelnachweise

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  1. Zulassung zum Lernvikariat. Abgerufen am 4. Juli 2021.
  2. Ingrid Bachler: PfarrerIn werden: Der Weg zum Beruf. Abgerufen am 4. Juli 2021.
  3. Pfarrdienstgesetz der EKD: Kapitel 1 Pfarrdienstverhältnis auf Probe. In: Kirchenrecht-ekd.de. 8. November 2016, abgerufen am 17. April 2018.
  4. Pfarrdienstgesetz der EKD § 118. In: Kirchenrecht-ekd.de. 8. November 2016, abgerufen am 17. April 2018.