„Vertrag über eine Verfassung für Europa“ – Versionsunterschied
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[[Datei:EU25-2004 European Union map.svg|mini|Die EU nach der [[EU-Erweiterung 2004|Erweiterung 2004]]]] |
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Der '''Vertrag über eine Verfassung für Europa''' (VVE) sollte den [[EG-Vertrag]] und den [[EU-Vertrag]] ablösen und der [[Europäische Union|Europäischen Union]] eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit geben. |
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Der '''Vertrag über eine Verfassung für Europa''' (VVE) war ein 2004 unterzeichneter, aber nicht in Kraft getretener [[völkerrechtlicher Vertrag]], durch den das [[Politisches System der Europäischen Union|politische System der Europäischen Union]] reformiert werden sollte. |
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Zur Reform der Europäischen Union beauftragten die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten im Dezember 2001 einen [[Konvent]] ([[Europäischer Konvent]]) aus Parlamentariern und Regierungsvertretern unter der Leitung von [[Valéry Giscard d'Estaing]] mit der Ausarbeitung eines neuen Europavertrages. Dieser Entwurf eines Vertrages über eine Europäische Verfassung wurde im Sommer [[2003]] fertig gestellt, bis zum Sommer 2004 überarbeitet und am [[29. Oktober]] [[2004]] feierlich in [[Rom]] unterzeichnet. Er sollte ursprünglich am [[1. November]] [[2006]] in Kraft treten. Bevor der Verfassungsvertrag in Kraft treten kann, muss er in allen 25 Mitgliedsstaaten, teils durch eine [[Volksabstimmung]], [[Ratifikation|ratifiziert]] werden. |
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Insbesondere sollte er der [[Europäische Union|Europäischen Union]] eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit geben und die bis dahin gültigen Grundlagenverträge (vor allem [[Vertrag über die Europäische Union|EU-]], [[Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft|EG-]] und [[Euratom]]-Vertrag) ablösen; die bisherige formale Unterteilung in [[Europäische Union|EU]] und [[Europäische Gemeinschaft|EG]] sollte entfallen. Gegenüber dem bisher gültigen [[Vertrag von Nizza]] sollte die EU zusätzliche Kompetenzen erhalten. Außerdem sollte ihr institutionelles Gefüge geändert werden, um sie demokratischer und handlungsfähiger zu machen. |
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Dieser Prozess hat einen schweren Dämpfer durch die Ablehnung der EU-Verfassung bei Volksabstimmungen in den [[Niederlande]]n und in [[Frankreich]] erhalten. Auch in der [[Bundesrepublik Deutschland]] ist die Ratifikation des Vertrages noch nicht abgeschlossen. Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland erklärte, das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über eine Verfassung für Europa nicht auszufertigen, bis das [[Bundesverfassungsgericht]] über entsprechende Verfassungsbeschwerden entschieden hat. Ob der Verfassungsvertrag in der vorliegenden Form in Kraft treten kann, ist daher fraglich. |
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Auf dem EU-Gipfel in [[Brüssel]] ([[Juni]] [[2005]]) beschlossen die EU-Politiker eine einjährige "Denkpause". Der Ratifizierungsprozess wurde damit bis Mitte 2007 verlängert (ursprünglicher Termin: 1. November 2005). [[Schweden]], [[Dänemark]] und [[Großbritannien]] verschoben daraufhin bis auf weiteres die geplanten [[Referendum|Referenden]]. |
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Der Entwurf eines EU-Verfassungsvertrags wurde 2003 von einem [[Europäischer Konvent|Europäischen Konvent]] erarbeitet und am 29. Oktober 2004 in [[Rom]] feierlich von den Staats- und Regierungschefs der [[Mitgliedstaaten der Europäischen Union|EU-Mitgliedstaaten]] unterzeichnet. |
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Der '''Vertrag über eine Verfassung für Europa''' ist im Internet auf einer eigens eingerichteten Homepage mit weiteren Informationsmaterialien, darunter auch den offiziellen Versionen in den 20 weiteren Sprachen der EU, [http://europa.eu.int/constitution/index_de.htm verfügbar]. |
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Er sollte ursprünglich am 1. November 2006 in Kraft treten. Da jedoch nach gescheiterten [[Referendum|Referenden]] in [[Referendum in Frankreich 2005 zur Europäischen Verfassung|Frankreich]] und den [[Referendum in den Niederlanden 2005 zur Europäischen Verfassung|Niederlanden]] nicht alle Mitgliedstaaten den Vertrag [[Ratifikation|ratifizierten]], erlangte er keine Rechtskraft. Stattdessen schlossen im Dezember 2007 die europäischen Staats- und Regierungschefs unter portugiesischer Ratspräsidentschaft den [[Vertrag von Lissabon]] ab, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. Ein erneutes französisches oder niederländisches Referendum im Zuge dessen fand nicht statt. |
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== Gliederung des Verfassungsvertrages == |
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Der Vertrag über eine Verfassung für Europa gliedert sich in eine Präambel, vier Teile des Vertrages und Protokolle. |
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== Gliederung des Verfassungsentwurfs == |
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Der Vertrag über eine Verfassung für Europa gliederte sich in eine Präambel, vier Teile des Vertrages und Protokolle. |
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'''Präambel ''' |
'''Präambel ''' |
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Die [[Präambel]] |
Die [[Präambel]] nahm, „in der Gewissheit, dass die [[Volk|Völker]] Europas […] entschlossen sind, […] immer enger vereint ihr Schicksal gemeinsam zu gestalten“, Bezug auf die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas“. Der erste Satz der Präambel des ursprünglich vom Konvent vorgelegten Verfassungsentwurfs bestand aus einem Zitat von [[Thukydides]] (II, 37) und lautete: „Die Verfassung, die wir haben … heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist.“ Der Gebrauch dieses Zitates war jedoch aufgrund des mehrdeutigen Kontextes bei Thukydides umstritten. Es wurde daher in der [[Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union|Regierungskonferenz]] zur Ausarbeitung des Verfassungsvertrages gestrichen. |
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'''Teil I: Grundsätze ''' |
'''Teil I: Grundsätze ''' |
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Der erste Teil der Verfassung |
Der erste Teil der Verfassung regelte die Grundsätze der Europäischen Union. Er beinhaltete die Definition und die Ziele der Union, ihre Zuständigkeiten, politischen Organe und Symbole sowie die Grundsätze ihrer Finanzierung und die Regelungen zu Beitritt und Austritt aus der Union. Der Teil I der Verfassung war jedoch aus sich heraus nicht abschließend und nur mit den anderen Teilen der Verfassung in einer Gesamtschau zu verstehen. |
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Der Vertrag über die Verfassung legt in Teil I auch neben der offiziellen [[Europaflagge | Flagge der Union]] (zwölf goldene Sterne auf blauem Hintergrund) und der [[Europahymne]] („[[Ode an die Freude]]“ von [[Ludwig van Beethoven]]) auch das Motto der EU fest: ''In Vielfalt geeint.'' |
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'''Teil II: Charta der Grundrechte ''' |
'''Teil II: Charta der Grundrechte ''' |
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Im zweiten Teil |
Im zweiten Teil wurden die [[Grundrechte]] für die Bürger der Europäischen Union festgeschrieben. Die [[Charta der Grundrechte der Europäischen Union|Grundrechtecharta]] war bereits 1999 bis 2000 von einem ersten Konvent unter Leitung von [[Roman Herzog]] erarbeitet, aber bis dahin noch nicht in das Europäische Vertragswerk integriert worden. Sie orientiert sich an der [[Europäische Menschenrechtskonvention|Europäischen Menschenrechtskonvention]], insbesondere die Grundrechtsschranken leiten sich teilweise aus dieser ab. |
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Die Charta orientiert sich an der [[Europäische Menschenrechtskonvention|Europäischen Menschenrechtskonvention]], insbesondere die Grundrechtsschranken leiten sich weiterhin aus dieser ab. |
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''' Teil III: Die einzelnen Politikbereiche ''' |
''' Teil III: Die einzelnen Politikbereiche ''' |
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Der dritte Teil des Verfassungsvertrages |
Der dritte Teil des Verfassungsvertrages war der umfangreichste. Die hier festgelegten Regeln sollten die des früheren [[Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft|EG-Vertrags]] ersetzen, wobei der Konvent außer der Einarbeitung inhaltlicher Neuerungen auch die bestehenden Paragraphen redaktionell anpasste und neu strukturierte, um den Text verständlicher zu machen. Dieser Teil regelte vor allem die Abläufe und Details der in Teil I festgelegten Grundsätze. Insofern wäre Teil III für die alltägliche Praxis der EU-Aktivitäten entscheidend gewesen. |
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Dieser Teil regelt vor allem die Abläufe und Details der in Teil I festgelegten Grundsätze. Insofern ist der Teil III vor allem rechtlich entscheidend. |
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''' Teil IV: Übergangs- und Schlussbestimmungen ''' |
''' Teil IV: Übergangs- und Schlussbestimmungen ''' |
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Teil IV des Verfassungsvertrages |
Teil IV des Verfassungsvertrages regelte Übergangs- und Schlussbestimmungen, etwa das Verfahren bei künftigen Verfassungsänderungen. |
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'''Protokolle''': |
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Die dem Verfassungstext nachfolgenden fünfunddreißig Protokolle sollten ausdrücklich Teil der Verfassung sein (Art. IV-442 VVE ex Art. 311 EGV). Sie enthielten u. a. wichtige Regelungen zur Sicherung der [[Subsidiarität]] wie Klage- und Einspruchsrechte der nationalen Parlamente oder Machtfragen wie die Stimmenverteilung in Rat und Parlament. Die Änderungen zur beibehaltenen [[Europäische Atomgemeinschaft|Europäischen Atomgemeinschaft]] wurden in dem Protokoll Nr. 36 zusammengefasst. |
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'''Anhänge''': |
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Es folgten zwei seit der [[EWG]] bekannte Anhänge: |
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Die der Verfassung angehängten Protokolle sind ausdrücklich Teil der Verfassung. Sie enthalten u. a. wichtige Regelungen zur Sicherung der [[Subsidiarität]] wie Klage- und Einspruchsrechte der nationalen Parlamente oder Machtfragen wie die Stimmenverteilung in Rat und Parlament. Die Regelungen zur [[Europäische Atomgemeinschaft|Europäischen Atomgemeinschaft]] werden ebenfalls in einem Protokoll fortgeführt. |
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* Anhang I: Liste zu Art. III-226 der Verfassung. |
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* Anhang II: Überseeische Länder und Hoheitsgebiete, auf welche Teil III Titel IV der Verfassung Anwendung findet. |
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== Institutionelle Neuerungen des Verfassungsvertrags == |
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== Die Organe der Europäischen Union im Verfassungsvertrag == |
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Wesentliches Ziel des Verfassungsvertrags war es, die [[Politisches System der Europäischen Union|institutionellen Grundlagen der EU]] zu erneuern. Dabei sollten einerseits die internen Koordinationsmechanismen ausgebaut und die [[Veto]]möglichkeiten einzelner [[Mitgliedstaat]]en reduziert werden, um die EU nach der [[EU-Erweiterung 2004|Osterweiterung 2004]] handlungsfähig zu halten; andererseits sollten die Rechte des [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlaments]] gestärkt werden, um die demokratische Legitimation der EU zu erhöhen. |
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'''''Übersichtsartikel:''' [[Politisches System der Europäischen Union]]'' |
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Als Quelle der Legitimität der Europäischen Union nannte der Verfassungsvertrag einerseits die europäischen Bürger, andererseits die Mitgliedstaaten ({{CELEX|C2004/310/01|Art. I-1 VVE}}). Dies spiegelte das Nebeneinander der Gesetzgebungsorgane [[Europäisches Parlament|Europaparlament]] und [[Rat der Europäischen Union|Rat]] wider: Während das Parlament von den Bürgern direkt gewählt wird, setzt sich der Rat aus den Regierungen der Mitgliedstaaten zusammen. Die Exekutive der EU sollte weiter bei der supranationalen [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] liegen, deren Mitglieder vom [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]] unter Beteiligung des Europaparlaments ernannt werden. |
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Die Europäische Union bezieht ihre Legitimation aus den Europäischen Bürgern und den Mitgliedstaaten ([http://europa.eu.int/constitution/de/ptoc2_de.htm#a4 Art. I-1 VVE]). Dies spiegelt sich im Nebeneinander der Gesetzgebungsorgane Parlament und Rat wieder. |
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Die Kommission ist in diesem "institutionellen Dreieck" die supranationale europäische Komponente. |
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=== Das Europäische Parlament === |
=== Das Europäische Parlament === |
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Das Europäische Parlament war eine von denjenigen Institutionen, deren Kompetenzen durch den Verfassungsvertrag am meisten ausgebaut werden sollten. Gemäß Art. I-20 Abs. 1 VVE sollte es gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union als [[Legislative|Gesetzgeber]] tätig werden und gemeinsam mit ihm die [[Haushaltsplan|Haushaltsbefugnisse]] ausüben. Das [[Mitentscheidungsverfahren]], das Parlament und Rat gleiche Rechte im Gesetzgebungsprozess zubilligt, sollte zum neuen „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ werden und nun in 92 statt bisher 35 [[Policy|Politikfeldern]] gültig sein. Insbesondere die [[Gemeinsame Agrarpolitik]] und die [[polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen]] wurden in den Zuständigkeitsbereich des Parlaments mit aufgenommen; die [[gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik]] verblieb allerdings als alleinige Kompetenz des Rates. |
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„Das Europäische Parlament wird gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union als [[Gesetzgeber]] tätig und übt gemeinsam mit ihm die [[Haushalt]]sbefugnisse aus“. Dies bedeutet eine Schwächung des [[Gewaltenteilung]]sprinzips, denn der [[Ministerrat]] besteht aus Delegationen der nationalen Exekutiven. |
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Die Kompetenzen des EU-Parlamentes werden durch den Verfassungsentwurf auf breiter Basis ausgeweitet. So gilt der oben genannte Grundsatz der Mitbestimmung in 92 statt bisher 35 [[Politikfeld]]ern, in den restlichen hat weiterhin der Rat die alleinige Macht. Auch der [[Agrarsektor]] (46 % des Etats, Kommissarin [[Mariann Fischer Boel]]) unterliegt nun der Budgethoheit des EU-Parlaments. |
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Auch bezüglich der Budgethoheit erhielt das EU-Parlament neue Kompetenzen: Nachdem es bisher für sämtliche Ausgaben außer denjenigen für die [[Gemeinsame Agrarpolitik]] das Budgetrecht besaß, sollte nun auch der Agrarsektor (ca. 46 % des Gesamtetats) darin einbezogen werden. Das EU-Parlament sollte damit das letzte Wort über alle Ausgaben der EU besitzen. Die letzte Entscheidung über die Einnahmen der EU sollte aber nach wie vor beim Rat liegen, sodass das Parlament weiterhin nicht selbstständig den Gesamtetat erhöhen oder EU-Steuern einführen könnte. |
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Die genauen Bestimmungen zur Zusammensetzung des EU-Parlaments überlässt die Verfassung wie beim Rotationsprinzip der Kommission wieder dem [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]]; sie spricht etwas nebulös von einer „degressiv [[proportional]]en“ Vertretung der Bürger, allerdings darf es insgesamt nicht mehr als 750 Abgeordnete geben. |
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Diese schwammige Formulierung macht Streit im [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]] vorhersehbar. Bis zur Europawahl 2009 gilt allerdings noch die heutige Zusammensetzung, zur Not auch mit noch mehr als 750 Deputierten. |
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Die [[Abstimmung (Stellungnahme)|Abstimmungsmodi]] werden beibehalten; meist wird mit einfacher Mehrheit (z.B. Bestätigung des Kommissionspräsidenten) oder [[Zweidrittelmehrheit]] (z.B. Misstrauensantrag) entschieden. |
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Die genauen Bestimmungen zur Zusammensetzung des EU-Parlaments nach nationaler Herkunft der Abgeordneten überließ die Verfassung einer späteren Entscheidung des [[Europäischer Rat|Europäischen Rats]]. Sie bestimmte lediglich eine „[[Degressive Proportionalität|degressiv proportionale]]“ Vertretung der Bürger, nach der einem großen Staat insgesamt mehr, pro Einwohner allerdings weniger Sitze zustehen als einem kleinen. Insgesamt sollte ab der [[Europawahl 2009]] die Anzahl der [[Mitglied des Europäischen Parlaments|Europaabgeordneten]] auf 750 gesenkt werden (statt zuvor 785 ab der Erweiterung 2007). |
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=== Der Europäische Rat (ER), sein Präsident und der Außenminister === |
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Die [[Abstimmung|Abstimmungsmodi]] des Parlaments wurden in der Verfassung beibehalten: Es sollte regelmäßig (z. B. Gesetzgebung, Bestätigung des Kommissionspräsidenten) mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden, in der zweiten Lesung bei Gesetzgebungsprozessen mit absoluter Mehrheit der gewählten Mitglieder, bei einigen Ausnahmeentscheidungen (z. B. Misstrauensantrag gegen die Kommission) mit [[Zweidrittelmehrheit]]. |
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Der '[[Europäischer Rat|Europäische Rat]]' legt die „Impulse“ und „politischen Zielvorstellungen und Prioritäten“ der Europäischen Union fest, wobei er allerdings „nicht gesetzgeberisch tätig wird“. Ersteres war, ebenso wie der Grundsatz der [[Einstimmigkeit]], schon bisher der Fall. Neu im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage ist, dass der ER nicht mehr in die Gesetzgebung eingreifen darf, seine Aufgaben sind vielmehr Veränderungen an der Konstruktion der EU selber und grundlegende Entscheidungen wie etwa neue [[Mitglied]]schaften oder die Übertragung von weiterer Aufgaben an die EU. Außerdem schlägt der ER den Kommissionspräsidenten vor. Der Europäische Rat setzt sich aus den Regierungschefs der einzelnen Mitgliedsstaaten bzw. ihren Vertretern zusammen. |
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=== Der Europäische Rat und sein Präsident === |
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Neu eingerichtet werden sollen die Ämter "'''[[Präsident des Europäischen Rates]]'''" sowie "'''[[Außenminister der Union]]'''", deren Wahl jeweils mit qualifizierter Mehrheit für zweieinhalb Jahre erfolgt. |
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Der [[Europäischer Rat|Europäische Rat]] (ER), der sich aus den Staats- und Regierungschefs der einzelnen Mitgliedstaaten zusammensetzt und seit den siebziger Jahren regelmäßig tagt, gilt als ein wichtiger Motor der europäischen Integration. Er war bisher allerdings (anders als der [[Rat der Europäischen Union|Ministerrat]]) kein offizielles Organ der EU. Durch den Verfassungsvertrag sollte er auch formal in die EU-Struktur einbezogen werden. Der im bisherigen EG-Vertrag genannte „Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs“ (der faktisch, aber nicht rechtlich mit dem ER übereinstimmt) sollte mit dem Europäischen Rat zusammengelegt werden. |
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Laut Verfassungsvertrag sollte der Europäische Rat die „Impulse“ und „politischen Zielvorstellungen und Prioritäten“ der Europäischen Union festlegen, ohne allerdings gesetzgeberisch tätig zu werden. Seine Aufgaben sollten vielmehr Veränderungen an der Konstruktion der EU selbst und grundlegende Entscheidungen wie etwa neue [[Mitglied]]schaften oder die Übertragung weiterer Aufgaben an die EU sein. Außerdem sollte der ER den Kommissionspräsidenten vorschlagen. Dabei sollte der Europäische Rat Entscheidungen wie schon bisher grundsätzlich „im Konsens“, also [[einstimmig]] treffen. |
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:Der '''Präsident des Europäischen Rates''' löst den bisher im halbjährlichen Rhythmus rotierenden [[Rat der Europäischen Union|Ratsvorsitz]] ab, der jeweils von einem [[Regierungschef]] wahrgenommen wird. Als nachteilig an diesem bisherigen System der „Semesterpräsidenten“ werden einerseits die mit dem Vorsitz wechselnden [[Schwerpunkt]]e in der politischen Agenda und auch die unterschiedliche [[Mentalität]] der Vorsitzenden empfunden, andererseits die Doppelbelastung: Der Ratsvorsitzende ist gleichzeitig und in erster Linie Regierungschef seines Landes. Bspw. hat den Dänen [[Anders Fogh Rasmussen|Rasmussen]] die Arbeit als EU-Ratsvorsitzender so in Anspruch genommen, dass er sein Amt als Ministerpräsident „faktisch nicht mehr“ ausüben konnte. |
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Statt des Vorsitzenden soll in Zukunft der hauptamtliche Präsident mit einer Amtszeit von zweieinhalb Jahren eine leistungsfähige und kontinuierliche Abstimmung zwischen den Regierungschefs gewährleisten und deren Treffen im ER vorbereiten. |
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Eine bedeutende Neuerung des Verfassungsvertrags war allerdings die Einrichtung des Amtes eines [[Präsident des Europäischen Rates|Präsidenten des Europäischen Rates]]. Dieser sollte vom ER mit qualifizierter Mehrheit für zweieinhalb Jahre (bei einmaliger Wiederwahlmöglichkeit) gewählt werden, nicht aus den Reihen der Mitglieder stammen und damit den bisher im halbjährlichen Rhythmus rotierenden Ratsvorsitz ablösen, der jeweils von einem [[Regierungschef]] wahrgenommen wird. |
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Besonders in der [[Außenpolitik]] gab es häufig mangelnde Abstimmung zwischen den Regierungschefs untereinander, weil diese häufig eigenmächtige Entscheidungen trafen, ohne ihre Partner wenigstens zu informieren. Noch unübersichtlicher wird die Situation durch die Tatsache, dass allein innerhalb der EU bisher drei Ämter mit [[Kompetenz]]en und Rederecht in der Außenpolitik parallel existieren: der Außenbeauftragte der Regierungschefs ([[Javier Solana]]), die Außenkommissarin ([[Benita Ferrero-Waldner]]) und der jeweilige Ratsvorsitzende. <br> |
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:Der zukünftige '''Außenminister der Union''' soll in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten die schwierige [[Koordination]] der europäischen Außenpolitik leiten. Außerdem ist er zugleich Außenkommissar und Vizepräsident der Kommission - damit werden die Ämter von Solana und Ferrero-Waldner zusammengelegt, sodass „eine vom Institutionsgerangel befreite EU-Außenpolitik“ möglich werden soll. |
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Damit sollte die Effizienz der Aktivitäten des Europäischen Rates gesteigert werden: Als nachteilig am bisherigen System der „Semesterpräsidenten“ wurden einerseits die mit dem Vorsitz wechselnden Schwerpunkte in der politischen Agenda und die unterschiedliche [[Mentalität]] der Vorsitzenden empfunden, andererseits die Doppelbelastung, da der Ratsvorsitzende immer zugleich auch Regierungschef seines eigenen Landes war. Der hauptamtliche Präsident sollte durch die verlängerte Amtszeit eine leistungsfähige und kontinuierliche Abstimmung zwischen den Regierungschefs gewährleisten und deren Treffen im ER vorbereiten. Außerdem sollte er dem Europäischen Rat – als einem der Hauptentscheidungsorgane der EU – ein „Gesicht“ geben. Dadurch sollte etwa bei einem internationalen Konflikt oder bei wichtigen internen Entscheidungen vor Medien und [[Bürger]]n demonstriert werden, dass die EU als Ganzes handelt. |
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Nicht zuletzt sollen Präsident und Außenminister der EU ein Gesicht geben. Bei einem internationalen Konflikt etwa soll vor Medien und [[Bürger]]n demonstriert werden, dass die EU als Ganzes handelt. |
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Allerdings sollten weder der ER noch der Präsident in die [[Tagespolitik]] und in die [[Gesetzgebung]] eingreifen dürfen. Diese sollte allein Aufgabe von Kommission ([[Initiativrecht]]) sowie Rat und Parlament bleiben. An dem Verfassungsentwurf wurde daher kritisiert, dass es zu [[Konflikt]]en zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates (hinter dem ja immerhin alle Regierungschefs der EU stünden) und dem [[Präsident der Europäischen Kommission|Kommissionspräsidenten]] kommen würde. |
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=== Der Rat der Europäischen Union |
=== Der Rat der Europäischen Union === |
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Der [[Rat der Europäischen Union]] (Rat) besteht aus den Ministern der einzelnen Mitgliedstaaten, die für das jeweils aktuelle Thema, für das der Rat zusammentritt, zuständig sind (daher auch der inoffizielle Name „Ministerrat“). Hauptaufgabe des Rates ist die [[Gesetzgebung]] zusammen mit dem [[Europäisches Parlament|Parlament]]. Grundsätzlich gilt dabei, dass der Rat meist einstimmig entscheidet, sofern das Parlament keine oder nur wenig Mitspracherechte hat, und nach dem Mehrheitsprinzip, sofern auch das Parlament am Entscheidungsprozess beteiligt ist. |
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Durch den Verfassungsvertrag sollte die letztere Variante zum Normalfall werden, sodass der Rat in der Regel mit qualifizierter Mehrheit entscheiden und ein [[Veto]]recht für einzelne Länder nur noch in einigen Ausnahmefällen gelten sollte. Weiterhin einstimmig sollten allerdings unter anderem alle Fragen der [[Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik|Sicherheits- und Verteidigungspolitik]] und der [[Steuer]]n entschieden werden. |
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Für den Rat der EU wurde (anders als für den Europäischen Rat) das Prinzip einer halbjährlich zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden Präsidentschaft beibehalten. Lediglich für den neu geschaffenen Außenministerrat wurde als fester Vorsitzender der auf fünf Jahre gewählte „[[Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik|Außenminister der Europäischen Union]]“ bestimmt (''siehe [[#Außenministerrat und Außenminister der EU|unten]]''). |
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==== "Qualifizierte Mehrheit" ==== |
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Eine gravierende Änderung betrifft die Definition der 'qualifizierten Mehrheit'. |
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Nach dem [[Vertrag von Nizza]] muss eine Mehrheit von mindestens der Hälfte der Staaten getragen werden, die gleichzeitig 72 % der Ratsstimmen und 62 % der EU-Bevölkerung repräsentieren. |
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Nach dem [[Verfassungsentwurf]] ist die doppelte Mehrheit erreicht, "sofern 55 % der Mitgliedstaaten zustimmen, die mindestens 65 % der Bevölkerung der Union repräsentieren." |
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==== „Qualifizierte Mehrheit“ ==== |
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Mussten also bisher drei Hürden überstiegen werden, so sind es nach der Verfassung nur noch zwei: Anzahl der [[Staat]]en und die [[Bevölkerung]]. Aus der dreifachen Mehrheit wird eine doppelte – was zwei Folgen hat: Zum einen werden Entscheidungen generell erleichtert, indem die [[Sperrminorität]] heraufgesetzt wird, zum anderen verschiebt sich die Macht weg von den [[Mittelstaat]]en, die durch den Vertrag von Nizza ein überproportional großes Gewicht hatten, hin zu den Großen und Kleinen. |
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Eine gravierende Änderung des Verfassungsvertrages betraf die Abstimmungsregeln im Rat. Dort wurden für die sogenannte „qualifizierte Mehrheit“ die Stimmen der einzelnen Länder bisher [[Gewichtung|gewichtet]], wobei größeren Ländern allgemein mehr, kleineren weniger Stimmen zukamen; die genaue [[Stimmengewichtung]] war jedoch im [[Vertrag von Nizza]] weitgehend willkürlich beschlossen worden. Diese Stimmengewichtung sollte im Verfassungsvertrag abgeschafft werden. Stattdessen sah er eine neue Definition der qualifizierten Mehrheit vor: Nach dem Vertrag von Nizza musste es hierfür eine Mehrheit von (a) mindestens der Hälfte der Staaten geben, die (b) gleichzeitig 72 % der gewichteten Stimmen und (c) 62 % der EU-Bevölkerung repräsentierten. Nach dem Verfassungsentwurf wurde sie durch die sog. [[doppelte Mehrheit]] ersetzt, nach der (a) 55 % der Mitgliedstaaten zustimmen müssen, die (b) mindestens 65 % der Bevölkerung der Union repräsentieren. |
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Denn die ''gewichtete'' Stimmenzahl entfällt als [[Kriterium]] völlig. Die Folge ist, dass die mittelgroßen Länder Spanien und Polen viel schwieriger eine [[Blockade]] organisieren können, während alle anderen ihre Trumpfkarte behalten – die Kleinen ihre Stimme als Land, die Großen ihr Gewicht durch ihre Bevölkerung. |
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Während heute nur 28% der Stimmen für eine Blockade nötig sind ([[Spanien]] und [[Polen]] besitzen addiert fast 17%), sind es in Zukunft entweder 13 Länder oder Länder mit einer addierten Bevölkerung von 225 Mio. (In Spanien und Polen leben zusammen nur 78 Mio.) |
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Wurde die Zahl der Hürden im Vertrag von Nizza also auf drei erhöht, so wären es nach dem Verfassungsentwurf nur noch zwei Hürden: die Anzahl der [[Staat]]en und die [[Bevölkerung]]. Diese zweifache Mehrheit sollte einerseits den „Doppelcharakter“ ([[Joschka Fischer]]) der EU als Union aus Völkern und Staaten auf verständliche Weise widerspiegeln. Andererseits sollten dadurch Entscheidungen generell erleichtert werden, indem die [[Sperrminorität]] heraufgesetzt wurde. Drittens hätte die Regelung eine Machtverschiebung bewirkt, durch die die großen und sehr kleinen Staaten zulasten der mittelgroßen an Einfluss gewonnen hätten. Verlierer dieser Neuregelung wären also die Staaten in der Größenordnung von [[Österreich]] bis [[Spanien]] gewesen; besonders stark waren Spanien und Polen betroffen, die durch die Stimmengewichtung im Vertrag von Nizza einen überproportional großen Einfluss hatten. Durch die Neuregelung im Verfassungsentwurf hätten diese beiden Länder viel schwieriger eine [[Blockadepolitik|Blockade]] organisieren können: Während bisher dafür nur 28 % der gewichteten Stimmen nötig waren (Spanien und [[Polen]] besitzen addiert fast 17 %), sollten es nach dem Verfassungsvertrag entweder 13 Länder oder Länder mit einer addierten Bevölkerung von 225 Mio. sein (in Spanien und Polen leben zusammen nur 78 Mio.). |
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Das Reformmodell begünstigt also „nicht nur die Großen, sondern auch die Kleinen“ – und schwächt dafür die Mittelmächte Spanien und Polen. |
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Außerdem spiegelt die zweifache Mehrheit den „Doppelcharakter“ ([[Joschka_Fischer|Fischer]]) der EU auf verständliche Weise wieder: Eine Union aus Völkern und aus Staaten. |
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Die Neudefinition der Mehrheit im Rat wurde während der Regierungskonferenz zu einem der beiden zentralen Streitpunkte. |
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Die Neudefinition der Mehrheit im Rat wurde daher während der Regierungskonferenz zu einem der zentralen Streitpunkte. Erst der [[Parlamentswahl in Spanien 2004|Regierungswechsel in Spanien 2004]], durch den der EU-freundliche [[José Luis Rodríguez Zapatero]] den vorherigen Regierungschef [[José María Aznar]] ablöste, ermöglichte letztlich eine Einigung. |
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=== Die Kommission und ihr Präsident === |
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==== Außenministerrat und Außenminister der EU ==== |
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Die [[Kommission]] „übt Koordinierungs- Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen aus“, wie das bisher schon der Fall war. Außer in Ausnahmefällen „kann ein Gesetzgebungsakt der Union nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden.“ Diese Ausnahmen vom alleinigen Initiativrecht werden mit der Verfassung beschnitten, die Kommission wird also gestärkt. |
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Eine weitere Neuerung des Verfassungsvertrags bestand in dem neu eingerichteten Außenministerrat sowie im Amt des [[Außenminister der Europäischen Union|Außenministers der EU]]. Bisher hatten sich die Außenminister der Mitgliedstaaten im Rat im sogenannten [[Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen]] (RAA) getroffen, der sowohl für Außenpolitik als auch für allgemeine Fragen zuständig war. Durch Art. I-24 VVE sollte er aufgeteilt werden in einen „Rat für allgemeine Angelegenheiten“ und einen speziellen Außenministerrat. |
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Während es im Rat für allgemeine Angelegenheiten wie bisher einen halbjährlich zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden Vorsitz geben sollte, wurde für den Vorsitz des Außenministerrats ein neues Amt eingerichtet. Dabei handelte es sich um den Außenminister der EU, der künftig mit qualifizierter Mehrheit auf fünf Jahre vom Europäischen Rat gewählt werden sollte. |
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Die Amtszeit der Kommission beträgt fünf Jahre. Nach der Europawahl schlägt der ER einen [[Kommissionspräsident]]en vor. Nach der Bestätigung durch das Parlament ernennt dieser seine Kommissare nach Vorschlägen aus den Mitgliedsstaaten. Danach muss die gesamte Kommission erneut vom Parlament bestätigt werden. Der Kommissionspräsident kann jeden einzelnen [[Kommissar]] absetzen, das Parlament durch einen [[Misstrauensantrag]] jedoch nur die komplette Kommission. |
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Dadurch sollte das Problem behoben werden, das bisher in der Koordination der [[Außenpolitik]] der EU existiert. Zum einen gibt es hier häufig mangelnde Abstimmung zwischen den Regierungen untereinander, weil diese häufig eigenmächtige Entscheidungen trafen, ohne ihre Partner wenigstens zu informieren. Zum anderen existieren bisher allein innerhalb der EU-Organe drei Ämter mit [[Zuständigkeit (Recht)|Kompetenzen]] und Rederecht in der Außenpolitik: der vom Europäischen Rat ernannte [[Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik|Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik]], die Außenkommissarin und der jeweilige Vorsitzende des RAA. |
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Die Kommission wird verkleinert. Nach einem [[Rotationsprinzip]] gibt es ab 2014 jeweils aus Zweidritteln der voraussichtlich 27 Mitgliedstaaten je einen Kommissar. Bis dahin gibt es je einen Kommissar aus jedem Mitgliedstaat. Schon in [[Nizza]] einigten sich die Regierungschefs darauf, dass nicht mehr jedes Land immer einen Kommissar stellen darf, sobald die EU mehr als 25 Mitglieder hat. |
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Der zukünftige Außenminister der EU sollte diese drei Ämter in einem integrieren, um „eine vom Institutionsgerangel befreite EU-Außenpolitik“ zu ermöglichen. Neben dem Vorsitzenden des Außenministerrats sollte er daher auch Außenkommissar und Vizepräsident der [[Europäische Kommission|Kommission]] sein. Dieser „[[Doppelhut]]“ sollte es ihm ermöglichen, die schwierige [[Koordination]] der europäischen Außenpolitik zu leiten. |
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Wie genau das Rotationsprinzip funktionieren soll, überlässt die Verfassung, genau wie die Konferenz in Nizza, dem ER. Im Verfassungsentwurf sind aber die [[Grundsatz|Grundsätze]] der Rotation weitgehend festgeschrieben: |
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Die Mitgliedstaaten werden bei der Wahl der Kommissare „vollkommen gleich behandelt“, doch „ist jedes der aufeinander folgenden Kollegien so zusammengesetzt, dass das [[demografisch]]e und [[geografisch]]e Spektrum der Gesamtheit der Mitgliedstaaten der Union auf zufrieden stellende Weise zum Ausdruck kommt.” |
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Außerdem sollte nach Art. III-296 Abs. 3 VVE ein [[Europäischer Auswärtiger Dienst]] (EAD) eingerichtet werden, der dem Außenminister unterstellt sein würde. Er sollte mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, diese aber nicht ersetzen. Personell und organisatorisch sollte der neue EAD besser ausgestattet sein als die bereits existierenden [[Delegation der Europäischen Union|Außenvertretungen der EU-Kommission]]; die Regelungen im Einzelnen blieben allerdings einem späteren Beschluss des Ministerrats überlassen. |
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Dieser Satz kann so [[Auslegung|ausgelegt]] werden, dass immer ein [[Gleichgewicht]] von großen und kleinen, nördlichen und südlichen, reichen und armen Herkunftsländern gegeben sein muss. |
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=== Die Kommission und ihr Präsident === |
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Insbesondere die kleineren Staaten standen dem Prinzip einer verkleinerten Kommission sehr kritisch gegenüber. Dieser Punkt wurde auf der Regierungskonferenz zum zweiten großen Konflikt. |
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Die [[Europäische Kommission|Kommission]] sollte nach dem Verfassungsvertrag wie schon zuvor „Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen“ ausüben. Außerdem sollte das alleinige [[Initiativrecht]] der Kommission in der [[EU-Rechtsetzung]] gestärkt werden, indem die Ausnahmefälle, in denen auch der Rat Gesetzgebungsvorschläge machen kann, reduziert wurden. |
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Kaum Änderungen gab es im Ernennungsverfahren der Kommission. Ihre Amtszeit sollte weiterhin fünf Jahre betragen. Nach der Europawahl sollte der ER einen [[Präsident der Europäischen Kommission|Kommissionspräsidenten]] vorschlagen, der vom Parlament bestätigt oder abgelehnt werden musste. Im Fall einer Ablehnung hätte der ER einen neuen Vorschlag machen müssen, das Parlament sollte jedoch weiterhin keine eigenen Kandidaten ernennen können. Nach der Bestätigung durch das Parlament sollte der Kommissionspräsident seine Kommissare nach Vorschlägen aus den Mitgliedstaaten ernennen, abschließend die gesamte designierte Kommission erneut vom Parlament bestätigt werden. Während der Amtszeit der Kommission sollte der Kommissionspräsident jedes einzelne Kommissionsmitglied absetzen können, das Parlament durch einen [[Misstrauensantrag]] jedoch nur die komplette Kommission. |
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== Inhaltliche Neuerungen des Verfassungsvertrages == |
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=== Die Sicherung der Souveränität: Kompetenzabgrenzung und Subsidiarität === |
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Eine wesentliche Neuerung des Verfassungsvertrages war die Verkleinerung der Kommission. Diese bestand bisher aus einem Kommissar pro Mitgliedstaat und war daher durch die Erweiterungen 2004 und 2007 auf 27 Mitglieder angewachsen. Schon im [[Vertrag von Nizza]] hatten sich die Regierungschefs darauf geeinigt, dass nicht mehr jedes Land immer einen Kommissar stellen dürfte, sobald die EU mehr als 25 Mitglieder haben würde; allerdings war es zu keiner konkreten Alternativregelung gekommen. Der Verfassungsvertrag sah nun ein [[Rotationsprinzip]] vor, wonach es jeweils aus zwei Dritteln der Mitgliedstaaten je einen Kommissar geben sollte. |
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Ein '[[Kompetenz]]katalog' versucht die Zuständigkeiten der Union systematischer darzustellen. Man unterscheidet hiernach zwischen ausschließlichen, geteilten und unterstützenden Zuständigkeiten. |
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Insbesondere die kleineren Staaten standen dem Prinzip einer verkleinerten Kommission sehr kritisch gegenüber. Neben den Mehrheitsregelungen im Rat führte dieser Punkt auf der Regierungskonferenz zum zweiten großen Konflikt. Es wurde daher beschlossen, dass diese Regelung erst 2014 in Kraft treten sollte, bis dahin sollte weiterhin jedes Land einen Kommissar stellen. Auch wie das Rotationsprinzip genau funktionieren sollte, wurde auf der Regierungskonferenz noch nicht eindeutig geklärt, sondern einer späteren Entscheidung des Europäischen Rats überlassen. Festgeschrieben wurden nur die Grundsätze der Rotation: Demnach sollten die Mitgliedstaaten bei der Wahl der Kommissare „vollkommen gleich behandelt“ werden, doch „ist jedes der aufeinander folgenden Kollegien so zusammengesetzt, dass das [[Demografie|demografische]] und [[Geographie|geografische]] Spektrum der Gesamtheit der Mitgliedstaaten der Union auf zufrieden stellende Weise zum Ausdruck kommt“. Dieser Satz wurde so [[Auslegung (Recht)|ausgelegt]], dass immer ein [[Gleichgewicht (Politik)|Gleichgewicht]] von großen und kleinen, nördlichen und südlichen, reichen und armen Herkunftsländern gegeben sein müsse. |
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So sind [[Handelspolitik]] und [[Zollunion]] ausschließlich Unionsangelegenheit, hier darf nur die EU Gesetze erlassen; für [[Binnenmarkt]], [[Landwirtschaft]], [[Energie]], [[Verkehr]], [[Umwelt]] und [[Verbraucherschutz]] gilt die geteilte Zuständigkeit, das heißt, dass die Mitgliedsstaaten Gesetze erlassen können, „soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausübt“. De facto kann die EU also in all den genannten Bereichen entscheiden. |
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Alle anderen, „der Union nicht in der Verfassung zugewiesenen Zuständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedsstaaten.“ |
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== Inhaltliche Neuerungen des Verfassungsvertrages == |
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„Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union gelten die Grundsätze der [[Subsidiarität]] und der [[Verhältnismäßigkeit]]. Subsidiarität heißt, dass die Union nur tätig wird, sofern „die Ziele […] von den [[Mitgliedstaat]]en weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können, sondern […] auf Unionsebene besser erreicht werden können.” |
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Neben den institutionellen Veränderungen sah der Verfassungsvertrag auch noch eine Anzahl inhaltlicher Neuerungen vor, die etwa die Kompetenzen der Europäischen Union neu ordneten oder bestimmte Formen der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten neu strukturierten. Zu den wichtigsten dieser Neuerungen zählten die nachfolgend Genannten. |
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Die Union darf also eine Aufgabe nur dann von Deutschland übernehmen, wenn weder Gemeinden noch [[Bundesland (Deutschland)|Bundesländer]] noch der Bund in der Lage sind, diese ausreichend auszuführen, die EU aber schon. Was „ausreichend“ im Einzelfall bedeutet, entscheidet der EuGH. |
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=== Kompetenzabgrenzung === |
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Konkret festgelegt sind die Änderungen im „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der [[Verhältnismäßigkeit]]“. Zur Sicherung der Subsidiarität werden vor allem die 'Rechte der nationalen [[Parlament]]e gestärkt'. |
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Die Europäische Union besitzt grundsätzlich nur die Kompetenzen, die ihr in den Gründungsverträgen ausdrücklich zugestanden werden („Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung“). In den früheren Verträgen fanden sich diese Kompetenzen jedoch nicht in einem bestimmten Artikel aufgelistet, sondern über das ganze Vertragswerk verteilt. Dies erschwerte das Verständnis des Vertrages und führte häufig zu Unklarheiten über den Umfang der Zuständigkeiten der Union im Einzelnen. |
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In dem Verfassungsvertrag sollte dieses Problem durch einen „Kompetenzkatalog“ (nach Vorbild des Kompetenzkatalogs im deutschen [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]]) gelöst werden, der die Zuständigkeiten der Union systematischer darstellte. Art. I-12 VVE unterschied hiernach zwischen ausschließlichen, geteilten und unterstützenden Zuständigkeiten: Im ersten Fall sollte nur die EU zuständig sein; im zweiten Fall sollte die EU zuständig sein, die Mitgliedstaaten könnten jedoch Gesetze erlassen, soweit die Union dies nicht selbst täte. Im Fall der unterstützenden Zuständigkeit sollte die EU Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützen, koordinieren oder ergänzen, aber nicht selbst gesetzgeberisch tätig werden können. Zusätzlich genannt wurden die intergouvernementalen Bereiche Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik sowie [[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik|Außen- und Sicherheitspolitik]], in denen die EU Leitlinien sollte festlegen können, jedoch nur durch einstimmigen Beschluss der Mitgliedstaaten im [[Rat der Europäischen Union|Ministerrat]]. |
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Sobald die Europäische Kommission in Zukunft ein Gesetz auf den Weg bringt, muss der Gesetzesentwurf sofort an alle Nationalparlamente weitergeleitet werden. Die Entscheidungen von Rat und Parlament werden ebenfalls unverzüglich weitergegeben. <br> |
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Innerhalb von sechs Wochen können die nationalen Parlamente begründen, warum dieses Gesetz gegen den Subsidiaritätsgedanken verstößt; bei [[Kritik]] von einem Drittel der Parlamente muss die Kommission den Vorschlag überprüfen. Gebunden ist die Kommission allerdings nicht, sie muss ihre Entscheidung nur begründen. |
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Art. I-13 bis I-17 VVE ordneten schließlich die verschiedenen Politikbereiche, in denen die EU Zuständigkeiten hat, der jeweiligen Zuständigkeitsart zu. Zu den ausschließlichen Kompetenzen der Union sollten dabei insbesondere [[Handelspolitik]] und [[Zollunion]] zählen; die geteilte Zuständigkeit umfasste unter anderem [[Binnenmarkt]], [[Landwirtschaft]], [[Energie]], [[Verkehr]], [[Umwelt]] und [[Verbraucherschutz]]; Unterstützungsmaßnahmen sollte die EU unter anderem in den Bereichen [[Gesundheit]], [[Industrie]], [[Bildung]] und [[Katastrophenschutz]] durchführen können. |
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Der einzige juristisch sichere Weg, ein Gesetz zu stoppen, ist eine [[Klage]] vor dem [[EuGH]]. Die Mitgliedsländer und der [[Ausschuss der Regionen]] können hier Klage erheben, die Nationalparlamente müssen ihre eigene Regierung dazu bewegen, in ihrem Namen zu klagen und können in bestimmten Fällen nun selbst vor den [[EuGH]] ziehen. |
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=== Ziele und Werte der Union === |
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Als letztes Mittel zur Sicherung ihrer Souveränität bleibt den Staaten ein '[[Austritt]] aus der Union'. Zwar gründet sich die EU auch bisher auf völkerrechtliche Verträge, die in Ausnahmefällen kündbar sind. Doch die neu geschaffene Möglichkeit eines geordneten Austrittes dürfte als Drohmittel eine maßlose Zentralisierung verhindern. |
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Ebenfalls ausdrücklich definiert wurden im Verfassungsvertrag die „Ziele und Werte der Union“, die für das gesamte Handeln der EU verpflichtend sind. So hieß es in Art. I-2 VVE: |
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: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der [[Menschenwürde]], [[Freiheit]], [[Demokratie]], [[Gleichheit#Gleichheit vor dem Gesetz|Gleichheit]], [[Rechtsstaatlichkeit]] und die Wahrung der [[Menschenrechte]] einschließlich der Rechte der Personen, die [[Minderheit]]en angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch [[Pluralismus (Politik)|Pluralismus]], [[Gleichberechtigung|Nichtdiskriminierung]], [[Toleranz]], [[Gerechtigkeit]], [[Solidarität]] und die [[Gleichstellung der Geschlechter|Gleichheit von Frauen und Männern]] auszeichnet.“ |
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Parallel dazu legt die Verfassung auch ein Verfahren des 'Unions[[zwang]]s' fest. Sollte sich ein Mitgliedsland dahin entwickeln, dass seine Politik mit den grundlegenden [[Ziel]]en und Werten der Union unvereinbar ist, so kann insbesondere durch die Suspendierung der Stimmrechte dieses Mitgliedstaats zumindest nicht mehr die gesamte EU gefährdet werden. |
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Art. I-3 VVE legte die Ziele der Union fest, unter anderem die Förderung des [[Frieden]]s, die Schaffung eines [[Binnenmarkt]]s mit freiem und unverfälschtem [[Wettbewerb (Wirtschaft)|Wettbewerb]], [[Wirtschaftswachstum]], [[Preisstabilität]], [[soziale Marktwirtschaft]], [[Umweltschutz]], [[soziale Gerechtigkeit]], [[kultur]]elle Vielfalt, weltweite Beseitigung der [[Armut]], Förderung des [[Völkerrecht]]s etc. |
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=== Verstärkte Zusammenarbeit === |
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=== Subsidiaritätsprinzip === |
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Eine „verstärkte Zusammenarbeit“ zwischen einer Gruppe von EU-Mitgliedern ist grundsätzlich möglich, wenn das Vorhaben in der gesamten EU nicht zu realisieren ist. Nach dem Vorbild des [[Schengener Abkommen]]s und des [[Euro]] erlaubt die Verfassung somit weiterhin eine ungleichzeitige Verwirklichung der europäischen Integration durch mehrere Geschwindigkeiten innerhalb des einheitlichen Rechts- und Verfassungsrahmens der EU. Bei einer Beteiligung von mindestens einem Drittel der Mitgliedsstaaten setzen die EU-Institutionen europäisches Recht, das ebenso wie der Euro nicht in allen Mitgliedstaaten gilt. Der Verfassungsvertrag führt zudem eine neue ungleichzeitige Sonderform der verstärkten Zusammenarbeit in der [[Verteidigungspolitik]] unter der Bezeichnung „strukturierte Zusammenarbeit“ ein. |
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Schon im [[Vertrag von Maastricht]] waren für die EU die Grundsätze der [[Subsidiarität]] und der [[Verhältnismäßigkeitsprinzip|Verhältnismäßigkeit]] festgelegt worden, die in Art. I-12 VVE bestätigt wurden. Subsidiarität heißt, dass die Union nur tätig wird, sofern „die Ziele […] von den [[Mitgliedstaat]]en weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können, sondern […] auf Unionsebene besser erreicht werden können“. Die Union darf also eine Aufgabe nur dann von den Mitgliedstaaten übernehmen, wenn die unteren politischen Ebenen (im Fall von Deutschland: [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinden]], [[Land (Deutschland)|Bundesländer]] und der [[Bundesebene (Deutschland)|Bund]]) nicht in der Lage sind, diese ausreichend auszuführen, die EU aber schon. Was „ausreichend“ im Einzelfall bedeutet, entscheidet der [[Europäischer Gerichtshof|Europäische Gerichtshof]] (EuGH). |
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Neu an der Verfassung war das {{EUR-Lex-Rechtsakt |reihe=C |jahr=2004 |amtsblattnummer=310 |anfangsseite=207 |endseite=209 |format=PDF |titel=Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit}}, das die entsprechenden Regelungen näher erläuterte. Zur Sicherung der Subsidiarität wurden vor allem die Rechte der nationalen [[Parlament]]e gestärkt: Innerhalb von sechs Wochen nachdem die Kommission einen Gesetzesvorschlag auf den Weg brächte, sollten diese nun begründen können, warum dieses Gesetz ihrer Ansicht nach gegen den Subsidiaritätsgedanken verstößt. Bei Kritik von einem Drittel der Parlamente sollte die Kommission ihren Vorschlag überprüfen müssen. Sie hätte den Einwand der Parlamente auch zurückweisen können, ihre Entscheidung aber in jedem Fall begründen müssen. |
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* [http://www.thym.de/daniel/ungleichzeitigkeit/index.html Umfassende Beschreibung der verstärkten Zusammenarbeit] |
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Letztlich zuständig für die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips sollte damit wie bisher der EuGH bleiben. Wie bisher sollten hier die Regierungen der Mitgliedstaaten und der [[Ausschuss der Regionen]] [[Klage]] erheben können; neu war, dass nun auch die Nationalparlamente in bestimmten Fällen selbst vor den EuGH sollten ziehen können. |
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=== Bürgerbegehren === |
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=== Verstärkte Zusammenarbeit === |
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Die europäische Kommission kann nach Artikel I-47 Absatz 4 des Verfassungsentwurfs von den Unionsbürgern aufgefordert werden, im Rahmen ihrer Befugnisse einen Gesetzentwurf zu einem bestimmten Thema vorzulegen. Voraussetzung sind eine Million Unterschriften (aus einer noch durch europäisches Gesetz festzulegenden Zahl von Ländern). |
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Eine weitere Neuerung des Verfassungsvertrags war die Institutionalisierung der [[Verstärkte Zusammenarbeit|Verstärkten Zusammenarbeit]] in Art. I-44 VVE. Darunter sind Integrationsschritte zwischen einer Gruppe von EU-Mitgliedern zu verstehen, wenn das Vorhaben in der gesamten EU nicht zu realisieren ist. |
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Vorbild für die Verstärkte Zusammenarbeit waren das [[Schengener Abkommen]] und die [[Europäische Wirtschafts- und Währungsunion]], durch die bereits in der Vergangenheit einzelne Mitgliedstaaten schneller als andere Integrationsschritte durchführten. Die Verfassung sollte nun erstmals ein bestimmtes Verfahren vorschreiben, nach der eine solche ungleichzeitige Verwirklichung der europäischen Integration innerhalb des einheitlichen EU-Verfassungsrahmens stattfinden kann. Bei einer Beteiligung von mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten sollten die EU-Institutionen demnach europäisches Recht setzen können, das allerdings nur in den teilnehmenden Mitgliedstaaten gelten würde. Eine neue Sonderform der Verstärkten Zusammenarbeit sollte die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der [[Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik|Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik]] sein (Art. I-41 Abs. 6 VVE). |
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==Kritik== |
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=== Eigene Rechtspersönlichkeit === |
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Die europäische Verfassung stieß bei verschiedenen politischen Richtungen, und insbesondere in der Bevölkerung einiger Mitgliedsländer zunehmend auf Kritik. Dabei muss unterschieden werden zwischen der Kritik am Zustandekommen der Verfassung, also ihrer [[Legitimation]], und inhaltlicher Kritik an den darin enthaltenen politischen Zielen. |
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Nach dem bisherigen Vertragswerk besitzt lediglich die [[Europäische Gemeinschaft]], nicht aber die Europäische Union [[Rechtsfähigkeit|Rechtspersönlichkeit]]. Dies bewirkt, dass die EG im Rahmen ihrer Kompetenzen allgemein verbindliche Beschlüsse fassen kann, während die EU lediglich als „Dachorganisation“ tätig ist. Insbesondere in der [[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik|EU-Außenpolitik]] bedeutet dies, dass die EU nicht als eigenständige Institution auftreten kann, sondern immer nur in Gestalt ihrer einzelnen Mitgliedstaaten. |
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Durch den Verfassungsentwurf sollte die Union deshalb eine eigene Rechtspersönlichkeit erhalten. Dies hätte ihr die Möglichkeit verschafft, als Völkerrechtssubjekt in eigenem Namen (wenn auch grundsätzlich nur auf einstimmigen Beschluss des Außenministerrats hin) internationale Verträge und Abkommen zu unterzeichnen, über den neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten aufzunehmen, und die Mitgliedschaft in [[Internationale Organisation (Völkerrecht)|internationalen Organisationen]] – etwa dem [[Europarat]] oder den [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] – zu beantragen. |
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===Kritik am Ratifizierungsprozess=== |
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=== Grundrechtecharta und Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention === |
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Am [[Europäischer Konvent|Konvent]] wird kritisiert, dass seine Mitglieder nicht gewählt oder bestätigt werden konnten, wie sonst bei [[Legislative]]n [[Demokratie|demokratischer Staaten]] üblich. |
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Eine bedeutende Neuerung bestand in der [[Charta der Grundrechte der Europäischen Union]], aus der der Teil II des Verfassungsentwurfs bestand. Diese Charta war bereits 2000 vom [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]] in Nizza verabschiedet und feierlich proklamiert worden, sie war jedoch zunächst ohne Rechtsverbindlichkeit geblieben. |
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Der Konvent habe nur Scheintransparenz. Trotz öffentlicher Plenumssitzungen wären Entscheidungen nicht öffentlich getroffen und die vorausgegangenen Präsidiumsberatungen nicht protokolliert worden. Der [[luxemburg]]ische Premier [[Jean-Claude Juncker]] ([[Ratspräsidentschaft|Ratspräsident]] während des ersten Halbjahres 2005) sagte dazu: "Der Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie-Show. Ich habe noch keine dunklere Dunkelkammer gesehen als den Konvent."[http://www.gouvernement.lu/salle_presse/Interviews/20030616juncker_spiegel/]<!-- Quellen: Verein "Mehr Demokratie eV" u. der Spiegel 16.6.2003 --> |
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Durch den Verfassungsvertrag sollte die Grundrechtecharta in der ganzen Europäischen Union verbindlich werden. Inhaltlich orientierte sie sich an der [[Europäische Menschenrechtskonvention|Europäischen Menschenrechtskonvention]]. Sie ging damit in manchen Teilen weiter, in anderen weniger weit als vergleichbare Grundrechtskataloge, etwa im deutschen [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]]. Art. II-113 VVE legte jedoch ausdrücklich das „Günstigkeitsprinzip“ fest, wonach die Grundrechtecharta in keinem Fall eine Verschlechterung der Grundrechtslage für den Einzelnen bedeuten dürfe. Sofern sich also die Grundrechtecharta und andere rechtsgültige Grundrechtskataloge, etwa in den Verfassungen der Einzelstaaten, widersprächen, würde grundsätzlich die für den Einzelnen bessere Regelung gelten. |
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Der ungleiche Zeitpunkt der [[Referendum|Referenden]] und [[Parlament]]sratifizierungen ermögliche es, die [[Ratifizierung]]en zum jeweils vermuteten günstigsten Zeitpunkt durchzuführen. |
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Dies führe zur [[Manipulation]] der Referendumsergebnisse zu Gunsten der Verfassungsbefürworter. |
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Auch solle durch vorangegangene Entscheidungen Druck auf einzelne [[Parlament]]e ausgeübt werden. |
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Beispiele seien das frühe Referendum in [[Spanien]] nach entsprechend günstigen [[Umfrage]]n und der Versuch, dem französischen Referendum durch das deutsche Beispiel rechtzeitig den "nötigen Schub" zu geben. <!-- Quelle: Verein "Mehr Demokratie eV" --> |
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Art. I-9 Abs. 2 VVE sah außerdem den Beitritt der EU zur [[Europäische Menschenrechtskonvention|Europäischen Menschenrechtskonvention]] (EMRK) vor. Dieser Beitritt befand sich bereits seit Jahrzehnten in der Diskussion, nicht zuletzt da sich die EU seit dem [[Birkelbach-Bericht]] von 1961 bei der Definition ihrer politischen Werte auf die Grundsätze des [[Europarat]]s bezieht, die in der EMRK niedergelegt sind. Allerdings benötigte die EU für den Beitritt zur EMRK eine eigene Rechtspersönlichkeit, die sie erst durch die Verfassung erhalten sollte. |
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Die schnelle [[Ratifikation|Ratifizierung]] ohne [[Volksentscheid|Volksbefragung]] in [[Deutschland]] solle die Formierung von Verfassungskritikern und eine ernsthafte - weil nicht folgenlose - [[Diskussion]] verhindern. |
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<!-- Quelle: "Hart, aber fair", WDR-Fernsehen --> |
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Außerdem würde es für den Beitritt der EU zur EMRK einer Änderung der Konvention bedürfen, da diese zurzeit nur Mitgliedstaaten des Europarates offensteht ({{Art.|59|MRK|dejure}} Abs. 1 EMRK). Diese Anpassung soll durch das 14. Zusatzprotokoll zur EMRK geschehen, welches der EMRK-Mitgliedstaat [[Russland]] bislang noch nicht ratifiziert hat und das somit noch nicht in Kraft getreten ist. Schließlich müsste für den beabsichtigten Beitritt der EU zur EMRK noch ein Beitrittsabkommen ausgehandelt werden, das ein eigener internationaler Vertrag ist und daher vom Rat der EU einstimmig beschlossen und von sämtlichen Mitgliedstaaten der EMRK ratifiziert werden muss. Letztlich hätte somit auch nach Inkrafttreten der Verfassung jedem Mitgliedstaat ein Veto gegen den EMRK-Beitritt der EU offengestanden, da jeder Mitgliedstaat die konkreten Bedingungen dieses Beitritts ablehnen könnte. |
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Weithin wird die ungleiche finanzielle Unterstützung und [[Medien]]präsenz von Verfassungsbefürwortern und Verfassungsgegnern in vielen, jedoch nicht in allen Mitgliedsstaaten bemängelt:<!-- Quelle: Euronews --> Befürworter bekamen in Frankreich nachweislich mehr Sendezeit eingeräumt. In Deutschland fand eine öffentliche Diskussion zu den Inhalten der Verfassung in den großen Medien kaum statt. |
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=== Bürgerinitiative === |
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===Kritik am Verfassungsinhalt=== |
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Als neues direktdemokratisches Element sollte ferner durch Art. I-47 Abs. 4 VVE die Möglichkeit einer [[Europäische Bürgerinitiative|europaweiten Bürgerinitiative]] eingeführt werden. Dadurch sollte die Europäische Kommission aufgefordert werden können, einen Gesetzentwurf zu einem bestimmten Thema vorzulegen. Voraussetzung wäre eine Million Unterschriften aus einer noch durch europäisches Gesetz festzulegenden Zahl von Ländern. Auch im Falle einer Bürgerinitiative dürfte die Kommission jedoch nur im Rahmen ihrer Befugnisse tätig werden; eine Erweiterung der Zuständigkeiten der EU auf diesem Wege wäre also ausgeschlossen. |
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=== Freiwilliger Austritt und Beitrittskriterien === |
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[[Image:euverfassung.jpg|thumb|Vielsprachiger Protest gegen die EU-Verfassung]] |
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Art. I-60 VVE sollte erstmals den freiwilligen [[Sezession|Austritt]] eines Staates ausdrücklich regeln und damit die seit langem bestehende Ungewissheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines (ungeschriebenen) Austrittsrechts beenden. |
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Am Verfassungsentwurf wird von verschiedenen Organisationen, Parteien und Politikern teilweise scharfe Kritik geäußert. |
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Wegen der besonderen Stellung einer [[Verfassung]] als Gesetz mit dem höchsten Rang, sei die EU-Verfassung nicht einfach nur Nachfolger ihrer rechtswirksamen Vorläufer ([[Vertrag von Nizza]] usw.), sondern etwas völlig Neues. |
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Daneben sollte mit dem Vertrag auch der Forderung nach strikteren [[Kopenhagener Kriterien|Beitrittskriterien]] entsprochen werden. Gemäß Art. I-58 Abs. 1 VVE sollten [[Beitrittskandidaten der EU|beitrittswillige Staaten]] künftig die [[Wertvorstellung|Werte]] der EU (also Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit etc.) achten müssen und „sich verpflichten, ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen“. Laut dem EU-Vertrag in der Fassung von [[Vertrag von Nizza|Nizza]] ({{Art.|49|EU|dejure}}) kann dagegen „jeder europäische Staat, der die […] Grundsätze [der EU] achtet“, einen Beitrittsantrag stellen; eine ausdrückliche Verpflichtung auf die Förderung der Grundsätze war nicht darin enthalten. |
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====Kritik von links==== |
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=== Symbolische Neuerungen === |
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Die wesentliche Kritikpunkte lauten, der Vertrag sei [[unsozial]] und [[Demokratie|undemokratisch]] und treibe die Militarisierung der Union voran. |
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Gewisse Neuerungen des Verfassungsvertrages schließlich bestanden vor allem auf der symbolischen Ebene. So wurden die bereits seit langem benutzten Symbole der EU ([[Europaflagge]], [[Europahymne]], [[Europatag]], [[Europamotto]] und die Währung [[Euro]]) in Art. I-8 VVE erstmals ausdrücklich in einem Gründungsvertrag der Union genannt. Auch die Begrifflichkeiten in der EU-Gesetzgebung sollten sich verändern: Statt technisch klingender Bezeichnungen wie [[Verordnung (EU)|Verordnung]] und [[Richtlinie (EU)|Richtlinie]] sollten staatstypische Begriffe wie Europäisches [[Gesetz]] und Europäisches [[Rahmengesetz]] eingeführt werden. |
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== Ausarbeitung, Ratifizierungsprozess und Scheitern der Europäischen Verfassung == |
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Unsozial sei der Vertrag, weil die sozialen Rechte in der Charta der Grundrechte lediglich als allgemeine Grundsätze zu betrachten seien, die nicht einklagbar und verbindlich sind, sowie in den konkretisierenden Verfassungsartikeln wieder zurückgenommen würden. |
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Die Entscheidung zur Ausarbeitung eines neuen, umfassenden Vertrags, der die bisherigen EU-Verträge zusammenfassen sollte, entstand noch während des laufenden Ratifikationsverfahrens des [[Vertrag von Nizza|Vertrags von Nizza]]. Dieser war von vielen Beobachtern, aber auch von den beteiligten Politikern selbst als ein unzureichender Kompromiss angesehen worden, der die Probleme, die sich aus der anstehenden [[EU-Erweiterung 2004|EU-Osterweiterung]] ergeben würden, nicht dauerhaft würde lösen können. Die Idee einer europäischen Verfassung, die die [[Europäischer Föderalismus|europäischen Föderalisten]] bereits in der Anfangsphase der europäischen Integration vertreten hatten, gewann unter anderem durch eine viel beachtete Rede des deutschen Außenministers [[Joschka Fischer]] im Mai 2000 an Auftrieb und löste eine neue [[Finalitätsdebatte]] aus. |
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=== Europäischer Konvent und Regierungskonferenz === |
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Weiter sei mit dem Vertrag die Chance der Demokratisierung und der überfälligen Einführung einer echten [[Gewaltenteilung]] in der Union versäumt worden, da [[Europäischer Rat]] und [[Kommission]] gegenüber dem [[Parlament]] mit mehr Entscheidungs- und Vorschlagskompetenzen ausgestattet bleiben. |
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Im Dezember 2001 beauftragten daraufhin die Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten einen großen Konvent unter der Leitung des früheren französischen Staatspräsidenten [[Valéry Giscard d’Estaing]] mit der Ausarbeitung eines neuen Europavertrages. Dieser [[Europäischer Konvent|zweite Europäische Konvent]] („Verfassungskonvent“), der zwischen dem 28. Februar 2002 und dem 18. Juli 2003 einen Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa erarbeitete, bestand aus Regierungsvertretern der fünfzehn Mitgliedstaaten und der dreizehn Beitrittsländer und -kandidaten (einschließlich der Türkei) sowie Vertretern des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der nationalen Parlamente. Ein ähnlicher Konvent hatte zuvor bereits die [[Charta der Grundrechte der Europäischen Union|EU-Grundrechtecharta]] verfasst, war jedoch noch niemals für die Ausarbeitung eines EU-Vertrags eingerichtet worden. |
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Der Verfassungsentwurf, den der Europäische Konvent 2003 vorschlug, wurde allerdings nicht unmittelbar von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat übernommen. Vielmehr setzten diese zunächst eine [[Regierungskonferenz]] ein, die den Entwurf noch einmal überarbeitete. Anders als der Name nahelegt, handelte es sich dabei nicht um eine einzelne Konferenz, sondern eine monatelange Abfolge von Gesprächen, Treffen und Verhandlungen zwischen Beamten, Ministern und Regierungschefs. Während der Konvent eine Neuheit in der Geschichte der EU-Vertragsreformen gewesen war, entsprach die Regierungskonferenz dem üblichen Vorgehen vor der Verabschiedung neuer völkerrechtlicher Verträge. Sie diente insbesondere dazu, die Vorbehalte einzelner Regierungen, insbesondere [[Spanien]]s und [[Polen]]s, gegenüber dem vorgeschlagenen Stimmengewicht und der Machtverteilung im [[Rat der Europäischen Union|EU-Ministerrat]] auszuräumen. |
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Dies gilt insbesondere für den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, auf den sich der dritte Kritikpunkt bezieht; die Militarisierung der Union werde voran getrieben. |
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Hier wird vor allem die Verpflichtung der EU-Mitglieder zur [[Aufrüstung]] ([http://europa.eu.int/constitution/de/ptoc8_de.htm#a52 Art. I-41 (3)]) und die Ausweitung der militärischen Aufgaben der Union, sowie die Lockerung der Voraussetzungen für Militäreinsätze kritisiert. |
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[[Datei:EU Roma Musei Capitolini close-up.jpg|mini|Saal, in dem die EU-Verfassung in Rom unterzeichnet wurde]] |
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Weitere Kritik entzündet sich am im Vertrag vereinbarten Grundsatz der [[Marktwirtschaft#Freie_Marktwirtschaft|offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb]] ([http://europa.eu.int/constitution/de/part36_de.htm#a223 Art.177]: "[...]'' Einführung einer Wirtschaftspolitik, die ''[...]'' dem Grundsatz einer offenen [[Marktwirtschaft]] mit freiem [[Wettbewerb]] verpflichtet ist.''"), womit sich die Verfassung auf [[Neoliberalismus|neoliberale]] Wirtschaftspolitik festlege. Diese Wirtschaftspolitik und das [[Wirtschaftswachstum]] ([http://europa.eu.int/constitution/de/part2_de.htm#a6 I.3.(3)]) erhielten so den Rang von [[Verfassungsziel]]en. So stelle die EU-Verfassung einen ungezügelten Wettbewerb weit vor soziale Belange, Umweltschutz und Beschäftigungspolitik. Allerdings ist die Europäische Gemeinschaft seitjeher auf das Zusammenwachsen der Mitgliedsstaaten durch Wirtschaftspolitik aufgebaut; so handelt es sich bei Artikel 177 um die wortwörtliche Übernahme aus dem alten Vertragswerk. |
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Tatsächlich kam erst mit dem [[Parlamentswahl in Spanien 2004|Regierungswechsel in Spanien im Frühjahr 2004]] Bewegung in die Gespräche, sodass am 18. Juni 2004 vom [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]] in Brüssel eine Einigung erzielt werden konnte. Am 29. Oktober 2004 wurde die Europäische Verfassung daraufhin von den Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet. Ort der Unterzeichnung war [[Rom]]. Dies lag zum einen daran, dass [[Italien]] im zweiten Halbjahr 2004 die [[Vorsitz im Rat der Europäischen Union|EU-Ratspräsidentschaft]] innehatte, zum anderen sollte diese Ortswahl an die [[Römische Verträge|Römischen Verträge]] von 1957 erinnern, mit denen die EU-Vorläuferorganisationen [[Europäische Wirtschaftsgemeinschaft|EWG]] und [[Europäische Atomgemeinschaft|Euratom]] gegründet worden waren. |
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=== Ratifizierung und Scheitern des Verfassungsvertrags === |
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Bestimmungen wie die [[Dienstleistungsrichtlinie]] und das [[Herkunftslandprinzip]] könnten ihre Legitimation aus der [[Verfassung]] herleiten und würden so einen beschleunigten Abwärtswettbewerb bei [[Lohn|Löhnen]], [[Soziale Sicherheit|Sozialleistungen]], [[Qualitätsstandard]]s und [[Arbeitssicherheit]]sbestimmungen verursachen. |
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Vor dem Inkrafttreten des Verfassungsvertrags musste dieser allerdings von allen EU-Mitgliedstaaten [[Ratifikation|ratifiziert]] werden. Je nach Staat war hierfür entweder ein Parlamentsbeschluss oder eine Volksabstimmung notwendig. Allerdings kündigten mehrere Regierungen, in denen auch eine rein parlamentarische Ratifikation möglich gewesen wäre, ein [[Referendum]] an, um damit die besondere Bedeutung des Verfassungsvertrags zu unterstreichen. Hierzu zählten unter anderem Spanien, [[Referendum in Frankreich 2005 zur Europäischen Verfassung|Frankreich]], die Niederlande und Luxemburg. In Deutschland wurde ein Referendum zwar von der [[Freie Demokratische Partei|FDP]] gefordert; hierfür wäre jedoch eine Grundgesetzänderung notwendig gewesen, die von den übrigen Parteien abgelehnt wurde. Ein europaweites Referendum, wie es etwa die [[Europäische Grüne Partei|Europäischen Grünen]] vorschlugen, fand ebenfalls keine mehrheitliche Zustimmung. |
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Außerdem seien Unternehmen, die diese Standards einhalten, diesem [[Konkurrenz]]druck nicht lange gewachsen, so dass der freie Markt [[Wettbewerb]]sverzerrungen verursache. Einheimische Arbeitskräfte bestimmter Länder könnten dabei aufgrund des höheren [[Preisniveau]]s bei den [[Niedriglohn|Niedriglöhnen]] nicht mithalten und es käme zu zusätzlicher [[Arbeitslosigkeit]]. Dies führe am Ende zu einer Einpendelung von Löhnen, Qualitäts- und Sozialstandards auf dem jeweils niedrigsten EU-Niveau. |
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==== Der Beginn des Ratifizierungsprozesses in den Einzelstaaten ==== |
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Auch kritisiert wurde das Fehlen einer vergleichbaren Klausel zur Sozialpflichtigkeit von [[Eigentum]], wie sie etwa im [[Grundgesetz]] enthalten ist (''Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.'', Artikel 14 Absatz 2). |
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[[Datei:EU Constitution Ratification Map.svg|mini|300px|Ratifizierung in den Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten {{Farblegende|#A0E200|Ja – Teil der EU-Beitrittsverhandlungen}} |
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{{Farblegende|#7BA800|Ja – Ratifizierung durch Parlament}} |
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{{Farblegende|#617E08|Ja – Referendum}} |
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{{Farblegende|#C22929|Nein – Referendum}} |
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{{Farblegende|#FEBBBB|Referendum abgesagt}} |
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{{Farblegende|#00AAE2|Parlamentarische Ratifizierung abgesagt}}]] |
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Als erstes Land ratifizierte am 11. November 2004 das [[Litauen|litauische]] Parlament mit 84 Ja-, vier Nein-Stimmen und drei Enthaltungen die EU-Verfassung. Dem folgten [[Ungarn]] am 20. Dezember 2004 sowie [[Slowenien]] am 1. Februar 2005, ebenfalls durch Parlamentsbeschluss. |
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In Frankreich zeigten Wahlanalysen, dass die Kritiker dort mehrheitlich aus dem linken Spektrum und unteren sozialen Schichten stammen. |
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Das erste nationale Referendum fand [[Referendum in Spanien 2005 zur Europäischen Verfassung|am 20. Februar 2005 in Spanien]] statt. Es war konsultativ (also nicht bindend) und endete mit einer Zustimmung von 76,7 % für die EU-Verfassung bei einer Wahlbeteiligung von 42,3 %. Die anschließende Abstimmung im Kongress fand am 28. April 2005 statt; der Senat stimmte am 18. Mai mit 225 zu 6 Stimmen und einer Enthaltung für die Annahme der Verfassung. |
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====Kritik aus konservativer Sicht==== |
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Von konservativer Seite wurde Kritik über den fehlenden Bezug zu den christlichen Wurzeln in dem Verfassungsentwurf laut. Diese Kritik wurde nicht nur vom Vatikan geäußert, sondern kam auch aus Polen und einigen mehrheitlich katholischen Regionen. |
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Als erstes EU-Gründungsmitglied stimmte [[Italien]] dem neuen Verfassungsvertrag zu. Bereits am 25. Januar 2005 billigte das italienische Unterhaus die Verfassung, am 6. April 2005 sprachen sich auch die römischen Senatoren mit 217 zu 16 Stimmen für den Vertrag aus. |
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Zudem hinterfragen weiterhin konservative Euro-Skeptiker die Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität und den Beitritt neuer Mitgliedsländer (z.B. [[Türkei]]), und befürchten den Verlust regionaler Tradition. |
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Im [[Belgien|belgischen]] Parlament wurde am 11. März 2005 über die für ein [[Referendum]] nötige (nationale) Verfassungsänderung abgestimmt. Die notwendige [[Zweidrittelmehrheit]] wurde dabei jedoch nicht erreicht, sodass die Ratifizierung auf parlamentarischem Weg stattfand. Wegen der föderalen Struktur Belgiens war hierzu auch die Zustimmung der regionalen und gemeinschaftlichen Parlamente notwendig, die bis zum 8. Februar 2006 nach und nach alle für die Verfassung stimmten. |
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In den Niederlanden überwog eine konservative Kritik. |
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In [[Griechenland]] ratifizierte das Parlament die Verfassung mit großer Mehrheit (268 Ja-, 17 Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen) am 19. April 2005. Das [[Slowakei|slowakische]] Parlament ratifizierte die Verfassung ebenfalls mit großer Mehrheit (116 Ja-, 27 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen) am 11. Mai 2005. |
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====Rechtsextremismus==== |
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Auch [[Rechtsextremismus|rechtsextreme]] Kritiker wenden sich gegen die EU-Verfassung, Motive sind hier [[Nationalismus]], [[Fremdenfeindlichkeit]] und die Ablehnung von [[Einwanderung]]. |
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In Deutschland erfolgte die Zustimmung des [[Deutscher Bundestag|Bundestags]] am 12. Mai 2005 mit 95,8 % der abgegebenen Stimmen. 594 Abgeordnete gaben ihre Stimme ab, davon stimmten 569 mit Ja, 23 mit Nein, zwei enthielten sich. Der [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]] stimmte am 27. Mai mit 66 von 69 Stimmen bei drei Enthaltungen (des von einer [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]/[[Partei des Demokratischen Sozialismus|PDS]]-[[Koalition (Politik)|Koalition]] regierten Bundeslandes [[Mecklenburg-Vorpommern]]) für den Vertrag. |
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Der Hinweis auf rechtsextreme Verfassungsgegner wird von einigen Verfassungsbefürwortern (z.B. [[Daniel Cohn-Bendit]], [[Peter Hintze]]) benutzt, um auch andere Verfassungskritiker und ihre Motivation [[Rhetorik|rhetorisch]] in eine extremistische Ecke zu stellen. So kann dann eine differenzierte Diskussion über Ablehnungsgründe wie [[Demokratie]]mangel, fehlende [[Gewaltenteilung]], [[Soziale Ungleichheit|soziale Folgen]] durch eine pauschale Unterstellung von rechts- und linksextremistischen [[Populismus]] ersetzt werden. |
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In Umkehrung des [[Radikalismus und Extremismus|Extremismusvorwurfes]] betrachten einige Verfassungskritiker sich selbst als gemäßigt-proeuropäisch und werfen Verfassungsbefürwortern Marktradikalismus vor. |
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Noch am selben Tag erhob jedoch der [[Mitglied des Deutschen Bundestages|Bundestagsabgeordnete]] [[Peter Gauweiler]] ([[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]]) vor dem [[Bundesverfassungsgericht]] eine [[Verfassungsprozessrecht (Deutschland)|Organklage]] und eine Verfassungsbeschwerde gegen den Verfassungsvertrag; Verfahrensbevollmächtigter der Klage war der Nürnberger Rechtsprofessor [[Karl Albrecht Schachtschneider]], der bereits bei den (erfolglosen) [[Maastricht-Urteil|Verfassungsklagen gegen den Maastricht-Vertrag]] sowie gegen die [[Euro]]-Einführung federführend gewesen war. Zudem erhoben Rechtsanwalt Mario Schmid aus Freiburg sowie weitere 34 Bürger Verfassungsbeschwerde. Der [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] [[Horst Köhler]] erklärte daraufhin, er werde die Ratifikationsurkunde erst unterzeichnen, wenn das Bundesverfassungsgericht über die Klage Gauweilers und Schmids entschieden hätte. |
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===Kritiker=== |
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Prominente Kritiker der EU-Verfassung sind u.a. der Philosoph [[Jean Baudrillard]], aber auch der [[CSU]]-Abgeordnete [[Peter Gauweiler]], der Fraktionsvorsitzende der [[Die Linkspartei.|Linkspartei]] [[Oskar Lafontaine]] und der Präsident der [[Tschechien|Tschechischen Republik]] [[Václav Klaus]]. |
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In [[Österreich]] beschloss der Nationalrat den Vertrag über eine Verfassung für Europa (851 d.B. XXII. GP)<ref>[http://www.parlinkom.gv.at/portal/page?_pageid=908,855624&_dad=portal&_schema=PORTAL 851 d.B. XXII. GP]</ref> am 11. Mai 2005 mit überwältigender Mehrheit; lediglich eine Abgeordnete ([[Barbara Rosenkranz]], [[Freiheitliche Partei Österreichs|FPÖ]]) stimmte dagegen. Der Bundesrat entschied am 25. Mai 2005 ebenfalls positiv; drei der 62 Mitglieder, Vertreter der rechtsnationalen Parteien FPÖ und [[Bündnis Zukunft Österreich|BZÖ]], stimmten dagegen. Zuvor wurde im März 2005 das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa (789 d.B. XXII. GP),<ref>[http://www.parlinkom.gv.at/portal/page?_pageid=908,830191&_dad=portal&_schema=PORTAL&g5 789 d.B. XXII. GP]</ref> das eine rein parlamentarische Ratifizierung ohne Volksabstimmung festlegte, im Nationalrat und Bundesrat jeweils einstimmig beschlossen. Eine Bürgerinitiative für eine Volksabstimmung blieb folgenlos.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.werkstatt.or.at/EUVerfassung/EUVerfassung20050221.htm |text=Presseaussendung der Werkstatt Frieden & Solidarität, 21. Februar 2005 |wayback=20070928090111}}<!-- keine neutrale Quelle ([[WP:Q]])! --></ref> [[Hans-Peter Martin]] reichte beim Verfassungsgerichtshof einen Individualantrag ein. |
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Die [[Die Linkspartei.|PDS]] sieht in der Verfassung eine Festschreibung des [[Neoliberalismus]] und der Aufrüstungsverpflichtung. Interessanterweise hat die PDS-Vertreterin im EU-Konvent, die Europaabgeordnete Kaufmann, dem Verfassungsentwurf zugestimmt, nachdem der PDS-Parteivorstand eine entsprechende Weisung erteilt hatte. |
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Die bei der Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen fünftstärkste Partei [[WASG]] lehnt die EU-Verfassung unter anderem deshalb ab, weil sie darin eine einseitige Festlegung auf [[neoliberal]]e Wirtschaftspolitik sieht. |
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==== Das französische und niederländische Referendum ==== |
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Der Verein ''Mehr Demokratie e.V.'' bemängelt den [[Ratifizierung|Ratifizierungsprozess]] als in Teilen [[Demokratie|undemokratisch]] und [[Manipulation|manipulierbar]] und kritisiert die Verfassung als mangelhaft im Bereich [[Gewaltenteilung]], als Grundlage eines demokratiefreien Raumes im Bereich [[Außenpolitik|Außen-]] und [[Sicherheitspolitik]], und als Zementierung eines Großteils politischer Entscheidungen (Anhänge mit Verfassungsrang). |
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[[Datei:non-sensunique.jpg|mini|150px|''Non''-Plakate (gegen die „Fahrtrichtung“ Europas)]] |
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Am 29. Mai 2005 schließlich kam es in Frankreich zu einem [[Referendum in Frankreich 2005 zur Europäischen Verfassung|Referendum über den Verfassungsvertrag]]. Dieses war nach der französischen Verfassung nicht zwingend vorgesehen, von der Regierung unter [[Jacques Chirac]] jedoch vor allem aus innenpolitischen Gründen anberaumt worden, um die Legitimation der Verfassung zu erhöhen und auch die eigene Popularität mit einem – scheinbar – leichten Erfolg bei einer öffentlichen Abstimmung zu verbessern. Tatsächlich fand die wichtigste französische Oppositionspartei, die sozialistische [[Parti socialiste (Frankreich)|PS]], intern zu keiner gemeinsamen Haltung zu der Verfassung: Während die Parteispitze sich dafür aussprach, führten prominente Politiker des linken Parteiflügels, darunter der frühere Premierminister [[Laurent Fabius]], einen eigenen Wahlkampf dagegen. Auch die kommunistische [[Parti communiste français|PCF]] und die rechtsextreme [[Front National (Frankreich)|FN]] sowie einige Intellektuelle wie der Philosoph [[Jean Baudrillard]] sprachen sich gegen die Verfassung aus. |
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Hauptablehnungsgründe aus Sicht der [[nichtstaatliche Organisation|nichtstaatlichen Organisationen]] [[Attac]] [http://www.attac.de/eu-verfassung/anzeige/] sind Aufrüstungsverpflichtung, [[Neoliberalismus]], die Ermöglichung von Auslandseinsätzen zur Durchsetzung (auch wirtschaftlicher) europäischer Interessen und mangelnde Verankerung [[Demokratie|demokratischer]] Grundsätze. |
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Nachdem die Umfragewerte anfangs für die Verfassungsbefürworter sehr günstig gewesen waren, begannen sie jedoch in den letzten Wochen vor der Abstimmung zu kippen. Schließlich lehnten die Wähler den Verfassungsvertrag mit einer Mehrheit von 54,7 % (bei einer Wahlbeteiligung von 69,3 %) ab. Dieses Ergebnis löste unmittelbar heftige Reaktionen in Frankreich und den übrigen EU-Ländern aus, da ausgerechnet eines der Gründungsmitglieder, das überdies als einer der „Motoren“ des Integrationsprozesses galt, den Verfassungsvertrag ablehnte. |
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==Zustandekommen und In-Kraft-Treten der Europäischen Verfassung == |
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=== Der Europäische Konvent === |
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Der [[Europäische Konvent]] ("Verfassungskonvent"), der zwischen dem 28. Februar 2002 und dem 20. Juli 2003 einen Entwurf für den Verfassungsvertrag für die Europäische Union erarbeitete, bestand aus Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten, der zehn Beitrittsländer und -kandidaten (Rumänien, Bulgarien, Türkei) sowie Vertretern des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der nationalen Parlamente. |
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Kurz darauf erfolgte [[Referendum in den Niederlanden 2005 zur Europäischen Verfassung|am 1. Juni 2005 ein weiteres Referendum]] über den Verfassungsvertrag, diesmal in den [[Niederlande]]n, wo es sich um die erste Volksbefragung in dem Land seit 200 Jahren handelte. Hier wies eine große Mehrheit von 61,6 % (bei einer Wahlbeteiligung von 62,8 %) den Verfassungsvertrag zurück. Obwohl das Referendum nicht bindend war, hatten die führenden Politiker des niederländischen Parlaments bereits vorher angekündigt, sich an das Votum der Bürger zu halten, wenn die Wahlbeteiligung über 30 % läge. |
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=== Die Regierungskonferenz === |
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{| class="wikitable sortable" style="font-size:95%" |
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Vor der Annahme durch den ER durchläuft jeder Europavertrag, also auch die Verfassung, eine so genannte Regierungskonferenz. Anders als der Name suggeriert, ist das keine einzelne Konferenz, sondern eine monatelange Abfolge von Gesprächen, Treffen und Verhandlungen zwischen Beamten, Ministern und Regierungschefs. |
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|+ Ergebnisse der Volksabstimmungen |
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! Datum |
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! Referendum |
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! Anteil<br /> Ja-Stimmen |
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! Wahl-<br /> beteiligung |
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! Annahme des Vertrags<br /> Ja/Nein |
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| {{DatumZelle|2005-02-20}} || {{Spanien|1=Referendum in Spanien 2005 zur Europäischen Verfassung|2=Referendum in Spanien}} ||style="text-align:center"| 77 % ||style="text-align:center"| 42 % ||style="text-align:center"| {{Ja}} |
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| {{DatumZelle|2005-05-29}} || {{Frankreich|1=Referendum in Frankreich 2005 zur Europäischen Verfassung|2=Referendum in Frankreich}} ||style="text-align:center"| 44 % ||style="text-align:center"| 69 % ||style="text-align:center"| {{Nein}} |
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| {{DatumZelle|2005-06-01}} || {{Niederlande|1=Referendum in den Niederlanden 2005 zur Europäischen Verfassung|2=Referendum in den Niederlanden}} ||style="text-align:center"| 38 % ||style="text-align:center"| 63 % ||style="text-align:center"| {{Nein}} |
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| {{DatumZelle|2005-07-10}} || {{Luxemburg|1=Referendum in Luxemburg 2005 zur Europäischen Verfassung|2=Referendum in Luxemburg}} ||style="text-align:center"| 57 % ||style="text-align:center"| 90 % ||style="text-align:center"| {{Ja}} |
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|} |
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==== Die „Reflexionsphase“ ==== |
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Diese Kontroversen innerhalb der Regierungskonferenz - Mehrheit im Rat, [[Stabilitätspakt]] (Finanzpolitik, Förderungen und Nettozahler), |
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Der Verfassungsvertrag sah vor, dass, sofern vier Fünftel der Staaten (also 20) den Entwurf bis Ende 2006 ratifiziert hätten, in einzelnen Mitgliedstaaten dabei aber Schwierigkeiten auftreten würden, der [[Europäischer Rat|Europäische Rat]] sich erneut mit dieser Frage beschäftigen würde.<ref>[https://www.diplomatie.be/de/policy/Europa/constitution/constDetail.asp?TEXTID=33871 Ratifizierung in den Mitgliedstaaten]</ref> Diese Regelung war vor allem als letzter Anker mit Blick auf traditionell [[Europaskepsis|europaskeptische]] Länder wie [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] getroffen worden. Die Ablehnung der EU-Verfassung in zwei der Gründungsmitglieder wirkte dagegen wie ein Schock und löste eine unmittelbare intensive Debatte aus. Die bis Anfang Juni 2005 formulierten ersten Reaktionen und Beurteilungen in der Union reichten von [[Pessimismus]] über Beschwichtigung und die Suche nach Erklärungen bis zu größerem Optimismus als zuvor. Europäische Politiker befürchteten insbesondere eine institutionelle Blockade der europäischen Entscheidungsprozesse. |
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gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Verkleinerung |
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der Kommission - beschreibt der Artikel zur [[Regierungskonferenz]]. |
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Mitte Juni 2005 stellte der [[luxemburg]]ische Premierminister [[Jean-Claude Juncker]] in seiner Funktion als [[Vorsitzender des Europäischen Rates]] fest, dass ''„die ursprünglich für den 1. November 2006 geplante Bestandsaufnahme zur Ratifizierung nicht mehr haltbar“'' sei, ''„da jene Länder, die den Text nicht ratifiziert haben, nicht vor Mitte 2007 eine gute Antwort geben“'' könnten. Hintergrund war, dass die Neuwahl des [[Staatspräsident (Frankreich)|französischen Staatspräsidenten]] im Mai 2007 abgewartet werden sollte. Aufgrund dessen sollte eine etwa einjährige Phase der Reflexion und Diskussion eingeleitet werden, in der den Mitgliedstaaten die Gelegenheit gegeben werden sollte, den Verfassungsvertrag nach umfassender öffentlicher Debatte ohne Zeitdruck zu ratifizieren oder dessen Ratifizierung aufzuschieben. Wie vorgeschlagen, beschloss der [[Europäischer Rat|Europäische Rat]] daher eine „Denkpause“ und verschob eine neuerliche Diskussion auf Mitte 2007. |
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=== Ratifizierung und Inkrafttreten === |
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[[Bild:Eu_verfassung_rom.JPG|thumb|Saal, in dem die EU-Verfassung in Rom unterzeichnet wurde]] |
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Tatsächlich setzten mehrere Länder den Ratifizierungsprozess auch nach dem französischen und niederländischen Nein fort. So sprachen sich [[Lettland]] (2. Juni 2005), [[Republik Zypern|Zypern]] (30. Juni 2005), [[Malta]] (6. Juli 2005), [[Estland]] (9. Mai 2006) und [[Finnland]] (Juni 2006) im parlamentarischen Verfahren für die EU-Verfassung aus. In [[Luxemburg]] fand am 10. Juli 2005 ein [[Referendum in Luxemburg 2005 zur Europäischen Verfassung|Referendum]] statt, an dessen erfolgreichen Ausgang Premierminister [[Jean-Claude Juncker]] auch sein weiteres Verbleiben im Amt koppelte. Eine Mehrheit von 56,5 % stimmte dem Verfassungsvertrag zu. |
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Der Streit zwischen den Regierungen um das Stimmengewicht und die Machtverteilung im [[EU-Ministerrat]] hatte dazu geführt, dass die Verfassung nicht im Herbst 2003, sondern erst am [[18. Juni]] [[2004]] vom [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]] in Brüssel verabschiedet wurde. |
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Die Europäische Verfassung wurde daraufhin am 29. Oktober 2004 in Rom von den Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet. Jetzt steht die [[Ratifizierung]] durch alle EU-Mitgliedsstaaten an, sei es durch einen Parlamentsbeschluss oder durch eine Volksabstimmung. |
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Der Vertrag tritt erst nach Ratifizierung durch '''alle''' Mitgliedstaaten in Kraft. |
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[[Dänemark]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], [[Irland]], [[Polen]], [[Portugal]], [[Schweden]] und [[Tschechien]] unterbrachen den Ratifizierungsprozess dagegen. Von diesen Ländern beabsichtigte Schweden die EU-Verfassung im parlamentarischen Wege zu ratifizieren, während Dänemark, Irland, Portugal und Großbritannien Referenden geplant hatten. In Polen und Tschechien war noch nicht entschieden, ob ein Referendum stattfinden sollte; in beiden Ländern hatte es zuvor von konservativer Seite starke Kritik an dem Verfassungsvertrag gegeben, der sich in Tschechien auch Staatspräsident [[Václav Klaus]] angeschlossen hatte. Im Falle der 2007 beigetretenen neuen Mitgliedstaaten [[Bulgarien]] und [[Rumänien]] war die Zustimmung zum Verfassungsvertrag bereits Teil der Beitrittsverträge gewesen und wurde daher zugleich mit dem Beitritt ratifiziert. In [[Deutschland]] schließlich stellte das Bundesverfassungsgericht nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden die Bearbeitung der Verfassungsklagen gegen den Vertrag ein. Deutschland ratifizierte daher den Verfassungsvertrag letztlich nicht, auch eine Entscheidung über seine Vereinbarkeit mit dem deutschen Grundgesetz erfolgte nicht. |
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==== Ratifizierung in Deutschland und Österreich ==== |
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''Hauptartikel'': [[Ratifikation des Vertrages über eine Verfassung für Europa in Deutschland]] |
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Im Januar 2006 schlug die österreichische EU-Präsidentschaft vor, den Ratifizierungsprozess wieder in Gang zu setzen, stieß damit aber auf massiven Widerspruch, insbesondere seitens Frankreichs, der Niederlande und Polens. Als Lösung aus der Krise wurde 2006 auch eine EU-weite Ratifikation des Vertrages per Volksreferendum ins Spiel gebracht, verknüpft mit den Wahlen zum [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlament]] 2009. Diese hätte die Bedeutung von Vetos durch nationale Referenden reduziert. Gegen diesen österreichischen Vorschlag kam aber u. a. aus Deutschland heftiger Widerstand. Auch verschiedene Vorschläge zu Änderungen oder Ergänzungen des Verfassungsentwurfs, die während der Reflexionsphase und besonders im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2007 diskutiert wurden, stießen auf keine einhellige Zustimmung: Während vor allem auf Seiten der französischen Linken ein ergänzendes Sozialprotokoll gefordert wurde, das aber von Großbritannien abgelehnt wurde, schlug [[Nicolas Sarkozy]] einen „Miniaturvertrag“ vor, der sich nur auf die wichtigsten Neuerungen beschränkte, ohne allerdings zu präzisieren, welche das sein könnten. Großteils abgelehnt wurden auch Vorschläge, einzelne populäre Bestimmungen der Verfassung, etwa das [[Europäische Bürgerinitiative|Europäische Bürgerbegehren]], schon vorab zu beschließen; hierin sahen viele, insbesondere auch deutsche Politiker eine Gefahr für das Gesamtgleichgewicht des Kompromisses, den die verschiedenen Mitgliedstaaten mit der Verfassung erreicht hatten. |
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Die Ratifikation des Vertrages bedarf in Österreich und Deutschland einer qualifizierten Mehrheit beider Kammern des Parlaments bzw. des Bundestags und des Bundesrats. |
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==== Vertrag von Lissabon statt Verfassungsvertrag ==== |
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In '''[[Deutschland]]''' ist vermutlich eine Zweidrittelmehrheit in [[Bundestag]] und [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]] (Artikel 23 und 79 des [[Grundgesetz]]es) ausreichend. Über die Durchführung einer [[Volksabstimmung]] wurde zwar diskutiert (siehe Hauptartikel), sie ist jedoch im [[Grundgesetz]], abgesehen von [http://bundesrecht.juris.de/gg/BJNR000010949BJNE019201305.html Art. 146 GG] dessen Anwendbarkeit auf die Ratifikation des Vertrags von den meisten namhaften Autoren abgelehnt wurde, nicht explizit vorgesehen und fand daher nicht statt. |
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Ein Ende der „Denkpause“ zeichnete sich erst auf dem Europäischen Rat am 15. und 16. Juni 2006 ab, auf dem die Staats- und Regierungschefs als Arbeitsperspektive für die Lösung der Verfassungskrise einen Zeitpunkt Ende 2008 formulierten, wenn Frankreich die Ratspräsidentschaft innehaben würde. Ein informell besprochener Zeitplan sah vor, dass unter der [[Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007|deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007]] weitere Schritte zur Rettung des Vertragswerks unternommen werden sollten. |
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Hierzu wurde zunächst in der am 25. März 2007 zum 50. Jahrestag der [[Römische Verträge|Römischen Verträge]] verabschiedeten „[[Berliner Erklärung (50 Jahre Römische Verträge)|Berliner Erklärung]]“ über grundlegende europäische Werte und politische Ziele der Europäischen Union auch ein grundsätzliches Bekenntnis zu den Zielen der Verfassung aufgenommen. Anhand der Positionen der Mitgliedstaaten wurde daraufhin von der deutschen Ratspräsidentschaft erarbeitet, welche Inhalte des Verfassungsvertrages in ein erneuertes Vertragswerk übernommen werden sollten. Auf dieser Grundlage beschloss der [[Europäischer Rat|Europäische Rat]] auf seiner Tagung am 21. und 22. Juni 2007 in Brüssel, die weitere Ratifizierung der Verfassung aufzugeben und stattdessen einen „Reformvertrag“ zu verabschieden, der die Substanz des Verfassungstextes in die bereits bestehenden Grundlagenverträge ([[Vertrag über die Europäische Union|EUV]] und [[Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft|EGV]]) einarbeiten sollte. Dieser Reformvertrag wurde von den Staats- und Regierungschefs der EU am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet und heißt daher inzwischen „[[Vertrag von Lissabon]]“. Er trat nach seiner Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten am 1. Dezember 2009 in Kraft. |
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Vor der Abstimmung des Bundestags klagte der [[Bundestagsabgeordnete]] [[Peter Gauweiler]] ([[CSU]]) gegen den Vertrag. Am [[28. April]] [[2005]] verwarf der Zweite [[Spruchkörper#Bundesverfassungsgericht|Senat]] des [[Bundesverfassungsgericht]]s seine [[Organklage]] und nahm ferner eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Damit haben sich nach Angaben des Gerichts zugleich auch die Anträge Gauweilers auf den Erlass einer [[einstweilige Anordnung| einstweiligen Anordnung]] erledigt. Das Gericht wies darauf hin, dass erst nach der Entscheidung von Bundestag und Bundesrat eine Klage zulässig sein könne. |
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=== Ratifizierung des Verfassungsvertrags in den Mitgliedstaaten (Übersicht) === |
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Die Zustimmung des Bundestages erfolgte am [[12. Mai]] [[2005]] mit 95,8 % der abgegebenen Stimmen. 594 Abgeordnete gaben ihre Stimme ab, davon stimmten 569 mit Ja, 23 Mitglieder des Bundestages stimmten mit Nein, zwei enthielten sich. |
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{| class="wikitable centered toptextcells hintergrundfarbe2" |
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Der [[Bundesrat]] stimmte am [[27. Mai]] mit 66 von 69 Stimmen bei drei Enthaltungen (des von einer [[SPD]]/[[Die Linkspartei.|PDS]]-[[Koalition]] regierten Bundeslandes [[Mecklenburg-Vorpommern]]) für den Vertrag. Am selben Tag klagte der Bundestagsabgeordnte Peter Gauweiler erneut gegen den Verfassungsvertrag (Organklage und Verfassungsbeschwerde). Zudem erhob Rechtsanwalt Mario Schmid aus Freiburg Verfassungsbeschwerde. Der Bundespräsident will die Ratifikationsurkunde deshalb erst unterschreiben, wenn das [[Bundesverfassungsgericht]] über die Klage Gauweilers und die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Schmid entschieden hat. |
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! Land |
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!style="text-align:left;"| Ratifizierungsdatum<ref>{{Internetquelle|url=https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/MEMO_05_180|titel=Verfahren zur Ratifizierung der Europäischen Verfassung|hrsg=Europäische Kommission|datum=2005-05-27|abruf=2022-09-05|sprache=en}}</ref> |
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! Abstimmungsvariante |
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! Ergebnis |
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| {{LTU}} || 11. November 2004 || [[Seimas|Parlament]] |
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|style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{HUN}} || 20. Dezember 2004 || [[Ungarisches Parlament|Parlament]] |
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|style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{SVN}} || 1. Februar 2005 || [[Staatsversammlung (Slowenien)|Parlament]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{ITA}} || 25. Januar 2005<br /> 6. April 2005 || [[Camera dei deputati|Abgeordnetenkammer]]<br /> [[Senato della Repubblica|Senat]] |
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|style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja<br /> ja |
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| {{GRC}} || 19. April 2005 || [[Griechisches Parlament|Parlament]] |
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|style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{SVK}} || 11. Mai 2005 || [[Nationalrat der Slowakischen Republik|Parlament]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{ESP}} || 20. Februar 2005<br /> 28. April 2005<br /> 18. Mai 2005 || [[Referendum in Spanien 2005 zur Europäischen Verfassung|konsultatives Referendum]]<br /> [[Cortes Generales#Abgeordnetenhaus (Deputiertenkongress)|Abgeordnetenhaus]]<br /> [[Cortes Generales#Senat|Senat]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja<br /> ja<br /> ja |
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| {{AUT}} || 11. Mai 2005<br /> 25. Mai 2005 || [[Nationalrat (Österreich)|Nationalrat]]<br /> [[Bundesrat (Österreich)|Bundesrat]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja<br /> ja |
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|rowspan="2"| {{DEU}} |
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|rowspan="2"| 12. Mai 2005<br /> 27. Mai 2005<br /> ''nach BVerfG-Urteil (Verfahren eingestellt)'' |
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|rowspan="2"| [[Deutscher Bundestag|Bundestag]]<br /> [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]]<br /> [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] |
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|style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja<br /> ja |
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|style="background:#FFFF00; text-align:center;"| – |
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|rowspan="2"| {{FRA}} |
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|rowspan="2"| 29. Mai 2005<br /> ''abgesagt'' |
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|rowspan="2"| [[Referendum in Frankreich 2005 zur Europäischen Verfassung|Referendum]]<br /> Parlament (2 Kammern) |
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|style="background:#c83737; color:white; text-align:center;"| nein |
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|style="background:#FFFF00; text-align:center;"| – |
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|rowspan="2"| {{NLD}} |
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|rowspan="2"| 1. Juni 2005<br /> ''abgesagt'' |
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|rowspan="2"| [[Referendum in den Niederlanden 2005 zur Europäischen Verfassung|konsultatives Referendum]]<br /> [[Generalstaaten|Parlament]] (2 Kammern) |
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|style="background:#c83737; color:white; text-align:center;"| nein |
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|style="background:#FFFF00; text-align:center;"| – |
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| {{LVA}} || 2. Juni 2005 || [[Saeima|Parlament]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{CYP}} || 30. Juni 2005 || [[Repräsentantenhaus (Zypern)|Parlament]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{MLT}} || 6. Juli 2005 || [[Repräsentantenhaus (Malta)|Parlament]] |
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|style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{LUX}} || 28. Juni 2005<br /> 10. Juli 2005<br /> 25. Oktober 2005 || [[Chambre des Députés (Luxemburg)|Parlament]] (erste Abstimmung)<br /> [[Referendum in Luxemburg 2005 zur Europäischen Verfassung|konsultatives Referendum]]<br /> Parlament (zweite Abstimmung) ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja<br /> ja<br /> ja |
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| {{BEL}} || 28. April 2005<br /> 19. Mai 2005<br /> 17. Juni 2005<br /> 20. Juni 2005<br /> 29. Juni 2005<br /> 19. Juli 2005<br /> 8. Februar 2006 || [[Belgischer Senat|Senat]]<br /> [[Belgische Abgeordnetenkammer|Abgeordnetenkammer]]<br /> [[Region Brüssel-Hauptstadt#Das Brüsseler Parlament|Parlament der Region Brüssel-Hauptstadt]]<br /> [[Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens#Legislative Gewalt|Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft]]<br /> [[Wallonische Region#Wallonisches Parlament|Parlament der Wallonischen Region]]<br /> [[Französische Gemeinschaft Belgiens#Institutionen|Parlament der Französischen Gemeinschaft]]<br /> [[Flämisches Parlament]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja<br /> ja<br /> ja<br /> ja<br /> ja<br /> ja<br /> ja |
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| {{EST}} || 9. Mai 2006 || [[Riigikogu|Parlament]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{FIN}} || 5. Dezember 2006 || [[Finnisches Parlament|Parlament]] ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{BGR}} || 1. Januar 2007 || war Teil der Verhandlungen zum EU-Beitritt ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{ROU}} || 1. Januar 2007 || war Teil der Verhandlungen zum EU-Beitritt ||style="background:green; color:white; text-align:center;"| ja |
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| {{DNK}} || ''abgesagt'' || Referendum ||style="background:#FFFF00; text-align:center;"| – |
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| {{IRL}} || ''abgesagt'' || Referendum<br /> [[Irisches Parlament|Parlament]] ||style="background:#FFFF00; text-align:center;"| – |
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| {{POL}} || ''abgesagt'' || Referendum ||style="background:#FFFF00; text-align:center;"| – |
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| {{PRT}} || ''abgesagt'' || Referendum, nach einer Verfassungsänderung ||style="background:#FFFF00; text-align:center;"| – |
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| {{GBR}} || ''abgesagt'' || [[Volksbefragung|konsultatives Referendum]]<br /> [[Britisches Parlament|Parlament]] (2 Kammern) ||style="background:#FFFF00; text-align:center;"| – |
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== Streitpunkte == |
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Die Unterzeichnung des Vertragsgesetzes durch den [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsidenten]] sowie die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde erfolgen erst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, so dass bis dahin keine völkerrechtliche Bindung Deutschlands eintreten kann. |
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Der Verfassungsvertrag stieß bei verschiedenen politischen Richtungen und insbesondere in der Bevölkerung einiger Mitgliedstaaten zunehmend auf Kritik. Die Kritik war sehr vielschichtig und ging vom Inhalt über die [[Legitimation (Politikwissenschaft)|Legitimation]] bis hin zum Titel der Verfassung. Unter den großen [[Europäische politische Partei|europäischen Parteien]] sprach sich die Mehrheit für den Verfassungsvertrag aus, darunter insbesondere [[Europäische Volkspartei]], [[ELDR|Europäische Liberale]], [[Europäische Demokratische Partei]] und der größere Teil der [[Sozialdemokratische Partei Europas|Sozialdemokratischen Partei Europas]] und der [[Europäische Grüne Partei|Europäischen Grünen]]. Lediglich einige Mitglieder des linken Flügels der SPE, insbesondere in der französischen [[Parti socialiste (Frankreich)|Parti Socialiste]], lehnten den Entwurf ab. Deutlich gegen den Verfassungsvertrag positionierten sich auf der Linken die [[Europäische Linke]], auf der Rechten die [[Allianz für ein Europa der Nationen]] und die [[EUDemokraten]]. Auch einige große [[Nichtregierungsorganisation]]en wie [[Attac]] positionierten sich gegen den Entwurf. |
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=== Länge und Komplexität === |
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In '''[[Österreich]]''' ratifizierte das Parlament den Vertrag bereits am [[11. Mai]] [[2005]] - ebenfalls mit überwältigender Mehrheit; nur eine Abgeordnete der rechtsnationalen Freiheitlichen Partei [[FPÖ]] stimmte mit Nein. Der Bundesrat entschied am [[25. Mai]] ebenfalls positiv; lediglich drei der 62 Mitglieder, Vertreter von FPÖ und dem [[BZÖ]] "Bündnis Zukunft Österreich", stimmten mit "Nein". |
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Kritiker der europäischen Verfassung strichen die Länge und Komplexität der Verfassung im Vergleich zu existierenden und bewährten nationalen Verfassungen heraus. So sei die europäische Verfassung mit 160.000 Wörtern (inklusive Deklarationen und Protokolle) im Vergleich mit der 4.600 Wörter langen US-amerikanischen Verfassung zu lang und kaum aus sich selbst heraus zu verstehen. In ihrem Bestreben, die Ziele und Betätigungsfelder der Europäischen Union möglichst eindeutig festzuschreiben, gehe der Verfassungsvertrag über das hinaus, was üblicherweise durch eine Verfassung geregelt werde. |
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Befürworter der Verfassung wiesen dagegen darauf hin, dass der neue Text weniger lang sei als die bisherigen Verträge, die er ersetzen sollte.<ref>{{Toter Link |url=http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/792/118654/ |date=2019-05 |text=Artikel.}} sueddeutsche.de</ref> |
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==== Ratifizierung in den anderen Staaten der Europäischen Union ==== |
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=== Kritik am Ausarbeitungs- und Ratifizierungsprozess === |
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Am [[Europäischer Konvent|Konvent]] wurde kritisiert, dass seine Mitglieder nicht direkt von der Bevölkerung gewählt oder bestätigt werden konnten. Auch sei er nur scheinbar transparent: Trotz öffentlicher Plenumssitzungen seien wichtige Entscheidungen nicht öffentlich getroffen und die vorausgegangenen Präsidiumsberatungen nicht protokolliert worden. Der [[luxemburg]]ische Premier [[Jean-Claude Juncker]] ([[Präsident des Rats der Europäischen Union]] während des ersten Halbjahres 2005) sagte dazu: „Der Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie-Show. Ich habe noch keine dunklere Dunkelkammer gesehen als den Konvent.“<ref>{{Der Spiegel |ID=27390298 |Titel=„Gespenstische Wanderung.“ |Jahr=2003 |Nr=25 |Seiten= |Kommentar=Interview mit Jean-Claude Juncker}}</ref> |
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{{Belege fehlen|Einzelnachweise für mehr die angeblich höhere Sendezeit in Frankreich und für die Manipulation durch Referendumszeitunkt fehlen.<!-- wenn schon großspurig von "nachweislich" die Rede ist, dann sollte das auch nachgewiesen werden! -->}} |
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Das [[Litauen|litauische]] Parlament hat am [[11. November]] [[2004]] als erstes EU-Land mit 84 Ja-, vier Nein-Stimmen und drei Enthaltungen die EU-Verfassung angenommen. Dem folgten das [[Ungarn|ungarische]] Parlament am [[20. Dezember]] [[2004]] sowie das [[Slowenien|slowenische]] Parlament am [[1. Februar]] [[2005]]. |
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Kritisiert wurde auch, dass der ungleiche Zeitpunkt der [[Referendum|Referenden]] und der [[parlament]]arischen Ratifizierungen es den Regierungen ermögliche, die [[Ratifikation|Ratifizierungen]] zum jeweils vermuteten günstigsten Zeitpunkt durchzuführen. Dies führe zu einer [[Manipulation]] der Referendumsergebnisse zugunsten der Verfassungsbefürworter. Auch solle durch vorangegangene Entscheidungen Druck auf einzelne [[Parlament]]e ausgeübt werden. Als Beispiele wurden das frühe Referendum in [[Spanien]] nach entsprechend günstigen [[Befragung|Umfragen]] und der Versuch genannt, dem französischen Referendum durch das deutsche Beispiel rechtzeitig den „nötigen Schub“ zu geben. |
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In den Ländern, wo der Verfassungsvertrag bereits früh und ohne [[Referendum]] ratifiziert wurde – darunter auch [[Deutschland]] – warfen Kritiker der Regierung vor, sie wolle eine intensivere öffentliche [[Diskussion]] verhindern. In vielen, jedoch nicht allen Mitgliedstaaten wurde auch die ungleiche finanzielle Unterstützung und [[Massenmedien|Medienpräsenz]] von Verfassungsbefürwortern und Verfassungsgegnern bemängelt:<!-- Quelle: Euronews --> So bekamen Befürworter in Frankreich vor dem Referendum nachweislich mehr Sendezeit eingeräumt. |
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Als erstes Land mit einem (konsultativen) Referendum hat [[Spanien]] am [[20. Februar]] 2005 mit 76,7% für die EU-Verfassung gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 42,3%. Die anschließende Abstimmung im Kongress fand am [[28. April]] 2005 statt. Der Senat stimmte am [[18. Mai]] mit 225 zu 6 Stimmen und einer Enthaltung für die Annahme der Verfassung. |
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=== Kritik am Titel der Verfassung === |
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Als erstes EU-Gründungsmitglied hat [[Italien]] dem neuen Vertrag zur EU-Verfassung zugestimmt. Bereits am [[25. Januar]] [[2005]] billigte das italienische Unterhaus die Verfassung. Am [[6. April]] [[2005]] sprachen sich auch die römischen Senatoren mit 217 zu 16 Stimmen für den Vertrag aus. |
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[[Datei:euverfassung.jpg|mini|Vielsprachige Ablehnung der EU-Verfassung, des Euro, der Freizügigkeit (Schengen), der Verringerung der Macht der Nationalstaaten]] |
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Auch die Bezeichnung als „[[Verfassungsvertrag]]“ wurde teilweise angegriffen. Tatsächlich sollte der Name auch aus Sicht der Verfassungsbefürworter andeuten, dass die EU-Verfassung nicht ein einfacher Nachfolger ihrer rechtswirksamen Vorläufer ([[EU-Vertrag]] und [[EG-Vertrag]]) sei, sondern durch die Zusammenfassung aller bisherigen Verträge eine vollkommen neue Rechtsgrundlage für die EU schaffe. Kritisiert wurde jedoch, dass es sich nicht um eine [[Verfassung]] im üblichen Sinne handle, insbesondere da die EU weiterhin kein [[Staat]] sei, sondern sich ihre Souveränitätsrechte ausschließlich aus denen der Mitgliedstaaten ableiten sollten. |
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Dagegen wurde eingewandt, dass diese Kritik nur sprachlicher Natur sei, also auf der [[Denotation]] und [[Konnotation]] der Begriffe „Vertrag“ und „Verfassung“ beruhe. Auch der [[Vertrag von Maastricht]] und die darauf folgenden Verträge seien im rechtlichen Sinn die – nicht so betitelte – Verfassung der EU, da sie deren politisches System definierten und dem daraus abgeleiteten [[Sekundärrecht]] übergeordnet seien. Die Rechts- und Politikwissenschaft sowie auch der EuGH verwendeten daher bereits seit längerem den Begriff des „europäischen Verfassungsrechts“ oder der „europäischen Verfassungsverträge“. |
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In [[Griechenland]] hat das Parlament mit großer Mehrheit (268 Ja-, 17 Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen) am [[19. April]] 2005 die EU-Verfassung ratifiziert. |
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=== Vorwurf mangelnder sozialer Ausrichtung === |
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Das [[Slowakei|slowakische]] Parlament ratifizierte ebenfalls mit großer Mehrheit (116 Ja-, 27 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen) am [[11. Mai]] [[2005]] die EU-Verfassung. |
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Insbesondere aus dem politisch linken Spektrum wurde die mangelnde [[sozial]]e Ausrichtung des Verfassungsvertrags kritisiert. So wurde der in der Verfassung vereinbarte Grundsatz der „offenen [[Marktwirtschaft]] mit freiem [[Wettbewerb (Wirtschaft)|Wettbewerb]]“ (Art. III-177 VVE) angegriffen, mit dem sich die Verfassung in den Augen ihrer Kritiker auf eine [[Neoliberalismus|„neoliberale“]] Wirtschaftspolitik festlegte. Diese Wirtschaftspolitik und das [[Wirtschaftswachstum]] erhielten so den Rang von Verfassungszielen, während die Sozialpolitik kaum berücksichtigt werde. Diese Kritik wurde insbesondere in Frankreich geäußert und war einer der Gründe dafür, dass außer der [[Parti communiste français|Kommunistischen Partei]] auch der linke Flügel der [[Parti socialiste (Frankreich)|Sozialisten]] den Verfassungsvertrag ablehnte. Gegen den Vorwurf wurde eingewandt, dass die Europäische Gemeinschaft seit jeher auf das Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten durch Wirtschaftspolitik aufgebaut sei und es sich bei Art. III-177 VVE um die wortwörtliche Übernahme aus dem alten Vertragswerk handele. Außerdem lege Art. I-3 VVE ausdrücklich die „soziale Marktwirtschaft“ sowie „soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz“ als Verfassungsziele fest. |
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Auch die [[Charta der Grundrechte]] erschien linksgerichteten Kritikern als nicht weitgehend genug, da die darin enthaltenen sozialen Rechte lediglich als allgemeine Grundsätze zu betrachten seien. Da sie nicht einklagbar sein sollten, wäre ein wesentlicher Teil der Charta letztlich folgenlos geblieben. Kritisiert wurde auch das Fehlen einer Klausel zur Sozialpflichtigkeit von [[Eigentum]], wie sie etwa im [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|deutschen Grundgesetz]] enthalten ist ({{Art.|14|gg|juris}} Abs. 2 GG). Die Formulierung in Art. II-77 VVE, der das Eigentumsrecht regelt, sei dagegen weitaus allgemeiner gehalten. |
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In [[Belgien]] wurde am [[11. März]] über die für ein [[Referendum]] nötige Verfassungsänderung abgestimmt. Die nötige [[Zweidrittelmehrheit]] wurde dabei nicht erreicht. Der belgische Senat hat am [[28. April]] der Verfassung zugestimmt. Wegen der föderalen |
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Struktur Belgiens ist aber auch die Zustimmung zahlreicher anderer Gremien notwendig. Bis auf das Parlament der flämischen Gemeinschaft |
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haben haben alle diese Gremien bis Juli 2005 ihre Zustimmung gegeben. Die Entscheidung des flämischen Parlaments steht noch aus. |
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Inhaltlich genau entgegengesetzt war die Kritik, die von konservativer Seite an den sozialen Rechten in der Charta geäußert wurde: So wurde unter anderem das Recht zu arbeiten angegriffen, das Art. II-75 VVE vorsah und in dem etwa Teile der deutschen [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] ein „Relikt der DDR-Verfassung“ sahen. |
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Im [[Frankreich|französischen]] Referendum hat sich die Bevölkerung am [[29. Mai]] 2005 eindeutig mit knapp 55% der abgegebenen Stimmen gegen den Verfassungsvertrag entschieden (Wahlbeteiligung: ungefähr 70%). Damit war Frankreich das erste EU-Land, das den Verfassungsvertrag ablehnte. |
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=== Vorwurf der unzureichenden Demokratisierung === |
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Die [[Niederlande]] haben am [[1. Juni]] 2005 ebenfalls mit einer großen Mehrheit von 61,6% den Verfassungsvertrag zurückgewiesen. Die Wahlbeteiligung lag bei 62,8% und war somit sehr viel höher als vorher angenommen. Obwohl das Parlament rein rechtlich die Möglichkeit hätte, entgegen des Resultats des Referendums zu entscheiden, deutete es bereits vorher an, sich an das Votum der Bürger zu halten, wenn die Wahlbeteiligung, wie geschehen, über 30% läge. |
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Weiterhin wurde von linker und liberaler Seite sowie von den [[Europäischer Föderalismus|europäischen Föderalisten]] kritisiert, dass mit dem Verfassungsvertrag die Chance versäumt worden sei, das [[Demokratiedefizit der Europäischen Union]] zu überwinden. Trotz der neuen Kompetenzen des [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlaments]] durch die Ausweitung des [[Ordentliches Gesetzgebungsverfahren|ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens]] würden wichtige Fragen weiterhin allein [[Intergouvernementalismus|intergouvernemental]] im [[Rat der Europäischen Union|Rat der EU]] oder im [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]] entschieden. Im Vergleich mit den übrigen EU-Institutionen würde das Europaparlament noch immer weniger Kompetenzen haben als etwa ein Parlament im nationalstaatlichen Rahmen. |
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=== Vorwurf der Bildung eines europäischen Superstaates === |
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Damit haben sich bis dato bereits zwei EU-Länder (die zugleich auch Gründungsmitglieder der EU sind) gegen eine EU-Verfassung ausgesprochen. |
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Dem Vorwurf unzureichender Kompetenzen für das Europäische Parlament entgegengesetzt war die Kritik, die insbesondere von konservativen [[EU-Skepsis|Europakritikern]] in Großbritannien, aber auch in einigen mittel- und osteuropäischen Ländern geäußert wurde. Demzufolge würde mit der Verfassung durch die Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität und den Verlust von Vetomöglichkeiten im Rat der EU ein europäischer „[[Superstaat]]“ geschaffen, der regionale Traditionen gefährde. Kritisiert wurden dabei auch rein symbolische Bestandteile des Vertrags, etwa die Bezeichnung als Verfassung, die Festlegung der Symbole der EU oder die Umbenennung der [[Verordnung (EU)|EG-Verordnungen]] und [[Richtlinie (EU)|-Richtlinien]] in „Europäische Gesetze“ und „Europäische Rahmengesetze“. |
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Der Ratifizierungsprozess ist dadurch ins Stocken geraten. |
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=== Vorwurf der Militarisierung === |
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Zwar haben sich nach dem französischen und niederländischen Nein |
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[[Datei:Eu constitution.jpg|mini|150px|Plakat: EU-Verfassung als Schritt zur Militarisierung.]] |
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noch [[Lettland]] ([[2. Juni]] 2005), [[Zypern]] ([[30. Juni]] 2005]) |
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Vor allem aus dem politisch linken Spektrum wurde der Vorwurf erhoben, die Verfassung bewirke durch die Ausweitung der [[Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik|Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik]] eine Militarisierung der EU. Besonders umstritten war ein Passus in Art. I-41 VVE, dem zufolge sich die Mitgliedstaaten verpflichteten, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“, worin Kritiker eine Verpflichtung zur [[Aufrüstung]] sehen. Außerdem werden die Kompetenzen der neu zu gründenden [[Europäische Verteidigungsagentur|Europäischen Verteidigungsagentur]], etwa bei der Ermittlung des Rüstungsbedarfs, kritisiert. Auch die mangelnden Kompetenzen des Europäischen Parlaments (das nach Art. III-304 VVE zu militärischen Aktionen der EU zwar Fragen stellen, aber anders als etwa der Bundestag in Deutschland, keine Entscheidungen sollte treffen dürfen) und des [[Europäischer Gerichtshof|Europäischen Gerichtshofs]] (der nach Art. III-376 VVE nicht für die Überprüfung militärischer Aktionen der EU zuständig sein sollte) wurden kritisiert. |
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und [[Malta]] ([[6. Juli]] 2005) im parlamentarischen Verfahren |
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für die EU-Verfassung ausgesprochen, ebenso in [[Luxemburg]] |
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mit 56,52% der Stimmen die Bürger im Referendum |
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am [[10. Juli]], aber Dänemark, Estland, Finnland, Grossbrittanien, Irland, Polen, Portugal, Schweden und Tschechien haben den Ratifizierungsprozess bis auf weiteres ausgesetzt. |
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=== Kritik am fehlenden Gottesbezug === |
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Von diesen Ländern beabsichtigten ursprünglich Finnland und Schweden |
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Von konservativer Seite wurde der fehlende Bezug des Verfassungsentwurfs auf die christlichen Wurzeln Europas kritisiert. Die Forderung nach einem [[Gottesbezug]] in der Präambel der Verfassung, die vor allem katholisch geprägte Länder wie [[Polen]], [[Irland]] und [[Italien]] vertreten hatten, wurde auch von der [[römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] und dem Rat der [[Evangelische Kirche in Deutschland|Evangelischen Kirche in Deutschland]] (EKD) bekräftigt.<ref>[[Radio Vatikan]]: {{Webarchiv |url=http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=110356 |text=Deutschland: Kirchen erinnern an Gottesbezug in EU-Verfassung |wayback=20071016192043}}, 29. Dezember 2006.</ref> Dagegen hatte [[Frankreich]], das traditionell großen Wert auf die [[Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen|Trennung von Kirche und Staat]] legt, eine Aufnahme des Gottesbezugs in die Präambel abgelehnt und eine Kompromissformulierung durchgesetzt, die nur allgemein auf die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas“ Bezug nimmt. Dagegen konnte die Amsterdamer Kirchenerklärung (Erklärung Nr. 11: ''Erklärung zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften'') mit Art. I-52 VVE in eine primärrechtliche Bestimmung überführt werden. |
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die EU-Verfassung im parlamentarischen Wege zu ratifizieren, während Dänemark, Irland, Portugal und Grossbrittanien Referenden planten. |
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In Estland, Polen und Tschechien war noch nicht entschieden, ob ein Referendum stattfinden sollte. |
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== Zeittafel der Europäischen Verträge == |
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===Das französische Referendum als Beispiel für die Ratifizierungsproblematik=== |
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{{Europäische Union Geschichte}} |
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[[Frankreich]]s Wähler haben in der [[Volksabstimmung]] vom [[29. Mai]] [[2005]] den EU-Verfassungsvertrag mit einer Mehrheit von 54,8 Prozent abgelehnt. Dieses Votum hat insofern gravierende Folgen für die [[Europäische Union]], weil der Verfassungsentwurf die [[Ratifikation]] durch ''alle 25 EU-Staaten'' erfordert. Ob die [[Verfassung]] in der vorliegenden Form nun überhaupt in Kraft treten kann, ist derzeit noch nicht absehbar. |
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== Siehe auch == |
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Die bis Anfang Juni formulierten Reaktionen und Beurteilungen in der Union reichen von [[Pessimismus]] über Beschwichtigung und die Suche nach Erklärungen bis zu größerem (teilweise vorgeschütztem) Optimismus als zuvor: |
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{{Portal|Europäische Union}} |
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* „''eine Katastrophe für die Zukunft der EU''“ (einige deutsche Medien) |
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* befürchtete Blockade der Entscheidungsprozesse |
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** „''Probleme für die [[Beitrittskandidaten der EU|Erweiterungsrunde 2007]]''“ (Bulgarien, Rumänien) |
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** „''...betrifft uns überhaupt nicht-''“ (der türkische Außenminister [[Abdullah Gül]]) |
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* „''Schande für ein EU-Gründungsland''“ (ein französisches Jugendjournal) |
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** bzw. „''eine Zumutung für 9 schon ratifizierte Staaten''“ |
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** „''Deutschland darf sich nicht beirren lassen.''“ |
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* „''[[Lähmung]] des weiteren [[Ratifizierung]]s-Prozesses''“ |
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** ungünstiges Vorbild für die Abstimmung der [[Niederlande]] |
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* „''gutes Recht der [[Franzose]]n''“ (Medien in Frankreich und anderen Ländern) |
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** „''eine Ohrfeige für Präsident [[Jacques Chirac]]''“ |
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** „''Spaltpilz für Frankreichs Linksparteien''“ |
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* „''Endlich eine EU-Befragung der Bürger''“ ([[Bündnis Zukunft Österreich|BZÖ]] / [[Jörg Haider]]) |
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* „''... mit langfristigen [[Chance]]n für mehr Bürgernähe''“ ([[Grüne (Partei)|Grüne]]) |
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* „''Innenpolitisch motiviert''“ (französ. Medien, österr. Außenministerin [[Ursula Plassnik|Plassnik]]) |
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** „''jedem 3.Franzosen war das Thema egal''“ ([[Wahlbeteiligung]] unter 70%) - daher „''soll Frankreich in 1-2 Jahren nochmals abstimmen''“ (der deutsche Bundeskanzler [[Gerhard Schröder]], Englands Premier [[Tony Blair]]), was allerdings nach Einschätzung von Beobachter die Ablehnung noch verstärken könnte. |
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** erwartete [[Regierungskrise]] in Frankreich |
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** bzw. Chance für eine Erneuerung der Regierung (siehe [[31. Mai]]) |
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* Stärkung Frankreichs, gerade als Gründungsland |
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** „''gewonnene Zeit zum Nachdenken''“ (Tenor vieler Medien) |
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** die Franzosen sprächen für viele andere EU-Bürger |
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* Eine Chance für neue Verhandlungen, |
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** für die überfällige, breite politische [[Diskussion]] |
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** um der EU mehr [[Bürgernähe]] zu bringen |
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** um den Beitritt der [[Türkei]] zu stoppen |
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** um vorher die „EU-[[Werte]]“ und politischen Ziele zu klären |
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* Prinzipielle Probleme für Neuverhandlungen |
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** [[Polen]] und [[England]] haben erneute Verhandlungen bereits abgelehnt |
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** Gefahr der „Aufschnürung“ bereits akkordierter Verfassungsteile. |
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* Die [[Ratifizierung]] in den verbleibenden 15 Staaten soll wie geplant weitergehen |
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** und allenfalls ein „Europa der zwei (oder 3) Geschwindigkeiten“ entstehen |
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** „[[Motor]] der Entwicklung“ sollen ohnehin Andere werden |
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* Europas Politiker beginnen nun umzudenken, |
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** erkennen das Demokratie-Defizit (Gegenmeinung: gerade die neue Verfassung hätte dieses verringert) |
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** arbeiten für mehr Bürgernähe |
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** und an dem, „''was die Leute wirklich interessiert''“: |
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** [[Arbeitsplatz|Arbeitsplätze]] versus [[Globalisierung]] |
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** bessere [[Handelspolitik]] gegen USA oder gegen [[China]] |
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** überfällige [[Wertediskussion]] |
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** die [[Sozialpolitik]] Europas in die Welt „exportieren“ |
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** und Lobbying für „den innovativen Mittelstand“ |
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** mehr Verantwortung für die [[Umwelt]]. |
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[[Bild:non-sensunique.jpg|thumb|150px|''Non''-Plakate (gegen die "Fahrtrichtung" Europas)]] |
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Die [[Diskussion]] in Frankreich war zuletzt äußerst rege, was |
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* einerseits mit den scharfen Gegensätzen zwischen Befürwortern und Gegnern des Entwurfs zu tun hatte, |
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* andererseits mit der thematischen Zerrissenheit der [[Linke Politik|Linksparteien]], |
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* sowie mit Chiracs überdeutlichen [[Appell (Kommunikation)|Appellen]] |
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* und Überlagerung mit Themen der [[Innenpolitik]]. |
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* [[Emotion]]al spielen Ängste vor zu rascher [[EU-Erweiterung]] und vor dem Verlust des [[Arbeitsplatz]]es ("Delegierung", [[Le Monde]] 31.Mai) eine zusätzliche Rolle. |
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Die Befürworter brachten folgende Argumente: |
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* die Möglichkeiten rascherer Entscheidungsprozesse in den Gremien der EU: teilweises Abgehen vom Prinzip der [[Einstimmigkeit]], dadurch weniger „[[Kuhhandel]]“ (wie z.B. vor der Nizza-Konferenz) |
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* die Stärkung demokratischer Prozesse |
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* eine vertiefte gemeinsame [[Sozialpolitik]] |
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Die Gegner nannten dagegen als Gründe ihrer Ablehnung: |
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* Zweifel bzw. Ablehnung von Aspekten der EU-Politik |
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** die „Dienstleistungs-Richtlinie“ |
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** Bevorzugung des Binnenmarktes vor sozialen Aspekten |
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** zu rasche [[EU-Erweiterung]] und Befürchtungen vor einer „Überdehnung“ der EU: |
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** die zu großen wirtschaftlich-sozialen Unterschiede zu einigen der 10 Beitrittsländer der [[EU-Erweiterung 2004]] |
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** Zweifel betreffend der geplanten Beitritte von Rumänien und Bulgarien (voraussichtlich 2007) |
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** Ablehnung eines Beitritts der Türkei |
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** Sorge vor zu frühem Beitritt der [[Ukraine]] und der südosteuropäischer Länder |
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** Unmut über Änderungen am [[EU-Stabilitätspakt]] |
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** Befürchtungen über den Verlust von Arbeitsplätzen; an die Beitrittsländer od. durch Stellenabbau |
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* Zweifel an der [[Effektivität]] der Unionsgremien |
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** Mangel demokratischer Legitimierung und |
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** die anhaltend schlechte Wirtschaftslage. |
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* „Bürgerferne“" der Unionsgremien |
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** Ärger über die „Brüsseler Bürokratie“ und |
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** das dort praktizierte [[Lobbying]] |
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** über die Modalitäten der Bezahlung der Abgeordneten im [[EU-Parlament]] („Spesenritter“) |
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* Französische Innenpolitik: |
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** Gegenreaktion auf die prononcierten PRO-Apelle von Präsident Chirac |
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** „[[Denkzettel]]“ für ihn und die Regierung |
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Wieviel Gewicht im einzelnen diese Aspekte hatten - insbesondere der Anteil der '''Innenpolitik''' - können erst nähere statistische Analysen und Auswertung der Befragungen zeigen. Derzeit schätzen viele Kommentatoren, dass die innenpolitisch hervorgerufenen Aversionen etwa für die Hälfte der ''Non''-Stimmen ausschlaggebend waren. |
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Die Ablehnung des Verfassungsvertrages steht zwar jedem einzelnen Land zu, doch hat das Votum eines der größten Länder ein spezielles Gewicht. Die Gefahr einer "Zweiteilung" der Union besteht, da 9 Staaten den Verfassungs-Vertrag bereits ratifiziert haben (u.a. [[Österreich]]). |
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Die Mehrheit der Kommentare meint, dass die Union - wie zuletzt - weiterhin mit ''einer'' Geschwindigkeit vorgehen sollte. Auch der Ratifizierungsprozess sollte "in Ruhe weitergeführt" werden, denn jedes Land sei in seiner Entscheidung souverän. Andere sehen es als völlig unklar an, ob der Verfassungsentwurf in seiner jetzigen Form überhaupt jemals in Kraft treten kann. Die Möglichkeiten weiterer Verhandlungen sehen viele als praktisch ausgeschöpft, andere sehen darin Chancen. |
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Die Verträge setzen voraus, dass 4 Fünftel der Staaten (also 20) den Entwurf bis Ende [[2006]] ratifiziert haben. Dies erscheint derzeit weiterhin als wahrscheinlich, doch zeichnet sich nach der Ablehnung durch die Bürger der [[Niederlande]] (Abstimmung am [[1. Juni]] [[2005]]: rund 63 % ''Nein''-Stimmen) auch eine negative Entscheidung in [[Großbritannien]] ab. Sollten diese 20 Ratifizierungen ''nicht rechtzeitig'' vorliegen, tritt ein (noch nicht in allen Details definiertes) [[Krisenszenario]] in Kraft. Was dann mit der Entscheidung Frankreichs, der Niederlande und gegebenenfalls weiterer Ablehnungen passiert, darüber kann derzeit nur spekuliert werden. |
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Das [[Europaparlament]] beriet die EU-Verfassungskrise ab dem [[8. Juni]] in [[Straßburg]]. Ab dem [[16. Juni]] war sie auch das wichtigste [[Tagesordnungspunkt|Thema]] beim Rat der Staats- und [[Regierungschef]]s. Mehrere von ihnen haben sich für eine zügige Weiterführung des Prozesses der [[Ratifizierung]] in den verbleibenden 12 EU-Staaten ausgesprochen, einige Oppositionspolitiker, z.B. [[Peter Gauweiler| P.Gauweiler]] (CSU) und [[Alfred Gusenbauer| A.Gusenbauer]] (SPÖ) allerdings dagegen. |
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==== Zitate ==== |
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* „''Wenn wir den Verfassungsvertrag ablehnen, wird Europa ein KO-Schlag versetzt.''“ (der damalige [[Regierungschef]] Frankreichs, [[Jean-Pierre Raffarin]] am 17. Mai 2005) |
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* „''Das betrifft uns überhaupt nicht! Denn die EU hat ja schon entschieden, mit uns am [[3. Oktober]] die Verhandlungen zu beginnen.''“ (der türkische [[Außenminister]] [[Abdullah Gül]] auf die Frage, ob das französische Votum die [[Beitrittsverhandlung]]en der [[Türkei]] erschweren würde) |
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* „''Meuterei im Gallierdorf! [[Asterix]] sagt nein. Das Volk gehorcht seinen Führern nicht mehr, der Häuptling Majestix auf seinem Schild befindet sich in Schieflage. Römer, Brüsseler und andere sind konsterniert und sagen: "Die spinnen, die [[Gallier]]!" ... Obelix denkt sich seinen Teil. Warum soll man denn überhaupt abstimmen, wenn man nur JA sagen darf? Die sind verrückt in Brüssel!''“ ([[Neue Zürcher Zeitung]], 30. Mai 2005) |
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* „''Damit ist die Vision vom übernationalen [[Superstaat]], in dem die europäischen Völker eingeschmolzen werden und ihre nationale Identität verlieren sollen, endgültig gestorben. Jetzt ist der Weg frei für eine Reform der EU auf der Grundlage der Gemeinschaft souveräner [[Nationalstaat]]en.''“ (die als rechtsextrem eingestufte Partei der [[Die Republikaner|Republikaner]], 12. Juni 2005) |
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==Übersicht: Ratifizierungsstatus in den Mitgliedsstaaten== |
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{|rules="all" cellpadding="2" cellspacing="0" style="border:1px solid #999; border-right:2px solid #999; border-bottom:2px solid #999;" |
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|+''Ratifizierung des Vertrags über eine Verfassung für Europa von den einzelnen Mitgliedsländern'' |
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! style="background:#efefef;" | Land |
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! style="background:#efefef; text-align:left;" | Ratifizierungsdatum |
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! style="background:#efefef;" | Abstimmungsvariante |
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! style="background:#efefef;" | Ergebnis |
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|[[Bild:Flag of Germany.svg|30px|Deutschland]] [[Deutschland]] || [[12. Mai]] [[2005]]<br />[[27. Mai]] [[2005]] <br /> noch offen|| [[Bundestag]] <br /> [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]] <br /> [[Bundespräsident|Bundespräsident (Deutschland)]] || <div style="background:palegreen; color:grey; text-align:center;"> ja (Bundestag)<br> ja (Bundesrat)<br ></div> <div style="background:yellow; color:grey; text-align:center;">offen (B.-Präsident)</div> |
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|[[Bild:Flag of Austria.svg|30px|Österreich]] [[Österreich]] || [[11. Mai]] [[2005]]<br />[[25. Mai]] [[2005]] || [[Nationalrat (Österreich)]] <br/>[[Bundesrat (Österreich)]] || style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Belgium.svg|30px|Belgien]] [[Belgien]] || [[28. April]] [[2005]]<br />[[19. Mai]] [[2005]]<br />[[17. Juni]] [[2005]]<br />[[20. Juni]] [[2005]]<br />[[29. Juni]] [[2005]]<br />[[19. Juli]] [[2005]]<br />noch offen ||[[Senat (Belgien)|Senat]]<br />[[Belgisches Repräsentantenhaus]]<br />Rat der [[Brüssel|Hauptstadt Brüssel]]<br />Rat der [[Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens|Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens]]<br />Rat der [[Wallonien|Wallonischen Region]]<br />Rat der [[Französische Gemeinschaft Belgiens|Französischen Gemeinschaft Belgiens]]<br/>[[Flämische Gemeinschaft]] || <div style="background:palegreen; color:grey; text-align:center;"> ja<br/>ja<br/>ja<br/>ja<br/>ja<br/>ja<br/></div> |
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<div style="background:yellow; color:grey; text-align:center;"> offen</div> |
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|[[Bild:Flag of Cyprus.svg|30px|Zypern]] [[Zypern]] || [[30. Juni]] [[2005]] || Parlament||style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Denmark.svg|30px|Dänemark]] [[Dänemark]] || auf unbestimmte Zeit verschoben || Referendum ||style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|[[Bild:Flag of Spain.svg|30px|Spanien]] [[Spanien]] || [[20. Februar]] [[2005]]<br />[[28. April]] [[2005]]<br />[[18. Mai]] [[2005]] || konsultatives Referendum<br />Congreso de los Diputados (Abgeordnetenhaus)<br/>Senat || style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Estonia.svg|30px|Estland]] [[Estland]] || unbestimmt || Parlament ||style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|[[Bild:Flag of Finland.svg|30px|Finnland]] [[Finnland]] || auf unbestimmte Zeit verschoben || Parlament ||style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|[[Bild:Flag of France.svg|30px|Frankreich]] [[Frankreich]] || [[29. Mai]] [[2005]] || Referendum |
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| style="background:red; color:white; text-align:center;" | nein |
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|[[Bild:Flag of Greece.svg|30px|Griechenland]] [[Griechenland]] || [[19. April]] [[2005]] || Parlament |
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| style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Hungary.svg|30px|Ungarn]] [[Ungarn]] || [[20. Dezember]] [[2004]] ||Parlament |
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| style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Ireland.svg|30px|Irland]] [[Irland]] || Herbst [[2005]] ? || Referendum<br />Parlament ||style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|[[Bild:Flag of Italy.svg|30px|Italien]] [[Italien]] || [[25. Januar]] [[2005]]<br />[[6. April]] [[2005]] || [[Italienische Politik|Abgeordnetenkammer]]<br />[[Italienische Politik|Senat]] |
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| style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Latvia.svg|30px|Lettland]] [[Lettland]] || [[2. Juni]] [[2005]] || Parlament ||style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Lithuania.svg|30px|Litauen]] [[Litauen]] || [[11. November]] [[2004]] || Parlament |
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| style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Luxembourg.svg|30px|Luxemburg]] [[Luxemburg]] || [[28. Juni]] [[2005]]<br />[[10. Juli]] [[2005]]<br />[[25. Oktober]] [[2005]] || Parlament (erste Abstimmung)<br />konsultatives Referendum<br />Parlament (zweite Abstimmung) || style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Malta.svg|30px|Malta]] [[Malta]] || [[6. Juli]] [[2005]] || Parlament |
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| style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of the Netherlands.svg|30px|Niederlande]] [[Niederlande]] || [[1. Juni]] [[2005]]<br />auf unbestimmte Zeit verschoben || konsultatives Referendum<br />Parlament (Erste und Zweite Kammer) ||<div style="background:red; color:white; text-align:center;"> nein </div><div style="background:yellow; color:grey; text-align:center;"> offen </div> |
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|[[Bild:Flag of Poland.svg|30px|Polen]] [[Polen]] || auf unbestimmte Zeit verschoben || Referendum ||style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|[[Bild:Flag of Portugal.svg|30px|Portugal]] [[Portugal]] || auf unbestimmte Zeit verschoben || Referendum, nach einer Verfassungsänderung ||style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|----- |
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|[[Bild:Flag of the Czech Republic.svg|30px|Tschechien]] [[Tschechien]] || Ende [[2006]]/Anfang [[2007]] || wahrscheinliches Referendum ||style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|----- |
|||
|[[Bild:Flag of the United Kingdom.svg|30px|Großbritannien]] [[Großbritannien]] || auf unbestimmte Zeit verschoben || konsultatives Referendum<br />Parlament ||style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|----- |
|||
|[[Bild:Flag of Slovakia.svg|30px|Slowakei]] [[Slowakei]] || [[11. Mai]] [[2005]] || Parlament || style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Slovenia.svg|30px|Slowenien]] [[Slowenien]] || [[1. Februar]] [[2005]] || Parlament || style="background:green; color:white; text-align:center;" | ja |
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|[[Bild:Flag of Sweden.svg|30px|Schweden]] [[Schweden]] || auf unbestimmte Zeit verschoben || Parlament || style="background:yellow; color:black; text-align:center;" | offen |
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|} |
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== Literatur == |
== Literatur == |
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* {{Literatur |
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* Klaus Beckmann, Jürgen Dieringer, Ulrich Hufeld (Hrsg.): ''Eine Verfassung für Europa.'' Mohr Siebeck, 2. Auflage, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148542-4 |
|||
|Autor=[[Klaus Beckmann (Wirtschaftswissenschaftler)|Klaus Beckmann]], [[Jürgen Dieringer]], [[Ulrich Hufeld]] |
|||
* Marcus Höreth, Cordula Janowski, Ludger Kühnhardt (Hrsg.): ''Die europäische Verfassung. Analyse und Bewertung ihrer Strukturentscheidungen'' (Schriften des Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Bd. 65). Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1077-8 |
|||
|Titel=Eine Verfassung für Europa |
|||
* Werner Weidenfeld (Hrsg.): ''Die Europäische Verfassung in der Analyse.'' Bertelsmann, Gütersloh 2005, ISBN 3-89204-727-8 |
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|Auflage=2. |
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|Verlag=Mohr Siebeck |
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|Ort=Tübingen |
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|Datum=2005 |
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|ISBN=3-16-148542-4}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=Carsten Berg, Georg Kristian Kampfer |
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|Titel=Verfassung für Europa. Der Taschenkommentar für Bürgerinnen und Bürger |
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|Auflage=2. |
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|Verlag=Bertelsmann |
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|Ort=Bielefeld |
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|Datum=2004 |
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|ISBN=3-7639-3210-0}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=Marcus Höreth, Cordula Janowski, [[Ludger Kühnhardt]] |
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|Titel=Die europäische Verfassung. Analyse und Bewertung ihrer Strukturentscheidungen. |
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|Reihe=Schriften des Zentrum für Europäische Integrationsforschung |
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|BandReihe=65 |
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|Verlag=Nomos |
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|Ort=Baden-Baden |
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|Datum=2005 |
|||
|ISBN=3-8329-1077-8}} |
|||
* {{Literatur |
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|Autor=Carolin Rüger |
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|Titel=Aus der Traum? Der lange Weg zur EU-Verfassung |
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|Verlag=Tectum |
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|Ort=Marburg |
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|Datum=2006 |
|||
|ISBN=3-8288-8966-2}} |
|||
* {{Literatur |
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|Hrsg=Jürgen Schwarze |
|||
|Titel=Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents: Verfassungsrechtliche Grundstrukturen und wirtschaftsverfassungsrechtliche Konzepte |
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|Verlag=Nomos |
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|Ort=Baden-Baden |
|||
|Datum=2004 |
|||
|ISBN=3-8329-0685-1}} |
|||
* {{Literatur |
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|Autor=[[Anton Schäfer (Rechtsanwalt)|Anton Schäfer]] |
|||
|Titel=Die Verfassungsentwürfe zur Gründung einer Europäischen Union |
|||
|Auflage=1. (Buchausgabe) |
|||
|Verlag=BSA und Edition Europa |
|||
|Ort=Dornbirn |
|||
|Datum=2001 |
|||
|ISBN=978-3-9500616-7-3 |
|||
|Kommentar=Ausgabe 1923–2004, 1. elektronische Ausgabe [CD-ROM], 2006, ISBN 978-3-901924-22-4 |
|||
|Online=[http://verfassungsvertrag.eu/Uebersicht.html verfassungsvertrag.eu]}} |
|||
* {{Literatur |
|||
|Hrsg=[[Werner Weidenfeld]] |
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|Titel=Die Europäische Verfassung in der Analyse |
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|Verlag=Bertelsmann |
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|Ort=Gütersloh |
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|Datum=2005 |
|||
|ISBN=3-89204-727-8}} |
|||
* {{Literatur |
|||
|Hrsg=[[Manfred Zuleeg]], Marjolaine Savat, Jean-Philippe Derosier |
|||
|Titel=Eine Verfassung für Europa mit 25 Mitgliedstaaten. Vielfalt und Einheit zugleich |
|||
|Verlag=Nomos |
|||
|Ort=Baden-Baden |
|||
|Datum=2005 |
|||
|ISBN=3-8329-1519-2}} |
|||
* {{Literatur |
|||
|Hrsg=[[Christoph Vedder]], [[Wolff Heintschel von Heinegg]] |
|||
|Titel=Europäischer Verfassungsvertrag |
|||
|TitelErg=Handkommentar |
|||
|Verlag=Nomos |
|||
|Ort=Baden-Baden |
|||
|Datum=2007 |
|||
|ISBN=978-3-8329-1090-7}} |
|||
== Weblinks == |
== Weblinks == |
||
* {{DNB-Portal|4825606-7}} |
|||
* [http://europa.eu.int/futurum/ratification_en.htm Interaktive Karte mit Informationen zur aktuellen Situation in den Mitgliedstaaten] (englisch) |
|||
'''Offizielle Links''' |
|||
* [https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/049/1504900.pdf Gesetzentwurf (vom 18. Februar 2005) zum Vertrag über EU-Verfassung] (PDF; 1,2 MB) inkl. Verfassungstext |
|||
* Offizielle Seite der EU zur Verfassung: http://europa.eu.int/constitution/index_de.htm |
|||
* {{Webarchiv |url=http://ue.eu.int/cms3_applications/applications/igc/igcDoSearch.asp?lang=DE |text=Dokumente der Regierungskonferenz (alle CIG-Dokumente) |wayback=20051104215621}} |
|||
* http://www.europa.eu.int/constitution/print_de.htm Originaltext der EU-Verfassung zum herunterladen |
|||
* {{CELEX|C2004/310/01|Vertrag über eine Verfassung für Europa}} In: ''[[Amtsblatt der Europäischen Union]].'' (Eur-Lex) vom 16. Dezember 2004 |
|||
* [http://dip.bundestag.de/btd/15/049/1504900.pdf Gesetzentwurf (vom 18.02.2005) zum Vertrag über EU-Verfassung] (pdf) inkl. Verfassungstext |
|||
* [http://ue.eu.int/igcpdf/de/04/cg00/cg00087-re02.de04.pdf Deutschsprachiger Vertragstext 29. Oktober 2004] (pdf) |
|||
* [http://www.bundestag.de/bic/analysen/2005/2005_06_14.pdf Der Aktuelle Begriff, Ist der Verfassungsvertrag noch zu retten?] |
|||
* [[Europäischer Konvent]]: Berichte der Arbeitsgruppen, Arbeitsdokumente: http://european-convention.eu.int/bienvenue.asp?lang=DE |
|||
* [http://ue.eu.int/cms3_applications/applications/igc/igcDoSearch.asp?lang=DE Dokumente der Regierungskonferenz] (alle [[CIG-Dokumente]]) |
|||
* [http://www.bpb.de/publikationen/LNUCFX,,0,Verfassung_der_Europ%E4ischen_Union.html Verfassung der Europäischen Union bei der Bundeszentrale für politische Bildung] (Druckfassung zum Bestellen und pdf-Version als Download) |
|||
'''Verfassungsklage und Verfassungsbeschwerde gegen den Verfassungsvertrag''' |
|||
* Peter Mühlbauer: [https://www.heise.de/tp/features/Verfassungsfeinde-feierten-in-Berlin-3410748.html ''Warum unterscheidet sich der Entwurf für einen europäischen Verfassungsvertrag so sehr vom Grundgesetz?''] heise.de, 28. März 2007 |
|||
* [http://www.oer.wiso.uni-erlangen.de/Schriften/Dokumente-herunterladen/EU-Verf-Klage-aktuell.pdf Klageschrift des Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler] (pdf) |
|||
* {{Webarchiv |url=http://www.peter-gauweiler.de/pdf/themen/EU-Verf-Klage-27-5.pdf |text=Verfassungsbeschwerde von Karl Albrecht Schachtschneider |format=PDF; 1,7 MB |wayback=20130103013022}} |
|||
* [http://www.lamprecht-schmid.de/entscheidungen/Schmid%20-%20Verfassungsbeschwerde%202005-05-27.pdf Antäge des Rechtsanwalts Mario Schmid und Verlauf seines Verfassungsbeschwerdeverfahrens] pdf |
|||
* [http://xn--anwalt-brogemeinschaft-zlc.com/wordpress/wp-content/uploads/2015/05/Verfassungsbeschwerde-RA-Mario-Schmid-27.5.2005.pdf Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Mario Schmid, Freiburg i. Br.] (PDF; 669 KB) |
|||
'''Politische und gesellschaftliche Organisationen''' |
|||
* [https://www.bpb.de/publikationen/LNUCFX,0,0,Verfassung_der_Europ%E4ischen_Union.html Verfassungstext] bei der [[Bundeszentrale für politische Bildung]] |
|||
* [http://d-a-s-h.org/dossier/12/ „Dash, Dossier #12“] (Kritik am Vertrag über die Verfassung) |
|||
* {{Webarchiv |url=http://www.attac.de/eu-ag/menu_ausgabe.php?menu_id=207 |text=„Schwerpunkt: EU-Verfassung“ |wayback=20071010054117}} |
|||
* {{Webarchiv |url=http://www.attac.de/eu-ag/og_ausgabe.php?id=215 |text=Newsletter Nr. 4 |wayback=20070927172217}} und {{Webarchiv |url=http://www.attac.de/eu-ag/og_ausgabe.php?id=195 |text=Nr. 7 der EU-Arbeitsgruppe |wayback=20070927172430}} von [[Attac]] Deutschland |
|||
* [https://archiv.akweb.de/ak_s/ak496/38.htm Gegen Militarisierung und Sozialdumping. Das französische Nein zur EU-Verfassung hat gute Gründe] (aus: analyse + kritik) |
|||
* [https://tobiaspflueger.twoday.net/topics/Constitution+Watch/ Constitution Watch zu Behauptungen von Befürwortern des EU-Verfassungsvertrages] von Tobias Pflüger (Mitglied des Europäischen Parlaments) |
|||
* [http://www.euractiv.com/Article?_lang=DE&tcmuri=tcm:31-137244-16&type=Analysis Frankreich und das Referendum über die EU-Verfassung] |
|||
* [http://www.mehr-demokratie.de/eu-kritik.html „Wie demokratisch ist die EU?“] (Analyse der EU-Verfassung von ''Mehr Demokratie e. V.'') |
|||
* [http://democracy-international.org/monitoring.html Untersuchungen über die Fairness der Referenden in Spanien, Frankreich und den Niederlanden] (englisch) |
|||
* [http://www.dielinke-europa.eu/uploads/media/20050413Verfassungsbroschur_ges.pdf Zur Kritik des Vertrags über eine Verfassung für Europa. Für ein friedliches, soziales und demokratisches Europa] (PDF; 392 kB) Die Linke (mit Beiträgen von Martin Hantke, Norman Paech, Tobias Pflüger, Gregor Schirmer, Christiane Reymann, Ursula Schönberger und Andreas Wehr) |
|||
* [http://www.werkstatt.or.at/EUVerfassung/Broschuere/BroschuereEUVerfassung.pdf EU-Verfassung – Europa der Konzerne und Generäle? Die EU-Verfassung aus der Sicht von Friedens-, Anti-Atom- und globalisierungskritischer Bewegung] (PDF; 1,3 MB) Werkstatt Frieden & Solidarität Linz |
|||
'''Sonstige Links''' |
|||
* [http://www.bpb.de/publikationen/LNUCFX,0,0,Verfassung_der_Europ%E4ischen_Union.html Verfassungstext] bei der [[Bundeszentrale für politische Bildung]] (Zusendung 2 € oder kostenloser Download) |
|||
* {{Webarchiv |url=http://www.tu-chemnitz.de/phil/europastudien/projekte/p3/Projekt_Annotierte%20Bibliographie.pdf |text=Der Verfassungsvertrag für Europa: Wird die Europäische Union demokratischer? |format=PDF; 101 kB |wayback=20070926234610}} Annotierte Bibliografie |
|||
* [http://www.tagesschau.de/static/flash/eu-verfassung/index.html "Die Europäische Verfassung"] (Anschauliche Informationen der Tagesschau zu der EU Verfassung) |
|||
* [https://www.ig-eurovision.net/ IG-EuroVision – Initiativ-Gesellschaft zur Förderung der europäischen Integration durch neue Ideen und demokratische Projekte – „Projekt EU 21] – Für eine europäische Verfassung von unten!“ |
|||
* [http://www.mehr-demokratie-hamburg.de/files/dateien/EU-Kritik-Papier_f%FCr%20MV0405.pdf Kritik an EU und EU-Verfassung] aus demokratiepolitischer Sicht (PDF) |
|||
* [http:// |
* [http://our-constitution.org/ our-constitution.org] – grassroots Ansatz um die Bürger Europas an der Entstehung der Verfassung zu beteiligen (englisch) |
||
* [http://www.verfassung-europa.de/ verfassung-europa.de] – Vorstellung des ersten deutschen Kommentars zur Europäischen Verfassung und gute Auswahl weiterführender Links |
|||
* [http://www.frankreichstimmtab.de "Frankreichstimmtab.de"] (Französisches Referendum zum EU-Verfassungsvertrag) |
|||
* [http://www.europa-digital.de/interaktiv/poll/index.php?referendum Umfrage zur Verfassung auf europa-digital.de] |
|||
* [http://www.attac.de/eu-ag/og_ausgabe.php?id=194 "Schwerpunkt: EU-Verfassung"] (EU-Arbeitsgruppe von [[Attac]] Deutschland.) |
|||
* [http://www.mehr-demokratie.de/eu-kritik.html "Wie demokratisch ist die EU?"] (Eine Analyse von MEHR DEMOKRATIE e.V.) |
|||
* [http://www.verfassung-europa.de "Verfassung für Europa"] (Der erste deutsche Taschenkommentar zur Europäischen Verfassung.) |
|||
* [http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/4083_4085.jsp Projekt: Systemwandel in Europa] (Seite der [[Bertelsmann-Stiftung]]), [http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/4083_6503.jsp Reform-Spotlight] |
|||
* [http://www.c-o-e.net "Citizens of Europe"] (Seite eines Netzwerks zur Stärkung eines bürgerschaftlichen Europas) |
|||
* [http://www.kas.de/international/europa/116_webseite.html Leitthema "Zukunft der europäischen Ordnung" ] (Seite der [[Konrad-Adenauer-Stiftung]] ) |
|||
* [http://www.cap-lmu.de/aktuell/positionen/2004/wegmarken.php "Nach der Regierungskonferenz – Wegmarken des weiteren Verfassungsprozesses"] (C.A.P. Universität München) |
|||
* [http://www.europakonvent.org "Europakonvent junger Bürgerinnen und Bürger"] (Projekt der Bundesregierung 2003 als Beitrag zum Verfassungsprozess |
|||
* [[Indymedia]]: Die EU-Verfassung: ein Überblick http://de.indymedia.org/2005/05/115242.shtml ''Indymedia gilt in Deutschland nach Einschätzung des Verfassungsschutzes unter anderem als von Linksextremisten genutzte Seite.'' |
|||
* [http://www.akweb.de/ak_s/ak496/38.htm Gegen Militarisierung und Sozialdumping. Das französische Nein zur EU-Verfassung hat gute Gründe] (aus: analyse + kritik) |
|||
* [http://www.sylvia-yvonne-kaufmann.de/irrtuemer/ Lexikon der populären Irrtümer zur EU-Verfassung] von [[Sylvia-Yvonne Kaufmann]] (Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments) |
|||
* [http://www.frankreichstimmtab.de/ Frankreich stimmt ab.de - das französische] [[Referendum]] zur EU-Verfassung, täglich aktualisierte Presseschau |
|||
* [http://www.euractiv.com/Article?_lang=DE&tcmuri=tcm:31-137244-16&type=Analysis Frankreich und das Referendum über die EU-Verfassung] |
|||
== Einzelnachweise == |
|||
==Siehe auch== |
|||
<references /> |
|||
*[[Europaskepsis]], |
|||
*[[Euroskepsis]], |
|||
*[[Stabilitätspakt]] |
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*[[Bürgerferne]], |
|||
*[[EU-Kommission]], |
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*[[EU-Ministerrat]], |
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*[[Konvent]] |
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{{Navigationsleiste Europäische Verträge}} |
{{Navigationsleiste Europäische Verträge}} |
||
{{Lesenswert}} |
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[[Kategorie:Verfassung]] |
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[[Kategorie:Politik (Deutschland)]] |
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[[Kategorie:Politik (Frankreich)]] |
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[[Kategorie:Politik (Europa)]] |
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[[Kategorie:Europäischer Vertrag]] |
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[[Kategorie:2004]] |
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{{Normdaten|TYP=w|GND=4825606-7}} |
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[[ca:Tractat que estableix una constitució per a Europa]] |
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[[cs:Smlouva o Ústavě pro Evropu]] |
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[[da:EU's forfatningstraktat]] |
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[[en:European Constitution]] |
|||
[[eo:Eŭropa Konstitucio]] |
|||
[[es:Tratado por el que se establece una Constitución para Europa]] |
|||
[[fr:Traité de Rome de 2004]] |
|||
[[is:Samningur um stjórnarskrá fyrir Evrópu]] |
|||
[[it:Costituzione Europea]] |
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[[ja:欧州憲法]] |
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[[ko:유럽 헌법]] |
|||
[[nb:Traktaten om en forfatning for Europa]] |
|||
[[nl:Verdrag tot vaststelling van een Grondwet voor Europa]] |
|||
[[pl:Konstytucja dla Europy]] |
|||
[[pt:Constituição Europeia]] |
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[[ro:Constituţia europeană]] |
|||
[[sk:Zmluva o Ústave pre Európu]] |
|||
[[sv:Europeiska konstitutionen]] |
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[[zh:欧盟宪法]] |
|||
{{SORTIERUNG:Vertrag uber eine Verfassung fur Europa}} |
|||
[[en:French referendum on the European Constitution]] |
|||
[[Kategorie:Rechtsgeschichte der Europäischen Union]] |
|||
[[fr:Référendum français sur la constitution européenne]] |
|||
[[Kategorie:Verfassung|Europa]] |
|||
[[nl:Frans referendum Europese Grondwet]] |
|||
[[Kategorie:Vertrag (Europäische Union)|Verfassung]] |
|||
[[pl:Europejskie referendum konstytucyjne we Francji]] |
|||
[[Kategorie:Europarecht]] |
|||
[[Kategorie:Politik 2004]] |
Aktuelle Version vom 30. Mai 2025, 12:27 Uhr

Der Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) war ein 2004 unterzeichneter, aber nicht in Kraft getretener völkerrechtlicher Vertrag, durch den das politische System der Europäischen Union reformiert werden sollte.
Insbesondere sollte er der Europäischen Union eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit geben und die bis dahin gültigen Grundlagenverträge (vor allem EU-, EG- und Euratom-Vertrag) ablösen; die bisherige formale Unterteilung in EU und EG sollte entfallen. Gegenüber dem bisher gültigen Vertrag von Nizza sollte die EU zusätzliche Kompetenzen erhalten. Außerdem sollte ihr institutionelles Gefüge geändert werden, um sie demokratischer und handlungsfähiger zu machen.
Der Entwurf eines EU-Verfassungsvertrags wurde 2003 von einem Europäischen Konvent erarbeitet und am 29. Oktober 2004 in Rom feierlich von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet.
Er sollte ursprünglich am 1. November 2006 in Kraft treten. Da jedoch nach gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden nicht alle Mitgliedstaaten den Vertrag ratifizierten, erlangte er keine Rechtskraft. Stattdessen schlossen im Dezember 2007 die europäischen Staats- und Regierungschefs unter portugiesischer Ratspräsidentschaft den Vertrag von Lissabon ab, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. Ein erneutes französisches oder niederländisches Referendum im Zuge dessen fand nicht statt.
Gliederung des Verfassungsentwurfs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Vertrag über eine Verfassung für Europa gliederte sich in eine Präambel, vier Teile des Vertrages und Protokolle.
Präambel Die Präambel nahm, „in der Gewissheit, dass die Völker Europas […] entschlossen sind, […] immer enger vereint ihr Schicksal gemeinsam zu gestalten“, Bezug auf die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas“. Der erste Satz der Präambel des ursprünglich vom Konvent vorgelegten Verfassungsentwurfs bestand aus einem Zitat von Thukydides (II, 37) und lautete: „Die Verfassung, die wir haben … heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist.“ Der Gebrauch dieses Zitates war jedoch aufgrund des mehrdeutigen Kontextes bei Thukydides umstritten. Es wurde daher in der Regierungskonferenz zur Ausarbeitung des Verfassungsvertrages gestrichen.
Teil I: Grundsätze Der erste Teil der Verfassung regelte die Grundsätze der Europäischen Union. Er beinhaltete die Definition und die Ziele der Union, ihre Zuständigkeiten, politischen Organe und Symbole sowie die Grundsätze ihrer Finanzierung und die Regelungen zu Beitritt und Austritt aus der Union. Der Teil I der Verfassung war jedoch aus sich heraus nicht abschließend und nur mit den anderen Teilen der Verfassung in einer Gesamtschau zu verstehen.
Teil II: Charta der Grundrechte Im zweiten Teil wurden die Grundrechte für die Bürger der Europäischen Union festgeschrieben. Die Grundrechtecharta war bereits 1999 bis 2000 von einem ersten Konvent unter Leitung von Roman Herzog erarbeitet, aber bis dahin noch nicht in das Europäische Vertragswerk integriert worden. Sie orientiert sich an der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere die Grundrechtsschranken leiten sich teilweise aus dieser ab.
Teil III: Die einzelnen Politikbereiche Der dritte Teil des Verfassungsvertrages war der umfangreichste. Die hier festgelegten Regeln sollten die des früheren EG-Vertrags ersetzen, wobei der Konvent außer der Einarbeitung inhaltlicher Neuerungen auch die bestehenden Paragraphen redaktionell anpasste und neu strukturierte, um den Text verständlicher zu machen. Dieser Teil regelte vor allem die Abläufe und Details der in Teil I festgelegten Grundsätze. Insofern wäre Teil III für die alltägliche Praxis der EU-Aktivitäten entscheidend gewesen.
Teil IV: Übergangs- und Schlussbestimmungen Teil IV des Verfassungsvertrages regelte Übergangs- und Schlussbestimmungen, etwa das Verfahren bei künftigen Verfassungsänderungen.
Protokolle: Die dem Verfassungstext nachfolgenden fünfunddreißig Protokolle sollten ausdrücklich Teil der Verfassung sein (Art. IV-442 VVE ex Art. 311 EGV). Sie enthielten u. a. wichtige Regelungen zur Sicherung der Subsidiarität wie Klage- und Einspruchsrechte der nationalen Parlamente oder Machtfragen wie die Stimmenverteilung in Rat und Parlament. Die Änderungen zur beibehaltenen Europäischen Atomgemeinschaft wurden in dem Protokoll Nr. 36 zusammengefasst.
Anhänge: Es folgten zwei seit der EWG bekannte Anhänge:
- Anhang I: Liste zu Art. III-226 der Verfassung.
- Anhang II: Überseeische Länder und Hoheitsgebiete, auf welche Teil III Titel IV der Verfassung Anwendung findet.
Institutionelle Neuerungen des Verfassungsvertrags
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wesentliches Ziel des Verfassungsvertrags war es, die institutionellen Grundlagen der EU zu erneuern. Dabei sollten einerseits die internen Koordinationsmechanismen ausgebaut und die Vetomöglichkeiten einzelner Mitgliedstaaten reduziert werden, um die EU nach der Osterweiterung 2004 handlungsfähig zu halten; andererseits sollten die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt werden, um die demokratische Legitimation der EU zu erhöhen.
Als Quelle der Legitimität der Europäischen Union nannte der Verfassungsvertrag einerseits die europäischen Bürger, andererseits die Mitgliedstaaten (Art. I-1 VVE). Dies spiegelte das Nebeneinander der Gesetzgebungsorgane Europaparlament und Rat wider: Während das Parlament von den Bürgern direkt gewählt wird, setzt sich der Rat aus den Regierungen der Mitgliedstaaten zusammen. Die Exekutive der EU sollte weiter bei der supranationalen Europäischen Kommission liegen, deren Mitglieder vom Europäischen Rat unter Beteiligung des Europaparlaments ernannt werden.
Das Europäische Parlament
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Europäische Parlament war eine von denjenigen Institutionen, deren Kompetenzen durch den Verfassungsvertrag am meisten ausgebaut werden sollten. Gemäß Art. I-20 Abs. 1 VVE sollte es gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union als Gesetzgeber tätig werden und gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse ausüben. Das Mitentscheidungsverfahren, das Parlament und Rat gleiche Rechte im Gesetzgebungsprozess zubilligt, sollte zum neuen „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ werden und nun in 92 statt bisher 35 Politikfeldern gültig sein. Insbesondere die Gemeinsame Agrarpolitik und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen wurden in den Zuständigkeitsbereich des Parlaments mit aufgenommen; die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verblieb allerdings als alleinige Kompetenz des Rates.
Auch bezüglich der Budgethoheit erhielt das EU-Parlament neue Kompetenzen: Nachdem es bisher für sämtliche Ausgaben außer denjenigen für die Gemeinsame Agrarpolitik das Budgetrecht besaß, sollte nun auch der Agrarsektor (ca. 46 % des Gesamtetats) darin einbezogen werden. Das EU-Parlament sollte damit das letzte Wort über alle Ausgaben der EU besitzen. Die letzte Entscheidung über die Einnahmen der EU sollte aber nach wie vor beim Rat liegen, sodass das Parlament weiterhin nicht selbstständig den Gesamtetat erhöhen oder EU-Steuern einführen könnte.
Die genauen Bestimmungen zur Zusammensetzung des EU-Parlaments nach nationaler Herkunft der Abgeordneten überließ die Verfassung einer späteren Entscheidung des Europäischen Rats. Sie bestimmte lediglich eine „degressiv proportionale“ Vertretung der Bürger, nach der einem großen Staat insgesamt mehr, pro Einwohner allerdings weniger Sitze zustehen als einem kleinen. Insgesamt sollte ab der Europawahl 2009 die Anzahl der Europaabgeordneten auf 750 gesenkt werden (statt zuvor 785 ab der Erweiterung 2007).
Die Abstimmungsmodi des Parlaments wurden in der Verfassung beibehalten: Es sollte regelmäßig (z. B. Gesetzgebung, Bestätigung des Kommissionspräsidenten) mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden, in der zweiten Lesung bei Gesetzgebungsprozessen mit absoluter Mehrheit der gewählten Mitglieder, bei einigen Ausnahmeentscheidungen (z. B. Misstrauensantrag gegen die Kommission) mit Zweidrittelmehrheit.
Der Europäische Rat und sein Präsident
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Europäische Rat (ER), der sich aus den Staats- und Regierungschefs der einzelnen Mitgliedstaaten zusammensetzt und seit den siebziger Jahren regelmäßig tagt, gilt als ein wichtiger Motor der europäischen Integration. Er war bisher allerdings (anders als der Ministerrat) kein offizielles Organ der EU. Durch den Verfassungsvertrag sollte er auch formal in die EU-Struktur einbezogen werden. Der im bisherigen EG-Vertrag genannte „Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs“ (der faktisch, aber nicht rechtlich mit dem ER übereinstimmt) sollte mit dem Europäischen Rat zusammengelegt werden.
Laut Verfassungsvertrag sollte der Europäische Rat die „Impulse“ und „politischen Zielvorstellungen und Prioritäten“ der Europäischen Union festlegen, ohne allerdings gesetzgeberisch tätig zu werden. Seine Aufgaben sollten vielmehr Veränderungen an der Konstruktion der EU selbst und grundlegende Entscheidungen wie etwa neue Mitgliedschaften oder die Übertragung weiterer Aufgaben an die EU sein. Außerdem sollte der ER den Kommissionspräsidenten vorschlagen. Dabei sollte der Europäische Rat Entscheidungen wie schon bisher grundsätzlich „im Konsens“, also einstimmig treffen.
Eine bedeutende Neuerung des Verfassungsvertrags war allerdings die Einrichtung des Amtes eines Präsidenten des Europäischen Rates. Dieser sollte vom ER mit qualifizierter Mehrheit für zweieinhalb Jahre (bei einmaliger Wiederwahlmöglichkeit) gewählt werden, nicht aus den Reihen der Mitglieder stammen und damit den bisher im halbjährlichen Rhythmus rotierenden Ratsvorsitz ablösen, der jeweils von einem Regierungschef wahrgenommen wird.
Damit sollte die Effizienz der Aktivitäten des Europäischen Rates gesteigert werden: Als nachteilig am bisherigen System der „Semesterpräsidenten“ wurden einerseits die mit dem Vorsitz wechselnden Schwerpunkte in der politischen Agenda und die unterschiedliche Mentalität der Vorsitzenden empfunden, andererseits die Doppelbelastung, da der Ratsvorsitzende immer zugleich auch Regierungschef seines eigenen Landes war. Der hauptamtliche Präsident sollte durch die verlängerte Amtszeit eine leistungsfähige und kontinuierliche Abstimmung zwischen den Regierungschefs gewährleisten und deren Treffen im ER vorbereiten. Außerdem sollte er dem Europäischen Rat – als einem der Hauptentscheidungsorgane der EU – ein „Gesicht“ geben. Dadurch sollte etwa bei einem internationalen Konflikt oder bei wichtigen internen Entscheidungen vor Medien und Bürgern demonstriert werden, dass die EU als Ganzes handelt.
Allerdings sollten weder der ER noch der Präsident in die Tagespolitik und in die Gesetzgebung eingreifen dürfen. Diese sollte allein Aufgabe von Kommission (Initiativrecht) sowie Rat und Parlament bleiben. An dem Verfassungsentwurf wurde daher kritisiert, dass es zu Konflikten zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates (hinter dem ja immerhin alle Regierungschefs der EU stünden) und dem Kommissionspräsidenten kommen würde.
Der Rat der Europäischen Union
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Rat der Europäischen Union (Rat) besteht aus den Ministern der einzelnen Mitgliedstaaten, die für das jeweils aktuelle Thema, für das der Rat zusammentritt, zuständig sind (daher auch der inoffizielle Name „Ministerrat“). Hauptaufgabe des Rates ist die Gesetzgebung zusammen mit dem Parlament. Grundsätzlich gilt dabei, dass der Rat meist einstimmig entscheidet, sofern das Parlament keine oder nur wenig Mitspracherechte hat, und nach dem Mehrheitsprinzip, sofern auch das Parlament am Entscheidungsprozess beteiligt ist.
Durch den Verfassungsvertrag sollte die letztere Variante zum Normalfall werden, sodass der Rat in der Regel mit qualifizierter Mehrheit entscheiden und ein Vetorecht für einzelne Länder nur noch in einigen Ausnahmefällen gelten sollte. Weiterhin einstimmig sollten allerdings unter anderem alle Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der Steuern entschieden werden.
Für den Rat der EU wurde (anders als für den Europäischen Rat) das Prinzip einer halbjährlich zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden Präsidentschaft beibehalten. Lediglich für den neu geschaffenen Außenministerrat wurde als fester Vorsitzender der auf fünf Jahre gewählte „Außenminister der Europäischen Union“ bestimmt (siehe unten).
„Qualifizierte Mehrheit“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine gravierende Änderung des Verfassungsvertrages betraf die Abstimmungsregeln im Rat. Dort wurden für die sogenannte „qualifizierte Mehrheit“ die Stimmen der einzelnen Länder bisher gewichtet, wobei größeren Ländern allgemein mehr, kleineren weniger Stimmen zukamen; die genaue Stimmengewichtung war jedoch im Vertrag von Nizza weitgehend willkürlich beschlossen worden. Diese Stimmengewichtung sollte im Verfassungsvertrag abgeschafft werden. Stattdessen sah er eine neue Definition der qualifizierten Mehrheit vor: Nach dem Vertrag von Nizza musste es hierfür eine Mehrheit von (a) mindestens der Hälfte der Staaten geben, die (b) gleichzeitig 72 % der gewichteten Stimmen und (c) 62 % der EU-Bevölkerung repräsentierten. Nach dem Verfassungsentwurf wurde sie durch die sog. doppelte Mehrheit ersetzt, nach der (a) 55 % der Mitgliedstaaten zustimmen müssen, die (b) mindestens 65 % der Bevölkerung der Union repräsentieren.
Wurde die Zahl der Hürden im Vertrag von Nizza also auf drei erhöht, so wären es nach dem Verfassungsentwurf nur noch zwei Hürden: die Anzahl der Staaten und die Bevölkerung. Diese zweifache Mehrheit sollte einerseits den „Doppelcharakter“ (Joschka Fischer) der EU als Union aus Völkern und Staaten auf verständliche Weise widerspiegeln. Andererseits sollten dadurch Entscheidungen generell erleichtert werden, indem die Sperrminorität heraufgesetzt wurde. Drittens hätte die Regelung eine Machtverschiebung bewirkt, durch die die großen und sehr kleinen Staaten zulasten der mittelgroßen an Einfluss gewonnen hätten. Verlierer dieser Neuregelung wären also die Staaten in der Größenordnung von Österreich bis Spanien gewesen; besonders stark waren Spanien und Polen betroffen, die durch die Stimmengewichtung im Vertrag von Nizza einen überproportional großen Einfluss hatten. Durch die Neuregelung im Verfassungsentwurf hätten diese beiden Länder viel schwieriger eine Blockade organisieren können: Während bisher dafür nur 28 % der gewichteten Stimmen nötig waren (Spanien und Polen besitzen addiert fast 17 %), sollten es nach dem Verfassungsvertrag entweder 13 Länder oder Länder mit einer addierten Bevölkerung von 225 Mio. sein (in Spanien und Polen leben zusammen nur 78 Mio.).
Die Neudefinition der Mehrheit im Rat wurde daher während der Regierungskonferenz zu einem der zentralen Streitpunkte. Erst der Regierungswechsel in Spanien 2004, durch den der EU-freundliche José Luis Rodríguez Zapatero den vorherigen Regierungschef José María Aznar ablöste, ermöglichte letztlich eine Einigung.
Außenministerrat und Außenminister der EU
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine weitere Neuerung des Verfassungsvertrags bestand in dem neu eingerichteten Außenministerrat sowie im Amt des Außenministers der EU. Bisher hatten sich die Außenminister der Mitgliedstaaten im Rat im sogenannten Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (RAA) getroffen, der sowohl für Außenpolitik als auch für allgemeine Fragen zuständig war. Durch Art. I-24 VVE sollte er aufgeteilt werden in einen „Rat für allgemeine Angelegenheiten“ und einen speziellen Außenministerrat.
Während es im Rat für allgemeine Angelegenheiten wie bisher einen halbjährlich zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden Vorsitz geben sollte, wurde für den Vorsitz des Außenministerrats ein neues Amt eingerichtet. Dabei handelte es sich um den Außenminister der EU, der künftig mit qualifizierter Mehrheit auf fünf Jahre vom Europäischen Rat gewählt werden sollte.
Dadurch sollte das Problem behoben werden, das bisher in der Koordination der Außenpolitik der EU existiert. Zum einen gibt es hier häufig mangelnde Abstimmung zwischen den Regierungen untereinander, weil diese häufig eigenmächtige Entscheidungen trafen, ohne ihre Partner wenigstens zu informieren. Zum anderen existieren bisher allein innerhalb der EU-Organe drei Ämter mit Kompetenzen und Rederecht in der Außenpolitik: der vom Europäischen Rat ernannte Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Außenkommissarin und der jeweilige Vorsitzende des RAA.
Der zukünftige Außenminister der EU sollte diese drei Ämter in einem integrieren, um „eine vom Institutionsgerangel befreite EU-Außenpolitik“ zu ermöglichen. Neben dem Vorsitzenden des Außenministerrats sollte er daher auch Außenkommissar und Vizepräsident der Kommission sein. Dieser „Doppelhut“ sollte es ihm ermöglichen, die schwierige Koordination der europäischen Außenpolitik zu leiten.
Außerdem sollte nach Art. III-296 Abs. 3 VVE ein Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) eingerichtet werden, der dem Außenminister unterstellt sein würde. Er sollte mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, diese aber nicht ersetzen. Personell und organisatorisch sollte der neue EAD besser ausgestattet sein als die bereits existierenden Außenvertretungen der EU-Kommission; die Regelungen im Einzelnen blieben allerdings einem späteren Beschluss des Ministerrats überlassen.
Die Kommission und ihr Präsident
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kommission sollte nach dem Verfassungsvertrag wie schon zuvor „Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen“ ausüben. Außerdem sollte das alleinige Initiativrecht der Kommission in der EU-Rechtsetzung gestärkt werden, indem die Ausnahmefälle, in denen auch der Rat Gesetzgebungsvorschläge machen kann, reduziert wurden.
Kaum Änderungen gab es im Ernennungsverfahren der Kommission. Ihre Amtszeit sollte weiterhin fünf Jahre betragen. Nach der Europawahl sollte der ER einen Kommissionspräsidenten vorschlagen, der vom Parlament bestätigt oder abgelehnt werden musste. Im Fall einer Ablehnung hätte der ER einen neuen Vorschlag machen müssen, das Parlament sollte jedoch weiterhin keine eigenen Kandidaten ernennen können. Nach der Bestätigung durch das Parlament sollte der Kommissionspräsident seine Kommissare nach Vorschlägen aus den Mitgliedstaaten ernennen, abschließend die gesamte designierte Kommission erneut vom Parlament bestätigt werden. Während der Amtszeit der Kommission sollte der Kommissionspräsident jedes einzelne Kommissionsmitglied absetzen können, das Parlament durch einen Misstrauensantrag jedoch nur die komplette Kommission.
Eine wesentliche Neuerung des Verfassungsvertrages war die Verkleinerung der Kommission. Diese bestand bisher aus einem Kommissar pro Mitgliedstaat und war daher durch die Erweiterungen 2004 und 2007 auf 27 Mitglieder angewachsen. Schon im Vertrag von Nizza hatten sich die Regierungschefs darauf geeinigt, dass nicht mehr jedes Land immer einen Kommissar stellen dürfte, sobald die EU mehr als 25 Mitglieder haben würde; allerdings war es zu keiner konkreten Alternativregelung gekommen. Der Verfassungsvertrag sah nun ein Rotationsprinzip vor, wonach es jeweils aus zwei Dritteln der Mitgliedstaaten je einen Kommissar geben sollte.
Insbesondere die kleineren Staaten standen dem Prinzip einer verkleinerten Kommission sehr kritisch gegenüber. Neben den Mehrheitsregelungen im Rat führte dieser Punkt auf der Regierungskonferenz zum zweiten großen Konflikt. Es wurde daher beschlossen, dass diese Regelung erst 2014 in Kraft treten sollte, bis dahin sollte weiterhin jedes Land einen Kommissar stellen. Auch wie das Rotationsprinzip genau funktionieren sollte, wurde auf der Regierungskonferenz noch nicht eindeutig geklärt, sondern einer späteren Entscheidung des Europäischen Rats überlassen. Festgeschrieben wurden nur die Grundsätze der Rotation: Demnach sollten die Mitgliedstaaten bei der Wahl der Kommissare „vollkommen gleich behandelt“ werden, doch „ist jedes der aufeinander folgenden Kollegien so zusammengesetzt, dass das demografische und geografische Spektrum der Gesamtheit der Mitgliedstaaten der Union auf zufrieden stellende Weise zum Ausdruck kommt“. Dieser Satz wurde so ausgelegt, dass immer ein Gleichgewicht von großen und kleinen, nördlichen und südlichen, reichen und armen Herkunftsländern gegeben sein müsse.
Inhaltliche Neuerungen des Verfassungsvertrages
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben den institutionellen Veränderungen sah der Verfassungsvertrag auch noch eine Anzahl inhaltlicher Neuerungen vor, die etwa die Kompetenzen der Europäischen Union neu ordneten oder bestimmte Formen der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten neu strukturierten. Zu den wichtigsten dieser Neuerungen zählten die nachfolgend Genannten.
Kompetenzabgrenzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Europäische Union besitzt grundsätzlich nur die Kompetenzen, die ihr in den Gründungsverträgen ausdrücklich zugestanden werden („Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung“). In den früheren Verträgen fanden sich diese Kompetenzen jedoch nicht in einem bestimmten Artikel aufgelistet, sondern über das ganze Vertragswerk verteilt. Dies erschwerte das Verständnis des Vertrages und führte häufig zu Unklarheiten über den Umfang der Zuständigkeiten der Union im Einzelnen.
In dem Verfassungsvertrag sollte dieses Problem durch einen „Kompetenzkatalog“ (nach Vorbild des Kompetenzkatalogs im deutschen Grundgesetz) gelöst werden, der die Zuständigkeiten der Union systematischer darstellte. Art. I-12 VVE unterschied hiernach zwischen ausschließlichen, geteilten und unterstützenden Zuständigkeiten: Im ersten Fall sollte nur die EU zuständig sein; im zweiten Fall sollte die EU zuständig sein, die Mitgliedstaaten könnten jedoch Gesetze erlassen, soweit die Union dies nicht selbst täte. Im Fall der unterstützenden Zuständigkeit sollte die EU Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützen, koordinieren oder ergänzen, aber nicht selbst gesetzgeberisch tätig werden können. Zusätzlich genannt wurden die intergouvernementalen Bereiche Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik sowie Außen- und Sicherheitspolitik, in denen die EU Leitlinien sollte festlegen können, jedoch nur durch einstimmigen Beschluss der Mitgliedstaaten im Ministerrat.
Art. I-13 bis I-17 VVE ordneten schließlich die verschiedenen Politikbereiche, in denen die EU Zuständigkeiten hat, der jeweiligen Zuständigkeitsart zu. Zu den ausschließlichen Kompetenzen der Union sollten dabei insbesondere Handelspolitik und Zollunion zählen; die geteilte Zuständigkeit umfasste unter anderem Binnenmarkt, Landwirtschaft, Energie, Verkehr, Umwelt und Verbraucherschutz; Unterstützungsmaßnahmen sollte die EU unter anderem in den Bereichen Gesundheit, Industrie, Bildung und Katastrophenschutz durchführen können.
Ziele und Werte der Union
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ebenfalls ausdrücklich definiert wurden im Verfassungsvertrag die „Ziele und Werte der Union“, die für das gesamte Handeln der EU verpflichtend sind. So hieß es in Art. I-2 VVE:
- „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
Art. I-3 VVE legte die Ziele der Union fest, unter anderem die Förderung des Friedens, die Schaffung eines Binnenmarkts mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb, Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, soziale Marktwirtschaft, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, kulturelle Vielfalt, weltweite Beseitigung der Armut, Förderung des Völkerrechts etc.
Subsidiaritätsprinzip
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schon im Vertrag von Maastricht waren für die EU die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit festgelegt worden, die in Art. I-12 VVE bestätigt wurden. Subsidiarität heißt, dass die Union nur tätig wird, sofern „die Ziele […] von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können, sondern […] auf Unionsebene besser erreicht werden können“. Die Union darf also eine Aufgabe nur dann von den Mitgliedstaaten übernehmen, wenn die unteren politischen Ebenen (im Fall von Deutschland: Gemeinden, Bundesländer und der Bund) nicht in der Lage sind, diese ausreichend auszuführen, die EU aber schon. Was „ausreichend“ im Einzelfall bedeutet, entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH).
Neu an der Verfassung war das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (PDF), das die entsprechenden Regelungen näher erläuterte. Zur Sicherung der Subsidiarität wurden vor allem die Rechte der nationalen Parlamente gestärkt: Innerhalb von sechs Wochen nachdem die Kommission einen Gesetzesvorschlag auf den Weg brächte, sollten diese nun begründen können, warum dieses Gesetz ihrer Ansicht nach gegen den Subsidiaritätsgedanken verstößt. Bei Kritik von einem Drittel der Parlamente sollte die Kommission ihren Vorschlag überprüfen müssen. Sie hätte den Einwand der Parlamente auch zurückweisen können, ihre Entscheidung aber in jedem Fall begründen müssen.
Letztlich zuständig für die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips sollte damit wie bisher der EuGH bleiben. Wie bisher sollten hier die Regierungen der Mitgliedstaaten und der Ausschuss der Regionen Klage erheben können; neu war, dass nun auch die Nationalparlamente in bestimmten Fällen selbst vor den EuGH sollten ziehen können.
Verstärkte Zusammenarbeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine weitere Neuerung des Verfassungsvertrags war die Institutionalisierung der Verstärkten Zusammenarbeit in Art. I-44 VVE. Darunter sind Integrationsschritte zwischen einer Gruppe von EU-Mitgliedern zu verstehen, wenn das Vorhaben in der gesamten EU nicht zu realisieren ist.
Vorbild für die Verstärkte Zusammenarbeit waren das Schengener Abkommen und die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, durch die bereits in der Vergangenheit einzelne Mitgliedstaaten schneller als andere Integrationsschritte durchführten. Die Verfassung sollte nun erstmals ein bestimmtes Verfahren vorschreiben, nach der eine solche ungleichzeitige Verwirklichung der europäischen Integration innerhalb des einheitlichen EU-Verfassungsrahmens stattfinden kann. Bei einer Beteiligung von mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten sollten die EU-Institutionen demnach europäisches Recht setzen können, das allerdings nur in den teilnehmenden Mitgliedstaaten gelten würde. Eine neue Sonderform der Verstärkten Zusammenarbeit sollte die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein (Art. I-41 Abs. 6 VVE).
Eigene Rechtspersönlichkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem bisherigen Vertragswerk besitzt lediglich die Europäische Gemeinschaft, nicht aber die Europäische Union Rechtspersönlichkeit. Dies bewirkt, dass die EG im Rahmen ihrer Kompetenzen allgemein verbindliche Beschlüsse fassen kann, während die EU lediglich als „Dachorganisation“ tätig ist. Insbesondere in der EU-Außenpolitik bedeutet dies, dass die EU nicht als eigenständige Institution auftreten kann, sondern immer nur in Gestalt ihrer einzelnen Mitgliedstaaten.
Durch den Verfassungsentwurf sollte die Union deshalb eine eigene Rechtspersönlichkeit erhalten. Dies hätte ihr die Möglichkeit verschafft, als Völkerrechtssubjekt in eigenem Namen (wenn auch grundsätzlich nur auf einstimmigen Beschluss des Außenministerrats hin) internationale Verträge und Abkommen zu unterzeichnen, über den neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten aufzunehmen, und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen – etwa dem Europarat oder den Vereinten Nationen – zu beantragen.
Grundrechtecharta und Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine bedeutende Neuerung bestand in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, aus der der Teil II des Verfassungsentwurfs bestand. Diese Charta war bereits 2000 vom Europäischen Rat in Nizza verabschiedet und feierlich proklamiert worden, sie war jedoch zunächst ohne Rechtsverbindlichkeit geblieben.
Durch den Verfassungsvertrag sollte die Grundrechtecharta in der ganzen Europäischen Union verbindlich werden. Inhaltlich orientierte sie sich an der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie ging damit in manchen Teilen weiter, in anderen weniger weit als vergleichbare Grundrechtskataloge, etwa im deutschen Grundgesetz. Art. II-113 VVE legte jedoch ausdrücklich das „Günstigkeitsprinzip“ fest, wonach die Grundrechtecharta in keinem Fall eine Verschlechterung der Grundrechtslage für den Einzelnen bedeuten dürfe. Sofern sich also die Grundrechtecharta und andere rechtsgültige Grundrechtskataloge, etwa in den Verfassungen der Einzelstaaten, widersprächen, würde grundsätzlich die für den Einzelnen bessere Regelung gelten.
Art. I-9 Abs. 2 VVE sah außerdem den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor. Dieser Beitritt befand sich bereits seit Jahrzehnten in der Diskussion, nicht zuletzt da sich die EU seit dem Birkelbach-Bericht von 1961 bei der Definition ihrer politischen Werte auf die Grundsätze des Europarats bezieht, die in der EMRK niedergelegt sind. Allerdings benötigte die EU für den Beitritt zur EMRK eine eigene Rechtspersönlichkeit, die sie erst durch die Verfassung erhalten sollte.
Außerdem würde es für den Beitritt der EU zur EMRK einer Änderung der Konvention bedürfen, da diese zurzeit nur Mitgliedstaaten des Europarates offensteht (Art. 59 Abs. 1 EMRK). Diese Anpassung soll durch das 14. Zusatzprotokoll zur EMRK geschehen, welches der EMRK-Mitgliedstaat Russland bislang noch nicht ratifiziert hat und das somit noch nicht in Kraft getreten ist. Schließlich müsste für den beabsichtigten Beitritt der EU zur EMRK noch ein Beitrittsabkommen ausgehandelt werden, das ein eigener internationaler Vertrag ist und daher vom Rat der EU einstimmig beschlossen und von sämtlichen Mitgliedstaaten der EMRK ratifiziert werden muss. Letztlich hätte somit auch nach Inkrafttreten der Verfassung jedem Mitgliedstaat ein Veto gegen den EMRK-Beitritt der EU offengestanden, da jeder Mitgliedstaat die konkreten Bedingungen dieses Beitritts ablehnen könnte.
Bürgerinitiative
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als neues direktdemokratisches Element sollte ferner durch Art. I-47 Abs. 4 VVE die Möglichkeit einer europaweiten Bürgerinitiative eingeführt werden. Dadurch sollte die Europäische Kommission aufgefordert werden können, einen Gesetzentwurf zu einem bestimmten Thema vorzulegen. Voraussetzung wäre eine Million Unterschriften aus einer noch durch europäisches Gesetz festzulegenden Zahl von Ländern. Auch im Falle einer Bürgerinitiative dürfte die Kommission jedoch nur im Rahmen ihrer Befugnisse tätig werden; eine Erweiterung der Zuständigkeiten der EU auf diesem Wege wäre also ausgeschlossen.
Freiwilliger Austritt und Beitrittskriterien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Art. I-60 VVE sollte erstmals den freiwilligen Austritt eines Staates ausdrücklich regeln und damit die seit langem bestehende Ungewissheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines (ungeschriebenen) Austrittsrechts beenden.
Daneben sollte mit dem Vertrag auch der Forderung nach strikteren Beitrittskriterien entsprochen werden. Gemäß Art. I-58 Abs. 1 VVE sollten beitrittswillige Staaten künftig die Werte der EU (also Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit etc.) achten müssen und „sich verpflichten, ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen“. Laut dem EU-Vertrag in der Fassung von Nizza (Art. 49) kann dagegen „jeder europäische Staat, der die […] Grundsätze [der EU] achtet“, einen Beitrittsantrag stellen; eine ausdrückliche Verpflichtung auf die Förderung der Grundsätze war nicht darin enthalten.
Symbolische Neuerungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gewisse Neuerungen des Verfassungsvertrages schließlich bestanden vor allem auf der symbolischen Ebene. So wurden die bereits seit langem benutzten Symbole der EU (Europaflagge, Europahymne, Europatag, Europamotto und die Währung Euro) in Art. I-8 VVE erstmals ausdrücklich in einem Gründungsvertrag der Union genannt. Auch die Begrifflichkeiten in der EU-Gesetzgebung sollten sich verändern: Statt technisch klingender Bezeichnungen wie Verordnung und Richtlinie sollten staatstypische Begriffe wie Europäisches Gesetz und Europäisches Rahmengesetz eingeführt werden.
Ausarbeitung, Ratifizierungsprozess und Scheitern der Europäischen Verfassung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Entscheidung zur Ausarbeitung eines neuen, umfassenden Vertrags, der die bisherigen EU-Verträge zusammenfassen sollte, entstand noch während des laufenden Ratifikationsverfahrens des Vertrags von Nizza. Dieser war von vielen Beobachtern, aber auch von den beteiligten Politikern selbst als ein unzureichender Kompromiss angesehen worden, der die Probleme, die sich aus der anstehenden EU-Osterweiterung ergeben würden, nicht dauerhaft würde lösen können. Die Idee einer europäischen Verfassung, die die europäischen Föderalisten bereits in der Anfangsphase der europäischen Integration vertreten hatten, gewann unter anderem durch eine viel beachtete Rede des deutschen Außenministers Joschka Fischer im Mai 2000 an Auftrieb und löste eine neue Finalitätsdebatte aus.
Europäischer Konvent und Regierungskonferenz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Dezember 2001 beauftragten daraufhin die Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten einen großen Konvent unter der Leitung des früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing mit der Ausarbeitung eines neuen Europavertrages. Dieser zweite Europäische Konvent („Verfassungskonvent“), der zwischen dem 28. Februar 2002 und dem 18. Juli 2003 einen Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa erarbeitete, bestand aus Regierungsvertretern der fünfzehn Mitgliedstaaten und der dreizehn Beitrittsländer und -kandidaten (einschließlich der Türkei) sowie Vertretern des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der nationalen Parlamente. Ein ähnlicher Konvent hatte zuvor bereits die EU-Grundrechtecharta verfasst, war jedoch noch niemals für die Ausarbeitung eines EU-Vertrags eingerichtet worden.
Der Verfassungsentwurf, den der Europäische Konvent 2003 vorschlug, wurde allerdings nicht unmittelbar von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat übernommen. Vielmehr setzten diese zunächst eine Regierungskonferenz ein, die den Entwurf noch einmal überarbeitete. Anders als der Name nahelegt, handelte es sich dabei nicht um eine einzelne Konferenz, sondern eine monatelange Abfolge von Gesprächen, Treffen und Verhandlungen zwischen Beamten, Ministern und Regierungschefs. Während der Konvent eine Neuheit in der Geschichte der EU-Vertragsreformen gewesen war, entsprach die Regierungskonferenz dem üblichen Vorgehen vor der Verabschiedung neuer völkerrechtlicher Verträge. Sie diente insbesondere dazu, die Vorbehalte einzelner Regierungen, insbesondere Spaniens und Polens, gegenüber dem vorgeschlagenen Stimmengewicht und der Machtverteilung im EU-Ministerrat auszuräumen.

Tatsächlich kam erst mit dem Regierungswechsel in Spanien im Frühjahr 2004 Bewegung in die Gespräche, sodass am 18. Juni 2004 vom Europäischen Rat in Brüssel eine Einigung erzielt werden konnte. Am 29. Oktober 2004 wurde die Europäische Verfassung daraufhin von den Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet. Ort der Unterzeichnung war Rom. Dies lag zum einen daran, dass Italien im zweiten Halbjahr 2004 die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, zum anderen sollte diese Ortswahl an die Römischen Verträge von 1957 erinnern, mit denen die EU-Vorläuferorganisationen EWG und Euratom gegründet worden waren.
Ratifizierung und Scheitern des Verfassungsvertrags
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vor dem Inkrafttreten des Verfassungsvertrags musste dieser allerdings von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Je nach Staat war hierfür entweder ein Parlamentsbeschluss oder eine Volksabstimmung notwendig. Allerdings kündigten mehrere Regierungen, in denen auch eine rein parlamentarische Ratifikation möglich gewesen wäre, ein Referendum an, um damit die besondere Bedeutung des Verfassungsvertrags zu unterstreichen. Hierzu zählten unter anderem Spanien, Frankreich, die Niederlande und Luxemburg. In Deutschland wurde ein Referendum zwar von der FDP gefordert; hierfür wäre jedoch eine Grundgesetzänderung notwendig gewesen, die von den übrigen Parteien abgelehnt wurde. Ein europaweites Referendum, wie es etwa die Europäischen Grünen vorschlugen, fand ebenfalls keine mehrheitliche Zustimmung.
Der Beginn des Ratifizierungsprozesses in den Einzelstaaten
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Als erstes Land ratifizierte am 11. November 2004 das litauische Parlament mit 84 Ja-, vier Nein-Stimmen und drei Enthaltungen die EU-Verfassung. Dem folgten Ungarn am 20. Dezember 2004 sowie Slowenien am 1. Februar 2005, ebenfalls durch Parlamentsbeschluss.
Das erste nationale Referendum fand am 20. Februar 2005 in Spanien statt. Es war konsultativ (also nicht bindend) und endete mit einer Zustimmung von 76,7 % für die EU-Verfassung bei einer Wahlbeteiligung von 42,3 %. Die anschließende Abstimmung im Kongress fand am 28. April 2005 statt; der Senat stimmte am 18. Mai mit 225 zu 6 Stimmen und einer Enthaltung für die Annahme der Verfassung.
Als erstes EU-Gründungsmitglied stimmte Italien dem neuen Verfassungsvertrag zu. Bereits am 25. Januar 2005 billigte das italienische Unterhaus die Verfassung, am 6. April 2005 sprachen sich auch die römischen Senatoren mit 217 zu 16 Stimmen für den Vertrag aus.
Im belgischen Parlament wurde am 11. März 2005 über die für ein Referendum nötige (nationale) Verfassungsänderung abgestimmt. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde dabei jedoch nicht erreicht, sodass die Ratifizierung auf parlamentarischem Weg stattfand. Wegen der föderalen Struktur Belgiens war hierzu auch die Zustimmung der regionalen und gemeinschaftlichen Parlamente notwendig, die bis zum 8. Februar 2006 nach und nach alle für die Verfassung stimmten.
In Griechenland ratifizierte das Parlament die Verfassung mit großer Mehrheit (268 Ja-, 17 Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen) am 19. April 2005. Das slowakische Parlament ratifizierte die Verfassung ebenfalls mit großer Mehrheit (116 Ja-, 27 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen) am 11. Mai 2005.
In Deutschland erfolgte die Zustimmung des Bundestags am 12. Mai 2005 mit 95,8 % der abgegebenen Stimmen. 594 Abgeordnete gaben ihre Stimme ab, davon stimmten 569 mit Ja, 23 mit Nein, zwei enthielten sich. Der Bundesrat stimmte am 27. Mai mit 66 von 69 Stimmen bei drei Enthaltungen (des von einer SPD/PDS-Koalition regierten Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern) für den Vertrag.
Noch am selben Tag erhob jedoch der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU) vor dem Bundesverfassungsgericht eine Organklage und eine Verfassungsbeschwerde gegen den Verfassungsvertrag; Verfahrensbevollmächtigter der Klage war der Nürnberger Rechtsprofessor Karl Albrecht Schachtschneider, der bereits bei den (erfolglosen) Verfassungsklagen gegen den Maastricht-Vertrag sowie gegen die Euro-Einführung federführend gewesen war. Zudem erhoben Rechtsanwalt Mario Schmid aus Freiburg sowie weitere 34 Bürger Verfassungsbeschwerde. Der Bundespräsident Horst Köhler erklärte daraufhin, er werde die Ratifikationsurkunde erst unterzeichnen, wenn das Bundesverfassungsgericht über die Klage Gauweilers und Schmids entschieden hätte.
In Österreich beschloss der Nationalrat den Vertrag über eine Verfassung für Europa (851 d.B. XXII. GP)[1] am 11. Mai 2005 mit überwältigender Mehrheit; lediglich eine Abgeordnete (Barbara Rosenkranz, FPÖ) stimmte dagegen. Der Bundesrat entschied am 25. Mai 2005 ebenfalls positiv; drei der 62 Mitglieder, Vertreter der rechtsnationalen Parteien FPÖ und BZÖ, stimmten dagegen. Zuvor wurde im März 2005 das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa (789 d.B. XXII. GP),[2] das eine rein parlamentarische Ratifizierung ohne Volksabstimmung festlegte, im Nationalrat und Bundesrat jeweils einstimmig beschlossen. Eine Bürgerinitiative für eine Volksabstimmung blieb folgenlos.[3] Hans-Peter Martin reichte beim Verfassungsgerichtshof einen Individualantrag ein.
Das französische und niederländische Referendum
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Am 29. Mai 2005 schließlich kam es in Frankreich zu einem Referendum über den Verfassungsvertrag. Dieses war nach der französischen Verfassung nicht zwingend vorgesehen, von der Regierung unter Jacques Chirac jedoch vor allem aus innenpolitischen Gründen anberaumt worden, um die Legitimation der Verfassung zu erhöhen und auch die eigene Popularität mit einem – scheinbar – leichten Erfolg bei einer öffentlichen Abstimmung zu verbessern. Tatsächlich fand die wichtigste französische Oppositionspartei, die sozialistische PS, intern zu keiner gemeinsamen Haltung zu der Verfassung: Während die Parteispitze sich dafür aussprach, führten prominente Politiker des linken Parteiflügels, darunter der frühere Premierminister Laurent Fabius, einen eigenen Wahlkampf dagegen. Auch die kommunistische PCF und die rechtsextreme FN sowie einige Intellektuelle wie der Philosoph Jean Baudrillard sprachen sich gegen die Verfassung aus.
Nachdem die Umfragewerte anfangs für die Verfassungsbefürworter sehr günstig gewesen waren, begannen sie jedoch in den letzten Wochen vor der Abstimmung zu kippen. Schließlich lehnten die Wähler den Verfassungsvertrag mit einer Mehrheit von 54,7 % (bei einer Wahlbeteiligung von 69,3 %) ab. Dieses Ergebnis löste unmittelbar heftige Reaktionen in Frankreich und den übrigen EU-Ländern aus, da ausgerechnet eines der Gründungsmitglieder, das überdies als einer der „Motoren“ des Integrationsprozesses galt, den Verfassungsvertrag ablehnte.
Kurz darauf erfolgte am 1. Juni 2005 ein weiteres Referendum über den Verfassungsvertrag, diesmal in den Niederlanden, wo es sich um die erste Volksbefragung in dem Land seit 200 Jahren handelte. Hier wies eine große Mehrheit von 61,6 % (bei einer Wahlbeteiligung von 62,8 %) den Verfassungsvertrag zurück. Obwohl das Referendum nicht bindend war, hatten die führenden Politiker des niederländischen Parlaments bereits vorher angekündigt, sich an das Votum der Bürger zu halten, wenn die Wahlbeteiligung über 30 % läge.
Datum | Referendum | Anteil Ja-Stimmen |
Wahl- beteiligung |
Annahme des Vertrags Ja/Nein |
---|---|---|---|---|
20. Feb. 2005 | ![]() |
77 % | 42 % | Ja |
29. Mai 2005 | ![]() |
44 % | 69 % | Nein |
1. Juni 2005 | ![]() |
38 % | 63 % | Nein |
10. Juli 2005 | ![]() |
57 % | 90 % | Ja |
Die „Reflexionsphase“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Verfassungsvertrag sah vor, dass, sofern vier Fünftel der Staaten (also 20) den Entwurf bis Ende 2006 ratifiziert hätten, in einzelnen Mitgliedstaaten dabei aber Schwierigkeiten auftreten würden, der Europäische Rat sich erneut mit dieser Frage beschäftigen würde.[4] Diese Regelung war vor allem als letzter Anker mit Blick auf traditionell europaskeptische Länder wie Großbritannien getroffen worden. Die Ablehnung der EU-Verfassung in zwei der Gründungsmitglieder wirkte dagegen wie ein Schock und löste eine unmittelbare intensive Debatte aus. Die bis Anfang Juni 2005 formulierten ersten Reaktionen und Beurteilungen in der Union reichten von Pessimismus über Beschwichtigung und die Suche nach Erklärungen bis zu größerem Optimismus als zuvor. Europäische Politiker befürchteten insbesondere eine institutionelle Blockade der europäischen Entscheidungsprozesse.
Mitte Juni 2005 stellte der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker in seiner Funktion als Vorsitzender des Europäischen Rates fest, dass „die ursprünglich für den 1. November 2006 geplante Bestandsaufnahme zur Ratifizierung nicht mehr haltbar“ sei, „da jene Länder, die den Text nicht ratifiziert haben, nicht vor Mitte 2007 eine gute Antwort geben“ könnten. Hintergrund war, dass die Neuwahl des französischen Staatspräsidenten im Mai 2007 abgewartet werden sollte. Aufgrund dessen sollte eine etwa einjährige Phase der Reflexion und Diskussion eingeleitet werden, in der den Mitgliedstaaten die Gelegenheit gegeben werden sollte, den Verfassungsvertrag nach umfassender öffentlicher Debatte ohne Zeitdruck zu ratifizieren oder dessen Ratifizierung aufzuschieben. Wie vorgeschlagen, beschloss der Europäische Rat daher eine „Denkpause“ und verschob eine neuerliche Diskussion auf Mitte 2007.
Tatsächlich setzten mehrere Länder den Ratifizierungsprozess auch nach dem französischen und niederländischen Nein fort. So sprachen sich Lettland (2. Juni 2005), Zypern (30. Juni 2005), Malta (6. Juli 2005), Estland (9. Mai 2006) und Finnland (Juni 2006) im parlamentarischen Verfahren für die EU-Verfassung aus. In Luxemburg fand am 10. Juli 2005 ein Referendum statt, an dessen erfolgreichen Ausgang Premierminister Jean-Claude Juncker auch sein weiteres Verbleiben im Amt koppelte. Eine Mehrheit von 56,5 % stimmte dem Verfassungsvertrag zu.
Dänemark, Großbritannien, Irland, Polen, Portugal, Schweden und Tschechien unterbrachen den Ratifizierungsprozess dagegen. Von diesen Ländern beabsichtigte Schweden die EU-Verfassung im parlamentarischen Wege zu ratifizieren, während Dänemark, Irland, Portugal und Großbritannien Referenden geplant hatten. In Polen und Tschechien war noch nicht entschieden, ob ein Referendum stattfinden sollte; in beiden Ländern hatte es zuvor von konservativer Seite starke Kritik an dem Verfassungsvertrag gegeben, der sich in Tschechien auch Staatspräsident Václav Klaus angeschlossen hatte. Im Falle der 2007 beigetretenen neuen Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien war die Zustimmung zum Verfassungsvertrag bereits Teil der Beitrittsverträge gewesen und wurde daher zugleich mit dem Beitritt ratifiziert. In Deutschland schließlich stellte das Bundesverfassungsgericht nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden die Bearbeitung der Verfassungsklagen gegen den Vertrag ein. Deutschland ratifizierte daher den Verfassungsvertrag letztlich nicht, auch eine Entscheidung über seine Vereinbarkeit mit dem deutschen Grundgesetz erfolgte nicht.
Im Januar 2006 schlug die österreichische EU-Präsidentschaft vor, den Ratifizierungsprozess wieder in Gang zu setzen, stieß damit aber auf massiven Widerspruch, insbesondere seitens Frankreichs, der Niederlande und Polens. Als Lösung aus der Krise wurde 2006 auch eine EU-weite Ratifikation des Vertrages per Volksreferendum ins Spiel gebracht, verknüpft mit den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009. Diese hätte die Bedeutung von Vetos durch nationale Referenden reduziert. Gegen diesen österreichischen Vorschlag kam aber u. a. aus Deutschland heftiger Widerstand. Auch verschiedene Vorschläge zu Änderungen oder Ergänzungen des Verfassungsentwurfs, die während der Reflexionsphase und besonders im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2007 diskutiert wurden, stießen auf keine einhellige Zustimmung: Während vor allem auf Seiten der französischen Linken ein ergänzendes Sozialprotokoll gefordert wurde, das aber von Großbritannien abgelehnt wurde, schlug Nicolas Sarkozy einen „Miniaturvertrag“ vor, der sich nur auf die wichtigsten Neuerungen beschränkte, ohne allerdings zu präzisieren, welche das sein könnten. Großteils abgelehnt wurden auch Vorschläge, einzelne populäre Bestimmungen der Verfassung, etwa das Europäische Bürgerbegehren, schon vorab zu beschließen; hierin sahen viele, insbesondere auch deutsche Politiker eine Gefahr für das Gesamtgleichgewicht des Kompromisses, den die verschiedenen Mitgliedstaaten mit der Verfassung erreicht hatten.
Vertrag von Lissabon statt Verfassungsvertrag
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Ende der „Denkpause“ zeichnete sich erst auf dem Europäischen Rat am 15. und 16. Juni 2006 ab, auf dem die Staats- und Regierungschefs als Arbeitsperspektive für die Lösung der Verfassungskrise einen Zeitpunkt Ende 2008 formulierten, wenn Frankreich die Ratspräsidentschaft innehaben würde. Ein informell besprochener Zeitplan sah vor, dass unter der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 weitere Schritte zur Rettung des Vertragswerks unternommen werden sollten.
Hierzu wurde zunächst in der am 25. März 2007 zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge verabschiedeten „Berliner Erklärung“ über grundlegende europäische Werte und politische Ziele der Europäischen Union auch ein grundsätzliches Bekenntnis zu den Zielen der Verfassung aufgenommen. Anhand der Positionen der Mitgliedstaaten wurde daraufhin von der deutschen Ratspräsidentschaft erarbeitet, welche Inhalte des Verfassungsvertrages in ein erneuertes Vertragswerk übernommen werden sollten. Auf dieser Grundlage beschloss der Europäische Rat auf seiner Tagung am 21. und 22. Juni 2007 in Brüssel, die weitere Ratifizierung der Verfassung aufzugeben und stattdessen einen „Reformvertrag“ zu verabschieden, der die Substanz des Verfassungstextes in die bereits bestehenden Grundlagenverträge (EUV und EGV) einarbeiten sollte. Dieser Reformvertrag wurde von den Staats- und Regierungschefs der EU am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet und heißt daher inzwischen „Vertrag von Lissabon“. Er trat nach seiner Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten am 1. Dezember 2009 in Kraft.
Ratifizierung des Verfassungsvertrags in den Mitgliedstaaten (Übersicht)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Land | Ratifizierungsdatum[5] | Abstimmungsvariante | Ergebnis |
---|---|---|---|
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11. November 2004 | Parlament | ja |
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20. Dezember 2004 | Parlament | ja |
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1. Februar 2005 | Parlament | ja |
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25. Januar 2005 6. April 2005 |
Abgeordnetenkammer Senat |
ja ja |
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19. April 2005 | Parlament | ja |
![]() |
11. Mai 2005 | Parlament | ja |
![]() |
20. Februar 2005 28. April 2005 18. Mai 2005 |
konsultatives Referendum Abgeordnetenhaus Senat |
ja ja ja |
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11. Mai 2005 25. Mai 2005 |
Nationalrat Bundesrat |
ja ja |
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12. Mai 2005 27. Mai 2005 nach BVerfG-Urteil (Verfahren eingestellt) |
Bundestag Bundesrat Bundespräsident |
ja ja |
– | |||
![]() |
29. Mai 2005 abgesagt |
Referendum Parlament (2 Kammern) |
nein |
– | |||
![]() |
1. Juni 2005 abgesagt |
konsultatives Referendum Parlament (2 Kammern) |
nein |
– | |||
![]() |
2. Juni 2005 | Parlament | ja |
![]() |
30. Juni 2005 | Parlament | ja |
![]() |
6. Juli 2005 | Parlament | ja |
![]() |
28. Juni 2005 10. Juli 2005 25. Oktober 2005 |
Parlament (erste Abstimmung) konsultatives Referendum Parlament (zweite Abstimmung) |
ja ja ja |
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28. April 2005 19. Mai 2005 17. Juni 2005 20. Juni 2005 29. Juni 2005 19. Juli 2005 8. Februar 2006 |
Senat Abgeordnetenkammer Parlament der Region Brüssel-Hauptstadt Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft Parlament der Wallonischen Region Parlament der Französischen Gemeinschaft Flämisches Parlament |
ja ja ja ja ja ja ja |
![]() |
9. Mai 2006 | Parlament | ja |
![]() |
5. Dezember 2006 | Parlament | ja |
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1. Januar 2007 | war Teil der Verhandlungen zum EU-Beitritt | ja |
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1. Januar 2007 | war Teil der Verhandlungen zum EU-Beitritt | ja |
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abgesagt | Referendum | – |
![]() |
abgesagt | Referendum Parlament |
– |
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abgesagt | Referendum | – |
![]() |
abgesagt | Referendum, nach einer Verfassungsänderung | – |
![]() |
abgesagt | Parlament | – |
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abgesagt | wahrscheinliches Referendum | – |
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abgesagt | konsultatives Referendum Parlament (2 Kammern) |
– |
Streitpunkte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Verfassungsvertrag stieß bei verschiedenen politischen Richtungen und insbesondere in der Bevölkerung einiger Mitgliedstaaten zunehmend auf Kritik. Die Kritik war sehr vielschichtig und ging vom Inhalt über die Legitimation bis hin zum Titel der Verfassung. Unter den großen europäischen Parteien sprach sich die Mehrheit für den Verfassungsvertrag aus, darunter insbesondere Europäische Volkspartei, Europäische Liberale, Europäische Demokratische Partei und der größere Teil der Sozialdemokratischen Partei Europas und der Europäischen Grünen. Lediglich einige Mitglieder des linken Flügels der SPE, insbesondere in der französischen Parti Socialiste, lehnten den Entwurf ab. Deutlich gegen den Verfassungsvertrag positionierten sich auf der Linken die Europäische Linke, auf der Rechten die Allianz für ein Europa der Nationen und die EUDemokraten. Auch einige große Nichtregierungsorganisationen wie Attac positionierten sich gegen den Entwurf.
Länge und Komplexität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kritiker der europäischen Verfassung strichen die Länge und Komplexität der Verfassung im Vergleich zu existierenden und bewährten nationalen Verfassungen heraus. So sei die europäische Verfassung mit 160.000 Wörtern (inklusive Deklarationen und Protokolle) im Vergleich mit der 4.600 Wörter langen US-amerikanischen Verfassung zu lang und kaum aus sich selbst heraus zu verstehen. In ihrem Bestreben, die Ziele und Betätigungsfelder der Europäischen Union möglichst eindeutig festzuschreiben, gehe der Verfassungsvertrag über das hinaus, was üblicherweise durch eine Verfassung geregelt werde.
Befürworter der Verfassung wiesen dagegen darauf hin, dass der neue Text weniger lang sei als die bisherigen Verträge, die er ersetzen sollte.[6]
Kritik am Ausarbeitungs- und Ratifizierungsprozess
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am Konvent wurde kritisiert, dass seine Mitglieder nicht direkt von der Bevölkerung gewählt oder bestätigt werden konnten. Auch sei er nur scheinbar transparent: Trotz öffentlicher Plenumssitzungen seien wichtige Entscheidungen nicht öffentlich getroffen und die vorausgegangenen Präsidiumsberatungen nicht protokolliert worden. Der luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker (Präsident des Rats der Europäischen Union während des ersten Halbjahres 2005) sagte dazu: „Der Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie-Show. Ich habe noch keine dunklere Dunkelkammer gesehen als den Konvent.“[7]
Kritisiert wurde auch, dass der ungleiche Zeitpunkt der Referenden und der parlamentarischen Ratifizierungen es den Regierungen ermögliche, die Ratifizierungen zum jeweils vermuteten günstigsten Zeitpunkt durchzuführen. Dies führe zu einer Manipulation der Referendumsergebnisse zugunsten der Verfassungsbefürworter. Auch solle durch vorangegangene Entscheidungen Druck auf einzelne Parlamente ausgeübt werden. Als Beispiele wurden das frühe Referendum in Spanien nach entsprechend günstigen Umfragen und der Versuch genannt, dem französischen Referendum durch das deutsche Beispiel rechtzeitig den „nötigen Schub“ zu geben.
In den Ländern, wo der Verfassungsvertrag bereits früh und ohne Referendum ratifiziert wurde – darunter auch Deutschland – warfen Kritiker der Regierung vor, sie wolle eine intensivere öffentliche Diskussion verhindern. In vielen, jedoch nicht allen Mitgliedstaaten wurde auch die ungleiche finanzielle Unterstützung und Medienpräsenz von Verfassungsbefürwortern und Verfassungsgegnern bemängelt: So bekamen Befürworter in Frankreich vor dem Referendum nachweislich mehr Sendezeit eingeräumt.
Kritik am Titel der Verfassung
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Auch die Bezeichnung als „Verfassungsvertrag“ wurde teilweise angegriffen. Tatsächlich sollte der Name auch aus Sicht der Verfassungsbefürworter andeuten, dass die EU-Verfassung nicht ein einfacher Nachfolger ihrer rechtswirksamen Vorläufer (EU-Vertrag und EG-Vertrag) sei, sondern durch die Zusammenfassung aller bisherigen Verträge eine vollkommen neue Rechtsgrundlage für die EU schaffe. Kritisiert wurde jedoch, dass es sich nicht um eine Verfassung im üblichen Sinne handle, insbesondere da die EU weiterhin kein Staat sei, sondern sich ihre Souveränitätsrechte ausschließlich aus denen der Mitgliedstaaten ableiten sollten.
Dagegen wurde eingewandt, dass diese Kritik nur sprachlicher Natur sei, also auf der Denotation und Konnotation der Begriffe „Vertrag“ und „Verfassung“ beruhe. Auch der Vertrag von Maastricht und die darauf folgenden Verträge seien im rechtlichen Sinn die – nicht so betitelte – Verfassung der EU, da sie deren politisches System definierten und dem daraus abgeleiteten Sekundärrecht übergeordnet seien. Die Rechts- und Politikwissenschaft sowie auch der EuGH verwendeten daher bereits seit längerem den Begriff des „europäischen Verfassungsrechts“ oder der „europäischen Verfassungsverträge“.
Vorwurf mangelnder sozialer Ausrichtung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Insbesondere aus dem politisch linken Spektrum wurde die mangelnde soziale Ausrichtung des Verfassungsvertrags kritisiert. So wurde der in der Verfassung vereinbarte Grundsatz der „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (Art. III-177 VVE) angegriffen, mit dem sich die Verfassung in den Augen ihrer Kritiker auf eine „neoliberale“ Wirtschaftspolitik festlegte. Diese Wirtschaftspolitik und das Wirtschaftswachstum erhielten so den Rang von Verfassungszielen, während die Sozialpolitik kaum berücksichtigt werde. Diese Kritik wurde insbesondere in Frankreich geäußert und war einer der Gründe dafür, dass außer der Kommunistischen Partei auch der linke Flügel der Sozialisten den Verfassungsvertrag ablehnte. Gegen den Vorwurf wurde eingewandt, dass die Europäische Gemeinschaft seit jeher auf das Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten durch Wirtschaftspolitik aufgebaut sei und es sich bei Art. III-177 VVE um die wortwörtliche Übernahme aus dem alten Vertragswerk handele. Außerdem lege Art. I-3 VVE ausdrücklich die „soziale Marktwirtschaft“ sowie „soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz“ als Verfassungsziele fest.
Auch die Charta der Grundrechte erschien linksgerichteten Kritikern als nicht weitgehend genug, da die darin enthaltenen sozialen Rechte lediglich als allgemeine Grundsätze zu betrachten seien. Da sie nicht einklagbar sein sollten, wäre ein wesentlicher Teil der Charta letztlich folgenlos geblieben. Kritisiert wurde auch das Fehlen einer Klausel zur Sozialpflichtigkeit von Eigentum, wie sie etwa im deutschen Grundgesetz enthalten ist (Art. 14 Abs. 2 GG). Die Formulierung in Art. II-77 VVE, der das Eigentumsrecht regelt, sei dagegen weitaus allgemeiner gehalten.
Inhaltlich genau entgegengesetzt war die Kritik, die von konservativer Seite an den sozialen Rechten in der Charta geäußert wurde: So wurde unter anderem das Recht zu arbeiten angegriffen, das Art. II-75 VVE vorsah und in dem etwa Teile der deutschen CSU ein „Relikt der DDR-Verfassung“ sahen.
Vorwurf der unzureichenden Demokratisierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weiterhin wurde von linker und liberaler Seite sowie von den europäischen Föderalisten kritisiert, dass mit dem Verfassungsvertrag die Chance versäumt worden sei, das Demokratiedefizit der Europäischen Union zu überwinden. Trotz der neuen Kompetenzen des Europäischen Parlaments durch die Ausweitung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens würden wichtige Fragen weiterhin allein intergouvernemental im Rat der EU oder im Europäischen Rat entschieden. Im Vergleich mit den übrigen EU-Institutionen würde das Europaparlament noch immer weniger Kompetenzen haben als etwa ein Parlament im nationalstaatlichen Rahmen.
Vorwurf der Bildung eines europäischen Superstaates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dem Vorwurf unzureichender Kompetenzen für das Europäische Parlament entgegengesetzt war die Kritik, die insbesondere von konservativen Europakritikern in Großbritannien, aber auch in einigen mittel- und osteuropäischen Ländern geäußert wurde. Demzufolge würde mit der Verfassung durch die Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität und den Verlust von Vetomöglichkeiten im Rat der EU ein europäischer „Superstaat“ geschaffen, der regionale Traditionen gefährde. Kritisiert wurden dabei auch rein symbolische Bestandteile des Vertrags, etwa die Bezeichnung als Verfassung, die Festlegung der Symbole der EU oder die Umbenennung der EG-Verordnungen und -Richtlinien in „Europäische Gesetze“ und „Europäische Rahmengesetze“.
Vorwurf der Militarisierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Vor allem aus dem politisch linken Spektrum wurde der Vorwurf erhoben, die Verfassung bewirke durch die Ausweitung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine Militarisierung der EU. Besonders umstritten war ein Passus in Art. I-41 VVE, dem zufolge sich die Mitgliedstaaten verpflichteten, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“, worin Kritiker eine Verpflichtung zur Aufrüstung sehen. Außerdem werden die Kompetenzen der neu zu gründenden Europäischen Verteidigungsagentur, etwa bei der Ermittlung des Rüstungsbedarfs, kritisiert. Auch die mangelnden Kompetenzen des Europäischen Parlaments (das nach Art. III-304 VVE zu militärischen Aktionen der EU zwar Fragen stellen, aber anders als etwa der Bundestag in Deutschland, keine Entscheidungen sollte treffen dürfen) und des Europäischen Gerichtshofs (der nach Art. III-376 VVE nicht für die Überprüfung militärischer Aktionen der EU zuständig sein sollte) wurden kritisiert.
Kritik am fehlenden Gottesbezug
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von konservativer Seite wurde der fehlende Bezug des Verfassungsentwurfs auf die christlichen Wurzeln Europas kritisiert. Die Forderung nach einem Gottesbezug in der Präambel der Verfassung, die vor allem katholisch geprägte Länder wie Polen, Irland und Italien vertreten hatten, wurde auch von der römisch-katholischen Kirche und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bekräftigt.[8] Dagegen hatte Frankreich, das traditionell großen Wert auf die Trennung von Kirche und Staat legt, eine Aufnahme des Gottesbezugs in die Präambel abgelehnt und eine Kompromissformulierung durchgesetzt, die nur allgemein auf die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas“ Bezug nimmt. Dagegen konnte die Amsterdamer Kirchenerklärung (Erklärung Nr. 11: Erklärung zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften) mit Art. I-52 VVE in eine primärrechtliche Bestimmung überführt werden.
Zeittafel der Europäischen Verträge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Unterz. In Kraft Vertrag |
1948 1948 Brüsseler Pakt |
1951 1952 Paris |
1954 1955 Pariser Verträge |
1957 1958 Rom |
1965 1967 Fusions- vertrag |
1986 1987 Einheitliche Europäische Akte |
1992 1993 Maastricht |
1997 1999 Amsterdam |
2001 2003 Nizza |
2007 2009 Lissabon |
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Europäische Gemeinschaften | Drei Säulen der Europäischen Union | ||||||||||||||||||||
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) | → | ← | |||||||||||||||||||
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) | Vertrag 2002 ausgelaufen | Europäische Union (EU) | |||||||||||||||||||
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) | Europäische Gemeinschaft (EG) | ||||||||||||||||||||
→ | Justiz und Inneres (JI) | ||||||||||||||||||||
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) | ← | ||||||||||||||||||||
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) | → | Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) | ← | ||||||||||||||||||
Westunion (WU) | Westeuropäische Union (WEU) | ||||||||||||||||||||
aufgelöst zum 1. Juli 2011 | |||||||||||||||||||||
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Klaus Beckmann, Jürgen Dieringer, Ulrich Hufeld: Eine Verfassung für Europa. 2. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148542-4.
- Carsten Berg, Georg Kristian Kampfer: Verfassung für Europa. Der Taschenkommentar für Bürgerinnen und Bürger. 2. Auflage. Bertelsmann, Bielefeld 2004, ISBN 3-7639-3210-0.
- Marcus Höreth, Cordula Janowski, Ludger Kühnhardt: Die europäische Verfassung. Analyse und Bewertung ihrer Strukturentscheidungen. (= Schriften des Zentrum für Europäische Integrationsforschung. Band 65). Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1077-8.
- Carolin Rüger: Aus der Traum? Der lange Weg zur EU-Verfassung. Tectum, Marburg 2006, ISBN 3-8288-8966-2.
- Jürgen Schwarze (Hrsg.): Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents: Verfassungsrechtliche Grundstrukturen und wirtschaftsverfassungsrechtliche Konzepte. Nomos, Baden-Baden 2004, ISBN 3-8329-0685-1.
- Anton Schäfer: Die Verfassungsentwürfe zur Gründung einer Europäischen Union. 1. (Buchausgabe) Auflage. BSA und Edition Europa, Dornbirn 2001, ISBN 978-3-9500616-7-3 (verfassungsvertrag.eu – Ausgabe 1923–2004, 1. elektronische Ausgabe [CD-ROM], 2006, ISBN 978-3-901924-22-4).
- Werner Weidenfeld (Hrsg.): Die Europäische Verfassung in der Analyse. Bertelsmann, Gütersloh 2005, ISBN 3-89204-727-8.
- Manfred Zuleeg, Marjolaine Savat, Jean-Philippe Derosier (Hrsg.): Eine Verfassung für Europa mit 25 Mitgliedstaaten. Vielfalt und Einheit zugleich. Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1519-2.
- Christoph Vedder, Wolff Heintschel von Heinegg (Hrsg.): Europäischer Verfassungsvertrag. Handkommentar. Nomos, Baden-Baden 2007, ISBN 978-3-8329-1090-7.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Vertrag über eine Verfassung für Europa im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Offizielle Links
- Gesetzentwurf (vom 18. Februar 2005) zum Vertrag über EU-Verfassung (PDF; 1,2 MB) inkl. Verfassungstext
- Dokumente der Regierungskonferenz (alle CIG-Dokumente) ( vom 4. November 2005 im Internet Archive)
- Vertrag über eine Verfassung für Europa In: Amtsblatt der Europäischen Union. (Eur-Lex) vom 16. Dezember 2004
Verfassungsklage und Verfassungsbeschwerde gegen den Verfassungsvertrag
- Peter Mühlbauer: Warum unterscheidet sich der Entwurf für einen europäischen Verfassungsvertrag so sehr vom Grundgesetz? heise.de, 28. März 2007
- Verfassungsbeschwerde von Karl Albrecht Schachtschneider ( vom 3. Januar 2013 im Internet Archive; PDF; 1,7 MB)
- Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Mario Schmid, Freiburg i. Br. (PDF; 669 KB)
Politische und gesellschaftliche Organisationen
- Verfassungstext bei der Bundeszentrale für politische Bildung
- „Dash, Dossier #12“ (Kritik am Vertrag über die Verfassung)
- „Schwerpunkt: EU-Verfassung“ ( vom 10. Oktober 2007 im Internet Archive)
- Newsletter Nr. 4 ( vom 27. September 2007 im Internet Archive) und Nr. 7 der EU-Arbeitsgruppe ( vom 27. September 2007 im Internet Archive) von Attac Deutschland
- Gegen Militarisierung und Sozialdumping. Das französische Nein zur EU-Verfassung hat gute Gründe (aus: analyse + kritik)
- Constitution Watch zu Behauptungen von Befürwortern des EU-Verfassungsvertrages von Tobias Pflüger (Mitglied des Europäischen Parlaments)
- Frankreich und das Referendum über die EU-Verfassung
- „Wie demokratisch ist die EU?“ (Analyse der EU-Verfassung von Mehr Demokratie e. V.)
- Untersuchungen über die Fairness der Referenden in Spanien, Frankreich und den Niederlanden (englisch)
- Zur Kritik des Vertrags über eine Verfassung für Europa. Für ein friedliches, soziales und demokratisches Europa (PDF; 392 kB) Die Linke (mit Beiträgen von Martin Hantke, Norman Paech, Tobias Pflüger, Gregor Schirmer, Christiane Reymann, Ursula Schönberger und Andreas Wehr)
- EU-Verfassung – Europa der Konzerne und Generäle? Die EU-Verfassung aus der Sicht von Friedens-, Anti-Atom- und globalisierungskritischer Bewegung (PDF; 1,3 MB) Werkstatt Frieden & Solidarität Linz
Sonstige Links
- Der Verfassungsvertrag für Europa: Wird die Europäische Union demokratischer? ( vom 26. September 2007 im Internet Archive; PDF; 101 kB) Annotierte Bibliografie
- IG-EuroVision – Initiativ-Gesellschaft zur Förderung der europäischen Integration durch neue Ideen und demokratische Projekte – „Projekt EU 21 – Für eine europäische Verfassung von unten!“
- our-constitution.org – grassroots Ansatz um die Bürger Europas an der Entstehung der Verfassung zu beteiligen (englisch)
- verfassung-europa.de – Vorstellung des ersten deutschen Kommentars zur Europäischen Verfassung und gute Auswahl weiterführender Links
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ 851 d.B. XXII. GP
- ↑ 789 d.B. XXII. GP
- ↑ Presseaussendung der Werkstatt Frieden & Solidarität, 21. Februar 2005 ( vom 28. September 2007 im Internet Archive)
- ↑ Ratifizierung in den Mitgliedstaaten
- ↑ Verfahren zur Ratifizierung der Europäischen Verfassung. Europäische Kommission, 27. Mai 2005, abgerufen am 5. September 2022 (englisch).
- ↑ Artikel. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven) sueddeutsche.de
- ↑ „Gespenstische Wanderung.“ In: Der Spiegel. Nr. 25, 2003 (online – Interview mit Jean-Claude Juncker).
- ↑ Radio Vatikan: Deutschland: Kirchen erinnern an Gottesbezug in EU-Verfassung ( vom 16. Oktober 2007 im Internet Archive), 29. Dezember 2006.