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„Emotionale Intelligenz“ – Versionsunterschied

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'''Emotionale Intelligenz''' ist ein von [[John D. Mayer]] ([[University of New Hampshire]]) und [[Peter Salovey]] ([[Yale University]]) im Jahr 1990 eingeführter [[Terminus]]. Er beschreibt die [[Fähigkeit]], eigene und fremde Gefühle (korrekt) wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen.
== Gegenwärtiger Stand des psychologischen Konzepts ==


Das Konzept der emotionalen Intelligenz beruht auf der [[Theorie der multiplen Intelligenzen]] von [[Howard Gardner]], deren Kerngedanke bereits von [[Edward Lee Thorndike]] und [[David Wechsler]] als „[[soziale Intelligenz]]“ bezeichnet wurde. Diesen verdeutlichte Thorndike 1920 mit einem Beispiel, wonach der (fachlich) beste Mechaniker als Vorarbeiter scheitern wird, wenn es ihm an sozialer Intelligenz fehlt.<ref>D. G. Myers: ''Psychology.'' New York 2010</ref> Das Thema „emotionale Intelligenz“ ist somit auch ein Beitrag zur Diskussion der Frage nach dem [[Erfolg]] im Leben und Beruf.


Zu dessen Popularisierung hat insbesondere der US-amerikanische Psychologe und Wissenschaftsjournalist [[Daniel Goleman]] mit seinem Buch ''[[EQ. Emotionale Intelligenz]]'' (1995) beigetragen.
'''Emotionale Intelligenz''' ist ein Sammelbegriff für [[Persönlichkeitseigenschaft]]en, bzw. Fähigkeiten, welche den Umgang mit eigenen und fremden [[Gefühl]]en betreffen. Der Begriff wurde 1990 durch Salovey und Mayer eingeführt. Die Abkürzung "EQ" ist missverständlich, da es sich bei ''emotionaler Intelligenz'', genauso wie beim heutigen IQ, nicht um einen Quotienten handelt.


== Definitionen ==
Manche Autoren stellen die emotionale Intelligenz in Opposition zum klassischen Intelligenzbegriff [[Intelligenzquotient|IQ]] und betrachten sie als ein Element der [[ganzheitlich]]en so genannten "Erfolgsintelligenz". Nach Prof. [[Howard Gardner]], [[Harvard|Havard-University]] schließt der Einbezug der Emotionalen Intelligenz eine Lücke, die in der klassischen Intelligenzforschung übersehen worden ist: Die Verarbeitung von inter- und intrapersonellen Informationen, also den bewussten Umgang mit der Kommunikaton zwischen Menschen und des Menschen mit sich selbst.
Manche Autoren stellen die ''emotionale Intelligenz'' als Gegensatz zum klassischen [[Intelligenz]]begriff dar. Tatsächlich geht es um die Erweiterung der klassischen Vorstellung von Intelligenz, in der lediglich [[Kognition|kognitive]] und rein [[akademisch]]e Fähigkeiten als Voraussetzung für den Erfolg im Leben betrachtet werden.


Daniel Goleman definiert den Begriff ''emotionale Intelligenz'' in Anlehnung an Salovey und Gardner durch die folgenden Fähigkeiten:<ref>D. Goleman: ''Emotionale Intelligenz.'' München und Wien 1996, S. 65 f.</ref>
Der Begriff "Emotionale Intelligenz" ist durch das gleichnamige Buch des amerikanischen Psychologen [[Daniel Goleman]] populär geworden. Goleman stellte in rund 300 Untersuchungen fest, dass Firmen, die stark auf emotional intelligente Mitarbeiter setzen, ein höheres Betriebsergebnis erzielen.
Goleman sieht die Emotionale Intelligenz als eine übergeordnete Fähigkeit, von der es abhängt, wie gut wir unsere sonstigen Fähigkeiten, darunter auch den Verstand, zu nutzen verstehen.


; Die eigenen Emotionen kennen
Nach Goleman setzt sich Emotionale Intelligenz aus fünf Teilkonstrukten zusammen:
: Die eigenen [[Emotion]]en erkennen und akzeptieren, während sie auftreten. Diese Fähigkeit ist entscheidend für das Verstehen des eigenen Verhaltens und der eigenen Antriebe. (Hintergrund: Viele Menschen fühlen sich gegenüber ihren Gefühlen ausgeliefert, lehnen sie ab und bekämpfen oder vermeiden sie – statt sich der Tatsache bewusst zu sein, dass man Emotionen aktiv steuern kann.)
; Emotionen beeinflussen
: Gefühle so handhaben, dass sie der Situation angemessen sind (statt zu dramatisieren oder zu verharmlosen). Dazu gehört die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen und Gefühle der Angst, Gereiztheit, Enttäuschung oder Kränkung abzuschwächen und positive Gefühle zu verstärken. Dies hilft bei der Überwindung von Rückschlägen oder belastenden Situationen.
; Emotionen in die Tat umsetzen
: Emotionen so beeinflussen, dass sie bei der Erreichung von Zielen helfen. Dies ist der Kern der Selbstmotivation und fördert die Kreativität sowie die Häufigkeit von Erfolgserlebnissen. Dazu gehört auch, dass jemand in der Lage ist, kurzfristige (emotionale) Vorteile und Verlockungen hinauszuschieben ([[Belohnungsaufschub]]) und impulsive Reaktionen zu unterdrücken. Diese längerfristige Perspektive ist die Grundlage jeglichen [[Erfolg]]es. In späteren Arbeiten ordnete Goleman diesen antriebs- und motivationsbezogenen Aspekt der oben genannten Fähigkeit Emotionen zu beeinflussen zu.
; Empathie
: Dies ist die Grundlage aller Menschenkenntnis und das Fundament zwischenmenschlicher Beziehungen. Ein Mensch, der erkennt, was andere fühlen, kann viel früher die oftmals versteckten Signale im Verhalten anderer erkennen und herausfinden, was sie brauchen oder wollen. Allerdings weist Goleman selbst in anderen Texten darauf hin, dass zugleich auch erkennbar wird, wie sie negativ beeinflussbar sind ''(leadership ability)''. [[Empathie]] ist also eine wertneutrale Fähigkeit – sie kann individuell positiv oder auch negativ empfundene Wirkung haben.
; Umgang mit Beziehungen
: Die Fähigkeit der erfolgreichen Gestaltung von Beziehungen besteht im Wesentlichen im Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen. Sie ist Grundlage für eine reibungslose Zusammenarbeit in nahezu allen beruflichen Umfeldern. Sie ist Voraussetzung für Beliebtheit, Wertschätzung und Integration in eine Gemeinschaft, andererseits aber auch für ''leadership ability'' (Goleman); eine Fähigkeit, die positiv wirken, jedoch auch der Manipulation dienen kann.


Zur Operationalisierung und Messung der emotionalen Intelligenz in einem Test haben Salovey und Mayer dieses Konzept in vier Bereiche gegliedert:
* [[Selbstbewusstheit]] (Fähigkeit eines Menschen, seine Stimmungen, Gefühle und Bedürfnisse zu akzeptieren und zu verstehen, und die Fähigkeit, deren Wirkung auf andere einzuschätzen)
* Wahrnehmung von Emotionen
* [[Selbstmotivation]] (Begeisterungsfähigkeit für die Arbeit, sich selbst unabhängig von finanziellen Anreizen oder Status anfeuern zu können)
* Nutzung von Emotionen
* [[Selbststeuerung]] (planvolles Handeln in Bezug auf Zeit und Ressourcen)
* Verstehen von Emotionen
* [[Soziale Kompetenz]] (Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen und tragfähige Beziehungen aufzubauen, gutes Beziehungsmanagement und Netzwerkpflege)
* Beeinflussung von Emotionen
* [[Empathie]] (Fähigkeit, emotionale Befindlichkeiten anderer Menschen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren)


Der erste Bereich ''Wahrnehmung von Emotionen'' umfasst die Fähigkeit, Emotionen in Mimik, Gestik, Körperhaltung und Stimme anderer Personen wahrzunehmen. Der zweite Bereich der ''Nutzung von Emotionen zur Unterstützung'' umfasst Wissen über die Zusammenhänge zwischen (eigenen und fremden) Emotionen und Gedanken, welches z.&nbsp;B. zum Problemlösen eingesetzt wird. Das ''Verstehen von Emotionen'' spiegelt die Fähigkeit wider, Emotionen zu analysieren, die Veränderbarkeit von Emotionen einzuschätzen und die Konsequenzen derselben zu verstehen. Die ''Beeinflussung von Emotionen'' erfolgt auf Basis der Ziele, des Selbstbildes und des sozialen Bewusstseins des [[Individuum]]s und beinhaltet z.&nbsp;B. die Fähigkeiten, Gefühle zu vermeiden oder gefühlsmäßige Bewertungen zu korrigieren (Mayer, Salovey, Caruso, 2004).


== Erfassung ==
Nicht das bloße Vorhandensein von Gefühlen, [[Emotion]]en, Stimmungen und Affekten, sondern der bewusste Umgang mit ihnen machen eine hohe emotionale Intelligenz aus. Darüber hinaus zählen hierzu Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit und Innovationsfreude oder die Motivationsfähigkeit und das Vermögen, Gefühle und Bedürfnisse anderer wahrzunehmen. Dabei werden Befähigungen wie Teamführung, Selbstvertrauen, die Fähigkeit, sich selbst und andere aufzubauen sowie politisches Bewusstsein betrachtet. Goleman verwendet den Begriff emotionale Intelligenz also für eine Vielzahl von Konstrukten, die nur bedingt als eine Einheit angesehen werden können. In dieser Hinsicht ist Emotionale Intelligenz dem Intelligenzquotienten sehr ähnlich.
Mayer, Salovey und [[David R. Caruso]] haben einen Test zur Messung der „emotionalen Intelligenz“ entwickelt, welcher dem Konzept herkömmlicher Leistungstests folgt. Der MSCEIT (Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test; Mayer, Salovey, Caruso, 2002, zitiert nach Mayer et al., 2004) misst jeden der vier Bereiche des Modells mit je zwei Untertests, welche im Folgenden beschrieben werden:


'''Wahrnehmung von Emotionen:'''
Die hier zu Tage tretende konzeptuelle Unschärfe des Begriffs der ''Emotionalen Intelligenz'' soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begriff auch in der psychologischen Grundlagenforschung gebräuchlich und dort meist mit größerer konzeptueller Vorsicht benutzt wird. Der Theorie wird jedoch von vielen ein hohes Entwicklungspotential zugeschrieben.
* Emotionen in Gesichtern identifizieren
* Emotionen in Landschaften und Designs identifizieren


'''Nutzung von Emotionen zur Unterstützung des Denkens:'''
Zur Erfassung der Emotionalen Intelligenz bedient sich der Psychologe der [[Eignungsdiagnostik]]. Gemessen werden erfasste Verhaltensweisen im Verhältnis zum optimalen Verhalten. Diese Testverfahren sind derzeit (Stand 07/03) noch nicht validiert, können jedoch als Teilbetrachtung innerhalb fundiert angelegter Persönlichkeitstests oder zur begleitenden Beratung eingesetzt werden.
* emotionale Empfindungen mit anderen taktilen oder sensorischen Stimuli vergleichen
* Emotionen identifizieren, die bestimmte Denkaufgaben bestmöglich unterstützen


'''Verstehen von Emotionen:'''
Eine Studie des israelischen Psychologen Moshe Zeidner und seines australischen Kollegen Richard D. Roberts wirft jedoch das Konzept der Emotionalen Intelligenz, bzw. deren Aussagekraft über die beruflichen Eignungen, über den Haufen.
* Wissen, unter welchen Umständen emotionale Zustände wechseln und wie ein emotionaler Zustand in einen anderen übergeht
Die Untersuchung, welche unter anderem auch alle bisherigen Studien zur Emotionalen Intelligenz mit einbezog, konnte beispielsweise unter 224 britischen Managern keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen Emotionaler Intelligenz und den beruflichen Fähigkeiten der Probanden nachweisen. Zeidner und Roberts halten deshalb die Emotionale Intelligenz eines Bewerbers für ein ungeeignetes Auswahlkriterium.
* Mehrere Emotionen in komplexeren affektiven Zuständen identifizieren


'''Umgang mit Emotionen:'''
== Kritik des Begriffs der Emotionalen Intelligenz ==
* Maßnahmen zur Veränderung des eigenen emotionalen Zustandes in hypothetischen Szenarien vorschlagen
Nach Golemans Definition handelt es sich bei Emotionaler Intelligenz um "die Fähigkeit, unsere eigenen Gefühle und die anderer zu erkennen, uns selbst zu motivieren und gut mit Emotionen in uns selbst und in unseren Beziehungen umzugehen." (Daniel Goleman: EQ2. Der Erfolgsquotient, München 1999, S. 387). Doch was heißt es eigentlich, "gut" mit Emotionen umzugehen? Anders als der gewöhnliche Intelligenzbegriff ("IQ") ist der Begriff der Emotionalen Intelligenz ("EQ") viel stärker von der Definition des Wertbegriffs abhängig (vergl. [[Wert]]). IQ lässt sich zum Beispiel auf eine bestimmte Aufgabenlösung hin definieren, wobei es relativ irrelevant bleibt, welchen Stellenwert das Individuum diesem Zweck in seinem Leben tatsächlich zubilligt.
* Maßnahmen zur Beeinflussung des emotionalen Zustands anderer Personen zur Zielerreichung vorschlagen


Die Testgütekriterien [[Reliabilität|interne Konsistenz]] und [[Diskriminanzvalidität|diskriminante Validität]] des MSCEIT erwiesen sich in Untersuchungen mit 5000 Datensätzen als gut. Die interne Konsistenz ist mit .98 für den Gesamttest sehr hoch. Die [[Validität]] wurde mittels [[Korrelation]]en mit anderen Intelligenz- und Persönlichkeitstest erhoben und zeigte, dass der MSCEIT kaum Überschneidungen mit anderen Teilintelligenzen aufweist. Auch die Zusammenhänge mit den [[Big Five (Psychologie)|Big Five]] (Persönlichkeitsmerkmale) waren ausreichend gering, um die diskriminante Validität als gegeben ansehen zu können.
Im engeren Sinne wird unter Emotionaler Intelligenz meist verstanden, Menschen im eigenen Sinne zu beeinflussen und vor allem in der Arbeitswelt Mitarbeiter durch Ansprechen von Gefühlen zu motivieren und gegebenenfalls auch zu manipulieren, um höhere Profite und ein produktives Arbeitsklima zu erreichen. Im Grunde handelt es sich hierbei lediglich um eine Variante des normalen Intelligenzbegriffs, wobei versucht wird, Ziele verstärkt durch Einbeziehung von Gefühlen zu verwirklichen.


Die deutsche Adaption des MSCEIT wird in einer aktuellen [[Qualitätssicherung in der Psychologischen Diagnostik#Deutschland: DIN 33430 und Testkuratorium|TBS-TK Rezension]] kritisch bewertet.<ref>Burk, C. L., & Amelang, M. (2015). TBS-TK Rezension: MSCEIT–Mayer-Salovey-Caruso Test zur emotionalen Intelligenz. Deutschsprachige Adaptation des Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEIT TM ). Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O, 59(3), 155–157. [[doi:10.1026/0932-4089/a000188]]</ref> So wird beispielsweise der nicht transparente Konstruktionsprozess des Tests, fehlende Interpretationshinweise für die Testanwendung (Objektivität), unzureichende Angaben über die Normierungsstichprobe (Normierung) sowie eine nicht hinreichende Darstellung bzgl. der theoretischen Fundierung der Validitätskriterien kritisiert. Als positiv wird u.&nbsp;a. die zufriedenstellende Reliabilität sowie eine geringe Verfälschbarkeit gewürdigt. Insgesamt wird die deutsche Version des MSCEIT als teilweise unbefriedigend eingestuft, auf jeden Fall entsprechen die bisherigen Befunde nur teilweise den [[Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren]].
'''Emotionale Intelligenz im allgemeinen Sinne'''


== Kritik ==
ist dagegen nur definierbar durch Wertmaßstäbe. Dabei wird nicht nur der begrenzte Rahmen z.B. der Familie oder des Arbeitsplatzes einbezogen, sondern die Gesellschaft insgesamt als interaktives "emotionales System" mit allen seinen emotionalen Facetten berücksichtigt. Dieser Unterschied wurde bisher in der Psychologie weitgehend übersehen. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass weder Philosophie noch Psychologie oder Soziologie gegenwärtig über einen konsensfähigen Wertbegriff verfügen. Auch Goleman und seinen Vorgängern lag diese Begriffbestimmung fern. Aus der Vagheit des Ziels Emotionaler Intelligenz im Allgemeinen entsteht so folgerichtig auch die zu Recht kritisierte Vagheit des Begriffs überhaupt.
Kritik konzentriert sich in erster Linie auf den Begriff „emotionale Intelligenz“ und auf die Frage, inwiefern er zu den traditionellen Konstrukten der Intelligenz passt und diese sinnvoll ergänzt. Inhaltlich beschreibt das Konzept dagegen höchst relevante Fähigkeiten des Menschen.<ref>C.-H. Lammers: ''Emotionsbezogene Psychotherapie.'' Stuttgart 2008, S. 38</ref>
Diese werden in der Wissenschaft unter den Stichworten „[[Emotionsregulation]]“ oder „[[Selbstregulation (Psychologie)|Selbstregulation]]“ diskutiert.<ref>J. J. Gross (Hrsg.): ''Handbook of Emotion Regulation.'' New York 2007 (2. Aufl. 2013: ISBN 978-1-4625-0350-6)<br />
J. P. Forgas et al.: ''Psychology of Self-Regulation.'' Psychology Press, New York 2009</ref> Ob sich der Begriff „emotionale Intelligenz“ in der Wissenschaft durchsetzen wird, dürfte in erster Linie davon abhängig sein, inwiefern es gelingt, dieses Konzept durch entsprechende Tests zu validieren und theoretisch von anderen psychologischen [[Konstrukt]]en abzugrenzen.<ref>Süß, H.-M., Seidel, K., & Weis, S. (2008). Neue Wege zur leistungsbasierten Erfassung sozialer Intelligenz und erste Befunde. In W. Sarges & D. Scheffer (Hrsg.), Innovationen in der Eignungsdiagnostik (S. 129–143). Göttingen: Hogrefe.</ref>


Einen Vorstoß in diese Richtung im deutschen Sprachraum unternahm [[Heiner Rindermann]] mit dem Fragebogen zur Messung der '''emotionalen Kompetenz'''. Dieser Test zur Operationalisierung und empirischen Überprüfung dieses Konzeptes basiert auf einer Normstichprobe von über 600 Personen und erzielt – so der Autor – zufriedenstellende Werte bei Validität und Reliabilität.<ref>Heiner Rindermann: ''Emotionale-Kompetenz-Fragebogen, Einschätzung emotionaler Kompetenzen und emotionaler Intelligenz aus Selbst- und Fremdsicht.'' Hogrefe, Göttingen 2009</ref> Er meint ferner, der Begriff Intelligenz sollte für kognitive Fähigkeiten reserviert bleiben und nicht überdehnt werden, zumal die Korrelation zwischen emotionaler Kompetenz und (kognitiver) Intelligenz nicht hoch sei (S. 9). Bei dem Test werden vier Dimensionen emotionaler Kompetenzen erhoben, nämlich die Fähigkeiten (1) zum Erkennen eigener Gefühle, (2) zum Erkennen der Gefühle anderer, (3) zur Regulation eigener Gefühle und (4) zum Ausdruck von Gefühlen als emotionale Expressivität.
Diese konzeptuelle Unschärfe des Begriffs der Emotionalen Intelligenz war in den letzten Jahren Ausgangspunkt neuer Definitionsversuche. Dabei zeigte sich, dass die Unklarheit vor allem auf einem zu vagen Verständnis des Gefühlsbegriffs beruhte. Neue Analysen zeigen, dass die einzigen notwendigen Eigenschaften des Fühlens ''Angenehm-'' und ''Unangenehmsein'' sind ([[Peter Schmidt]] 1999, 2001, 2002, 2005). Nur diese beiden Komponenten vermögen die ganze Skala positiver und negativer Gefühle abzudecken. Gefühle begründen aber nach dem letzten Stand der Werttheorie alle Werterfahrungen. Ohne Fühlen erleben wir nur gedachte Werte. Werte, die nicht gefühlt werden, sind lediglich Nützlichkeitswerte (z.B. Geld, Werkzeug) und bedürfen zur Wertbegründung immer des gefühlten Endwerts. Bloße Sinneserfahrungen, Empfindungen, Gedanken und Vorstellungen oder Wollensintentionen haben dagegen keine Wertqualitäten. Das Fragen nach dem Wert führt bei diesen Erfahrungskategorien immer zum unendlichen Regress des Hinterfragens, warum etwas ein Wert sei. Danach sind Gefühle gleichzusetzen mit "Attractio" und "Aversio".


Empirische Studien zeigen, dass Menschen, die die Fähigkeit besitzen, eigene und fremde Gefühle zu steuern, im beruflichen und privaten Leben [[erfolg]]reicher sind. Sie leiden weniger häufig unter psychischen Störungen, haben bessere persönliche Beziehungen, sind zufriedener und weniger anfällig für ungünstige Gewohnheiten wie Rauchen, ungesunde Ernährung usw.<ref>J. P. Tangney: ''High self-control predicts good adjustment, less pathology, better grades, and interpersonal success.'' In: ''Journal of Personality.'' Band 72, April 2004, Issue 2, 271–324</ref>
Wenn Gefühle aber alle Wert- und Sinnerfahrungen begründen, besteht Emotionale Intelligenz präziser gefasst in der Verwirklichung von Attractio und der Vermeidung von Aversio innerhalb des emotionalen Systems, in dem wir mit anderen Menschen leben.


Eine [[Metaanalyse]] aus dem Jahr 2011 kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Vorhersagekraft von emotionaler Intelligenz für Berufserfolg auch von der Art des Messinstrumentes abhängt, mit dem emotionale Intelligenz gemessen wird. So können Leistungstests basierend auf dem Modell nach Mayer und Salovey den Berufserfolg nicht besser vorhersagen als die Kombination aus kognitiver Intelligenz und den [[Big Five (Psychologie)|fünf Persönlichkeitsdimensionen]]. Dagegen bieten Selbstberichte und aus den beiden vorgenannten Testformen gemischte Tests zusätzliche Vorhersagekraft.<ref>Ernest H. O’Boyle Jr. u.&nbsp;a.: [http://www.eitrainingcompany.com/wp-content/uploads/2012/12/EI-and-job-performance-meta-analysis.pdf ''The relation between emotional intelligence and job performance: A meta-analysis'']. In: ''Journal of Organizational Behavior''. 31, Nr. 5, Juli 2011, S. 788–818. [[doi:10.1002/job.714]].</ref> Weitere Forschungsergebnisse zu den Themen, die das Konzept der emotionalen Intelligenz ergänzen oder weiterführen, findet man in den Artikeln [[Emotionsregulation]], [[Umsetzungskompetenz]] und [[Volition (Psychologie)|Volition]].
==Siehe auch==
* [[Gefühl]]
* [[Emotion]]
* [[Wert]]
* [[Intelligenz]]


Die Psychologen Murphy und Sideman kritisieren den in der Populär- und Managementliteratur zirkulierenden verflachten Begriff der emotionalen Intelligenz. Sie halten das Konzept für hochgradig ''[[Fad (Hype)|fad]]''-verdächtig. Die blitzschnelle Verbreitung des Begriffs durch das Buch von Goleman und populäre Medien seit 1995 (ein ''[[Bandwagon-Effekt]]''), geringe Evidenz durch empirische Forschung, das Fehlen einer theoretischen Weiterentwicklung und die Gläubigkeit der Anhänger des Konzepts (''true believers'') wecken diesen Verdacht, der sich jedoch nicht gegen die ursprüngliche Version von Salovey und Mayer (1990) richte, die stärker an klassische Theorien anschließe und entwicklungsfähig sei. Im Übrigen sei der Begriff problematisch, weil allgemeine Intelligenz und das, was unter dem Begriff der emotionalen Intelligenz gemessen wird, wenig korreliert.<ref>Kevin R. Murphy, Lori Sideman: ''The fadification of emotional Intelligence'', in: Kevin R. Murphy (Hrsg.): ''A Critique of Emotional Intelligence: What Are the Problems and How Can They Be Fixed?'' Psychology Press, 2014, S. 283–300.</ref>
==Literatur==
* [[Daniel Goleman]]: ''Emotionale Intelligenz''. Hanser-Verlag München 1996. ISBN 3-446-18526-7
* Salovey, P. & Mayer, J. D.: Emotional Intelligence. ''Imagination, Cognition, and Personality, 9'', 185-211.
* [[Peter Schmidt]]: ''Scanning''. BELUGA-NEW-MEDIA Herten 2005. ISBN: 3-938152-01-X


Im Übrigen wäre im 19. Jahrhundert das, was heute (nach Ansicht von [[Ute Frevert]] „managementtauglich“) als emotionale Intelligenz bezeichnet wird, nicht im Rahmen von psychologischer Wissenschaft, sondern im Rahmen eines theologisch-moralischen Diskurses, in der Erziehungslehre oder in der Literatur behandelt worden. In diesem Kontext erscheint die Herzensbildung geradezu als Gegenstück zu ''Intelligenz'', wie dies etwa in der üblichen Wendung „Verstand und Herz“ (frz. ''intelligence et coeur'') zum Ausdruck kommt.<ref>[[Ute Frevert]]: [http://www.goethe.de/wis/bib/prj/hmb/the/158/de10438354.htm ''Herzensbildung. Gefühle und Empfindungen: Vom Wandel der Erziehungsideale über die Jahrhunderte''], in: ''Humboldt.'' Eine Publikation des [[Goethe-Institut]]s.</ref> Vergleiche als Beispiel hierfür etwa bei Marcel Proust, wo ''Herz'' im Sinne von ''Herzensbildung'' zu verstehen ist:
==Weblinks==
{{Zitat
*[http://www.post-skriptum.de/aversio.php
|Text=Qu’est-ce que cela peut faire qu’il soit duc ou cocher s’il a de l’intelligence et du coeur?
*[http://www.post-skriptum.de/attractio.php
|Sprache=fr
*[http://www.psychotherapie.de/psychotherapie/mythen/01101901.html Das Dumme an der Emotionalen Intelligenz: Wunschdenken, Gefühlsduselei und Geschäftemacherei statt stichhaltigem Konzept]
|Autor=Combray
*[http://www.zeitzuleben.de/inhalte/be/erfolgsmethoden/eq_1_was.html Emotionale Intelligenz (allgemeine Informationen)]
|Übersetzung=Was tut es denn, ob einer Herzog oder Droschkenkutscher ist, wenn er Geist und Herzensbildung besitzt?
* [http://www.infoquelle.de/Job_Karriere/Wissensmanagement/emotionale_Intelligenz.cfm Auszug aus einem Interview mit Daniel Goleman vom 13.04.1999 (Quelle: www.brueckenbauer.ch)]
|ref=<ref>Marcel Proust: ''Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: In Swanns Welt.''</ref>}}


== Siehe auch ==
[[Kategorie:Differentielle und Persönlichkeitspsychologie]]
* [[Ästhetische Intelligenz]]
* [[Praktische Intelligenz]]
* [[Psychologie]]


== Literatur ==
{{Lückenhaft|
* Daniel Goleman:
* Messung der Emotionalen Intelligenz: Neuster Stand? Welche Messinstrumente?
** ''Emotionale Intelligenz.'' Hanser, München 1996; dtv, München 2011, ISBN 978-3-423-19527-0.
* * Vollständige Liste der Korrelate?
** ''Dialog mit dem Dalai Lama. Wie wir destruktive Emotionen überwinden können.'' dtv, München 2005, ISBN 3-423-34207-2.
* Problem der Überschneidung mit anderen Persönlichkeitskonstrukten: Mit welchen?}}
** ''Die heilende Kraft der Gefühle. Gespräche mit dem Dalai Lama über Achtsamkeit, Emotion und Gesundheit.'' dtv, München 1998, ISBN 3-423-36178-6.
<!--- bitte neueste zuerst --->
* Jerrell C. Cassady, Mourad Ali Eissa (Hrsg.): ''Emotional Intelligence. Perspectives on Educational and Positive Psychology.'' Peter Lang, New York 2008, ISBN 978-1-4331-0196-0.
* [[Bernhard Jussen]], [[Susanne Scholz (Anglistin)|Susanne Scholz]], [[Ute Frevert]] (Hrsg.): ''Vergängliche Gefühle'', Wallstein, 2013, ISBN 978-3-8353-1160-2
* R. Schulze, P. A. Freund, R. D. Roberts: ''Emotionale Intelligenz. Ein internationales Handbuch.'' Hogrefe, Göttingen 2006, ISBN 978-3-8017-1795-7.
* [[Peter Salovey]], John D. Mayer: ''Emotional Intelligence.'' In: ''Imagination, Cognition, and Personality.'' Band 9. S. 185–211.
* John D. Mayer, P. Salovey, D. R. Caruso: ''Emotional Intelligence: Theory, Findings and Implications.'' In: ''Psychological Inquiry.'' Band 15, 2004. S. 197–215.
* J. H. Otto, E. Döring-Seipel, M. Grebe, E. D. Lantermann: ''Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung der wahrgenommenen emotionalen Intelligenz.'' In: ''Diagnostica.'' Band 47, 2001. S. 178–187.
* Christian Bourion: ''Emotional Logic and Decision Making. The Interface Between Professional Upheaval and Personal Evolution.'' 2004, ISBN 978-1-4039-4508-2. (Original: ''La logique emotionnelle'', 2. Ausgabe 2001, ISBN 978-2-7472-0236-7)
* H. Weber, H. Westmeyer: ''Die Inflation der Intelligenzen.'' In: [[Elsbeth Stern]], [[Jürgen Guthke]] (Hrsg.): ''Perspektiven der Intelligenzforschung.'' Pabst Science Publishers, Lengerich 2001, ISBN 978-3-935357-69-2.
* Ralf Schulze, P. Alexander Freund, Richard D. Roberts (Hrsg.): ''Emotionale Intelligenz. Ein internationales Handbuch''. Hogrefe, 1. Aufl. 2006, ISBN 978-3-8017-1795-7. [http://www.hogrefe.de/programm/media/catalog/Book/978-3-8017-1795-7_inh.pdf Inhaltsverzeichnis] (pdf). Darin (S. 191–212):
* Juan Carlos Pérez, K. V. Petrides, Adrian Furnham: ''Die Messung von emotionaler Intelligenz als Trait''


== Einzelnachweise ==
[[en:Emotional intelligence]]
<references />
[[fr:Intelligence émotionnelle]]

[[he:אינטליגנציה רגשית]]
{{Normdaten|TYP=s|GND=7509198-7}}
[[hu:Érzelmi intelligencia]]

[[nl:Emotionele intelligentie]]
[[Kategorie:Intelligenz]]
[[pl:Inteligencja emocjonalna]]
[[Kategorie:Emotion]]
[[pt:Inteligência emocional]]
[[sv:EQ]]

Aktuelle Version vom 7. März 2025, 12:08 Uhr

Emotionale Intelligenz ist ein von John D. Mayer (University of New Hampshire) und Peter Salovey (Yale University) im Jahr 1990 eingeführter Terminus. Er beschreibt die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle (korrekt) wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen.

Das Konzept der emotionalen Intelligenz beruht auf der Theorie der multiplen Intelligenzen von Howard Gardner, deren Kerngedanke bereits von Edward Lee Thorndike und David Wechsler als „soziale Intelligenz“ bezeichnet wurde. Diesen verdeutlichte Thorndike 1920 mit einem Beispiel, wonach der (fachlich) beste Mechaniker als Vorarbeiter scheitern wird, wenn es ihm an sozialer Intelligenz fehlt.[1] Das Thema „emotionale Intelligenz“ ist somit auch ein Beitrag zur Diskussion der Frage nach dem Erfolg im Leben und Beruf.

Zu dessen Popularisierung hat insbesondere der US-amerikanische Psychologe und Wissenschaftsjournalist Daniel Goleman mit seinem Buch EQ. Emotionale Intelligenz (1995) beigetragen.

Manche Autoren stellen die emotionale Intelligenz als Gegensatz zum klassischen Intelligenzbegriff dar. Tatsächlich geht es um die Erweiterung der klassischen Vorstellung von Intelligenz, in der lediglich kognitive und rein akademische Fähigkeiten als Voraussetzung für den Erfolg im Leben betrachtet werden.

Daniel Goleman definiert den Begriff emotionale Intelligenz in Anlehnung an Salovey und Gardner durch die folgenden Fähigkeiten:[2]

Die eigenen Emotionen kennen
Die eigenen Emotionen erkennen und akzeptieren, während sie auftreten. Diese Fähigkeit ist entscheidend für das Verstehen des eigenen Verhaltens und der eigenen Antriebe. (Hintergrund: Viele Menschen fühlen sich gegenüber ihren Gefühlen ausgeliefert, lehnen sie ab und bekämpfen oder vermeiden sie – statt sich der Tatsache bewusst zu sein, dass man Emotionen aktiv steuern kann.)
Emotionen beeinflussen
Gefühle so handhaben, dass sie der Situation angemessen sind (statt zu dramatisieren oder zu verharmlosen). Dazu gehört die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen und Gefühle der Angst, Gereiztheit, Enttäuschung oder Kränkung abzuschwächen und positive Gefühle zu verstärken. Dies hilft bei der Überwindung von Rückschlägen oder belastenden Situationen.
Emotionen in die Tat umsetzen
Emotionen so beeinflussen, dass sie bei der Erreichung von Zielen helfen. Dies ist der Kern der Selbstmotivation und fördert die Kreativität sowie die Häufigkeit von Erfolgserlebnissen. Dazu gehört auch, dass jemand in der Lage ist, kurzfristige (emotionale) Vorteile und Verlockungen hinauszuschieben (Belohnungsaufschub) und impulsive Reaktionen zu unterdrücken. Diese längerfristige Perspektive ist die Grundlage jeglichen Erfolges. In späteren Arbeiten ordnete Goleman diesen antriebs- und motivationsbezogenen Aspekt der oben genannten Fähigkeit Emotionen zu beeinflussen zu.
Empathie
Dies ist die Grundlage aller Menschenkenntnis und das Fundament zwischenmenschlicher Beziehungen. Ein Mensch, der erkennt, was andere fühlen, kann viel früher die oftmals versteckten Signale im Verhalten anderer erkennen und herausfinden, was sie brauchen oder wollen. Allerdings weist Goleman selbst in anderen Texten darauf hin, dass zugleich auch erkennbar wird, wie sie negativ beeinflussbar sind (leadership ability). Empathie ist also eine wertneutrale Fähigkeit – sie kann individuell positiv oder auch negativ empfundene Wirkung haben.
Umgang mit Beziehungen
Die Fähigkeit der erfolgreichen Gestaltung von Beziehungen besteht im Wesentlichen im Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen. Sie ist Grundlage für eine reibungslose Zusammenarbeit in nahezu allen beruflichen Umfeldern. Sie ist Voraussetzung für Beliebtheit, Wertschätzung und Integration in eine Gemeinschaft, andererseits aber auch für leadership ability (Goleman); eine Fähigkeit, die positiv wirken, jedoch auch der Manipulation dienen kann.

Zur Operationalisierung und Messung der emotionalen Intelligenz in einem Test haben Salovey und Mayer dieses Konzept in vier Bereiche gegliedert:

  • Wahrnehmung von Emotionen
  • Nutzung von Emotionen
  • Verstehen von Emotionen
  • Beeinflussung von Emotionen

Der erste Bereich Wahrnehmung von Emotionen umfasst die Fähigkeit, Emotionen in Mimik, Gestik, Körperhaltung und Stimme anderer Personen wahrzunehmen. Der zweite Bereich der Nutzung von Emotionen zur Unterstützung umfasst Wissen über die Zusammenhänge zwischen (eigenen und fremden) Emotionen und Gedanken, welches z. B. zum Problemlösen eingesetzt wird. Das Verstehen von Emotionen spiegelt die Fähigkeit wider, Emotionen zu analysieren, die Veränderbarkeit von Emotionen einzuschätzen und die Konsequenzen derselben zu verstehen. Die Beeinflussung von Emotionen erfolgt auf Basis der Ziele, des Selbstbildes und des sozialen Bewusstseins des Individuums und beinhaltet z. B. die Fähigkeiten, Gefühle zu vermeiden oder gefühlsmäßige Bewertungen zu korrigieren (Mayer, Salovey, Caruso, 2004).

Mayer, Salovey und David R. Caruso haben einen Test zur Messung der „emotionalen Intelligenz“ entwickelt, welcher dem Konzept herkömmlicher Leistungstests folgt. Der MSCEIT (Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test; Mayer, Salovey, Caruso, 2002, zitiert nach Mayer et al., 2004) misst jeden der vier Bereiche des Modells mit je zwei Untertests, welche im Folgenden beschrieben werden:

Wahrnehmung von Emotionen:

  • Emotionen in Gesichtern identifizieren
  • Emotionen in Landschaften und Designs identifizieren

Nutzung von Emotionen zur Unterstützung des Denkens:

  • emotionale Empfindungen mit anderen taktilen oder sensorischen Stimuli vergleichen
  • Emotionen identifizieren, die bestimmte Denkaufgaben bestmöglich unterstützen

Verstehen von Emotionen:

  • Wissen, unter welchen Umständen emotionale Zustände wechseln und wie ein emotionaler Zustand in einen anderen übergeht
  • Mehrere Emotionen in komplexeren affektiven Zuständen identifizieren

Umgang mit Emotionen:

  • Maßnahmen zur Veränderung des eigenen emotionalen Zustandes in hypothetischen Szenarien vorschlagen
  • Maßnahmen zur Beeinflussung des emotionalen Zustands anderer Personen zur Zielerreichung vorschlagen

Die Testgütekriterien interne Konsistenz und diskriminante Validität des MSCEIT erwiesen sich in Untersuchungen mit 5000 Datensätzen als gut. Die interne Konsistenz ist mit .98 für den Gesamttest sehr hoch. Die Validität wurde mittels Korrelationen mit anderen Intelligenz- und Persönlichkeitstest erhoben und zeigte, dass der MSCEIT kaum Überschneidungen mit anderen Teilintelligenzen aufweist. Auch die Zusammenhänge mit den Big Five (Persönlichkeitsmerkmale) waren ausreichend gering, um die diskriminante Validität als gegeben ansehen zu können.

Die deutsche Adaption des MSCEIT wird in einer aktuellen TBS-TK Rezension kritisch bewertet.[3] So wird beispielsweise der nicht transparente Konstruktionsprozess des Tests, fehlende Interpretationshinweise für die Testanwendung (Objektivität), unzureichende Angaben über die Normierungsstichprobe (Normierung) sowie eine nicht hinreichende Darstellung bzgl. der theoretischen Fundierung der Validitätskriterien kritisiert. Als positiv wird u. a. die zufriedenstellende Reliabilität sowie eine geringe Verfälschbarkeit gewürdigt. Insgesamt wird die deutsche Version des MSCEIT als teilweise unbefriedigend eingestuft, auf jeden Fall entsprechen die bisherigen Befunde nur teilweise den Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren.

Kritik konzentriert sich in erster Linie auf den Begriff „emotionale Intelligenz“ und auf die Frage, inwiefern er zu den traditionellen Konstrukten der Intelligenz passt und diese sinnvoll ergänzt. Inhaltlich beschreibt das Konzept dagegen höchst relevante Fähigkeiten des Menschen.[4] Diese werden in der Wissenschaft unter den Stichworten „Emotionsregulation“ oder „Selbstregulation“ diskutiert.[5] Ob sich der Begriff „emotionale Intelligenz“ in der Wissenschaft durchsetzen wird, dürfte in erster Linie davon abhängig sein, inwiefern es gelingt, dieses Konzept durch entsprechende Tests zu validieren und theoretisch von anderen psychologischen Konstrukten abzugrenzen.[6]

Einen Vorstoß in diese Richtung im deutschen Sprachraum unternahm Heiner Rindermann mit dem Fragebogen zur Messung der emotionalen Kompetenz. Dieser Test zur Operationalisierung und empirischen Überprüfung dieses Konzeptes basiert auf einer Normstichprobe von über 600 Personen und erzielt – so der Autor – zufriedenstellende Werte bei Validität und Reliabilität.[7] Er meint ferner, der Begriff Intelligenz sollte für kognitive Fähigkeiten reserviert bleiben und nicht überdehnt werden, zumal die Korrelation zwischen emotionaler Kompetenz und (kognitiver) Intelligenz nicht hoch sei (S. 9). Bei dem Test werden vier Dimensionen emotionaler Kompetenzen erhoben, nämlich die Fähigkeiten (1) zum Erkennen eigener Gefühle, (2) zum Erkennen der Gefühle anderer, (3) zur Regulation eigener Gefühle und (4) zum Ausdruck von Gefühlen als emotionale Expressivität.

Empirische Studien zeigen, dass Menschen, die die Fähigkeit besitzen, eigene und fremde Gefühle zu steuern, im beruflichen und privaten Leben erfolgreicher sind. Sie leiden weniger häufig unter psychischen Störungen, haben bessere persönliche Beziehungen, sind zufriedener und weniger anfällig für ungünstige Gewohnheiten wie Rauchen, ungesunde Ernährung usw.[8]

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2011 kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Vorhersagekraft von emotionaler Intelligenz für Berufserfolg auch von der Art des Messinstrumentes abhängt, mit dem emotionale Intelligenz gemessen wird. So können Leistungstests basierend auf dem Modell nach Mayer und Salovey den Berufserfolg nicht besser vorhersagen als die Kombination aus kognitiver Intelligenz und den fünf Persönlichkeitsdimensionen. Dagegen bieten Selbstberichte und aus den beiden vorgenannten Testformen gemischte Tests zusätzliche Vorhersagekraft.[9] Weitere Forschungsergebnisse zu den Themen, die das Konzept der emotionalen Intelligenz ergänzen oder weiterführen, findet man in den Artikeln Emotionsregulation, Umsetzungskompetenz und Volition.

Die Psychologen Murphy und Sideman kritisieren den in der Populär- und Managementliteratur zirkulierenden verflachten Begriff der emotionalen Intelligenz. Sie halten das Konzept für hochgradig fad-verdächtig. Die blitzschnelle Verbreitung des Begriffs durch das Buch von Goleman und populäre Medien seit 1995 (ein Bandwagon-Effekt), geringe Evidenz durch empirische Forschung, das Fehlen einer theoretischen Weiterentwicklung und die Gläubigkeit der Anhänger des Konzepts (true believers) wecken diesen Verdacht, der sich jedoch nicht gegen die ursprüngliche Version von Salovey und Mayer (1990) richte, die stärker an klassische Theorien anschließe und entwicklungsfähig sei. Im Übrigen sei der Begriff problematisch, weil allgemeine Intelligenz und das, was unter dem Begriff der emotionalen Intelligenz gemessen wird, wenig korreliert.[10]

Im Übrigen wäre im 19. Jahrhundert das, was heute (nach Ansicht von Ute Frevert „managementtauglich“) als emotionale Intelligenz bezeichnet wird, nicht im Rahmen von psychologischer Wissenschaft, sondern im Rahmen eines theologisch-moralischen Diskurses, in der Erziehungslehre oder in der Literatur behandelt worden. In diesem Kontext erscheint die Herzensbildung geradezu als Gegenstück zu Intelligenz, wie dies etwa in der üblichen Wendung „Verstand und Herz“ (frz. intelligence et coeur) zum Ausdruck kommt.[11] Vergleiche als Beispiel hierfür etwa bei Marcel Proust, wo Herz im Sinne von Herzensbildung zu verstehen ist:

« Qu’est-ce que cela peut faire qu’il soit duc ou cocher s’il a de l’intelligence et du coeur? »

„Was tut es denn, ob einer Herzog oder Droschkenkutscher ist, wenn er Geist und Herzensbildung besitzt?“

Combray[12]
  • Daniel Goleman:
    • Emotionale Intelligenz. Hanser, München 1996; dtv, München 2011, ISBN 978-3-423-19527-0.
    • Dialog mit dem Dalai Lama. Wie wir destruktive Emotionen überwinden können. dtv, München 2005, ISBN 3-423-34207-2.
    • Die heilende Kraft der Gefühle. Gespräche mit dem Dalai Lama über Achtsamkeit, Emotion und Gesundheit. dtv, München 1998, ISBN 3-423-36178-6.
  • Jerrell C. Cassady, Mourad Ali Eissa (Hrsg.): Emotional Intelligence. Perspectives on Educational and Positive Psychology. Peter Lang, New York 2008, ISBN 978-1-4331-0196-0.
  • Bernhard Jussen, Susanne Scholz, Ute Frevert (Hrsg.): Vergängliche Gefühle, Wallstein, 2013, ISBN 978-3-8353-1160-2
  • R. Schulze, P. A. Freund, R. D. Roberts: Emotionale Intelligenz. Ein internationales Handbuch. Hogrefe, Göttingen 2006, ISBN 978-3-8017-1795-7.
  • Peter Salovey, John D. Mayer: Emotional Intelligence. In: Imagination, Cognition, and Personality. Band 9. S. 185–211.
  • John D. Mayer, P. Salovey, D. R. Caruso: Emotional Intelligence: Theory, Findings and Implications. In: Psychological Inquiry. Band 15, 2004. S. 197–215.
  • J. H. Otto, E. Döring-Seipel, M. Grebe, E. D. Lantermann: Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung der wahrgenommenen emotionalen Intelligenz. In: Diagnostica. Band 47, 2001. S. 178–187.
  • Christian Bourion: Emotional Logic and Decision Making. The Interface Between Professional Upheaval and Personal Evolution. 2004, ISBN 978-1-4039-4508-2. (Original: La logique emotionnelle, 2. Ausgabe 2001, ISBN 978-2-7472-0236-7)
  • H. Weber, H. Westmeyer: Die Inflation der Intelligenzen. In: Elsbeth Stern, Jürgen Guthke (Hrsg.): Perspektiven der Intelligenzforschung. Pabst Science Publishers, Lengerich 2001, ISBN 978-3-935357-69-2.
  • Ralf Schulze, P. Alexander Freund, Richard D. Roberts (Hrsg.): Emotionale Intelligenz. Ein internationales Handbuch. Hogrefe, 1. Aufl. 2006, ISBN 978-3-8017-1795-7. Inhaltsverzeichnis (pdf). Darin (S. 191–212):
  • Juan Carlos Pérez, K. V. Petrides, Adrian Furnham: Die Messung von emotionaler Intelligenz als Trait

Einzelnachweise

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  1. D. G. Myers: Psychology. New York 2010
  2. D. Goleman: Emotionale Intelligenz. München und Wien 1996, S. 65 f.
  3. Burk, C. L., & Amelang, M. (2015). TBS-TK Rezension: MSCEIT–Mayer-Salovey-Caruso Test zur emotionalen Intelligenz. Deutschsprachige Adaptation des Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEIT TM ). Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O, 59(3), 155–157. doi:10.1026/0932-4089/a000188
  4. C.-H. Lammers: Emotionsbezogene Psychotherapie. Stuttgart 2008, S. 38
  5. J. J. Gross (Hrsg.): Handbook of Emotion Regulation. New York 2007 (2. Aufl. 2013: ISBN 978-1-4625-0350-6)
    J. P. Forgas et al.: Psychology of Self-Regulation. Psychology Press, New York 2009
  6. Süß, H.-M., Seidel, K., & Weis, S. (2008). Neue Wege zur leistungsbasierten Erfassung sozialer Intelligenz und erste Befunde. In W. Sarges & D. Scheffer (Hrsg.), Innovationen in der Eignungsdiagnostik (S. 129–143). Göttingen: Hogrefe.
  7. Heiner Rindermann: Emotionale-Kompetenz-Fragebogen, Einschätzung emotionaler Kompetenzen und emotionaler Intelligenz aus Selbst- und Fremdsicht. Hogrefe, Göttingen 2009
  8. J. P. Tangney: High self-control predicts good adjustment, less pathology, better grades, and interpersonal success. In: Journal of Personality. Band 72, April 2004, Issue 2, 271–324
  9. Ernest H. O’Boyle Jr. u. a.: The relation between emotional intelligence and job performance: A meta-analysis. In: Journal of Organizational Behavior. 31, Nr. 5, Juli 2011, S. 788–818. doi:10.1002/job.714.
  10. Kevin R. Murphy, Lori Sideman: The fadification of emotional Intelligence, in: Kevin R. Murphy (Hrsg.): A Critique of Emotional Intelligence: What Are the Problems and How Can They Be Fixed? Psychology Press, 2014, S. 283–300.
  11. Ute Frevert: Herzensbildung. Gefühle und Empfindungen: Vom Wandel der Erziehungsideale über die Jahrhunderte, in: Humboldt. Eine Publikation des Goethe-Instituts.
  12. Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: In Swanns Welt.