Zum Inhalt springen

„Kulturgeschichte“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
K Änderungen von ~2025-40144-64 (Diskussion) auf die letzte Version von Serols zurückgesetzt
Markierung: Zurücksetzung
 
(363 dazwischenliegende Versionen von mehr als 100 Benutzern, die nicht angezeigt werden)
Zeile 1: Zeile 1:
Die '''Kulturgeschichte''' befasst sich mit der Erforschung und Darstellung des geistig-kulturellen Lebens in Zeiträumen und Landschaften.
Als '''Kulturgeschichte''' bezeichnet man die [[Geschichte]] des [[geistig]]-[[Kultur|kulturell]]en Lebens, der [[Zivilisation]], und deren [[Erforschung]] und [[Darstellung (Wiedergabe)|Darstellung]].


== Begriff und Gegenstandsbereich ==
Die Kulturgeschichte befasst sich nicht direkt mit der politischen Geschichte oder Staatsgeschichte. In der Kulturgeschichte sind die Jahreszahlen unwichtiger als in der politischen Geschichtsschreibung.
Elemente der Kulturgeschichte sind u. a. die [[Familie (Soziologie)|Familie]], die [[Sprache]], das [[Brauchtum]], die [[Religion]], die [[Kunst]] und die [[Wissenschaft]]. Die Kulturgeschichte beruht auf einem weiten Quellenbegriff, der z. B. auch „Alltagsquellen“ beinhaltet.


Die Kulturgeschichte befasst sich nicht direkt mit der politischen Geschichte oder Staatsgeschichte. In der Kulturgeschichte ist die Angabe genauer Zeitpunkte weniger relevant als in der politischen [[Geschichtsschreibung]].
Der Begriff Kulturgeschichte geht auf das [[18. Jahrhundert]] zurück und fußt im Glauben der [[Aufklärung]] ([[Voltaire]]) an die ständig fortschreitende kulturelle Entwicklung der Menschheit. In der deutschen [[Romantik]] ([[Johann Gottfried Herder]]) sah man jedes unbewusste Schaffen als Teil der Kulturgeschichte und erkannte in ihm den Ausdruck eines "Volksgeistes". Das [[20. Jahrhundert]] führte zu einer [[Kulturphilosophie]] mit Vertretern wie [[Arnold J. Toynbee]] und [[Oswald Spengler]], die ihre Erkenntnisse aus einer vergleichenden Kulturgeschichte der Völker entwickelten. [[Alfred Weber]] entwickelte die Kulturgeschichte mehr in Richtung der Geistesgeschichte zur [[Kultursoziologie]].


Der Begriff Kulturgeschichte geht auf das [[18. Jahrhundert]] zurück und fußt im Glauben der [[Aufklärung]] ([[Voltaire]]) an die ständig fortschreitende kulturelle Entwicklung der Menschheit. In der deutschen [[Romantik]] ([[Johann Gottfried Herder]]) sah man jedes unbewusste Schaffen als Teil der Kulturgeschichte und erkannte in ihm den Ausdruck eines „Volksgeists“. Das [[20. Jahrhundert]] führte zu einer [[Kulturphilosophie]] mit Vertretern wie [[Arnold J. Toynbee]] und [[Oswald Spengler]], die ihre Erkenntnisse aus einer vergleichenden Kulturgeschichte der Völker entwickelten. [[Alfred Weber]] entwickelte die Kulturgeschichte mehr in Richtung der Geistesgeschichte zur [[Kultursoziologie]].
Elemente der Kulturgeschichte sind die [[Familie (Soziologie)|Familie]], die [[Sprache]], das [[Brauchtum]], die [[Religion]], die [[Kunst]] und die [[Wissenschaft]].


== „Neue Kulturgeschichte“ in der Geschichtswissenschaft ==
Die Kulturgeschichte beruht auf einem weiten Quellenbegriff, der auch "Alltagsquellen" beinhaltet.
{{Hauptartikel|Neue Kulturgeschichte}}


Unter Kulturgeschichte werden in der [[Geschichtswissenschaft]] sehr unterschiedliche Konzepte verstanden. Zum einen gibt es Historiker, die unter „Kulturgeschichte“ bestimmte Forschungsgegenstände verstehen, die in der Regel von der politischen Geschichte abgegrenzt werden. Zum anderen wird in jüngerer Zeit von Historikern wie [[Ute Daniel]], [[Barbara Stollberg-Rilinger]] oder [[Thomas Mergel]] ein Kulturgeschichtsbegriff vertreten, der sich nicht auf bestimmte Gegenstände bezieht.
== Siehe auch ==
*[[Alltagsgeschichte]]
*[[Geistesgeschichte]]
*[[Geschichte der Pädagogik]]
*[[Historiografie]]
*[[Kunstgeschichte]]
*[[linguistic turn]]
*[[Literaturgeschichte]]
*[[Religionsgeschichte]]
*[[Wissenschaftsgeschichte]]


In den 1980er Jahren entstand innerhalb der [[Sozialgeschichte]] eine kritische Forschungsrichtung, die insbesondere die „Suche nach sozialen, politischen und vor allem ökonomischen Determinanten/Faktoren und den daraus erklärbaren langfristigen Prozessen“ als „eurozentrische Fortschrittsgeschichte“ ablehnte. In dieser „sozial-, politik- oder wirtschaftsgeschichtlich ausgerichteten Struktur- und Prozessgeschichte“ komme die „kulturelle Kreativität der Menschen in der Gestaltung ihrer Lebenszusammenhänge“ nicht ‚angemessen‘ zum Tragen.<ref>Lutz Raphael: ''Geschichtswissenschaft der Extreme'', S. 233.</ref> So wurde mit einer „neuen Kulturgeschichte“ ''(New Cultural History)'' das Forschungsinteresse auf „symbolische Formen der Vergangenheit“ gelenkt wie „Zeichen, Metaphern, politische Sprachen, kollektive Repräsentationen oder Rituale“. Die Übergange zur Sozialgeschichte sind daher in der Praxis fließend.<ref>Lutz Raphael: ''Geschichtswissenschaft der Extreme'', S. 228.</ref>

Es geht dieser neuen Kulturgeschichte also darum, eine bestimmte, eben kulturgeschichtliche, [[Perspektive]] nicht nur auf hochkulturelle Gegenstände zu richten. Auf diese Weise wird der Anspruch erhoben, gerade auch Gegenstände auf kulturgeschichtlichem Weg zu erforschen, von denen sich die traditionelle Kulturgeschichtsschreibung immer deutlich abgrenzte, wie der Politik und dem Recht. Im Zentrum einer kulturgeschichtlichen Analyse des Politischen und Rechtlichen stehen im Gegensatz zur traditionellen Politikgeschichte die kommunikativen Prozesse gerade auch im Alltagsleben. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive sind politische und rechtliche Institutionen keine objektiven Gegebenheiten mit rationaler Struktur, sondern Kondensate kommunikativ erhobener, anerkannter oder zurückgewiesener Geltungsansprüche. [[Kommunikation]] wird dabei als Zeichenaustausch verstanden, weswegen besonders elaborierte Zeichen – Symbole, Rituale oder Zeremonien – für die neue Kulturgeschichte eine prominente Rolle spielen. Denn Text- und Symbolquellen eröffnen keinen objektiven Blick auf die Tatsachen der Geschichte, sondern liefern lediglich Hinweise auf die sprachliche Kommunikation der Vergangenheit. Dieser als ''Linguistic Turn'' ([[Linguistische Wende]]) in die Geschichtswissenschaft eingegangener Paradigmenwechsel basierte auf der Auffassung, dass auch „soziale Lagen, Marktzwänge oder demografische Entwicklung ihrerseits als eigenständige Faktoren auf die semiotischen Praktiken der betroffenen Menschen einwirken“.<ref>Lutz Raphael: ''Geschichtswissenschaft der Extreme'', S. 233 f.</ref>

== Siehe auch ==
{{Mehrspaltige Liste |breite=18em |gesamtbreite=60em |liste=
* [[Alltagsgeschichte]]
* [[Ethnologie]]
* [[Historische Anthropologie]]
* [[Kulturgeographie]]
* [[Mentalitätsgeschichte]]
* [[Sittengeschichte]]
* [[Volkskunde]]
* [[Architekturgeschichte]]
* [[Geistesgeschichte]]
* [[Ideengeschichte]]
* [[Kunstgeschichte]]
* [[Rechtsgeschichte]]
* [[Technikgeschichte]]
* [[Wissenschaftsgeschichte]]
* [[Mediengeschichte]]
* [[Archiv für Kulturgeschichte]]
* [[Geschichte der Pädagogik]]
* [[Kulturanthropologie]]
* [[Literaturgeschichte]]
* [[Religionsgeschichte]]
* [[Volksglaube]]
}}


== Literatur ==
[[Kategorie:Kulturgeschichte|!]] [[Kategorie:Volkskunde]]
* [[Peter Burke (Historiker)|Peter Burke]]: ''Eleganz und Haltung – Die Vielfalt der Kulturgeschichte.'' Aus dem Englischen von Matthias Wolf. Wagenbach, Berlin 1998, ISBN 978-3-8031-3597-1.
* Peter Burke: ''Was ist Kulturgeschichte?'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-518-58442-2.
* Christoph Conrad, [[Martina Kessel]] (Hrsg.): ''Kultur & Geschichte. Neue Einblicke in eine alte Beziehung''. Reclam, Stuttgart 1998, ISBN 3-15-009638-3.
* [[Ute Daniel]]: ''Kompendium Kulturgeschichte – Theorien, Praxis, Schlüsselwörter.'' 5., durchgesehene und aktualisierte Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-518-29123-8.
* Lars Deile: ''Die Sozialgeschichte entlässt ihre Kinder – Ein Orientierungsversuch in der Debatte um Kulturgeschichte.'' In: ''[[Archiv für Kulturgeschichte]]'', Band 87 (2005), {{ISSN|0003-9233}}, S. 1–25.
* [[Martin Eichhorn]]: ''Kulturgeschichte der „Kulturgeschichten“ – Typologie einer Literaturgattung.'' (= ''Epistemata,'' Band 417). Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 978-3-8260-2341-5 (zugl. Dissertation, Humboldt-Universität, Berlin 2001).
* [[Michael Erbe]]: ''Die Erfindung der Antike – Das Altertum und der Aufbruch in die Neuzeit.'' wjs-Verlag, Berlin 2005, ISBN 978-3-937989-07-5.
* Heinz Fischer (Hrsg.): ''Deutsche Kultur – Eine Einführung.'' 2., neubearbeitete und ergänzte Auflage. Schmidt, Berlin 1977, ISBN 3-503-01260-5.
* [[Egon Friedell]]: ''Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten Orients.'' (= ''[[Kulturgeschichte des Altertums]],'' Band 1). Neuauflage. Beck, München 1998, ISBN 978-3-406-44054-0.
* Egon Friedell: ''Kulturgeschichte Griechenlands.'' (= ''Kulturgeschichte des Altertums,'' Band 2). Neuauflage. Beck, München 1994, ISBN 978-3-406-38061-7.
* Egon Friedell: ''[[Kulturgeschichte der Neuzeit]].'' Ausgabe in einem Band. Beck, München 1996, ISBN 978-3-406-40988-2.
* [[Hermann Glaser]]: ''Kleine Kulturgeschichte der Gegenwart mit einem Führer durch das Sachschrifttum'', Ullstein Buch Nr. 229, Ullstein Taschenbücher-Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1959.
* Stefan Haas: ''Historische Kulturforschung in Deutschland 1880-1930.'' Böhlau, Köln/Weimar/Wien 1994, ISBN 978-3-412-09793-6 (zugl. Dissertation, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster 1992).
* Jean-Pierre V. M. Hérubel: ''Observations on an Emergent Specialization – Contemporary French Cultural History. Significance for Scholarship.'' In: ''Journal of Scholarly Publishing'', Bd. 41 (2010), Heft 2, {{ISSN|0036-634X}}, S. 216–240 (französisch).
* [[Achim Landwehr]]: ''Kulturgeschichte.'' (= ''UTB,'' Band 3037). Ulmer, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8252-3037-1.
* [[Michael Maurer (Historiker)|Michael Maurer]]: ''Kulturgeschichte – Eine Einführung.'' (= ''[[Uni-Taschenbücher|UTB]],'' Band 3060). Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-8252-3060-9.
* [[Christoph Parry]]: ''Menschen, Werke, Epochen – Eine Einführung in die deutsche Kulturgeschichte.'' Hueber, Ismaning 1993, ISBN 978-3-19-001498-9.
* Philippe Poirrier: ''Les enjeux de l’histoire culturelle.'' (''Points Histoire,'' Band 342). Seuil, Paris 2004, ISBN 2-02-049245-8 (französisch).
* Philippe Poirrier (Hrsg.): ''L’Histoire culturelle – Un « tournant mondial » dans l’historiographie?'' Éditions universitaires de Dijon, Dijon 2008, ISBN 978-2-915611-06-9 (französisch).
* [[Martin Puchner]]: ''Kultur. Eine neue Geschichte der Menschheit.'' Klett-Cotta, Stuttgart 2025, ISBN 978-3-608-96659-6)
* [[Lutz Raphael]]: ''Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme – Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart.'' (''Beck'sche Reihe.'' Band 1543). 2. Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 978-3-406-60344-0.
* Kurt Schreiner: ''So lebten wir früher – 2000 Jahre Alltags- und Kulturgeschichte im Überblick.'' Aktualisierte Neuausgabe. Anaconda, Köln 2016, ISBN 978-3-7306-0322-2.
* [[Barbara Stollberg-Rilinger]]: ''Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?'' (= ''[[Zeitschrift für historische Forschung]],'' Beiheft 35). Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 978-3-428-11868-7.
* Silvia Serena Tschopp, [[Wolfgang Weber (Historiker, 1950)|Wolfgang E. Weber]]: ''Grundfragen der Kulturgeschichte.'' WBG, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-534-17429-4.
* [[Alfred Weber]]: ''Kulturgeschichte als Kultursoziologie.'' (= ''Alfred-Weber-Gesamtausgabe.'' Band 1). Metropolis-Verlag, Marburg 1997, ISBN 978-3-89518-101-6.
* [[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Die Herausforderung der Kulturgeschichte.'' (''Beck'sche Reihe,'' Band 1276). C. H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-42076-1.


== Weblinks ==
Unter "Kulturgeschichte" werden in der [[Geschichtswissenschaft]] sehr unterschiedliche Konzepte verstanden. Prinzipiell lassen sich zwei Strömungen unterscheiden. Zum einen gibt es Historiker, die unter "Kulturgeschichte" bestimmte Forschungsgegenstände verstehen, die in der Regel von der politischen Geschichte abgegrenzt werden. Zum anderen wird in jüngerer Zeit von Historikern wie Ute Daniel, Barbara Stollberg-Rilinger oder Thomas Mergel ein Kulturgeschichtsbegriff vertreten, der sich nicht auf bestimmte Gegenstände bezieht. Vielmehr geht es dieser Neuen Kulturgeschichte darum, eine bestimmte, eben kulturgeschichtliche, [[Perspektive]] auf alle möglichen Gegenstände zu richten. Auf diese Weise wird der Anspruch erhoben, gerade auch Gegenstände zu erforschen, von denen sich die traditionelle Kulturgeschichtsschreibung immer deutlich abgrenzte: Nämlich Politik und Recht. Im Zentrum einer kulturgeschichtlichen Analyse des Politischen und Rechtlichen stehen dabei kommunikative Prozesse. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive sind politische und rechtliche Institutionen keine objektiven Gegebenheiten mit rationaler Struktur, sondern Kondensate kommunikativ erhobener, anerkannter oder zurückgewiesener Geltungsansprüche. [[Kommunikation]] wird dabei als Zeichenaustausch verstanden, weswegen besonders elaborierte Zeichen - Symbole, Rituale oder Zeremonien - für die Neue Kulturgeschichte eine prominente Rolle spielen.
{{Wiktionary}}
* {{HLS|47769|Kulturgeschichte|Autor=[[Christoph Maria Merki]]|Datum=2015-02-19}}
* Bernd Leineweber: [https://www.deutschlandfunk.de/was-ist-kulturgeschichte.730.de.html?dram:article_id=102550 ''Was ist Kulturgeschichte?'']. In: [[Deutschlandfunk.de]], 31. Oktober 2005
* [[Achim Landwehr]]: [https://docupedia.de/zg/Kulturgeschichte ''Kulturgeschichte''] Version: 1.0. In: [[Docupedia-Zeitgeschichte]], 14. Mai 2013
* [[Thomas Mergel]]: [https://docupedia.de/zg/Kulturgeschichte_der_Politik_Version_2.0_Thomas_Mergel ''Kulturgeschichte der Politik''] Version: 2.0. In: [[Docupedia-Zeitgeschichte]], 22. Oktober 2012
* ''Cultura Histórica:'' [http://www.culturahistorica.es/welcome.html Texte für Kulturgeschichte, Geschichtsphilosophie und Geschichtsschreibung] Zahlreiche Links im Bereich "Texts", erschlossen über Autor oder Thema, in engl. oder span. (selten franz.) Sprache. Ausführliche Bibliographie, in 9 Themenblöcken sortiert
* [https://en.unesco.org/themes/generalregionalhistories#humanity ''History of Humanity – Scientific and Cultural Development.''] UNESCO, 1996–2009 (universale Kulturgeschichte von der Vorgeschichte bis ins 20. Jahrhundert in sieben Bänden, jeder Band über 1000 Seiten)


== Einzelnachweise ==
==Bibliographie==
<references/>
*[[Peter Burke]], ''Was ist Kulturgeschichte?'', Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005
*Christoph Conrad, Martina Kessel, (Hg.), ''Kultur & Geschichte. Neue Einblicke in eine alte Beziehung'', Ditzingen: Reclam 1998
*Ute Daniel, ''Kompendium Kulturgeschichte'', Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001
*[[Hans-Ulrich Wehler]], ''Die Herausforderung der Kulturgeschichte'', München: C.H.Beck 1998


{{Normdaten|TYP=s|GND=7503708-7}}


[[Kategorie:Kulturgeschichte| ]]
[[en:Cultural history]]
[[Kategorie:Volkskunde]]
[[es:Historia cultural]]
[[Kategorie:Geschichtswissenschaft]]
[[nl:Cultuurgeschiedenis]]
[[zh:文化史]]

Aktuelle Version vom 12. Dezember 2025, 09:05 Uhr

Als Kulturgeschichte bezeichnet man die Geschichte des geistig-kulturellen Lebens, der Zivilisation, und deren Erforschung und Darstellung.

Begriff und Gegenstandsbereich

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Elemente der Kulturgeschichte sind u. a. die Familie, die Sprache, das Brauchtum, die Religion, die Kunst und die Wissenschaft. Die Kulturgeschichte beruht auf einem weiten Quellenbegriff, der z. B. auch „Alltagsquellen“ beinhaltet.

Die Kulturgeschichte befasst sich nicht direkt mit der politischen Geschichte oder Staatsgeschichte. In der Kulturgeschichte ist die Angabe genauer Zeitpunkte weniger relevant als in der politischen Geschichtsschreibung.

Der Begriff Kulturgeschichte geht auf das 18. Jahrhundert zurück und fußt im Glauben der Aufklärung (Voltaire) an die ständig fortschreitende kulturelle Entwicklung der Menschheit. In der deutschen Romantik (Johann Gottfried Herder) sah man jedes unbewusste Schaffen als Teil der Kulturgeschichte und erkannte in ihm den Ausdruck eines „Volksgeists“. Das 20. Jahrhundert führte zu einer Kulturphilosophie mit Vertretern wie Arnold J. Toynbee und Oswald Spengler, die ihre Erkenntnisse aus einer vergleichenden Kulturgeschichte der Völker entwickelten. Alfred Weber entwickelte die Kulturgeschichte mehr in Richtung der Geistesgeschichte zur Kultursoziologie.

„Neue Kulturgeschichte“ in der Geschichtswissenschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter Kulturgeschichte werden in der Geschichtswissenschaft sehr unterschiedliche Konzepte verstanden. Zum einen gibt es Historiker, die unter „Kulturgeschichte“ bestimmte Forschungsgegenstände verstehen, die in der Regel von der politischen Geschichte abgegrenzt werden. Zum anderen wird in jüngerer Zeit von Historikern wie Ute Daniel, Barbara Stollberg-Rilinger oder Thomas Mergel ein Kulturgeschichtsbegriff vertreten, der sich nicht auf bestimmte Gegenstände bezieht.

In den 1980er Jahren entstand innerhalb der Sozialgeschichte eine kritische Forschungsrichtung, die insbesondere die „Suche nach sozialen, politischen und vor allem ökonomischen Determinanten/Faktoren und den daraus erklärbaren langfristigen Prozessen“ als „eurozentrische Fortschrittsgeschichte“ ablehnte. In dieser „sozial-, politik- oder wirtschaftsgeschichtlich ausgerichteten Struktur- und Prozessgeschichte“ komme die „kulturelle Kreativität der Menschen in der Gestaltung ihrer Lebenszusammenhänge“ nicht ‚angemessen‘ zum Tragen.[1] So wurde mit einer „neuen Kulturgeschichte“ (New Cultural History) das Forschungsinteresse auf „symbolische Formen der Vergangenheit“ gelenkt wie „Zeichen, Metaphern, politische Sprachen, kollektive Repräsentationen oder Rituale“. Die Übergange zur Sozialgeschichte sind daher in der Praxis fließend.[2]

Es geht dieser neuen Kulturgeschichte also darum, eine bestimmte, eben kulturgeschichtliche, Perspektive nicht nur auf hochkulturelle Gegenstände zu richten. Auf diese Weise wird der Anspruch erhoben, gerade auch Gegenstände auf kulturgeschichtlichem Weg zu erforschen, von denen sich die traditionelle Kulturgeschichtsschreibung immer deutlich abgrenzte, wie der Politik und dem Recht. Im Zentrum einer kulturgeschichtlichen Analyse des Politischen und Rechtlichen stehen im Gegensatz zur traditionellen Politikgeschichte die kommunikativen Prozesse gerade auch im Alltagsleben. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive sind politische und rechtliche Institutionen keine objektiven Gegebenheiten mit rationaler Struktur, sondern Kondensate kommunikativ erhobener, anerkannter oder zurückgewiesener Geltungsansprüche. Kommunikation wird dabei als Zeichenaustausch verstanden, weswegen besonders elaborierte Zeichen – Symbole, Rituale oder Zeremonien – für die neue Kulturgeschichte eine prominente Rolle spielen. Denn Text- und Symbolquellen eröffnen keinen objektiven Blick auf die Tatsachen der Geschichte, sondern liefern lediglich Hinweise auf die sprachliche Kommunikation der Vergangenheit. Dieser als Linguistic Turn (Linguistische Wende) in die Geschichtswissenschaft eingegangener Paradigmenwechsel basierte auf der Auffassung, dass auch „soziale Lagen, Marktzwänge oder demografische Entwicklung ihrerseits als eigenständige Faktoren auf die semiotischen Praktiken der betroffenen Menschen einwirken“.[3]

Wiktionary: Kulturgeschichte – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft der Extreme, S. 233.
  2. Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft der Extreme, S. 228.
  3. Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft der Extreme, S. 233 f.