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„Kanoniker“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt kirchliche Kanoniker, auch Chorherren genannt, nicht zu verwechseln mit [[Kanonistik|Kanonisten]]; zu weiteren Bedeutungen siehe [[Chorherr (Begriffsklärung)]] und [[Kanoniker (Musik)]].<br />
Über Kanoniker in der Musik siehe [[Kanoniker (Musik)]].
''Canonicus'' und ''Canonici'' sind Weiterleitungen auf diesen Artikel. Für den Häuptling der Narraganset siehe [[Canonicus (Sachem)]], für den italienischen Jesuiten, Lehrer, Bibliophilen und Kunstsammler Matteo Luigi Canonici (1727–1805) siehe [[Matteo Luigi Canonici]].}}
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[[Datei:SANGUIS BRUGENSIS14 36.JPG|mini|hochkant|Bischof und Kanoniker (rechts), [[Brügge]] 2014]]
'''Kanoniker''' (lat. Clerici canonici, weibliche Form: Kanonissen) kann man weitestgehend beschreiben als Kleriker aller Weihestufen, die an Kathedralen, Stadt- und Landbasiliken oder Grosspfarreien unter der Leitung eines Bischofs oder Archipresbyters an der gemeinsamen Liturgie (feierlicher Gottesdienst, Stundengebete) mitwirken. Dafür werden sie mehr oder weniger vollständig aus den Kirchengütern unterhalten. Sie leben in Gemeinschaft unter der Leitung des Bischofs, Abtes oder Archipresbyters. Die nach dem Vorbild des [[Augustinus von Hippo|Augustinus]] als Abgrenzung zum (benediktinischen) Mönchtum entwickelte Kanonikerregel (regula canonicorum) wurde 755 durch Bischof [[Chrodegang]] von Metz für sein Bistum entwickelt, und weiter entwickelt durch die [[Reichssynode von Aachen]] im Jahre 816 für das gesamte Karolingerreich verbindlich festgelegt.
[[Datei:Der-kanonikus-stephan-gardiner.jpg|mini|hochkant|Kanoniker im 16. Jahrhundert mit dem [[Almutium]] über dem linken Arm]]
[[Datei:Portret van Pierre-Louis Stillemans door Jozef Janssens de Varebeke.jpg|mini|hochkant|Flämischer Kanoniker mit Almutium]]
[[Datei:Memorietafel Rijksmuseum SK-A-2312.jpeg|mini|hochkant|[[Meister der Spes nostra]]: ''Kanoniker und Heilige bei einem Grab oder Allegorie der Vergänglichkeit.'' ca. 1500]]


'''Kanoniker''', auch '''Stiftsherren''' oder '''Chorherren''' genannt, sind [[Kleriker]] aller Weihestufen zumeist der [[römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] bzw. der [[Anglikanische Gemeinschaft|anglikanischen Kirche]], die als Mitglieder eines [[Domkapitel]]s oder eines [[Stiftskapitel]]s an einer [[Kathedrale]], [[Basilica maior|Basilika]] oder Ordenskirche an der gemeinsamen [[Liturgie]] mitwirken. Unter gemeinsamer Liturgie versteht man die Feier der [[Heilige Messe|heiligen Messe]] und des [[Stundengebet]]s, zu der alle Priester verpflichtet sind, ob allein oder in Gemeinschaft. Daher stammt auch die Bezeichnung ''Kanoniker'', der vom [[kirchenlatein]]ischen Begriff ''canonicus'' abgeleitet ist, der seinerseits auf das Griechische zurückgeht (κανών „Regel, Richtscheit“ bzw. κανονικός „regelhaft, verpflichtend“).<ref>Rudolf Kassühlke: ''Kleines Wörterbuch zum Neuen Testament''. 2. Auflage. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1999, S. 97.</ref> Die Zeiten der „kanonischen Stunden“ ''(horae canonicae)'', das heißt, die des Stundengebets, sind im Abendland seit der Mitte des 6. Jahrhunderts durch die [[Regula Benedicti|Benediktregel]] umschrieben.<ref>Andreas Heinz: ''Kirchlich-religiöses Leben. Klerus und Gottesdienst an der Trierer Domkirche.'' In: Werner Rössel (Hgb.): ''Das Domkapitel Trier im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Beiträge zu seiner Geschichte und Funktion''. Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 2018, S. 295–377, hier S. 321.</ref>
Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts beobachtet man eine Reform bei den Kanonikern, die zu regulierten Chorherrenstiften führt. Unter Verzicht auf Eigentum im Zeichen der ''vita apostolica'' kam es zum Bruch mit der ''Institutio Aquisgraenensis'' von 816 und zur Ausbildung des ''regulierten Kanonikertums''. Regularkanoniker legten ein Gelübde auf ihr Domstift (Hochstift) oder Kollegiatstift (Niederstift) ab, und wählten aus unter den beiden überlieferten Augustinusregeln, entweder die massvollere Version ''Praeceptum/ordo antiquus'' oder der strengeren Observanz folgend die Version ''Ordo monasterii/ordo novus''. Der von Norbert von Xanten initiierte Prämonstratenserorden (Entstehung ab 1220 in Prémontré/Nordfrankreich) entschied sich für den ''ordo novus''. Säkularkanoniker legten kein Gelübde ab (auch kein Armutsgelübde) und konnten die reichhaltigen Chorherrenpfründe ab dem 11./12 Jahrhundert teilweise als Privatbesitz erwerben. Die seelsorgerischen Aufgaben gerieten dabei häufig in den Hintergrund und wurden durch Vikare erledigt. Besonders der Adel benutzte häufig Säkularkanonikerpositionen an Stiften zur Versorgung nachgeborener Söhne, und als Karrieresprungbrett. Positiver war der Aspekt, dass Säkularkanoniker im Spätmittelalter eine bedeutende Rolle bei der Gründung der Landesuniversitäten in Deutschland spielten. Die ersten Professoren waren vorwiegend Kanoniker.


Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten von Stiftsherren: einerseits den ''[[Regularkanoniker]]n'' oder ''regulierten Chorherren'', deren Gemeinschaftsgrundlage meist die [[Augustinusregel]] ist, und andererseits den ''[[Säkularkanoniker]]n'', die nach ''Consuetudines'', also Auslegungen mönchischer Ordensregeln, leben.
Die Frauengemeinschaften der ''Kanonissen'' (der Begriff taucht erst im 11. Jahrhundert auf) sind definiert als Frauen, die in einer Kommunität ein religiöses Leben unter einer Äbtissin führen, ohne an eine monastische Gemeinschaft gebunden zu sein (Aachener Constitutio von 816). Privatbesitz war erlaubt, das Erbrecht war uneingeschränkt, und die Stiftsdamen/Kanonissen durften abgetrennte Wohnungen mit einer Dienerin bewohnen, d.h. es handelte sich in der Regel um Adelige. Die anfangs noch recht häufigen Doppelstifte von Chorherren und Chordamen wurden im Laufe des Hochmittelalters mehr und mehr aufgelöst, wobei meist die Stiftsdamen (Kanonissen) weichen mussten, und die selbstwählbare Äbtissin durch einen vom Bischof oder Abt ernannten Prior oder Propst als Vorsteher ersetzt wurde. Gehörten die Damen eines Stifts allerdings vorwiegend dem Hochadel an, so blieb es meist bei der Leitung durch eine Äbtissin aus diesen Kreisen.


Kanoniker leben in Gemeinschaft. Der Vorsteher eines Kapitels ist in der Regel ein [[Propst]], manchmal ist die Leitung auch einem [[Dekan (Kirche)|Dekan]] oder [[Prior]] übertragen; einige Kapitel werden direkt vom [[Diözesanbischof]] geleitet. An den vier (großen) römischen [[Patriarchalbasilika|Papstbasiliken]] führt der Vorsteher, in der Regel ein Kardinal, den Titel eines [[Archipresbyter|Erzpriesters]]. {{Anker|Canonicus a latere}}Als '''''canonicus a latere''' (Episcopi)'' (‚Kanoniker an der Seite [des Bischofs]‘) wurden Domherren bezeichnet, die vom Bischof in ein Vertrauensverhältnis an seinen Hof berufen wurden und dort für ihn besondere Aufgaben ausführten.<ref>Friedrich Keinemann: ''Ernennungen von Canonici a latere in den westfälischen Hochstiften nach der preußischen Okkupation.'' In: ''[[Westfälische Zeitschrift]]'' 118 (1968) / Internet-Portal "Westfälische Geschichte"
Die Kleidung der Kanoniker war im [[12. Jahrhundert]] ein langer [[Leibrock]], darüber das leinene [[Chorhemd]] ([[Albe]]); dann das [[Almutium]], eine Mütze von Schaffell, welche Kopf, Hals und Schultern bedeckte; dazu ein schwarzer Mantel ohne Kragen und die [[Kalotte]] (Käppchen). Die späteren prachtliebenden Chorherren gaben dieser Tracht ein gefälligeres Aussehen und vertauschten namentlich das Käppchen mit dem viereckigen [[Barett (Kirche)]], woran man jetzt die Chorherren zu erkennen pflegt.
[https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-5846.pdf lwl.org]</ref><ref>Art. ''Canonicus a Latere Episcopi''. In: [[Deutsche Encyclopädie|Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften]], Bd. 5: ''Can – Cn''. Varrentrapp und Wenner, Frankfurt am Main 1781, S. 96–97.</ref> Die Chorherren sind heute meist in der Seelsorge tätig und werden mehr oder weniger vollständig aus den Kirchengütern unterhalten.


Das Mitglied eines [[Domkapitel|Kathedralkapitels]] bezeichnet man als ''[[Kapitular|Domkapitular]]'', das Mitglied eines [[Kollegiatstift|Säkularkanonikerstiftes]] oder eines Ordens regulierter Chorherren (Regularkanoniker) als ''Kanonikus'' oder ''Chorherr''. Ein jedes dieser Kapitel kann darüber hinaus verdiente Geistliche – im Ausnahmefall auch Laien besonderen Ranges – mit dem Titel eines ''Ehrenkanonikers'' auszeichnen.
Heute nennt man Kanoniker ('''Kanonikus''', '''Chorherr''', [[Domherr]], [[Domkapitular]], [[Stiftherr]]) das Mitglied eines [[Kapitel]]s.


== Geschichte ==
==Bekannte Kanoniker/Kanonikus==
Die nach dem Vorbild des [[Augustinus von Hippo|Augustinus]] als Abgrenzung zum (benediktinischen) Mönchtum entwickelte Kanonikerregel ''(regula canonicorum)'' wurde 755 durch Bischof [[Chrodegang]] von [[Metz]] für sein Bistum festgelegt, weiter entwickelt auf der [[Synoden von Aachen (816-819)|Reichssynode von Aachen]] durch Kaiser [[Ludwig der Fromme|Ludwig den Frommen]] (Ludwig&nbsp;I.) und im Jahr 816 für das gesamte Karolingerreich als verbindlich festgelegt. Eine Gemeinschaft von Weltgeistlichen nennt man ein [[Kollegiatstift]].
* [[Norbert von Xanten]] (Kanonikus [[1080]]-[[1134]])
* [[Innozenz IV. (Papst)]] (Kanoniker -[[1254]])
* [[Guillaume de Machaut]] (Kanonikus [[1337]]-[[1377]])
* [[Jakob Fugger]] (Kanonikus vor [[1478]]-[[1525]])
* [[Nikolaus Kopernikus]] (Kanoniker [[1495]]-[[1543]])
* [[Martin Schrettinger]] (Kanonikus [[1839]]-[[1851]])
&nbsp;


Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts war eine Reform bei den Kanonikern zu beobachten, die zu regulierten Chorherrenstiften führte. Unter Verzicht auf Eigentum im Zeichen der ''vita apostolica'' kam es zum Bruch mit der ''Institutio canonicorum Aquisgranensis'' (Aachener Institution) von 816 und zur Ausbildung des regulierten Kanonikertums. [[Regularkanoniker]] legten ein Gelübde auf ihr Domstift (Hochstift) oder Kollegiatstift (Niederstift) ab und wählten unter den beiden überlieferten [[Augustinusregel]]n, entweder die maßvollere Version ''praeceptum / ordo antiquus'' oder der strengeren Observanz folgend die Version ''ordo monasterii / ordo novus''. Der von [[Norbert von Xanten]] initiierte [[Prämonstratenser]]orden (Entstehung ab 1120 in [[Abtei Prémontré|Prémontré]]) entschied sich zum Beispiel für den ''ordo novus''.
==Regularkanoniker==

Die daneben weiter bestehenden Säkularkanoniker legten keine Gelübde ab und konnten die häufig reichhaltigen [[Pfründe|Chorherrenpfründen]] des Stiftungsvermögens ab dem 11./12. Jahrhundert oft noch ihrem Privatvermögen hinzufügen. Die seelsorgerischen Aufgaben gerieten dabei häufig in den Hintergrund und wurden dann nur noch durch Vikare erledigt. Besonders der Adel nutzte häufig Säkularkanonikerpositionen an Stiften zur Versorgung nachgeborener Söhne und als Sprungbrett für eine Karriere im Klerus oder bei Hofe. Ein positiver Aspekt des Säkularkanonikertums war seine bedeutende Rolle bei der Gründung der Universitäten im Spätmittelalter. Die ersten Professoren dieser neu gegründeten Universitäten waren überwiegend Säkularkanoniker. Solche [[Kollegiatstift]]e säkularer Kanoniker waren im Mittelalter weit verbreitet, wurden aber meist in [[Augustiner-Chorherren]]stifte umgewandelt und sind spätestens mit der Säkularisation sehr selten geworden.

== Lebensweise ==
Zwar sind Stiftsherren verpflichtet, die [[Tagzeiten]] des [[Stundengebet]]s zu halten, doch unterscheiden sie sich von Mönchen in der Lebensweise, da sie in der Regel mit seelsorgerlichen Aufgaben außerhalb des Klosters beauftragt sind. Eine weltabgewandte Lebensweise wäre daher nicht in Einklang mit dieser Tätigkeit zu bringen. Stiftsherren führen auch kein Leben in [[Klausur (Kloster)|Klausur]]. Für Stiftsherren gilt das Gebot der Besitzlosigkeit nicht. Jeder Stiftsherr darf Eigengut besitzen und wird außerdem noch mit [[Pfründe]]n als Einkommensquelle ausgestattet.

Stiftsherren müssen nicht das ganze Jahr in ihrer Gemeinschaft bleiben. Sie haben nur eine „Residenzpflicht“ von einigen Monaten Dauer. Diese Residenzpflicht ist für jeden Stiftsherrn individuell geregelt; so kann es durchaus vorkommen, dass ein Stiftsherr mit einer Residenzpflicht von drei Monaten Dauermitglied in weiteren drei Stiften ist und dort ebenfalls mit Pfründen ausgestattet wird. Der Vorstand eines Stifts ist nicht ein [[Abt]], sondern ein [[Propst]]; den Verwalter des Stiftes bezeichnet man als [[Dekan (Kirche)|Dekan]].

== Kanonissen ==
''[[Kanonissen]]'' (der Begriff taucht erst im 11. Jahrhundert auf), auch Chorfrauen oder Stiftsdamen, sind Frauen, die in einem [[Frauenstift]] ein gemeinschaftliches geistliches Leben unter einer Oberen führen, ohne an eine [[monastisch]]e Gemeinschaft gebunden zu sein (''Institutio sanctimonialium Aquisgranensis'', Aachener Institution von 816). Privatbesitz war erlaubt, das Erbrecht uneingeschränkt und die Kanonissen/Stiftsdamen durften abgetrennte Wohnungen mit einer Dienerin bewohnen, das heißt, es handelte sich in der Regel um Adelige. Die anfangs noch recht häufigen Doppelstifte von Chorherren und Chorfrauen wurden im Laufe des Hochmittelalters mehr und mehr aufgelöst, wobei meist die Kanonissen weichen mussten und statt einer von der Gemeinschaft selbst gewählten Oberin ein vom Bischof oder Abt ernannter [[Prior]] oder [[Propst]] als Vorsteher eingesetzt wurde. Gehörten die Damen eines Stifts überwiegend dem Hochadel an, blieb es meist bei der Leitung durch eine Äbtissin aus diesen Kreisen.

== Kleidung ==
Die Kleidung der Kanoniker war im 12. Jahrhundert ein langer [[Leibrock]], darüber das leinene [[Chorhemd]] ([[Albe]]); dann das [[Almutium]], ein Umhang aus [[Schaffell]], welcher Kopf, Hals und Schultern bedeckte; dazu ein schwarzer Mantel ohne Kragen und der [[Pileolus]] (Käppchen). Die späteren Chorherren gaben dieser Tracht ein gefälligeres Aussehen. Namentlich tauschten sie das Käppchen gegen das viereckige [[Birett]], der Chorrock schrumpfte zum [[Sarozium]] (nun ein schmaler langer Streifen weißen Stoffs auf Rücken und Brust, ähnlich einer Krawatte), woran man jetzt i.&nbsp;d.&nbsp;R. die Augustiner-Chorherren zu erkennen pflegt. Im Chor tragen sie [[Rochett]] und [[Mozetta]]. Andere regulierte Chorherren tragen weiter ihre herkömmliche Tracht, z.&nbsp;B.: [[Tunika]], [[Skapulier]] und [[Zingulum]], ggf. Caputium und Birett, im Chor zusätzlich: Rochett und Mozetta bzw. Almutium – alles in weißer Farbe – bei den [[Prämonstratenser]]n.

== Gerichtsstätte ==
'''Bannita''' ist die Gerichtsstätte der Kanoniker innerhalb der [[Kirchliche Immunität|kirchlichen Immunität]]. An dieser Stätte wurde ein anderes Recht gesprochen als außerhalb der Immunität. Eine erhaltene Bannita befindet sich in [[Xanten]] mit der Statue des hl. [[Viktor von Xanten|Viktor]] von 1468, die noch auf einem [[Staufer|staufischen]] [[Kapitell]] steht.<ref>{{Internetquelle | url=https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten/stuetze-fuer-den-heiligen-viktor_aid-14188335| titel=Artikel auf http://www.rp-online.de/ mit Erwähnung der Bannita | abruf=2013-06-20}}</ref>

== Regularkanoniker ==
* [[Augustiner-Chorherren]]
* [[Augustiner-Chorherren]]
* [[Prämonstratenser|Prämonstratenser-Chorherren]]
* [[Prämonstratenserorden]]
* [[Orden vom Heiligen Kreuz]]
* [[Kreuzherren]]
* [[Deutscher Orden]]
* [[Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz]]

== Literatur ==
* Manfred Heim: ''Chorherren (Kanoniker)''. In: [[Georg Schwaiger (Historiker)|Georg Schwaiger]] (Hrsg.): ''Mönchtum Orden Klöster. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Lexikon''. C.&nbsp;H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1993, ISBN 3-406-37314-3, S. 131–146.
* Jean Steinauer: ''Die Republik der Chorherren. Eine Geschichte der Macht in Freiburg i.&nbsp;Ue.'' Verlag für Kultur und Geschichte, Baden (Schweiz) 2012, ISBN 978-3-03919-269-4.

== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|4163199-7}}


== Einzelnachweise ==
<references />


{{Normdaten|TYP=s|GND=4163199-7}}
[[Kategorie:Katholische Lebensgemeinschaft]]


[[Kategorie:Kirchliches Amt]]
[[en:Canon (priest)]]
[[Kategorie:Säkularkanoniker| Kanoniker]]
[[fr:Chanoine]]
[[nl:Kanunnik]]
[[no:Kannik]]
[[pl:Kanonik]]
[[zh:法政牧師]]

Aktuelle Version vom 22. Juli 2025, 00:43 Uhr

Bischof und Kanoniker (rechts), Brügge 2014
Kanoniker im 16. Jahrhundert mit dem Almutium über dem linken Arm
Flämischer Kanoniker mit Almutium
Meister der Spes nostra: Kanoniker und Heilige bei einem Grab oder Allegorie der Vergänglichkeit. ca. 1500

Kanoniker, auch Stiftsherren oder Chorherren genannt, sind Kleriker aller Weihestufen zumeist der römisch-katholischen bzw. der anglikanischen Kirche, die als Mitglieder eines Domkapitels oder eines Stiftskapitels an einer Kathedrale, Basilika oder Ordenskirche an der gemeinsamen Liturgie mitwirken. Unter gemeinsamer Liturgie versteht man die Feier der heiligen Messe und des Stundengebets, zu der alle Priester verpflichtet sind, ob allein oder in Gemeinschaft. Daher stammt auch die Bezeichnung Kanoniker, der vom kirchenlateinischen Begriff canonicus abgeleitet ist, der seinerseits auf das Griechische zurückgeht (κανών „Regel, Richtscheit“ bzw. κανονικός „regelhaft, verpflichtend“).[1] Die Zeiten der „kanonischen Stunden“ (horae canonicae), das heißt, die des Stundengebets, sind im Abendland seit der Mitte des 6. Jahrhunderts durch die Benediktregel umschrieben.[2]

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten von Stiftsherren: einerseits den Regularkanonikern oder regulierten Chorherren, deren Gemeinschaftsgrundlage meist die Augustinusregel ist, und andererseits den Säkularkanonikern, die nach Consuetudines, also Auslegungen mönchischer Ordensregeln, leben.

Kanoniker leben in Gemeinschaft. Der Vorsteher eines Kapitels ist in der Regel ein Propst, manchmal ist die Leitung auch einem Dekan oder Prior übertragen; einige Kapitel werden direkt vom Diözesanbischof geleitet. An den vier (großen) römischen Papstbasiliken führt der Vorsteher, in der Regel ein Kardinal, den Titel eines Erzpriesters. Als canonicus a latere (Episcopi) (‚Kanoniker an der Seite [des Bischofs]‘) wurden Domherren bezeichnet, die vom Bischof in ein Vertrauensverhältnis an seinen Hof berufen wurden und dort für ihn besondere Aufgaben ausführten.[3][4] Die Chorherren sind heute meist in der Seelsorge tätig und werden mehr oder weniger vollständig aus den Kirchengütern unterhalten.

Das Mitglied eines Kathedralkapitels bezeichnet man als Domkapitular, das Mitglied eines Säkularkanonikerstiftes oder eines Ordens regulierter Chorherren (Regularkanoniker) als Kanonikus oder Chorherr. Ein jedes dieser Kapitel kann darüber hinaus verdiente Geistliche – im Ausnahmefall auch Laien besonderen Ranges – mit dem Titel eines Ehrenkanonikers auszeichnen.

Die nach dem Vorbild des Augustinus als Abgrenzung zum (benediktinischen) Mönchtum entwickelte Kanonikerregel (regula canonicorum) wurde 755 durch Bischof Chrodegang von Metz für sein Bistum festgelegt, weiter entwickelt auf der Reichssynode von Aachen durch Kaiser Ludwig den Frommen (Ludwig I.) und im Jahr 816 für das gesamte Karolingerreich als verbindlich festgelegt. Eine Gemeinschaft von Weltgeistlichen nennt man ein Kollegiatstift.

Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts war eine Reform bei den Kanonikern zu beobachten, die zu regulierten Chorherrenstiften führte. Unter Verzicht auf Eigentum im Zeichen der vita apostolica kam es zum Bruch mit der Institutio canonicorum Aquisgranensis (Aachener Institution) von 816 und zur Ausbildung des regulierten Kanonikertums. Regularkanoniker legten ein Gelübde auf ihr Domstift (Hochstift) oder Kollegiatstift (Niederstift) ab und wählten unter den beiden überlieferten Augustinusregeln, entweder die maßvollere Version praeceptum / ordo antiquus oder – der strengeren Observanz folgend – die Version ordo monasterii / ordo novus. Der von Norbert von Xanten initiierte Prämonstratenserorden (Entstehung ab 1120 in Prémontré) entschied sich zum Beispiel für den ordo novus.

Die daneben weiter bestehenden Säkularkanoniker legten keine Gelübde ab und konnten die häufig reichhaltigen Chorherrenpfründen des Stiftungsvermögens ab dem 11./12. Jahrhundert oft noch ihrem Privatvermögen hinzufügen. Die seelsorgerischen Aufgaben gerieten dabei häufig in den Hintergrund und wurden dann nur noch durch Vikare erledigt. Besonders der Adel nutzte häufig Säkularkanonikerpositionen an Stiften zur Versorgung nachgeborener Söhne und als Sprungbrett für eine Karriere im Klerus oder bei Hofe. Ein positiver Aspekt des Säkularkanonikertums war seine bedeutende Rolle bei der Gründung der Universitäten im Spätmittelalter. Die ersten Professoren dieser neu gegründeten Universitäten waren überwiegend Säkularkanoniker. Solche Kollegiatstifte säkularer Kanoniker waren im Mittelalter weit verbreitet, wurden aber meist in Augustiner-Chorherrenstifte umgewandelt und sind spätestens mit der Säkularisation sehr selten geworden.

Zwar sind Stiftsherren verpflichtet, die Tagzeiten des Stundengebets zu halten, doch unterscheiden sie sich von Mönchen in der Lebensweise, da sie in der Regel mit seelsorgerlichen Aufgaben außerhalb des Klosters beauftragt sind. Eine weltabgewandte Lebensweise wäre daher nicht in Einklang mit dieser Tätigkeit zu bringen. Stiftsherren führen auch kein Leben in Klausur. Für Stiftsherren gilt das Gebot der Besitzlosigkeit nicht. Jeder Stiftsherr darf Eigengut besitzen und wird außerdem noch mit Pfründen als Einkommensquelle ausgestattet.

Stiftsherren müssen nicht das ganze Jahr in ihrer Gemeinschaft bleiben. Sie haben nur eine „Residenzpflicht“ von einigen Monaten Dauer. Diese Residenzpflicht ist für jeden Stiftsherrn individuell geregelt; so kann es durchaus vorkommen, dass ein Stiftsherr mit einer Residenzpflicht von drei Monaten Dauermitglied in weiteren drei Stiften ist und dort ebenfalls mit Pfründen ausgestattet wird. Der Vorstand eines Stifts ist nicht ein Abt, sondern ein Propst; den Verwalter des Stiftes bezeichnet man als Dekan.

Kanonissen (der Begriff taucht erst im 11. Jahrhundert auf), auch Chorfrauen oder Stiftsdamen, sind Frauen, die in einem Frauenstift ein gemeinschaftliches geistliches Leben unter einer Oberen führen, ohne an eine monastische Gemeinschaft gebunden zu sein (Institutio sanctimonialium Aquisgranensis, Aachener Institution von 816). Privatbesitz war erlaubt, das Erbrecht uneingeschränkt und die Kanonissen/Stiftsdamen durften abgetrennte Wohnungen mit einer Dienerin bewohnen, das heißt, es handelte sich in der Regel um Adelige. Die anfangs noch recht häufigen Doppelstifte von Chorherren und Chorfrauen wurden im Laufe des Hochmittelalters mehr und mehr aufgelöst, wobei meist die Kanonissen weichen mussten und statt einer von der Gemeinschaft selbst gewählten Oberin ein vom Bischof oder Abt ernannter Prior oder Propst als Vorsteher eingesetzt wurde. Gehörten die Damen eines Stifts überwiegend dem Hochadel an, blieb es meist bei der Leitung durch eine Äbtissin aus diesen Kreisen.

Die Kleidung der Kanoniker war im 12. Jahrhundert ein langer Leibrock, darüber das leinene Chorhemd (Albe); dann das Almutium, ein Umhang aus Schaffell, welcher Kopf, Hals und Schultern bedeckte; dazu ein schwarzer Mantel ohne Kragen und der Pileolus (Käppchen). Die späteren Chorherren gaben dieser Tracht ein gefälligeres Aussehen. Namentlich tauschten sie das Käppchen gegen das viereckige Birett, der Chorrock schrumpfte zum Sarozium (nun ein schmaler langer Streifen weißen Stoffs auf Rücken und Brust, ähnlich einer Krawatte), woran man jetzt i. d. R. die Augustiner-Chorherren zu erkennen pflegt. Im Chor tragen sie Rochett und Mozetta. Andere regulierte Chorherren tragen weiter ihre herkömmliche Tracht, z. B.: Tunika, Skapulier und Zingulum, ggf. Caputium und Birett, im Chor zusätzlich: Rochett und Mozetta bzw. Almutium – alles in weißer Farbe – bei den Prämonstratensern.

Gerichtsstätte

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Bannita ist die Gerichtsstätte der Kanoniker innerhalb der kirchlichen Immunität. An dieser Stätte wurde ein anderes Recht gesprochen als außerhalb der Immunität. Eine erhaltene Bannita befindet sich in Xanten mit der Statue des hl. Viktor von 1468, die noch auf einem staufischen Kapitell steht.[5]

Regularkanoniker

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  • Manfred Heim: Chorherren (Kanoniker). In: Georg Schwaiger (Hrsg.): Mönchtum Orden Klöster. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Lexikon. C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1993, ISBN 3-406-37314-3, S. 131–146.
  • Jean Steinauer: Die Republik der Chorherren. Eine Geschichte der Macht in Freiburg i. Ue. Verlag für Kultur und Geschichte, Baden (Schweiz) 2012, ISBN 978-3-03919-269-4.

Einzelnachweise

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  1. Rudolf Kassühlke: Kleines Wörterbuch zum Neuen Testament. 2. Auflage. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1999, S. 97.
  2. Andreas Heinz: Kirchlich-religiöses Leben. Klerus und Gottesdienst an der Trierer Domkirche. In: Werner Rössel (Hgb.): Das Domkapitel Trier im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Beiträge zu seiner Geschichte und Funktion. Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 2018, S. 295–377, hier S. 321.
  3. Friedrich Keinemann: Ernennungen von Canonici a latere in den westfälischen Hochstiften nach der preußischen Okkupation. In: Westfälische Zeitschrift 118 (1968) / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" lwl.org
  4. Art. Canonicus a Latere Episcopi. In: Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften, Bd. 5: Can – Cn. Varrentrapp und Wenner, Frankfurt am Main 1781, S. 96–97.
  5. Artikel auf http://www.rp-online.de/ mit Erwähnung der Bannita. Abgerufen am 20. Juni 2013.