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„Synchronizität“ – Versionsunterschied

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Als '''Synchronizität''' ({{grcS|σύν|''syn''|de=mit, gemeinsam}} und {{lang|grc|χρόνος}} ''chronos'' ‚Zeit‘) bezeichnete der Psychiater und Psychoanalytiker [[Carl Gustav Jung]] zeitlich [[Korrelation|korrelierende]] Ereignisse, die ''nicht'' über eine [[Kausalbeziehung]] verknüpft sind (die also ''a''kausal sind), jedoch als miteinander verbunden, aufeinander bezogen wahrgenommen und gedeutet werden.
Das Wort '''Synchronizität''' ist abgeleitet von griechisch ''synchron'', gleichzeitig.


==Der Begriff==
== Theorie ==
=== Der Begriff ''Synchronizität'' ===
Als '''Synchronizität''' bezeichnet [[Carl Gustav Jung]] relativ zeitnah aufeinander folgende Ereignisse, die nicht über eine [[Kausalbeziehung]] verknüpft sind und vom erlebenden Beobachter als sinnhaft verbunden erlebt werden. [[Synchronismus]] dagegen bezeichnet die Ordnung von Ereignissen nach der Zeit. Im engeren Sinn handelt es sich bei der Synchronizität um ein inneres Ereignis (eine lebhafte, aufrührende [[Idee]], ein [[Traum]], eine [[Vision]] oder [[Emotion]]) und ein zeitlich darauf folgendes äußeres, physisches Ereignis, das wie eine (körperlich) manifestierte Spiegelung als Antwort auf den inneren (seelischen) Zustand wirkt. Um das Doppelereignis tatsächlich als Synchronizität definieren zu können, ist es unerlässlich, dass das innere ''chronologisch vor'' dem äußeren Ereignis geschehen ist, da im umgekehrten Fall angenommen werden kann, dass das innere Phänomen auf das äusserlich wahrgenommene Vortagsereignis reagiert (womit wieder eine quasi kausale Erklärung möglich wäre).
Es handelt sich bei der Synchronizität um ein inneres Ereignis (eine lebhafte, aufrührende Idee, einen Traum, eine Vision oder Emotion) und ein äußeres, physisches Ereignis, welches eine (körperlich) manifestierte Spiegelung des inneren (seelischen) Zustandes bzw. dessen Entsprechung darstellt. Um das Doppelereignis tatsächlich als Synchronizität definieren zu können, ist es unerlässlich, dass das innere ''chronologisch vor'' oder aber ''genau gleichzeitig'' („synchron“) mit dem äußeren Ereignis geschehen ist. Andernfalls könnte angenommen werden, dass das innere Phänomen auf das äußerlich wahrgenommene vorherige Ereignis reagiert (womit wieder eine quasi kausale Erklärung möglich wäre).


=== Das synchronistische Prinzip ===
Synchronizität ist ein finales (teleologisches) Prinzip und widerspricht so der heutigen kausalistisch-materialistischen Wissenschaftsphilosophie. Die bewusste Herausarbeitung des manchmal nur symbolisch angedeuteten Sinnes führt in bis dahin nicht geahnte Zukunftsmöglichkeiten und bestätigt so auf empirische Weise die finale (teleologische) Tendenz der Synchronizität. Das Auffinden des Sinnes einer Synchronizität stellt daher des öfteren den Ausweg aus einer tiefen Lebenskrise dar.
Jung bezeichnet mit dem von ihm eingeführten Begriff sowohl das Phänomen als auch das hypothetisch dahinterstehende Prinzip. Er verwendet den Begriff „synchronistisches Prinzip“ öffentlich erstmals 1930 in seinem ''Nachruf für [[Richard Wilhelm]]'':<ref>''Neue Zürcher Zeitung.'' CLI/1 vom 6. März 1930, In: C. G. Jung: ''Gesammelte Werke.'' Bd. 15, S. 63, 66.</ref> „Die Wissenschaft des ''[[I Ging]]'' beruht nämlich nicht auf dem Kausalprinzip, sondern auf einem bisher nicht benannten weil bei uns nicht vorkommenden Prinzip, das ich versuchsweise als ''synchronistisches Prinzip'' bezeichnet habe.


=== Abgrenzung von der Serialität ===
Das geht ins Kosmisch-theologische, sich als einzelner Mensch bei einem synchronistischen Erlebnis mit dem größeren Ganzen verbunden zu fühlen. Da greift eine freundliche Energie in das Leben ein, Geborgenheit, [[Dao|Tao]]. Die wissenschaftliche Theologie greift daran gemessen bisweilen unweise zu kurz, weshalb Beschäftigung mit Synchronizität bisweilen wieder religiös werden lässt. Es bleibt aber immer ein [[Numinosum]], ein Geheimnis, das sich nicht erschließen lässt. "Du sollst Dir kein Bildnis machen" und "Das Tao, über das man reden kann, ist nicht das wahre Tao". Auch Carl Gustav Jung sah die Wirkweise von Synchronizität im Grenzbereich zwischen Psychologie und Religion. Er schrieb über "gewisse intuitive, sogenannte mantische Methoden, welche hauptsächlich vom psychischen Faktor ausgehen, die Tatsächlichkeit der Sychronizität aber als selbstverständlich voraussetzen." Er konzentrierte sich auf das chinesische [[I Ging]], das älteste Orakelbuch der Welt.
Jung grenzt die Synchronizität (für ihn ungewöhnlich methodisch) streng von der Serialität ab, wie sie vor allem [[Paul Kammerer]] in seinem Buch [[Gesetz der Serie#Das Gesetz der Serie|''Das Gesetz der Serie'']] (1919) untersucht hat. Diese betrachtet er als kuriose – bloß amüsante – [[Koinzidenz]]en, denen das schöpferisch verwandelnde Potenzial der Synchronizität fehle. Dieses Potenzial stammt nach Jung aus der Aktivierung eines [[Archetyp (Psychologie)|Archetyps]], die sich in der individuellen Psyche für eine gewisse Zeit fokussiert, um dort Ausgestaltung zu finden. Diesen Vorgang bezeichnet Jung als [[Individuation]]sprozess.


=== Symbolkraft ===
Jung bezeichnet mit dem von ihm eingeführten Begriff sowohl das Phänomen als auch das hypothetisch dahinterstehende Prinzip. Er verwendet den Begriff "synchronistisches Prinzip" öffentlich erstmals in seinem ''Nachruf für [[Richard Wilhelm]]'', in: ''Neue Zürcher Zeitung'' CLI/1 am 6. März 1930 [Quelle: C.G. Jung, Ges. Werke, Bd. 15, p. 63 u. p. 66]: "Die Wissenschaft des ''[[I Ging]]'' beruht nämlich nicht auf dem Kausalprinzip, sondern auf einem bisher nicht benannten -- weil bei uns nicht vorkommenden -- Prinzip, das ich versuchsweise als ''synchronistisches Prinzip'' bezeichnet habe."
Sinn stiftend wird die Synchronizität durch ihre Symbolkraft, zum Träger des [[Symbol]]s wird die physische Komponente der Koinzidenz dank ihrer [[Intension]] (spezifischen Entsprechung) und ihrer begrenzten [[Extension und Intension|Extension]] (geringe [[Häufigkeit]]). Dadurch kann sie als Resonanz und Antwort auf die (chronologisch vorhergehende) Emotion erkannt werden. Es wird auch als wichtig erachtet, den Sinn eines Synchronizitätsereignisses zu analysieren und Konsequenzen für das eigene Verhalten abzuleiten. Häufig spielt die [[Numerologie]] (symbolische Bedeutung von Zahlen) eine wesentliche Rolle bei der „Sinnknüpfung“ einer Synchronizität.


== Die Quaternio ==
==Zusammenarbeit mit Wolfgang Pauli==
{{unverständlich}}
Mit dem Physiker [[Wolfgang Pauli]] diskutiert er während seines langjährigen Briefwechsels (1932 – 1958, veröffentlicht 1992 von C.A. Meier, einem Zürcher Psychiater und langjährigem Freund des Physikers und des Tiefenpsychologen) intensiv diese Thematik.
[[Datei:Synchronizitaet.png|rechts]]
Der Begriff Synchronizität taucht im Pauli/Jung-Briefwechsel zum ersten Mal im Jahr 1948 auf (Brief [35]). Pauli dürfte ihn jedoch schon im Jahr 1934 gekannt haben, da Jung ihn in einem Brief an dessen Physikerkollegen Pascal Jordan verwendete, Pauli Jordan von seiner Hamburger Zeit her kannte und weiter mit ihm mündlich und schriftlich verkehrte.
In den folgenden Jahren diskutiert Jung den Begriff intensiv mit Pauli. Er erwähnt ihn dann im Jahr 1950 zum ersten Mal wieder öffentlich im Vorwort zur englischen Übersetzung des ''[[I Ging]]''. Schließlich veröffentlicht er im Jahr 1952 gemeinsam mit Pauli das Buch ''Naturerklärung und Psyche'', in dem Jung unter dem Titel ''Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge'' das Thema umfassend behandelt.


Das Prinzip der Synchronizität veranschaulicht Jung in einer Quaternio, einem Kreuz aus zwei sich jeweils polar ergänzenden Begriffspaaren, die sich diametral ergänzen und somit ähnlich aufzufassen sind wie etwa das Begriffspaar Welle/Teilchen beim Übergang von der klassischen Physik zur Quantentheorie.
Das [[psychophysisches Problem|psychophysische Problem]] scheint jedoch mit dem Synchronizitätsprinzip noch nicht gelöst, da darin Psyche und Materie immer noch in einem komplementären Verhältnis zu einander stehen. Erst die Überwindung dieser Komplementarität auf einer Metaebene dürfte an die Lösung des psychophysischen Problems heran führen. Jung und Pauli haben noch geahnt, dass dazu der Einbezug einer "raumzeitlosen Seinsform der Psyche" nötig wird. Dies führt auf das Problem der empirischen Beobachtungsmöglichkeit eines "Jenseits" nach dem Tod des Individuums, sowie von Inkarnationen aus diesem ''unus mundus''.


==Die Quaternio==
Das Prinzip der Synchronizität veranschaulicht er in einer quaternio, einem Kreuz aus zwei sich jeweils polar ergänzenden Begriffspaaren, die sich diametral ergänzen und somit ähnlich aufzufassen sind wie etwa das Begriffspaar Welle / Teilchen beim Übergang von der klassischen Physik zur Quantentheorie.
In der Vertikalen steht - oben: die unzerstörbare Energie, unten: das Raum-Zeit-Kontinuum.
Horizontal befinden sich - links: der konstante Zusammenhang durch Wirkung ([[Kausalität]]), rechts: der inkonstante Zusammenhang durch Kontingenz bzw Gleichartigkeit „[[Sinn (Metaphysik)|Sinn]]“ (Synchronizität)

==Die vertikale Achse==
Mit „unzerstörbare Energie“ wird hier die Größe bezeichnet, die bei allen physikalischen Prozessen konstant bleibt, also auch bei der Umwandlung von Energie in Masse und umgekehrt. Ihre durch alle ablaufenden physischen Prozesse sich ständig ändernde Erscheinungsform wird quasi als Tanz aufgefasst, der sich als Evolution auf der Bühne des Raum-Zeit-Kontinuums entfaltet.
Mit „unzerstörbare Energie“ wird hier die Größe bezeichnet, die bei allen physikalischen Prozessen konstant bleibt, also auch bei der Umwandlung von Energie in Masse und umgekehrt. Ihre durch alle ablaufenden physischen Prozesse sich ständig ändernde Erscheinungsform wird quasi als Tanz aufgefasst, der sich als Evolution auf der Bühne des Raum-Zeit-Kontinuums entfaltet.


Jung bestreitet nicht, dass jedes der beteiligten Ereignisse in seiner eigenen Kausalkette steht. Deshalb stellt die Synchronizität nicht das [[Kausalprinzip (Wissenschaftstheorie)|Kausalprinzip]] in Frage, sondern erweitert es linear bis zum rein akausalen Gegenpol: Die Dinge sind in ihrer Entwicklung sinnhaft aufeinander bezogen und „so angeordnet, wie sie sind“ (acausal orderedness).
==Die horizontale Achse==
Jung bestreitet nicht, dass jedes der beteiligten Ereignisse in seiner eigenen Kausalkette steht. Deshalb stellt die Synchronizität nicht das [[Kausalprinzip]] in Frage, sondern erweitert es linear bis zum rein akausalen Gegenpol: die Dinge sind in ihrer Entwicklung sinnhaft aufeinander bezogen und „so angeordnet, wie sie sind“ (acausal orderedness)

==Abgrenzung zur Serialität==
Jung grenzt die Synchronizizität (für ihn ungewöhnlich methodisch) streng von der [[Serialität]] ab, wie sie vor allem [[Paul Kammerer]] in seinem Buch „Das Gesetz der Serie (1919) untersucht hat. Sie betrachtet er als kuriose – bloß amüsante – [[Koinzidenz]]en, der das schöpferisch verwandelnde Potenzial der Synchronizität fehlt. Dieses Potenzial stammt nach Jung aus der Aktivierung eines [[Archetyp (Psychologie)|Archetyp]]s, die sich in der individuellen Psyche für eine gewisse Zeit fokussiert, um dort Ausgestaltung zu finden. Diesen Vorgang bezeichnet Jung als [[Individuationsprozess]].

==Symbolkraft==
Sinnstiftend wird die Synchronizität durch ihre Symbolkraft, zum Träger des [[Symbol]]s wird die physische Komponente der Koinzidenz dank ihrer [[Intension]] (spezifischen Entsprechung) und ihrer begrenzten [[Extension]] (geringe [[Häufigkeit]]). Dadurch kann sie als Resonanz und Antwort auf die (chronologisch vorhergehende) Emotion empfunden werden und dadurch befreiend/entwickelnd wirken.

== Synchronizität und [[Numerologie]] ==

Häufig spielt die symbolische (qualitative) Bedeutung von [[Zahl]]en eine wesentliche Rolle bei der "Sinnknüpfung" einer Synchronizität. Dabei handelt es sich meist um relativ niedrige [[ganze Zahl]]en - oder deren [[Kehrwert]]. Ein berühmtes Beispiel ist von dem Physiker [[Wolfgang Pauli]] überliefert:

Pauli war zeit seines Lebens von der sogenannten [[Feinstrukturkonstante|Feinstrukturkonstanten]] fasziniert. Es ist die einzige physikalische Konstante, die einerseits dimensionslos ist und andererseits im Bereich derjenigen Zahlen liegt, die in unserem täglichen Leben eine Rolle spielen (das heißt, nicht sehr groß oder äußerst klein sind). Ihr Wert beträgt ziemlich genau 1/137. Sie spielt zudem eine große Rolle bei der Aufspaltung der [[Spektrallinie|Spektrallinien]] in einem Magnetfeld. Die unerklärliche Aufspaltung derselben im sogenannten anomalen [[Zeeman-Effekt]] führte Pauli im Jahr 1927 zur theoretischen Begründung des [[Spin|Spins]] des [[Elektron|Elektrons]] (der später für alle Elementarteilchen definiert wurde).

Pauli war davon überzeugt, dass nur eine [[Feldtheorie]], die den numerischen Wert der [[Feinstrukturkonstante|Feinstrukturkonstanten]] theoretisch begründen kann (und nicht einfach als unerklärliche Naturkonstante angesehen werden muss) befriedigend sein wird. Bis heute wurde diese theoretische Begründung jedoch nicht gefunden.


== Zusammenarbeit zwischen Jung und Wolfgang Pauli ==
Als Pauli in das Rotkreuzspital schräg gegenüber seinem Arbeitsort, dem physikalischen Institut der Eidg. Technischen Hochschule in Zürich, mit einem Pankreaskrebs eingeliefert wurde, stellte er tief erschrocken fest, dass er ausgerechnet im Zimmer 137 lag. Dort starb er nach einer erfolglosen Operation am 15. Dezember 1958.
Mit dem Physiker [[Wolfgang Pauli]] diskutierte Jung während seines langjährigen Briefwechsels (1932–1958, veröffentlicht 1992 von C.A. Meier, einem Zürcher Psychiater und langjährigen Freund des Physikers und des Tiefenpsychologen) intensiv diese Thematik. Der Begriff Synchronizität taucht im Pauli/Jung-Briefwechsel zum ersten Mal im Jahr 1948 auf (Brief [35]). Pauli dürfte ihn jedoch schon im Jahr 1934 gekannt haben, da Jung ihn in einem Brief an dessen Physikerkollegen [[Pascual Jordan]] verwendete. Pauli kannte Jordan von seiner Hamburger Zeit her und verkehrte weiter mit ihm mündlich und schriftlich. Jung erwähnt den Begriff Synchronizität im Jahr 1950 öffentlich im Vorwort zur englischen Übersetzung des ''[[I Ging]]''. Schließlich veröffentlichte er im Jahr 1952 gemeinsam mit Pauli das Buch ''Naturerklärung und Psyche'', in dem Jung unter dem Titel ''Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge'' das Thema umfassend behandelt.


== Beispiele ==
In der jüdischen [[Mystik]], der [[Kabbala]], entsprechen den hebräischen Buchstaben Zahlenwerte. Der hebräische Ausdruck "Kabbala", von rechts nach links mit QBLH geschrieben, setzt sich demgemäss aus den Zahlenwerten Q = 100, B = 2, L = 30 und H = 5 zusammen. Deren Summe ergibt die Zahl 137. [Quelle f.d. ob. 3 Absätze: Ch. P. Enz, ''Rationales und Irrationales im Leben Wolfgang Paulis'', in: Atmanspacher, H., et al., ''Der Pauli-Jung-Dialog'', Springer, Berlin, 1995, p.29f.]
Das bekannteste Beispiel aus Jungs Praxis:


{{Zitat|Eine junge Patientin hatte in einem entscheidenden Moment ihrer Behandlung einen Traum, in welchem sie einen goldenen [[Skarabäus]] zum Geschenk erhielt. Ich saß, während sie mir den Traum erzählte, mit dem Rücken gegen das geschlossene Fenster. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch, wie wenn etwas leise an das Fenster klopfte. Ich drehte mich um und sah, dass ein fliegendes Insekt von außen gegen das Fenster stieß. Ich öffnete das Fenster und fing das Tier im Fluge. Es war die nächste Analogie zu einem goldenen Skarabäus, welche unsere Breiten aufzubringen vermochten, nämlich ein Scarabaeide (Blatthornkäfer), [[Goldglänzender Rosenkäfer|Cetonia aurata]], der gemeine Rosenkäfer, der sich offenbar veranlasst gefühlt hatte, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten in ein dunkles Zimmer gerade in diesem Moment einzudringen.|ref=<ref>C. G. Jung: ''Gesammelte Werke.'' Bd. 8, S. 497.</ref>}}
Eine möglich Interpretation dieser Todessynchronizität besteht darin, dass Pauli noch nicht in der Lage war, eine (psychophysische) Feldtheorie zu entwickeln, die die Ergebnisse der Quantenphysik mit der mystischen Tradition der [[Kabbala]] verbindet. Dies scheint wahrscheinlich, da der Nobelpreisträger sich einerseits intensiv mit dem [[psychophysisches Problem|psychophysischen Problem]], der (wahrscheinlich akausalen) Vereinigung von Psyche und Materie, andererseits mit dem zentralen Thema von [[Schöpfung]], [[Inkarnation]] und [[Reinkarnation]] beschäftigte, das in der Kabbala des [[Isaak Luria]] als das sogenannte ''tikkun'' eine zentrale Rolle spielt. Die Lösung blieb ihm allerdings -- wie auch [[Carl Gustav Jung|C. G. Jung]], mit dem er bezüglich dieser Frage zusammen arbeitete -- versagt.


Der Physiker Wolfgang Pauli glaubte selbst an den anekdotisch überlieferten [[Pauli-Effekt]], demzufolge in seiner Gegenwart ungewöhnlich häufig experimentelle Apparaturen versagten oder sogar spontan zu Bruch gingen. Als Pauli 1958 in das Rotkreuzspital in Zürich eingeliefert wurde, stellte er tief erschrocken fest, dass er ausgerechnet im Zimmer 137 lag. Die Zahl verband er mit dem Wert der [[Feinstrukturkonstante]], der ziemlich genau 1/137 beträgt, und sah dies als schlechtes Vorzeichen. Pauli starb dort nach einer erfolglosen Operation am 15. Dezember 1958, wobei zu sagen ist, dass (unabhängig von der Zimmernummer) die Heilungsaussichten bei bösartigem [[Pankreaskrebs]], wie im Falle Paulis, äußerst schlecht sind.
==Nichts als Zufall?==
Die häufig gestellte Frage, ob es sich bei dem Phänomen nicht lediglich um [[Zufall]] handelt, ist nicht über Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen zu lösen, denn der [[Wahrscheinlichkeit]]sbegriff erlaubt keine Aussagen über Einzelfälle – also etwa über den Sinngehalt einer einzelne Koinzidenz.
Jedoch führt die Fragestellung zu einer Einbeziehung des Begriffs Zufall in das vorgestellte Konzept:
# das so bezeichnete Geschehen ist praktisch nicht vorhersagbar (also nicht in einer vorab bekannten Kausalkette stehend)
# in der Wortbildung drückt sich ein Vorgang aus, nämlich dass dem erlebenden Beobachter im Geschehen etwas „zufällt“


==Ein Beispiel==
== Forschung ==
Im deutschsprachigen Raum beschäftigte sich der Psychologe Gunnar Reefschläger mit dem Umgang bedeutungsvoller Koinzidenzen in Psychotherapien. Im Rahmen seiner Dissertationsschrift wies er nach, dass C. G. Jungs Konzept der Synchronizität in Psychotherapien als spezifisch jungianischer Deutungsansatz klinische Anwendung findet<ref name=Reefschläger2018>{{cite web|last=Reefschläger|first=Gunnar I.|year=2018|url=https://opus4.kobv.de/opus4-euv/frontdoor/deliver/index/docId/385/file/Reefschlaeger_Gunnar.pdf|format=PDF|title=Synchronizität in der Psychotherapie : Eine quantitativ–qualitative Untersuchung der strukturellen Beschaffenheit synchronistischer Phänomene im psychotherapeutischen Prozess|website=Opus4.kobv.de|access-date=2022-03-13}}</ref>. Bereits die ''konzeptuelle Idee der Synchronizität'' bietet dem Behandler eine zusätzliche therapeutische Möglichkeit, bedeutungsvoll erlebte Zufälle zwischen ihm und Patient in ein subjektives Narrativ zu integrieren, welches vom Patienten als sinnstiftend erlebt werden kann. Wenn ein synchronistischer Moment feinfühlig erkannt, thematisiert und als solcher gedeutet wird, kann dies positive Konsequenzen für die therapeutische Beziehung und die Psychotherapie haben.<ref>https://psycnet.apa.org/doi/10.1037/pst0000402</ref><ref>https://onlinelibrary.wiley.com/share/author/WWMRUMEZWSZUDW9N6VZJ?target=10.1111/1468-5922.12975</ref>
Zur Erläuterung das vielleicht berühmteste Beispiel aus Jungs Praxis:
:"Eine junge Patientin hatte in einem entscheidenden Moment ihrer Behandlung einen Traum, in welchem sie einen goldenen [[Skarabäus]] zum Geschenk erhielt. Ich saß, während sie mir den Traum erzählte, mit dem Rücken gegen das geschlossene Fenster. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch, wie wenn etwas leise an das Fenster klopfte. Ich drehte mich um und sah, dass ein fliegendes Insekt von außen gegen das Fenster stieß. Ich öffnete das Fenster und fing das Tier im Fluge. Es war die nächste Analogie zu einem goldenen Skarabäus, welche unsere Breiten aufzubringen vermochten, nämlich ein Scarabaeide (Blatthornkäfer), Cetonia aurata, der gemeine Rosenkäfer, der sich offenbar veranlasst gefühlt hatte, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten in ein dunkles Zimmer gerade in diesem Moment einzudringen." (Gesammelte Werke, Bd. 8, S. 497.)


==Literatur==
== Literatur ==
* C. G. Jung, Gesammelte Werke, Bd. 8, Walter, Olten (CH), 1971, p. 475ff. (§ 816ff.), ''Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge''; ursprünglich veröffentlicht in: C.G. Jung und [[Wolfgang Pauli]], ''Naturerklärung und Psyche'', Rascher Verlag, Zürich, 1952; Paulis Beitrag lautete ''Der Einfluss archetypischer Vorstellungen auf die Bildung naturwissenschaftlicher Theorien bei Kepler''.
* C. G. Jung: ''Synchronizität, Akausalität und Okkultismus.'' dtv, München 2001, ISBN 3-423-35174-8. (Taschenbuchausgabe in elf Bänden, Band 5)
* C. G. Jung: ''Gesammelte Werke.'', Bd. 8 Walter, Olten (CH) 1971, S. 475ff. (§&nbsp;816ff.), ''Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge.'' Erstmals veröffentlicht in: C. G. Jung, Wolfgang Pauli: ''Naturerklärung und Psyche.'' Rascher, Zürich 1952; Paulis Beitrag lautet ''Der Einfluss archetypischer Vorstellungen auf die Bildung naturwissenschaftlicher Theorien bei Kepler''.
* Elisabeth Mardorf: ''Das kann doch kein Zufall sein! Verblüffende Ereignisse und geheimnisvolle Fügungen in unserem Leben''. Schirner 2009, ISBN 978-3-89767-630-5.
* Carl A. Meier (Hrsg.): ''Wolfgang Pauli und C. G. Jung. Ein Briefwechsel 1932–1958.'' Springer, Berlin 1992, ISBN 3-540-54663-4. (englische Übersetzung: Routledge, 2001, ISBN 0-415-12078-0)
* C. G. Jung: ''Grundwerk.'' Band 2: ''Archetyp und Unbewusstes.'' Walter, Olten 1990, ISBN 3-530-40782-8.
* [[F. David Peat]]: ''Synchronizität. Die verborgene Ordnung.'' Scherz 1989, ISBN 3-502-67499-X.
* Jean Shinoda Bolen: ''Tao der Psychologie. Sinnvolle Zufälle.'' Sphinx Medien 1989, ISBN 3-85914-228-3.
* [[Walter Bloch (Philosoph)|Walter Bloch]]: ''Geheimnisse von Raum und Zeit. Synchronizität und Nichtlokalität.'' Crotona 2020, ISBN 978-3-86191-117-3.


== Weblinks ==
* C. A. Meier (Hrsg.): ''Wolfgang Pauli und C. G. Jung. Ein Briefwechsel 1932-1958'', Springer, Berlin 1992; derzeit vergriffen, jedoch in englischer Übersetzung lieferbar: Routledge, 2001 ISBN 0415120780. Enthält viele Hinweise auf die Entwicklung des Begriffs Synchronizität. Die Meier'sche Editierung enthält viele, teilweise schwerwiegende und sinnentstellende Fehler, die auch in die englische Ausgabe übernommen wurden. Beispielsweise heißt es p. 30: "...dass für das Walten u. Eingreifen einer neuen Art von Naturgesetzlichkeit ''kein'' Platz bleibt." Im handschriftlichen Original heißt es hingegen "...dass für das Walten u. Eingreifen einer neuen Art von Naturgesetzlichkeit ''ein'' Platz bleibt." Meier kehrt hier im Zusammenhang mit theoretisch möglichen singulären akausalen Schöpfungsakten in der Natur -- die der Nobelpreisträger gegen das Ende seines Lebens befürwortet und so den Darwinismus auf eine neue Art mit Lamarck verbinden möchte -- den Sinn von Paulis Idee in ihr exaktes Gegenteil um. Weitere Informationen bei dr.remo.roth@psychovision.ch
* [https://paulijungunusmundus.eu/synfrsch.htm ''Synchronizitäts-Forschung''] (deutsch, englisch)


== Anmerkungen ==
* C. G. Jung: Grundwerk, Band 2, ''Archetyp und Unbewusstes'' (1990) ISBN 3530407828
<references />
* C. G. Jung: Taschenbuchausgabe in elf Bänden, Band 5, ''Synchronizität, Akausalität und Okkultismus'' (2001) ISBN 3423351748
* F. David Peat ''Synchronizität. Die verborgene Ordnung'' (1989) ISBN 350267499X, alt. ISBN 3502674981
* Elisabeth Mardorf, Das kann doch kein Zufall sein. Verblüffende Ereignisse und geheimnisvolle Fügungen in unserem Leben. Kösel Verlag, 6. Ausgabe 2002.[[http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3466343801/302-1399797-0051255]]ISBN 3466343801 Das Buch erklärt Jungs Theorien von psychologischer Seite aus gut verständlich und geht vor allem auf die Bedeutung synchronistischer EReignisse ein. Sehr viele interessante Beispiele, spannend zu lesen. Elisabeth Mardorf ist Psychotherapeutin und freie Autorin.


{{Normdaten|TYP=s|GND=4184230-3}}
==Weblinks==
*[http://www.psychovision.ch/synw/synnet.htm ''Synchronizitäts-Forschung''], weitere Originalbeiträge in English in [http://www.psychovision.ch/rfr/roth_e_synchronicity.htm ''Synchronicity Page]
* [http://www.psychovision.ch/synw/gslecture_rome_e_p2.htm#2 Remo F. Roth: ''Die Kappa-Synchronizität''], ein empirisches Beispiel der schöpferischen Wirkung eines synchronistischen Ereignisses
* [http://www.psychovision.ch/synw/sealofsolomonincarnation541.htm#541 Remo F. Roth: ''THE RETURN OF THE WORLD SOUL - Wolfgang Pauli, Carl Jung and the Challenge of the Unified Psychophysical Reality''], Abschnitt 5.4
* http://www.synchronizitaet.de/ Homepage von Dr.Elisabeth Mardorf mit Links und Textauszügen "Das kann doch kein Zufall sein. Verblüffende Ereignisse und geheimnisvolle Fügungen in unserem Leben[[http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3466343801/302-1399797-0051255]]
* http://noosphere.princeton.edu/fristwall.page.html Global Consciousness Project - Registering Coherence and Resonance (and Synchonicity) in the World
* http://db.swr.de/upload/manuskriptdienst/glaubensfragen/gl1220021733.rtf Manuskript einer SWR- Sendung zum Thema Synchronizität
[[Kategorie:Tiefenpsychologie]]


{{SORTIERUNG:Synchronizitat}}
[[en:Synchronicity]]
[[Kategorie:Analytische Psychologie]]
[[fr:Synchronicité]]
[[ja:シンクロニシティ]]
[[pl:Synchroniczność]]

Aktuelle Version vom 3. März 2025, 18:20 Uhr

Als Synchronizität (altgriechisch σύν syn, deutsch ‚mit, gemeinsam‘ und χρόνος chronos ‚Zeit‘) bezeichnete der Psychiater und Psychoanalytiker Carl Gustav Jung zeitlich korrelierende Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft sind (die also akausal sind), jedoch als miteinander verbunden, aufeinander bezogen wahrgenommen und gedeutet werden.

Der Begriff Synchronizität

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Es handelt sich bei der Synchronizität um ein inneres Ereignis (eine lebhafte, aufrührende Idee, einen Traum, eine Vision oder Emotion) und ein äußeres, physisches Ereignis, welches eine (körperlich) manifestierte Spiegelung des inneren (seelischen) Zustandes bzw. dessen Entsprechung darstellt. Um das Doppelereignis tatsächlich als Synchronizität definieren zu können, ist es unerlässlich, dass das innere chronologisch vor oder aber genau gleichzeitig („synchron“) mit dem äußeren Ereignis geschehen ist. Andernfalls könnte angenommen werden, dass das innere Phänomen auf das äußerlich wahrgenommene vorherige Ereignis reagiert (womit wieder eine quasi kausale Erklärung möglich wäre).

Das synchronistische Prinzip

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Jung bezeichnet mit dem von ihm eingeführten Begriff sowohl das Phänomen als auch das hypothetisch dahinterstehende Prinzip. Er verwendet den Begriff „synchronistisches Prinzip“ öffentlich erstmals 1930 in seinem Nachruf für Richard Wilhelm:[1] „Die Wissenschaft des I Ging beruht nämlich nicht auf dem Kausalprinzip, sondern auf einem bisher nicht benannten – weil bei uns nicht vorkommenden – Prinzip, das ich versuchsweise als synchronistisches Prinzip bezeichnet habe.“

Abgrenzung von der Serialität

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Jung grenzt die Synchronizität (für ihn ungewöhnlich methodisch) streng von der Serialität ab, wie sie vor allem Paul Kammerer in seinem Buch Das Gesetz der Serie (1919) untersucht hat. Diese betrachtet er als kuriose – bloß amüsante – Koinzidenzen, denen das schöpferisch verwandelnde Potenzial der Synchronizität fehle. Dieses Potenzial stammt nach Jung aus der Aktivierung eines Archetyps, die sich in der individuellen Psyche für eine gewisse Zeit fokussiert, um dort Ausgestaltung zu finden. Diesen Vorgang bezeichnet Jung als Individuationsprozess.

Sinn stiftend wird die Synchronizität durch ihre Symbolkraft, zum Träger des Symbols wird die physische Komponente der Koinzidenz dank ihrer Intension (spezifischen Entsprechung) und ihrer begrenzten Extension (geringe Häufigkeit). Dadurch kann sie als Resonanz und Antwort auf die (chronologisch vorhergehende) Emotion erkannt werden. Es wird auch als wichtig erachtet, den Sinn eines Synchronizitätsereignisses zu analysieren und Konsequenzen für das eigene Verhalten abzuleiten. Häufig spielt die Numerologie (symbolische Bedeutung von Zahlen) eine wesentliche Rolle bei der „Sinnknüpfung“ einer Synchronizität.

Das Prinzip der Synchronizität veranschaulicht Jung in einer Quaternio, einem Kreuz aus zwei sich jeweils polar ergänzenden Begriffspaaren, die sich diametral ergänzen und somit ähnlich aufzufassen sind wie etwa das Begriffspaar Welle/Teilchen beim Übergang von der klassischen Physik zur Quantentheorie.

Mit „unzerstörbare Energie“ wird hier die Größe bezeichnet, die bei allen physikalischen Prozessen konstant bleibt, also auch bei der Umwandlung von Energie in Masse und umgekehrt. Ihre durch alle ablaufenden physischen Prozesse sich ständig ändernde Erscheinungsform wird quasi als Tanz aufgefasst, der sich als Evolution auf der Bühne des Raum-Zeit-Kontinuums entfaltet.

Jung bestreitet nicht, dass jedes der beteiligten Ereignisse in seiner eigenen Kausalkette steht. Deshalb stellt die Synchronizität nicht das Kausalprinzip in Frage, sondern erweitert es linear bis zum rein akausalen Gegenpol: Die Dinge sind in ihrer Entwicklung sinnhaft aufeinander bezogen und „so angeordnet, wie sie sind“ (acausal orderedness).

Zusammenarbeit zwischen Jung und Wolfgang Pauli

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Mit dem Physiker Wolfgang Pauli diskutierte Jung während seines langjährigen Briefwechsels (1932–1958, veröffentlicht 1992 von C.A. Meier, einem Zürcher Psychiater und langjährigen Freund des Physikers und des Tiefenpsychologen) intensiv diese Thematik. Der Begriff Synchronizität taucht im Pauli/Jung-Briefwechsel zum ersten Mal im Jahr 1948 auf (Brief [35]). Pauli dürfte ihn jedoch schon im Jahr 1934 gekannt haben, da Jung ihn in einem Brief an dessen Physikerkollegen Pascual Jordan verwendete. Pauli kannte Jordan von seiner Hamburger Zeit her und verkehrte weiter mit ihm mündlich und schriftlich. Jung erwähnt den Begriff Synchronizität im Jahr 1950 öffentlich im Vorwort zur englischen Übersetzung des I Ging. Schließlich veröffentlichte er im Jahr 1952 gemeinsam mit Pauli das Buch Naturerklärung und Psyche, in dem Jung unter dem Titel Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge das Thema umfassend behandelt.

Das bekannteste Beispiel aus Jungs Praxis:

„Eine junge Patientin hatte in einem entscheidenden Moment ihrer Behandlung einen Traum, in welchem sie einen goldenen Skarabäus zum Geschenk erhielt. Ich saß, während sie mir den Traum erzählte, mit dem Rücken gegen das geschlossene Fenster. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch, wie wenn etwas leise an das Fenster klopfte. Ich drehte mich um und sah, dass ein fliegendes Insekt von außen gegen das Fenster stieß. Ich öffnete das Fenster und fing das Tier im Fluge. Es war die nächste Analogie zu einem goldenen Skarabäus, welche unsere Breiten aufzubringen vermochten, nämlich ein Scarabaeide (Blatthornkäfer), Cetonia aurata, der gemeine Rosenkäfer, der sich offenbar veranlasst gefühlt hatte, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten in ein dunkles Zimmer gerade in diesem Moment einzudringen.“[2]

Der Physiker Wolfgang Pauli glaubte selbst an den anekdotisch überlieferten Pauli-Effekt, demzufolge in seiner Gegenwart ungewöhnlich häufig experimentelle Apparaturen versagten oder sogar spontan zu Bruch gingen. Als Pauli 1958 in das Rotkreuzspital in Zürich eingeliefert wurde, stellte er tief erschrocken fest, dass er ausgerechnet im Zimmer 137 lag. Die Zahl verband er mit dem Wert der Feinstrukturkonstante, der ziemlich genau 1/137 beträgt, und sah dies als schlechtes Vorzeichen. Pauli starb dort nach einer erfolglosen Operation am 15. Dezember 1958, wobei zu sagen ist, dass (unabhängig von der Zimmernummer) die Heilungsaussichten bei bösartigem Pankreaskrebs, wie im Falle Paulis, äußerst schlecht sind.

Im deutschsprachigen Raum beschäftigte sich der Psychologe Gunnar Reefschläger mit dem Umgang bedeutungsvoller Koinzidenzen in Psychotherapien. Im Rahmen seiner Dissertationsschrift wies er nach, dass C. G. Jungs Konzept der Synchronizität in Psychotherapien als spezifisch jungianischer Deutungsansatz klinische Anwendung findet[3]. Bereits die konzeptuelle Idee der Synchronizität bietet dem Behandler eine zusätzliche therapeutische Möglichkeit, bedeutungsvoll erlebte Zufälle zwischen ihm und Patient in ein subjektives Narrativ zu integrieren, welches vom Patienten als sinnstiftend erlebt werden kann. Wenn ein synchronistischer Moment feinfühlig erkannt, thematisiert und als solcher gedeutet wird, kann dies positive Konsequenzen für die therapeutische Beziehung und die Psychotherapie haben.[4][5]

  • C. G. Jung: Synchronizität, Akausalität und Okkultismus. dtv, München 2001, ISBN 3-423-35174-8. (Taschenbuchausgabe in elf Bänden, Band 5)
  • C. G. Jung: Gesammelte Werke., Bd. 8 Walter, Olten (CH) 1971, S. 475ff. (§ 816ff.), Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge. Erstmals veröffentlicht in: C. G. Jung, Wolfgang Pauli: Naturerklärung und Psyche. Rascher, Zürich 1952; Paulis Beitrag lautet Der Einfluss archetypischer Vorstellungen auf die Bildung naturwissenschaftlicher Theorien bei Kepler.
  • Elisabeth Mardorf: Das kann doch kein Zufall sein! Verblüffende Ereignisse und geheimnisvolle Fügungen in unserem Leben. Schirner 2009, ISBN 978-3-89767-630-5.
  • Carl A. Meier (Hrsg.): Wolfgang Pauli und C. G. Jung. Ein Briefwechsel 1932–1958. Springer, Berlin 1992, ISBN 3-540-54663-4. (englische Übersetzung: Routledge, 2001, ISBN 0-415-12078-0)
  • C. G. Jung: Grundwerk. Band 2: Archetyp und Unbewusstes. Walter, Olten 1990, ISBN 3-530-40782-8.
  • F. David Peat: Synchronizität. Die verborgene Ordnung. Scherz 1989, ISBN 3-502-67499-X.
  • Jean Shinoda Bolen: Tao der Psychologie. Sinnvolle Zufälle. Sphinx Medien 1989, ISBN 3-85914-228-3.
  • Walter Bloch: Geheimnisse von Raum und Zeit. Synchronizität und Nichtlokalität. Crotona 2020, ISBN 978-3-86191-117-3.
  1. Neue Zürcher Zeitung. CLI/1 vom 6. März 1930, In: C. G. Jung: Gesammelte Werke. Bd. 15, S. 63, 66.
  2. C. G. Jung: Gesammelte Werke. Bd. 8, S. 497.
  3. Gunnar I. Reefschläger: Synchronizität in der Psychotherapie : Eine quantitativ–qualitative Untersuchung der strukturellen Beschaffenheit synchronistischer Phänomene im psychotherapeutischen Prozess. (PDF) In: Opus4.kobv.de. 2018, abgerufen am 13. März 2022.
  4. https://psycnet.apa.org/doi/10.1037/pst0000402
  5. https://onlinelibrary.wiley.com/share/author/WWMRUMEZWSZUDW9N6VZJ?target=10.1111/1468-5922.12975