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„Nixe“ – Versionsunterschied

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{{Weiterleitungshinweis|Wassernixe|Zum Märchen siehe [[Die Wassernixe]].
[[Bild:Siegfriedrhein.jpg|200px|right|thumb|Siegfried und die [[Rheintöchter]]]]
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter [[Nixe (Begriffsklärung)]] und [[Nix]] aufgeführt.}}
'''Nixen''' sind [[Wassergeist]]er in der [[Mitteleuropa|mittel]]- bis [[Nordeuropa|nordeuropäischen]] Volksüberlieferung. Der Name kommt vom [[Althochdeutsch|althochdeutschen]] ''nihhus'', ''niccus'' oder ''nichessa'', was jeweils ''Wassergeist'' bedeutet. Eine weitere [[Etymologie|etymologische Ableitung]] führt ihn auf das [[Lateinische Sprache|lateinische]] ''necare'' (="töten") zurück.


[[Datei:Bad Brambach Plastik Kurpark.jpg|mini|hochkant|Bronzefigur einer Nixe im [[Kurpark Bad Brambach]] {{Coordinate|NS=50.221837|EW=12.300546|type=landmark|region=DE-BY|name=Lage|text=ICON0|dim=500}}, um 1915 von [[Gottlieb Elster]] geschaffen]]
''Nixe'' ist die weibliche Form, daneben gibt es auch den männlichen ''Nix'', der, je nach [[Dialekt]] auch als ''Niss'', ''Neck'' oder ''Nöck'' bekannt ist und häufiger als [[Wassermann (Mythologie)|Wassermann]] (siehe da) bezeichnet wird.


Die '''Nixe''' (''[[Internationales Phonetisches Alphabet|IPA]]:'' [{{IPA|nɪksə}}] {{Audio|De-Nixe.ogg|anhören}}; Mehrzahl: ''Nixen'') bzw. der '''Nix''' (''[[Internationales Phonetisches Alphabet|IPA]]:'' [{{IPA|nɪks}}] {{Audio|De-Nix.ogg|anhören}}; Mehrzahl: ''Nixe'') ist eine im [[Deutsche Sprache|deutschen Sprachraum]] weit verbreitete Bezeichnung für einen weiblichen bzw. männlichen [[Wassergeist]].<ref>Petzoldt 2003, S. 173.</ref> Das Wort ist in der [[althochdeutsch]]en Form ''nihhus/nicchus'' seit dem Ende des 10. Jh. belegt und hat Parallelen in vielen anderen [[Germanische Sprachen|germanischen Sprachen]]. Was mit „Nix(e)“ genau bezeichnet wurde und wird hängt stark vom jeweiligen zeitlichen, kulturellen und regionalen Kontext ab. Für das Verständnis der historischen Begriffsverwendungen müssen die entsprechenden [[Quelle (Geschichtswissenschaft)|Quellentexte]] ausgewertet werden, es dürfen nicht einfach Angaben aus jüngeren Erzählungen in die Vergangenheit hinein projiziert werden.<ref>Lecouteux 2000, S. 91.</ref> In späteren [[Volkserzählung]]en können Nix und Nixe in menschlicher oder tierischer Gestalt auftreten und sind meist [[ambivalent]] bis negativ belegt. Erst durch ihre Rezeption in der [[Romantik]] konnte zumindest die Nixe auch positiv dargestellt werden.<ref>Petzoldt 2003, S. 136.</ref>
==Wesen==
Charakteristisches Merkmal der Nixen ist, dass sie den Menschen [[Gefahr]], [[Schaden]] und [[Tod]] bringen. Häufig betören bzw. verführen sie Männer und ziehen sie etwa auf den Grund von Flüssen und Seen. Manchmal ''warnen'' sie aber auch (vergeblich) vor Gefahren. Abzugrenzen ist die Nixe insofern insbesondere von
* [[Wasserfrau]]en (Aspekt der ''Mütterlichkeit'' bzw. der ''Liebe'')
* [[Meerjungfrau]]en (Aspekt der ''Erlösungsbedürftigkeit'')


== Etymologie und mittelalterliche Begriffsverwendung ==
Bei zahlreichen Wasserwesen ist eine eindeutige Zuordnung zu einer der Kategorien nicht möglich (z.B. "Die schöne Lau" von [[Eduard Mörike]]). Zudem werden gerade in neuerer Zeit die genannten Begriffe häufig verwechselt und wie Synonyme verwendet.


=== Wortformen ===
Wie alle weiblichen Wasserwesen ist die Nixe eine Form des [[Tiefenpsychologie|tiefenpsychologischen]] [[Mutterarchetyp]]s, einer Ausprägung der sog. [[Animus und Anima|Anima]] (vgl. [[Carl Gustav Jung]]). Anders als insbesondere bei den schützenden Wasserfrauen kommt bei der Nixe aber der negative Aspekt der ''zerstörenden, verschlingenden Mutter'' zum Ausdruck.
Das althochdeutsche Wort ''nihhus'' bzw. ''nicchus'' kommt Ende des 10. Jahrhunderts erstmals bei [[Notker III.|Notker dem Deutschen]] in der weiblichen Form „Nichessa“ vor. Er bezeichnet sie als eine „Limphe“, was eventuell [[Nymphe]] bedeutet, speziell die Frischwassergöttin [[Lympha]]. Jedenfalls ist bei ihm ein im Wasser lebendes weibliches Wesen gemeint.<ref>Lecouteux 2000, S. 91 f.</ref> Im 11. und 12. Jahrhundert taucht „Nicchus“ auch als [[Glosse (Erläuterung)|Glosse]] für [[Krokodil]] auf. Aufgrund welcher Ähnlichkeiten das Wesen und das Tier gleichgesetzt wurden, ist heute unbekannt.<ref>Lecouteux 2000, S. 93.</ref> Ende des 13. Jahrhunderts findet sich bei [[Konrad von Würzburg]] erstmals die Form „wazzernixe“.<ref>Petzoldt 2003, S. 173.</ref>


Die früheste Erwähnung der verwandten [[altenglisch]]e Form „nicor“ findet sich in zwei Texten der um 1000 entstandenen [[Sammelhandschrift]] ''Cottonianus Vitellius A. XV''. Erstens in einem fiktiven [[Alexanderroman|Brief Alexanders des Großen]], wo es [[Flusspferd]] bedeutet, und zweitens im [[Beowulf]]epos, wo es [[Grendel]]s menschenfressende Mutter bezeichnet. Der ''nicor'' wurde also wohl in Menschen- oder Pferdegestalt vorgestellt.<ref>Lecouteux 2000, S. 94 f.</ref> Der Name des südenglischen Wasserdrachens „[[Knucker]]“ geht auf „nicor“ zurück.
==Gestalt==
In älteren Quellen werden Nixen meist als schöne, junge Frauen mit blasser oder grünlicher Haut beschrieben, die Haare können grün schimmern oder ganz und gar grün sein, das am häufigsten erwähnte Merkmal ist jedoch ein nasser, tropfender Rocksaum. Zumindest an Land gehen sie barfuß. Später tauchen zunehmend auch Nixen mit menschlichem Oberkörper und einem mit Schuppen bedeckten [[Fisch]]schwanz auf, was eine Annäherung an den Typus der [[Meerjungfrau]] darstellt.


In [[Skandinavien]] finden sich die Formen [[Isländisch|isl.]]/[[Färöische Sprache|fär.]] „nykur“, [[Dänische Sprache|dän.]] „Nøkke“, [[Schwedische Sprache|schwed.]] „näck“ bzw. „nick“, und daraus übernommen [[Finnische Sprache|finn.]] „näkki“. Als „nykur“ taucht das Wort erstmals um 1190 auf. Ein [[Schimmel (Pferd)|Schimmel]]-gestaltiges Wesen von der Art, wie später der ''nykur'' beschrieben wird, erscheint bereits vorher in der [[Landnámabók]].<ref>Lecouteux 2000, S. 95.</ref> Der skandinavische Hausgeistername „[[Nisse]]“ hängt nicht mit „Nix“ zusammen, sondern ist aus dem Personennamen [[Nils]] abgeleitet.<ref>[[Rudolf Simek]]: ''Lexikon der germanischen Mythologie.'' Dritte, völlig überarbeitete Auflage. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X. Hier S. 301, Sp. 2.</ref>
==Bekannte Nixen==
Den frühesten Beleg für Nixen bieten die [[Sirene (Mythologie)|Sirenen]] aus Homers Epos [[Odyssee]], die im Auftrag der Göttin [[Hera]] durch ihren Gesang [[Odysseus]] und seine Gefährten von der Heimkehr nach Ithaka abhalten sollen.


Es existieren nur wenige Ortsnamen auf „nicchus“, darunter wohl der Fluss [[Neckar]]. Da Orte und Personen meist nur nach wohlwollenden Gottheiten benannt werden, scheint die Nixe oder der Nix schon früh als bösartiges Wesen gegolten zu haben.<ref>Lecouteux 2000, S. 96.</ref>
Nixen kommen auch in der [[Nibelungensage]] vor. Zwei einerseits menschen-, andererseits vogelgestaltige Wassergeister, durch Hagen ihrer Kleider beraubt, erkaufen sich deren Rückgabe durch eine Prophezeiung - von der Fahrt zu [[Attilla|Etzels]] Hof wird nur ein einziger zurückkehren: "''Wohl muss es so geschehn: Keiner von euch Degen wird die Heimat wieder sehn als der Kaplan des Königs, das ist uns wohl bekannt, der kommt geborgen wieder heim in König Gunthers Land''" ([[Karl Simrock]], Das Nibelungenlied, Vers 1587). Hagen, dem Schicksal höhnend, wirft den Kaplan bei der Überfahrt in die Fluten des Rheins; dieser, des Schwimmens unkundig, erreicht jedoch glücklich das Ufer und erfüllt so die Prophezeiung. Seit [[Richard Wagner]]s starker Umformung des Sagenstoffs im [[Ring des Nibelungen]] sind jene Nixen als [[Rheintöchter]] bekannt.


=== Wortherkunft ===
Bei der berühmten [[Loreley]], die durch ihren Gesang die Rheinschiffe in die Tiefe zieht, soll es sich ebenfalls um eine Nixe gehandelt haben. Eine andere Volkssage erzählt von einer Nixe, die als Bettlerin während eines Unwetters an den Pforten einer Raubritterburg abgewiesen wird, woraufhin die Burg in einem See versinkt.
Die [[Etymologie]] wird traditionell auf ein rekonstruiertes [[Urgermanische Sprache|urgerm.]] Wort ''*niqʷisî'' (dt. waschen, plätschern) zurückgeführt.<ref>Lecouteux 2000, S. 95.</ref><ref>Petzoldt 2003, S. 173.</ref> Zu dieser Herleitung wurden auch Alternativen angeboten. Der Sprachwissenschaftler [[Johann Knobloch (Sprachwissenschaftler)|Johann Knobloch]] stellte 1981 die These auf, dass sich „Nick“ tatsächlich vom Heiligen [[Nikolaus von Myra]] ableite. Der Kult dieses [[Schutzpatron]]s der Seefahrer hätte sich schon früh entlang der Küsten ausgebreitet, sei dann allerdings [[Heidentum|paganisiert]] worden.<ref>Lecouteux 2000, S. 96 f.</ref> Der [[Germanistische Mediävistik|Altgermanist]] [[Claude Lecouteux]] kritisierte diese Annahme 1984 aus mehreren Gründen, vor allem weil der Nikolauskult sich tatsächlich erst später und anders ausgebreitet habe als von Knobloch postuliert. Lecouteux selbst vertritt eine andere Etymologie: Analog zu seiner Erklärung von „[[Hexe#Sprachwissenschaft|hagazussa]]“ als ''hag'' + ''dusia'', deutet er „nicchussa“ als ''nic'' + ''dusia'', d. h. als „Göttin Nic“. ''Nic'' wäre dann der Name einer Göttin, der sich noch im Flussnamen „Neckar“ finde.<ref>Lecouteux 2000, S. 98.</ref> Die [[Dämon]]isierung der Nixe müsse dementsprechend zwischen dem 4. Jahrhundert (erste Nennung des Neckar) und dem 10. oder 11. Jahrhundert (Nennung als Wasserdämon) erfolgt sein.<ref>Lecouteux 2000, S. 102.</ref> Lecouteux stimmt Knobloch allerdings darin zu, dass es eine Verbindung zwischen Nixen und Nikolaus gäbe: Der Heilige habe die Nixen als Herr der Gewässer verdrängt, sie seien dadurch zu seinen bösen Begleitern abgesunken (vgl. [[Knecht Ruprecht]], [[Krampus]]). Die ähnliche Vorsilbe könne diese Verbindung erleichtert haben.<ref>Lecouteux 2000, S. 100 f.</ref> Keine dieser Erklärungen hat sich bisher allgemein durchsetzen können. Der Altgermanist [[Robert Nedoma]] kritisiert alle drei Vorschläge: Die Herleitung von einem Wort für waschen sei zwar formal möglich, aber unbelegt. Knobloch habe nicht konkret zeigen können, wie „Nikolaus“ zu „Nixe“ geworden sein soll. Und Lecouteuxs Herleitung über ''dusia'' sei „[g]anz haltlos“.<ref>[[Robert Nedoma]]: ''Die nordischen Fabelvölker bei Tacitus, Germania 46,4.'' In: ''[[Die Sprache]]. Zeitschrift für Sprachwissenschaft.'' Band 37, Nr. 1, 1995, S. 31–53, hier: S. 33 f., Anm. 9. ([https://www.academia.edu/37374441/Die_nor_di_schen_Fa_bel_v%C3%B6l_ker_bei_Ta_ci_tus_Ger_ma_nia_46_4 Volltext])</ref>


Das ''[[Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache|Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache]]'' in der aktuellen Auflage von 2011 folgt der Herleitung über ein Wort für „waschen“ – „eine [[Partizip]]ialbildung zu der [[Wurzel (Linguistik)|Wurzel]] ([[Indogermanische Ursprache|ig.]]) ''*neiqʷ'' - 'waschen, reinigen' in [[Altindisch|ai.]] ''nénekti'', [[Griechische Sprache|gr.]] ''nízō'', [[altirisch|air.]] ''nigid'', auch [[Latein|l.]] ''noegēum'' n. 'Schweißtuch'. Die Bedeutung wäre dann 'der sich gewaschen hat'“ – weist allerdings darauf hin, dass es für diese These keinen sachlichen Beleg gibt. Als Alternative wird auf Knobloch verwiesen. Lecouteux' These einer Verbindung mit dem Nikolauskult wird für möglich erachtet.<ref>Eintrag „Nix“ in: ''Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.'' Bearbeitet von [[Elmar Seebold]], 25., durchgesehene und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin und Boston 2011, S. 657.</ref> Das jüngere ''[[Duden]] Herkunftswörterbuch'' von 2020 vertritt nur die erste These einer Partizipialbildung „zu der [[Indogermanische Ursprache|idg.]] Verbalwurzel ''*neigu̯'' 'waschen, baden'“. Das Wort „bezeichnete demnach ursprünglich ein badendes oder im Wasser plätscherndes Wesen.“<ref>Eintrag „Nix“ in: ''Duden. Das Herkunftswörterbuch.'' 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Dudenverlag, Berlin 2020, ISBN 3411040769, S. 585.</ref>
In [[Minsen]] im [[Wangerland]] steht die Bronzeplastik des Minsener ''Seewiefken''. Einer Sage nach haben die Bewohner das Seeweib eingefangen, um ein Heilmittel von ihm zu erpressen, und als es entfliehen konnte, soll es aus Rache den Ort am nächsten Tag, als alle Einwohner zum Beten in der Kirche waren, durch eine Sturmflut vernichtet haben. Daher rührt das Sprichwort: "Dat geiht ut as dat Be´n to Minsen" (Das geht aus wie das Beten zu Minsen!).


== Nix und Nixe in Volkserzählungen ==
Weitere Nixen tauchen in den Sagen ''[[Rusálka]]'' (slawischer Bereich), ''Der Bräutigam auf dem Wasser'' (Schweiz), ''Die Wasserhexe'' (Schwaben), ''Die Meeresnixe und die Aale'' (England), ''Der verzauberte See'' (Irland), ''Die Seerosennixe'' (Deutschland), ''Die Nixe mit der goldenen Leier'' (Schwarzwald) und ''Die Meermaid'' (Estland) auf.
„Nixe“ ist neben „[[Wasserfrau]]“ eine im deutschen Sprachraum weit verbreitete Bezeichnung für weibliche Wassergeister. Die männliche Form „Nix“ ist allerdings seltener als die Benennung „[[Wassermann (Mythologie)|Wassermann]]“.<ref>Petzoldt 2003, S. 173.</ref> In Volkserzählungen leben Nix und Nixe oft als Familie in einem Haus am Gewässergrund. Von dort aus kommen die Nixentöchter an Land und mischen sich unter die Menschen, etwa zum Einkaufen oder bei Vergnügungsveranstaltungen. Sie sind nur an ihrem nassen Kleidersaum zu erkennen.<ref>Petzoldt 2003, S. 175.</ref> Weit verbreitet ist die Sage, der zufolge eine Gruppe Nixen sich regelmäßig unter ein abendliches Tanzfest mischt, schließlich aber doch einmal zu spät zurück nach Hause ins Wasser zurückkehren und dafür von ihrem Vater dem Nix getötet werden: Es steigt rotes Blut auf.<ref>Scherf 2017, S. 71.</ref>


Die Nixe wird meist als schöne Frau von ambivalentem Charakter beschrieben: Einerseits kann sie vor Stürmen warnen oder Kinder beschenken, andererseits auch Fischer ertränken oder Kinder entführen.<ref>Scherf 2017, S. 70.</ref> Verbreitet ist die Geschichte, nach der eine Nixe eine menschliche Frau als [[Hebamme]] benötigt, und diese dafür reich belohnt.<ref>Petzoldt 2003, S. 175.</ref> Nixen können auch als [[Hausgeist]]er auftreten. Der Nix dagegen ist eine weitgehend negativ konnotierte Gestalt: Ihm wird nachgesagt, gerne Kinder zu ertränken. Durch diesen Gebrauch als [[Kinderschreckfigur]] sollen Kinder von Gewässern ferngehalten werden.<ref>Petzoldt 2003, S. 174.</ref> Der Nix bzw. Wassermann soll zudem aus sexuellem Interesse versuchen, Mädchen und Frauen zu entführen. Er fungiert nur selten als Hausgeist.<ref>Scherf 2017, S. 66 f.</ref> Der Nix wird meist als hässlicher Mann oder als tiergestaltig beschrieben, selten als attraktiver Jüngling.<ref>Scherf 2017, S. 65.</ref>
In Märchen der [[Gebrüder Grimm]] ''Die Nixe im Teich'' lässt sich die Titelfigur als Gegengabe für Reichtum und Glück versprechen, was zuletzt in seinem Hause geboren wurde, und erschwindelt sich so seinen Sohn. ''Die Wassernixe'' aus dem gleichnamigen Märchen der selben Autoren entführt zwei Kinder in ihr Reich und lässt sie dort für sich Flachs Spinnen und Bäume fällen, ehe sie ihr mit einer List entkommen.


== Gelehrte Verarbeitungen ==
In [[Goethe]]s Ballade ''Der Fischer'' lockt eine Nixe den Fischer mit den vielzitierten Worten „Halb zog sie ihn, halb sank er hin“ in ihr verborgenes Reich. Es bleibt offen, ob ihre reizvollen Versprechungen zutreffen.
Die angebliche Sichtung einer Nixe in der [[Lahn]] 1615 generierte eine umfangreiche gelehrte und künstlerische Rezeption, die wiederum Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung wurde.


Am 13. Oktober 1615 sei in der Lahn an der [[Marburg]]er Elisabeth-Mühle eine Nixe gesehen worden. Das Wesen habe nicht wie eine Frau ausgesehen, sondern sich einem Seil bzw. einer Schlange ähnelnd fortlaufend neu aus dem Wasser gebildet. Wer sie habe greifen wollen, dem seien die Hände erstarrt. Noch im selben Jahr veröffentlichte der Marburger Drucker [[Rudolf Hutwelckers]] einen anonymen [[Einblattdruck]] mit dem Titel ''Nympha Marpurgensis Lanicola, die Marpurger Wassernix''. Dabei handelt es sich um ein [[latein]]isches, in epischem Versmaß gehaltenes Lehrgedicht, in dem die Nixe sich dem Hörer vorstellt. Sie beteuert, ungefährlich zu sein und keine schlimmen [[Omen|Vorzeichen]] anzukündigen.<ref>Eickmeyer2006, S. 115–118.</ref> Mit der Veröffentlichung eines solchen ''Nymphen''-Textes wollte Hutwelcker vermutlich von den damals geführten Diskussionen über die [[Elementargeist]]erlehre des [[Paracelsus]] profitieren (''Liber de Nymphis'').<ref>Becker 2015, S. 255 f.</ref>
Auch die im sog. [[Blautopf]] in Oberschwaben lebende Titelfigur aus [[Eduard Mörike]]s Erzählung ''Die Historie von der schönen Lau'' trägt Züge der Nixe, zieht sie doch einen vorwitzigen Hirtenjungen "geschwinder als ein Blitz und giftiger als eine Otter" in die Tiefe. Dass sie der Erlösung von ihrer Kinderlosigkeit harrt, rückt sie aber zugleich in die Nähe einer [[Meerjungfrau|Seejungfrau]].
Eine explizite Kritik an den Paracelsisten findet sich anschließend in der 1626 erschienenen ''Cista medica'' des Johann Hornung. Hornung hatte in diese Sammlung medizinischer Traktate sowohl das Nixen-Gedicht aufgenommen, als auch drei kritische Reaktionen auf dieses von [[Andreas Libavius]].<ref>Eickmeyer 2006, S. 118 f.</ref> Libavius erklärt die Sichtung [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistisch]] als Fehldeutung von Gasen und Dämpfen, womit er sich sowohl gegen die [[Dämonologie|dämonologische]] Interpretation der [[Theologie|Theologen]], als auch gegen die [[Naturphilosophie|naturphilosophische]] Interpretation der Paracelsisten wandte.<ref>Eickmeyer 2066, S. 131.</ref> Mit seiner anti-paracelsischen [[Polemik]] griff Libavius vor allem die sich zu dieser Zeit formierende [[Rosenkreuzer]]-Tradition an.<ref>Eickmeyer 2066, S. 136 f.</ref>


Die Lahn-Nixe wurde noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in lateinischen Fachtexten debattiert. Einer breiten Öffentlichkeit wurde sie durch den dänischen Gelehrten [[Ole Worm]] bekannt, der die Angaben der ''Cista medica'' in seine 1643 erschienenen ''Danicorum Monumentorum libri sex'' übernahm.<ref>Becker 2015, S. 257–259.</ref> Worm hatte eine wissenschaftliche [[Taxonomie]] der „Nöcken“ bzw. „Nicken“ entworfen, und nutzte die Marburger „Wasser-Nichts“ als Beleg dafür, dass diese Wesen nicht nur im Meer, sondern auch in Flüssen vorkämen.<ref>Becker 2015, S. 253 f.</ref> [[Hans Christian Andersen]] zog die ''Monumenta Danica'' wohl als eine Quelle für sein 1837 erschienenes [[Kunstmärchen]] ''[[Die kleine Meerjungfrau (Märchen)|Die kleine Meerjungfrau]]'' heran.<ref>Der Einfluss zeigt sich wohl insbesondere in der Szene, in der eine besonders mutige Meerjungfrau einen Fluss hinaufschwimmt. Vgl. Becker 2015, S. 253 f.</ref> Ebenfalls im 19. Jh. wird der Sichtungsbericht in deutsche Sagensammlungen aufgenommen. So berichtet [[Hermann von Pfister-Schwaighusen]] in seiner Sammlung ''Sagen und Aberglaube aus Hessen und Nassau'' (1885) von der „Nickse“ in der Lahn.<ref>Becker 2015, S. 260.</ref> Die [[Brüder Grimm]] zogen die Werke von Hornung und Worm als Quellen für ihre Sage ''Nixenbrunnen'' ([[Deutsche Sagen|DS]] 56) und ihr Märchen ''[[Die Nixe im Teich]]'' ([[Grimms Märchen|KHM]] 181) hinzu.<ref>Becker 2015, S. 260f.</ref>
Bildliche Darstellungen von Nixen sind insbesondere auf [[Fresko|Fresken]] in [[Romanik|romanischen]] [[Kirche]]n anzutreffen, so etwa in der Kirche ''St. Martin in Zillis'' ([[Graubünden]]). Weiter tauchen sie in [[Hieronymus Bosch]]s [[Apokalypse|apokalyptischem]] Gemälde [[Hieronymus Boschs Triptychen#Triptychon Der Garten der Lüste|Der Garten der Lüste]] (ca. 1500) auf, aber auch etwa in Johannes Heydens Schrift ''Von der Natur, Art und Eigenschaft der Kreaturen oder Geschöpfe Gottes'' von 1565.


Dem [[Volkskunde|Europäischen Ethnologen]] Siegfried Becker zufolge wurden so aus dem Druck von 1615 – neben jeweils weiteren Quellen – drei ganz unterschiedliche Werke: Erstens Andersens opulente Erzählung, die er selbst klar als Kunstmärchen verortete. Zweitens die von den Brüdern Grimm in angeblichem „Volkston“ verfassten Geschichten, die als altes und authentisches Produkt eines [[Volksgeist]]es erscheinen sollten. Und drittens die sentimental-[[historisierend]]e, angebliche [[Volkssage]] Pfisters. Damit zeige sich, dass diese Nixen-Erzählungen, einschließlich des ursprünglichen Einblattdrucks, immer in zeitgenössische [[Diskurs]]e und [[Genre]]konzeptionen eingebunden sind.<ref>Becker 2015, S. 262.</ref>
In dem [[Manga]] [[Mermaid Saga]] von [[Rumiko Takahashi]] sind die [[Meerjungfrauen]] Lebewesen, deren Charakter teilweise dem der Nixe entspricht. Ihr Fleisch und Blut sollen demjenigen [[Unsterblichkeit]] verleihen, der reinen Herzens ist, und ihre Asche heilt jede Wunde und Krankheit. Doch nur wenige überleben die Jagd nach dem Fleisch der Meerjungfrau, und denjenigen, die es geschafft haben, das [[Fleisch]] bzw. das [[Blut]] zu erlangen, steht eine weitere Prüfung bevor. Denn nur einer von tausend Menschen
ist reinen Herzens genug, den Verzehr dieses Fleisches unbeschadet zu überstehen. Alle anderen aber sterben auf grauenvolle Weise oder mutieren zu verlorenen Seelen und [[verwandeln]] sich in eine [[Art]] [[Fischmenschen]]. Meistens verlieren sie dabei ihre die Sprachfähigkeit und fallen dem Wahnsinn anheim.


== Literatur ==
* Siegfried Becker: ''Andersens Kleine Meerjungfrau und ihre Vorbilder.'' In: ''[[Fabula (Zeitschrift)|Fabula]]. Zeitschrift für Erzählforschung.'' Band 56, Nr. 3/4, 2015, S. 248–262.
* Jost Eickmeyer: ''Nixen, Nebel, Rosenkreutzer. Ein Nixengedicht aus dem siebzehnten Jahrhundert, samt einem eingehenden Gutachten des Doktor Andreas Libavius von 1615/1616.'' In: Ders. und Sebastian Soppa (Hrsg.): ''Umarmung und Wellenspiel. Variationen über die Wasserfrau.'' Bücken & Sulzer Verlag, Overath und Witten 2006, ISBN 3-936405-34-4, S. 108–150.
* [[Claude Lecouteux]]: ''Eine Welt im Abseits. Zur niederen Mythologie und Glaubenswelt des Mittelalters.'' (= Quellen und Forschungen zur Europäischen Ethnologie. Band XXII. Herausgegeben von [[Dieter Harmening]]). Verlag J. H. Böll, Dettelbach 2000, ISBN 3-89754-154-8.
* [[Leander Petzoldt]]: ''Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister''. 3. Auflage. C. H. Beck, München 2003 [1990], ISBN 3-406-49451-X.
* Gertrud Scherf: ''Nixen, Wichtlein und Wilde Frauen. Eine Kulturgeschichte der Naturgeister in Bayern.'' Allitera Verlag, München 2017, ISBN 978-3-86906-986-9.


==Erotik und Tod==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Nixes|Nixen}}
Trotz ihrer verführerischen äußeren Gestalt bringen Nixen im Gegensatz zu anderen weiblichen Wasserwesen Tod und Verderben. In diesem Zusammenhang ist auch die bereits erwähnte [[Etymologie|etymologische]] Ableitung von ''necare'' zu sehen.
{{Wiktionary|Nixe}}
{{Wiktionary|Nix}}
* [https://archive.org/details/danicorummonumen00worm/page/16/ Die Marburger „Wasser-Nichts“] in den ''Danicorum monumentorum libri sex'', S. 17 f. („An ejus generis extiterit illud spectrum quod anno 1615 ...“)


== Einzelnachweise ==
In der [[indoeuropäisch]]en Mythologie spielt das Element der Nixen - das Wasser - allgemein eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit Tod und Totenreich - letzteres wurde als jenseits eines Wassers, oder unter Wasser gedacht. Die in der [[Edda]] beschriebene Göttin [[Ran]] ist z.&nbsp;B. Herrin über die Seelen der Ertrunkenen, ja selbst das Wort ''[[Seele]]'' ist mit See verwandt und deutet damit ebenfalls auf die Nähe von Tod/Totenreich/Jenseits und Wasser hin. Letztlich handelt es sich bei den Wassergeistern wohl um die Seelen von Verstorbenen.
<references responsive/>


{{Normdaten|TYP=s|GND=4131399-9}}
Die erotische Komponente steht nur in scheinbarem Gegensatz dazu, denn in traditionellen Gesellschaften befindet sich alles in einem Kreislauf aus Werden und Vergehen, Tod und Liebe bzw. Fruchtbarkeit und Entstehen. Diese sind dabei nicht die Anfangs- und Endpunkte einer Lebensspanne, sondern sich endlos wiederholende, einander bedingende Prinzipien. (Zu Fruchtbarkeitsriten im Zusammenhang mit Wassergeistern siehe v.&nbsp;a. [[Rusálka]].)


Die männlichen Formen sind schwerer zu erklären, ihr Verhältnis zu den alteuropäischen Herrschern der Unterwasserwelt (s. [[Meeresgott]]), d.&nbsp;h. ob eine entwicklungsgeschichtliche Verwandtschaft der Motive besteht oder nicht, ist undeutlich. Dafür spräche z.&nbsp;B. die Verwandlungsfähigkeit einiger Nöcks in Pferde, also Tiere, die in der griechisch/römischen [[Mythologie]] Poseidon/Neptun zugeschrieben werden und die in der britischen Sagenwelt eine häufige Verwandlungsform des [[Kelpie (Mythologie)]] sind.

==Literatur==
*Barbara Stamer (Hsg.): Märchen von Nixen und Wasserfrauen, Frankfurt 1987, ISBN 3596228735

[[Kategorie:Mythologie]]
[[Kategorie:Mythologisches Wasserwesen]]
[[Kategorie:Mythologisches Wasserwesen]]
[[Kategorie:Deutsche Sagengestalt]]

[[fr:Nixe]]

Aktuelle Version vom 6. April 2025, 21:57 Uhr

Bronzefigur einer Nixe im Kurpark Bad Brambach , um 1915 von Gottlieb Elster geschaffen

Die Nixe (IPA: [nɪksə] anhören/?; Mehrzahl: Nixen) bzw. der Nix (IPA: [nɪks] anhören/?; Mehrzahl: Nixe) ist eine im deutschen Sprachraum weit verbreitete Bezeichnung für einen weiblichen bzw. männlichen Wassergeist.[1] Das Wort ist in der althochdeutschen Form nihhus/nicchus seit dem Ende des 10. Jh. belegt und hat Parallelen in vielen anderen germanischen Sprachen. Was mit „Nix(e)“ genau bezeichnet wurde und wird hängt stark vom jeweiligen zeitlichen, kulturellen und regionalen Kontext ab. Für das Verständnis der historischen Begriffsverwendungen müssen die entsprechenden Quellentexte ausgewertet werden, es dürfen nicht einfach Angaben aus jüngeren Erzählungen in die Vergangenheit hinein projiziert werden.[2] In späteren Volkserzählungen können Nix und Nixe in menschlicher oder tierischer Gestalt auftreten und sind meist ambivalent bis negativ belegt. Erst durch ihre Rezeption in der Romantik konnte zumindest die Nixe auch positiv dargestellt werden.[3]

Etymologie und mittelalterliche Begriffsverwendung

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Das althochdeutsche Wort nihhus bzw. nicchus kommt Ende des 10. Jahrhunderts erstmals bei Notker dem Deutschen in der weiblichen Form „Nichessa“ vor. Er bezeichnet sie als eine „Limphe“, was eventuell Nymphe bedeutet, speziell die Frischwassergöttin Lympha. Jedenfalls ist bei ihm ein im Wasser lebendes weibliches Wesen gemeint.[4] Im 11. und 12. Jahrhundert taucht „Nicchus“ auch als Glosse für Krokodil auf. Aufgrund welcher Ähnlichkeiten das Wesen und das Tier gleichgesetzt wurden, ist heute unbekannt.[5] Ende des 13. Jahrhunderts findet sich bei Konrad von Würzburg erstmals die Form „wazzernixe“.[6]

Die früheste Erwähnung der verwandten altenglische Form „nicor“ findet sich in zwei Texten der um 1000 entstandenen Sammelhandschrift Cottonianus Vitellius A. XV. Erstens in einem fiktiven Brief Alexanders des Großen, wo es Flusspferd bedeutet, und zweitens im Beowulfepos, wo es Grendels menschenfressende Mutter bezeichnet. Der nicor wurde also wohl in Menschen- oder Pferdegestalt vorgestellt.[7] Der Name des südenglischen Wasserdrachens „Knucker“ geht auf „nicor“ zurück.

In Skandinavien finden sich die Formen isl./fär. „nykur“, dän. „Nøkke“, schwed. „näck“ bzw. „nick“, und daraus übernommen finn. „näkki“. Als „nykur“ taucht das Wort erstmals um 1190 auf. Ein Schimmel-gestaltiges Wesen von der Art, wie später der nykur beschrieben wird, erscheint bereits vorher in der Landnámabók.[8] Der skandinavische Hausgeistername „Nisse“ hängt nicht mit „Nix“ zusammen, sondern ist aus dem Personennamen Nils abgeleitet.[9]

Es existieren nur wenige Ortsnamen auf „nicchus“, darunter wohl der Fluss Neckar. Da Orte und Personen meist nur nach wohlwollenden Gottheiten benannt werden, scheint die Nixe oder der Nix schon früh als bösartiges Wesen gegolten zu haben.[10]

Die Etymologie wird traditionell auf ein rekonstruiertes urgerm. Wort *niqʷisî (dt. waschen, plätschern) zurückgeführt.[11][12] Zu dieser Herleitung wurden auch Alternativen angeboten. Der Sprachwissenschaftler Johann Knobloch stellte 1981 die These auf, dass sich „Nick“ tatsächlich vom Heiligen Nikolaus von Myra ableite. Der Kult dieses Schutzpatrons der Seefahrer hätte sich schon früh entlang der Küsten ausgebreitet, sei dann allerdings paganisiert worden.[13] Der Altgermanist Claude Lecouteux kritisierte diese Annahme 1984 aus mehreren Gründen, vor allem weil der Nikolauskult sich tatsächlich erst später und anders ausgebreitet habe als von Knobloch postuliert. Lecouteux selbst vertritt eine andere Etymologie: Analog zu seiner Erklärung von „hagazussa“ als hag + dusia, deutet er „nicchussa“ als nic + dusia, d. h. als „Göttin Nic“. Nic wäre dann der Name einer Göttin, der sich noch im Flussnamen „Neckar“ finde.[14] Die Dämonisierung der Nixe müsse dementsprechend zwischen dem 4. Jahrhundert (erste Nennung des Neckar) und dem 10. oder 11. Jahrhundert (Nennung als Wasserdämon) erfolgt sein.[15] Lecouteux stimmt Knobloch allerdings darin zu, dass es eine Verbindung zwischen Nixen und Nikolaus gäbe: Der Heilige habe die Nixen als Herr der Gewässer verdrängt, sie seien dadurch zu seinen bösen Begleitern abgesunken (vgl. Knecht Ruprecht, Krampus). Die ähnliche Vorsilbe könne diese Verbindung erleichtert haben.[16] Keine dieser Erklärungen hat sich bisher allgemein durchsetzen können. Der Altgermanist Robert Nedoma kritisiert alle drei Vorschläge: Die Herleitung von einem Wort für waschen sei zwar formal möglich, aber unbelegt. Knobloch habe nicht konkret zeigen können, wie „Nikolaus“ zu „Nixe“ geworden sein soll. Und Lecouteuxs Herleitung über dusia sei „[g]anz haltlos“.[17]

Das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache in der aktuellen Auflage von 2011 folgt der Herleitung über ein Wort für „waschen“ – „eine Partizipialbildung zu der Wurzel (ig.) *neiqʷ - 'waschen, reinigen' in ai. nénekti, gr. nízō, air. nigid, auch l. noegēum n. 'Schweißtuch'. Die Bedeutung wäre dann 'der sich gewaschen hat'“ – weist allerdings darauf hin, dass es für diese These keinen sachlichen Beleg gibt. Als Alternative wird auf Knobloch verwiesen. Lecouteux' These einer Verbindung mit dem Nikolauskult wird für möglich erachtet.[18] Das jüngere Duden Herkunftswörterbuch von 2020 vertritt nur die erste These einer Partizipialbildung „zu der idg. Verbalwurzel *neigu̯ 'waschen, baden'“. Das Wort „bezeichnete demnach ursprünglich ein badendes oder im Wasser plätscherndes Wesen.“[19]

Nix und Nixe in Volkserzählungen

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„Nixe“ ist neben „Wasserfrau“ eine im deutschen Sprachraum weit verbreitete Bezeichnung für weibliche Wassergeister. Die männliche Form „Nix“ ist allerdings seltener als die Benennung „Wassermann“.[20] In Volkserzählungen leben Nix und Nixe oft als Familie in einem Haus am Gewässergrund. Von dort aus kommen die Nixentöchter an Land und mischen sich unter die Menschen, etwa zum Einkaufen oder bei Vergnügungsveranstaltungen. Sie sind nur an ihrem nassen Kleidersaum zu erkennen.[21] Weit verbreitet ist die Sage, der zufolge eine Gruppe Nixen sich regelmäßig unter ein abendliches Tanzfest mischt, schließlich aber doch einmal zu spät zurück nach Hause ins Wasser zurückkehren und dafür von ihrem Vater dem Nix getötet werden: Es steigt rotes Blut auf.[22]

Die Nixe wird meist als schöne Frau von ambivalentem Charakter beschrieben: Einerseits kann sie vor Stürmen warnen oder Kinder beschenken, andererseits auch Fischer ertränken oder Kinder entführen.[23] Verbreitet ist die Geschichte, nach der eine Nixe eine menschliche Frau als Hebamme benötigt, und diese dafür reich belohnt.[24] Nixen können auch als Hausgeister auftreten. Der Nix dagegen ist eine weitgehend negativ konnotierte Gestalt: Ihm wird nachgesagt, gerne Kinder zu ertränken. Durch diesen Gebrauch als Kinderschreckfigur sollen Kinder von Gewässern ferngehalten werden.[25] Der Nix bzw. Wassermann soll zudem aus sexuellem Interesse versuchen, Mädchen und Frauen zu entführen. Er fungiert nur selten als Hausgeist.[26] Der Nix wird meist als hässlicher Mann oder als tiergestaltig beschrieben, selten als attraktiver Jüngling.[27]

Gelehrte Verarbeitungen

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Die angebliche Sichtung einer Nixe in der Lahn 1615 generierte eine umfangreiche gelehrte und künstlerische Rezeption, die wiederum Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung wurde.

Am 13. Oktober 1615 sei in der Lahn an der Marburger Elisabeth-Mühle eine Nixe gesehen worden. Das Wesen habe nicht wie eine Frau ausgesehen, sondern sich einem Seil bzw. einer Schlange ähnelnd fortlaufend neu aus dem Wasser gebildet. Wer sie habe greifen wollen, dem seien die Hände erstarrt. Noch im selben Jahr veröffentlichte der Marburger Drucker Rudolf Hutwelckers einen anonymen Einblattdruck mit dem Titel Nympha Marpurgensis Lanicola, die Marpurger Wassernix. Dabei handelt es sich um ein lateinisches, in epischem Versmaß gehaltenes Lehrgedicht, in dem die Nixe sich dem Hörer vorstellt. Sie beteuert, ungefährlich zu sein und keine schlimmen Vorzeichen anzukündigen.[28] Mit der Veröffentlichung eines solchen Nymphen-Textes wollte Hutwelcker vermutlich von den damals geführten Diskussionen über die Elementargeisterlehre des Paracelsus profitieren (Liber de Nymphis).[29] Eine explizite Kritik an den Paracelsisten findet sich anschließend in der 1626 erschienenen Cista medica des Johann Hornung. Hornung hatte in diese Sammlung medizinischer Traktate sowohl das Nixen-Gedicht aufgenommen, als auch drei kritische Reaktionen auf dieses von Andreas Libavius.[30] Libavius erklärt die Sichtung naturalistisch als Fehldeutung von Gasen und Dämpfen, womit er sich sowohl gegen die dämonologische Interpretation der Theologen, als auch gegen die naturphilosophische Interpretation der Paracelsisten wandte.[31] Mit seiner anti-paracelsischen Polemik griff Libavius vor allem die sich zu dieser Zeit formierende Rosenkreuzer-Tradition an.[32]

Die Lahn-Nixe wurde noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in lateinischen Fachtexten debattiert. Einer breiten Öffentlichkeit wurde sie durch den dänischen Gelehrten Ole Worm bekannt, der die Angaben der Cista medica in seine 1643 erschienenen Danicorum Monumentorum libri sex übernahm.[33] Worm hatte eine wissenschaftliche Taxonomie der „Nöcken“ bzw. „Nicken“ entworfen, und nutzte die Marburger „Wasser-Nichts“ als Beleg dafür, dass diese Wesen nicht nur im Meer, sondern auch in Flüssen vorkämen.[34] Hans Christian Andersen zog die Monumenta Danica wohl als eine Quelle für sein 1837 erschienenes Kunstmärchen Die kleine Meerjungfrau heran.[35] Ebenfalls im 19. Jh. wird der Sichtungsbericht in deutsche Sagensammlungen aufgenommen. So berichtet Hermann von Pfister-Schwaighusen in seiner Sammlung Sagen und Aberglaube aus Hessen und Nassau (1885) von der „Nickse“ in der Lahn.[36] Die Brüder Grimm zogen die Werke von Hornung und Worm als Quellen für ihre Sage Nixenbrunnen (DS 56) und ihr Märchen Die Nixe im Teich (KHM 181) hinzu.[37]

Dem Europäischen Ethnologen Siegfried Becker zufolge wurden so aus dem Druck von 1615 – neben jeweils weiteren Quellen – drei ganz unterschiedliche Werke: Erstens Andersens opulente Erzählung, die er selbst klar als Kunstmärchen verortete. Zweitens die von den Brüdern Grimm in angeblichem „Volkston“ verfassten Geschichten, die als altes und authentisches Produkt eines Volksgeistes erscheinen sollten. Und drittens die sentimental-historisierende, angebliche Volkssage Pfisters. Damit zeige sich, dass diese Nixen-Erzählungen, einschließlich des ursprünglichen Einblattdrucks, immer in zeitgenössische Diskurse und Genrekonzeptionen eingebunden sind.[38]

  • Siegfried Becker: Andersens Kleine Meerjungfrau und ihre Vorbilder. In: Fabula. Zeitschrift für Erzählforschung. Band 56, Nr. 3/4, 2015, S. 248–262.
  • Jost Eickmeyer: Nixen, Nebel, Rosenkreutzer. Ein Nixengedicht aus dem siebzehnten Jahrhundert, samt einem eingehenden Gutachten des Doktor Andreas Libavius von 1615/1616. In: Ders. und Sebastian Soppa (Hrsg.): Umarmung und Wellenspiel. Variationen über die Wasserfrau. Bücken & Sulzer Verlag, Overath und Witten 2006, ISBN 3-936405-34-4, S. 108–150.
  • Claude Lecouteux: Eine Welt im Abseits. Zur niederen Mythologie und Glaubenswelt des Mittelalters. (= Quellen und Forschungen zur Europäischen Ethnologie. Band XXII. Herausgegeben von Dieter Harmening). Verlag J. H. Böll, Dettelbach 2000, ISBN 3-89754-154-8.
  • Leander Petzoldt: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister. 3. Auflage. C. H. Beck, München 2003 [1990], ISBN 3-406-49451-X.
  • Gertrud Scherf: Nixen, Wichtlein und Wilde Frauen. Eine Kulturgeschichte der Naturgeister in Bayern. Allitera Verlag, München 2017, ISBN 978-3-86906-986-9.
Commons: Nixen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Nixe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Nix – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Petzoldt 2003, S. 173.
  2. Lecouteux 2000, S. 91.
  3. Petzoldt 2003, S. 136.
  4. Lecouteux 2000, S. 91 f.
  5. Lecouteux 2000, S. 93.
  6. Petzoldt 2003, S. 173.
  7. Lecouteux 2000, S. 94 f.
  8. Lecouteux 2000, S. 95.
  9. Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. Dritte, völlig überarbeitete Auflage. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X. Hier S. 301, Sp. 2.
  10. Lecouteux 2000, S. 96.
  11. Lecouteux 2000, S. 95.
  12. Petzoldt 2003, S. 173.
  13. Lecouteux 2000, S. 96 f.
  14. Lecouteux 2000, S. 98.
  15. Lecouteux 2000, S. 102.
  16. Lecouteux 2000, S. 100 f.
  17. Robert Nedoma: Die nordischen Fabelvölker bei Tacitus, Germania 46,4. In: Die Sprache. Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Band 37, Nr. 1, 1995, S. 31–53, hier: S. 33 f., Anm. 9. (Volltext)
  18. Eintrag „Nix“ in: Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold, 25., durchgesehene und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin und Boston 2011, S. 657.
  19. Eintrag „Nix“ in: Duden. Das Herkunftswörterbuch. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Dudenverlag, Berlin 2020, ISBN 3411040769, S. 585.
  20. Petzoldt 2003, S. 173.
  21. Petzoldt 2003, S. 175.
  22. Scherf 2017, S. 71.
  23. Scherf 2017, S. 70.
  24. Petzoldt 2003, S. 175.
  25. Petzoldt 2003, S. 174.
  26. Scherf 2017, S. 66 f.
  27. Scherf 2017, S. 65.
  28. Eickmeyer2006, S. 115–118.
  29. Becker 2015, S. 255 f.
  30. Eickmeyer 2006, S. 118 f.
  31. Eickmeyer 2066, S. 131.
  32. Eickmeyer 2066, S. 136 f.
  33. Becker 2015, S. 257–259.
  34. Becker 2015, S. 253 f.
  35. Der Einfluss zeigt sich wohl insbesondere in der Szene, in der eine besonders mutige Meerjungfrau einen Fluss hinaufschwimmt. Vgl. Becker 2015, S. 253 f.
  36. Becker 2015, S. 260.
  37. Becker 2015, S. 260f.
  38. Becker 2015, S. 262.