„Jazz“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel|behandelt die Musikrichtung. Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Jazz (Begriffsklärung)]].}} |
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Der '''Jazz''' ist eine [[Stilrichtungen der Musik|Musikrichtung]], die in den [[USA]] im Zusammentreffen [[Afrika|afrikanischer]] und [[Europa|europäischer]] Musiktraditionen entstanden ist. Seine Wurzeln liegen zum einen im [[Blues]] und in den "[[Worksongs]]", den [[Spiritual]]s und [[Gospel]]s der schwarzafrikanischen Sklavenarbeiter in den Südstaaten der USA, zum anderen in den verschiedenen [[Volksmusik]]en der europäischen Einwanderer, darunter dem "[[Irish Folk]]", [[Kreolen|kreolischer]] [[Tanzmusik]], Wiener [[Walzer]]n und [[Marschmusik]]. Aus ihrer Begegnung entstanden eine Reihe neuer musikalischer Ausdrucksformen, zuerst in [[New Orleans]] und entlang des [[Mississippi]], später in [[Chicago]] und anderen Metropolen der USA mit einer damals hohen Zuwanderung vor allem von Farbigen aus den Südstaaten. |
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[[Datei:Louis Armstrong restored.jpg|mini|[[Louis Armstrong]], einer der bedeutendsten Musiker des [[Geschichte des Jazz#Oldtime Jazz (seit 1900)|Hot Jazz]] mit großem Einfluss auf die weitere Entwicklung des Jazz]] |
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Frühe Jazzstile wurden auch aus dem [[Ragtime]] heraus entwickelt: einer eigenen, durchkomponierten Musik für das [[Jazzpiano|Klavier]] mit klassischen Wurzeln und streng [[Synkope|synkopischem]] Rhythmus. Der erste Jazz war dagegen eine [[Ensemble]]-Musik von [[Band (Musik)|Bands]] mit Elementen der Kollektivimprovisation ([[New Orleans]]-Stil) und einem freieren Rhythmus, der [[swing]] genannt wird. |
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'''Jazz''' (''Aussprache:'' {{IPA|d͡ʒæz|Tondatei=De-Jazz.ogg}} oder {{IPA|jat͡s|Tondatei=De-Jazz2.ogg}}) oder '''Jazzmusik''' ist eine ungefähr 1900 in den Südstaaten der USA entstandene, ursprünglich überwiegend von [[Afroamerikaner]]n hervorgebrachte [[Musik]]richtung, die in vielfältiger Weise weiterentwickelt wurde, häufig im [[Crossover (Musik)|Crossover]] mit anderen Musiktraditionen und [[Genre#Musik|Genres]]. Mittlerweile werden auch Musikformen zum Jazz gezählt, die oft nur lose oder kaum noch mit der afroamerikanischen Tradition verbunden sind. Das Wort Jazz wird seit 1915 auf Musik bezogen. |
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Bestimmte Bandleader des frühen Jazz wie [[Buddy Bolden]] waren auch markante Instrumentalisten mit einer sehr individuellen Tonbildung. |
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Improvisation, swing und eigene Tonbildung beschrieb der Jazzhistoriker [[Joachim Ernst Berendt]] als Grundelemente der Jazzmusik, die seine Geschichte von Beginn an mitbestimmten. |
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Der Jazz wird im Hinblick auf seine künstlerische Bedeutung häufig als amerikanisches Pendant zur [[Klassische Musik|klassischen]] europäischen Musik verstanden. Darüber hinaus hat er vielen anderen Sparten der Musik neue Möglichkeiten eröffnet und viele andere Genres beeinflusst. |
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==Merkmale== |
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Besondere Merkmale des Jazz sind: |
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*individuelle Tonbildung und [[Phrasierung]], |
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*eine mit erweiterten Akkorden angereicherte Funktions- oder [[Stufenharmonik]], |
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*kollektive und individuelle [[Improvisation]], |
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*rhythmische Intensität und polyrhythmische Komplexität, u.a. die Spannung zwischen ''on-beat'' (Zusammentreffen mit dem Grundschlag) und ''off-beat'' (Akzente zwischen den Grundschlägen), dazu verschiedene Phrasierung hinter (''laid back'': "zurückgelehnt") oder vor dem Beat (''laid forward'', "vor-gelegt") |
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*Spontanität, Vitalität und Expressivität sowie |
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*„die Freiheit viele Formen zu haben“. |
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== Kennzeichen des Jazz == |
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Der Selbstausdruck des Interpreten, sein Charakter und seine „Message“ stehen im Mittelpunkt einer Jazz-Darbietung: im Gegensatz zur europäischen [[Kunstmusik]], wo der Interpret sich den präzise notierten [[Komposition (Musik)|Kompositionen]] unterordnet und diese meist möglichst werkgetreu ausführt. |
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Der Jazz ist eine Mischung aus europäischen ([[Melodik]], [[Harmonik]], [[Musikinstrument]]e) und [[Traditionelle afrikanische Musik|westafrikanischen]] ([[Improvisation (Musik)|Improvisation]], [[Call and Response]], [[Synkope (Musik)|synkopierte Rhythmen]]) musikalischen Elementen, beeinflusst von [[Ragtime]], [[Minstrel Show]]s und [[Blues]]. Die Melodien basieren auf der [[Frequenzen der gleichstufigen Stimmung|Tonalität des Klaviers]]. Typische Instrumente waren [[Trompete]], [[Trombone]], [[Saxophon]] und [[Klavier]], später auch fast jedes andere Musikinstrument. |
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{{Hauptartikel|Jazzharmonik|Jazzrhythmik}} |
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Ein weiteres wesentliches Merkmal des Jazz ist ein besonderes, intensiviertes Zeit- und [[Rhythmus]]-Gefühl, das an latent vorhandene Beats oder Zählzeiten gebunden ist. 'swing', klein geschrieben, ist, das Spiel innerhalb jener Beats oder Zählzeiten zu phrasieren oder individuell auszudrücken, ohne diese Beats oder Zählzeiten zu verlassen. Dadurch |
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erwächst die jazztypische rhythmische Intensität: je nach Jazzstil "binär" (mit zweigeteiltem Puls) oder "ternär" (mit dreigeteiltem - "triolischem" - Puls) oder bewusst ohne jede Festlegung im Free Jazz. |
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Auch die neueren Strömungen des Jazz weisen einzelne musikalische und ästhetische Charakteristika auf, die sie als Jazz erkennbar werden lassen.<ref>[[Wolfram Knauer]] {{Webarchiv |url=http://www.darmstadt.de/kultur/musik/jazz/history/Jazzhistory-1.htm |text=''Ein Überblick über die Jazzgeschichte.'' |wayback=20110321164210}}</ref> Zu diesen Kennzeichen gehören vor allem die [[Blue Note]]s, aber auch: |
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Seit den 1950er Jahren kam die [[Kuba|kubanische]] [[Polyrhythmik]] hinzu, in der sich genuin afrikanische Musiktraditionen erhalten hatten. Auch danach beeinflussten hispanische oder lateinamerikanische Musikstile - [[Bossa Nova]], [[Samba]], [[Salsa]], [[Tango]], [[Son]] usw. - den Jazz immer wieder als drittes Element neben der afrikanischen und europäischen Wechselbeziehung. |
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* [[Improvisation (Musik)|Improvisation]], |
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* Jazzrhythmik mit (zumindest tendenziell) [[Polyrhythmus|polyrhythmischem]] Charakter, etwa durch den [[Offbeat]], |
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* eine spezielle Art der Tonbildung (zum Beispiel [[Glissando|Schleiftöne]] und [[Multiphonics]]) und Instrumentenbehandlung, |
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* [[stil]]istische Individualität einzelner Musiker und |
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* ein [[Tradition]]sbezug auf vorhergegangene Stile der Jazzgeschichte. |
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Der Jazz entstand in einem Verschmelzungsprozess aus Elementen der afroamerikanischen Volksmusik ([[Blues]], [[Worksong]], [[Negro Spiritual]]) und der europäisch-amerikanischen Marsch-, Tanz- und Populärmusik. Die [[Geschichte des Jazz]] ist „in erster Linie eine Geschichte individueller und kollektiver Stilistiken, Improvisations-Strategien, Phrasierungs- und Intonationsweisen, kurz: eine Interpretations-Geschichte.“<ref>[[Hans-Jürgen Schaal (Jazzautor)|Hans-Jürgen Schaal]] (Hrsg.): ''Jazz-Standards. Das Lexikon.'' 3., revidierte Auflage. Bärenreiter, Kassel u. a. 2004, ISBN 3-7618-1414-3, S. 7.</ref> Daraus ergibt sich aber auch: ''Den'' Jazz gibt es nicht (mehr) – im Verlauf der Jazzgeschichte wird es zunehmend schwierig, sich auf eine einheitliche Definition dieses Begriffs zu einigen und Jazzmusik alleine aufgrund ihrer musikalischen Gestaltungsmittel zu definieren.<ref>Vgl. Ekkehard Jost ''Jazz'', in Wolf Kampmann ''Reclams Jazzlexikon.'' Stuttgart 2003, S. 632 f. Jost hebt dabei auf Improvisation, Interaktion, Rhythmik und die Ich-Bezogenheit des musikalischen Ausdrucks als ästhetische Prämissen der Jazzmusik über deren gesamte Entwicklung ab.</ref> |
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==Harmonik== |
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Der Jazz hat seinen Ursprung im Blues (der wiederum aus den "Worksongs" der schwarzen Sklaven im Süden der USA entstand), folglich hat auch die Jazz-Harmonik ihren Ursprung in der Blues-Harmonik. |
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Der Blues ist gekennzeichnet durch seine feste Form. Ursprünglich bestand ein Blues aus improvisierten Liedtexten mit musikalischer Begleitung: Man sang die erste Zeile und wiederholte diese, um Zeit für die zweite Zeile zu gewinnen. Dann wurde die zweite Zeile gesungen. In den beiden jeweils letzten Takten jeder Zeile folgte ein instrumentales Fill oder eine Antwort. So entstand das 12-Taktige Bluesschema:<br> |
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== Zentrale Jazzstile == |
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1. Textzeile<br> |
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{{Hauptartikel|Geschichte des Jazz}} |
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|Takt1| 2 | 3 | 4 |<br><br> |
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Mit der zunehmenden Verbreitung und Popularisierung entstand zunächst die Jazz-Kritik und dann die [[Jazzforschung]]. Sie versteht den Jazz nicht nur als eine mitreißende Unterhaltungsmusik, sondern auch als ernstzunehmende kulturelle Leistung. So trug sie entscheidend zur Wertschätzung und zum Verständnis eines größeren Publikums für diese Musik bei. Damit bereitete sie den Boden dafür, dass die ab den 1940er Jahren hervorgebrachten Entwicklungen, die, wie der [[Modern Jazz]], jenseits der Popular-Musik liegen, auch eine weltweite Hörerschaft fanden. Allerdings widersprach die Jazz-Kritik mit ihren Kategorisierungen und Deutungen häufig dem andersartigen und überwiegend von afroamerikanischer Kultur geprägten Zugang der Musiker. |
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Wiederholung 1. Textzeile<br> |
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| 5 | 6 | 7 | 8 |<br><br> |
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Die Jazz-Kritik entwarf eine Reihe von Jazz-Stilen und deutete ihre Abfolge so, dass die auf dem Blues, dem [[Gospel]] und dem [[Ragtime]] aufbauende Jazz-Geschichte zumindest bis in die 1960er Jahre als annähernd „folgerichtige“ Entwicklung erschien: [[New Orleans Jazz]] / [[Dixieland Jazz]]; [[Chicago-Jazz]]; [[Swing (Musikrichtung)|Swing]]; [[Bebop]]; [[Cool Jazz]] / [[West Coast Jazz]]; [[Hard Bop]] / [[East Coast Jazz]]; [[Free Jazz]]; [[Fusion (Musik)|Fusion / Rock Jazz]]. Ungefähr ab 1970 wuchs die Vielfalt der unterschiedlichen Stilrichtungen erheblich an und mit ihnen auch widersprüchliche Auffassungen davon, worauf es im Jazz ankommt, welche Entwicklungen richtungsweisend sind und welche neu hinzugekommenen Musiker als bedeutend anzusehen sind. Es gelang für die Zeit ab den 1970er Jahren daher keine allgemein anerkannte Darstellung einer stilistischen Entwicklung mehr. So werden heute mehrere, zum Teil unterschiedliche Bezeichnungen für Stile, Strömungen und Musikerkreise verwendet. Auch die Stile der Vergangenheit werden aus neueren Blickwinkeln mitunter mit zusätzlichen Stil-Bezeichnungen angereichert („[[Latin Jazz]]“, „[[Modal Jazz]]“) und abweichend bewertet. Von Musikern, aber auch von Jazz-Kritikern und -Forschern selbst werden all diese Kategorisierungen grundsätzlich in Frage gestellt. Sie sind allerdings zur allgemeinen Orientierung gebräuchlich geblieben. |
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2.Textzeile<br> |
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| 9 | 10 | 11 | 12 |D.C.<br><br> |
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=== New Orleans Jazz (ab 1905) === |
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Das Stück begann in der Tonika. In der zweiten Zeile (während die 1.Textzeile wiederholt wurde) wurden der Abwechslung wegen andere Akkorde verwendet (Subdominante) und in der 3. Zeile folgte schließlich eine Kadenz, die wieder in die Tonika leitete. Jedoch war es keine dominantische Kadenz, wie im Volkslied oder in der Klassik, sondern eine plagale (Dominante-Subdominante-Tonika). |
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[[Datei:JazzFuneralWratten.jpg|mini|Die ''Algiers Brass Band'' in New Orleans]] |
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Ein F-Dur Blues würde so aussehen:<br><br> |
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[[New Orleans Jazz]] entwickelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts in [[New Orleans]] (Louisiana) und verbreitete sich in den 1910er Jahren durch New Orleans Bands nach Chicago, Illinois und New York. New Orleans Jazz wird häufig als der erste wirkliche Jazz-Stil gesehen. Es war auch die erste Musik, die unter dem Begriff ''Jazz'' zitiert wurde. Vor 1917 wurde das Wort Jazz oft „Jass“ buchstabiert. Bekannte Vertreter des New Orleans Jazz waren [[Kid Ory]] und [[Louis Armstrong]], der in vielen verschiedenen Bereichen des Jazz wirkte. Der historische Vorgänger waren die Musik der [[Street Band]]s, Kirchenlieder, [[Negro Spiritual]]s und [[Blues]], aber auch der [[Cakewalk]] und Ragtime. Seine Stilmerkmale sind: [[Kollektivimprovisation]], [[Break (Musik)|Breaks]], die Trompete als Hauptstimme (wird von den anderen Bläsern umspielt). In den 1950er Jahren erlebte der New Orleans Jazz eine Renaissance unter dem Begriff New Orleans Revival. |
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Tonika<br> |
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| F | F | F | F |<br><br> |
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=== Dixieland Jazz (ab 1910) === |
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Subdom. Tonika<br> |
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Durch die damalige Rassentrennung waren Bands nach Hautfarben getrennt. In New Orleans gab es von Anfang an sowohl afroamerikanische als auch weiße Bands. Sie lieferten einander oft musikalische Duelle in den Straßen. Es bildete sich schließlich eine weiße Spielart des New Orleans Jazz heraus, der [[Dixieland (Jazz)|Dixieland]]. Die [[Original Dixieland Jass Band]] spielte am 26. Februar 1917 ihre erste [[Schellackplatte]] ein, die im Mai 1917 veröffentlicht und ein Millionenhit wurde. Mit ihr begann sich der Jazz weltweit durchzusetzen.<ref>[[Bert Noglik]] [http://www.dw.com/de/100-jahre-jazz-auf-schallplatte/a-37711167 100 Jahre Jazz auf Schallplatte (Deutsche Welle)] <!-- 26. Februar 2017 --></ref> Beim Dixieland traten die ursprüngliche Tonbildung, Schleiftöne, expressives Vibrato und der Gesamtausdruck zurück. Die Melodien waren glatter, die Harmonien reiner und die Technik geläufiger. Dixieland Jazz ist allerdings nicht scharf vom New Orleans Jazz abzugrenzen. Im Verlauf der Zeit spielten Musiker unabhängig von ihrer Hautfarbe beide Richtungen. Heute gibt es drei Hauptströmungen des Dixieland Jazz: Den Chicago Style, West Coast Revival und New Orleans Traditional. |
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| Bb | Bb | F | F |<br><br> |
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=== Chicago Jazz (ab 1919) === |
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Dom. Subdom.Tonika<br> |
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In Chicago fand der New Orleans Jazz und der Dixieland Jazz der Profis aus dem Süden viele Nachahmer. Dazu zählten insbesondere junge Amateure, meist Schüler und Studenten. Es gelang ihnen nicht, die komplexen Konstruktionen gleichwertig nachzubilden. Letztlich entwickelte sich ein neuer Stil, der [[Chicago-Jazz|Chicago Jazz]]. Die Melodien überkreuzen sich dabei nicht mehr, sondern liegen parallel zueinander. Die einzelnen Soli haben im Gegensatz zur Kollektivimprovisation des New Orleans Jazz eine größere Bedeutung. Erstmals tritt hier das [[Saxophon]] als wichtiges Instrument auf. Ein bedeutender Vertreter dieser Stilrichtung war [[Bix Beiderbecke]]. |
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| C | Bb | F | F |D.C.<br><br> |
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=== Swing (ab 1926) === |
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Oft wurden sämtliche Akkorde als Septim-Akkorde gespielt. Im moderneren Jazz wurden jedoch zunehmend Akkorde mit anderen Spannungstönen (Tensions, Optionen) benutzt. Typische Akkorde sind (Internationale Schreibweise, B=H):<br><br> |
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[[Datei:DjangoRheinhardt.jpg|mini|hochkant|[[Django Reinhardt]], einer der großen Jazz-Gitarristen seiner Zeit]] |
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Der [[Swing (Musikrichtung)|Swing]] war die populärste Stilrichtung der Jazzgeschichte. Sie entstand Mitte bis Ende der 1920er Jahre. Aufgrund der [[Weltwirtschaftskrise]] schlossen sich die Musiker zu sogenannten [[Bigband]]s zusammen, da sie als Einzelne in diesem Beruf nicht mehr bestehen konnten. Der Swing hatte zwischen 1935 und 1945 seine Blütezeit. [[Kansas City Jazz]] und [[Western Swing]] sind zunächst regionale Unterstile des Swing, die aber ab Mitte der 1930er auch überregionale und internationale Bedeutung erlangten. In dieser Zeit übernahm auch der Gospel vieles aus der Jazzharmonik und beeinflusste später den Rhythm and Blues damit. |
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<sup>6</sup> (Akkord mit großer Sexte)<br> |
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F<sup>6</sup> wäre f-a-c-d<br> |
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Funktion: Harmonisch stabil, oft Tonika-Klang<br><br> |
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In Europa entwickelte sich seit den späten 1920er Jahren der [[Gypsy-Jazz]] oder ''Jazz manouche''. Der bekannteste Vertreter dieser Richtung war der Gitarrist [[Django Reinhardt]], der diesen Stil durch außergewöhnliche Grifftechniken und seine Virtuosität entscheidend mitgestaltete. Der Gypsy-Jazz entstand als europäischer Ableger des angloamerikanischen Swing und war beeinflusst durch viele europäische Musikstile, insbesondere den Valse Musette und den ungarischen Csárdás. Gypsy-Jazz oder Jazz manouche wurde auch „String Jazz“ genannt, weil er hauptsächlich mit [[Saiteninstrument]]en wie Gitarre, Geige und Kontrabass in der Besetzung des frühen [[Quintette du Hot Club de France]] gespielt wurde. |
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sus bzw. sus<sup>4</sup>, sus<sup>2</sup> (sus = suspended, Akkord ohne Terz; sus<sup>4</sup> = dafür mit Quarte, sus<sup>2</sup>=mit großer Sekunde)<br> |
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Fsus<sup>4</sup> wäre f-Bb-c, Fsus<sup>2</sup> f-g-c<br><br> |
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=== Bebop (ab 1940) === |
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maj 7 (Akkord mit großer statt kleiner Septime)<br> |
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[[Datei:Dizzy Gillespie playing horn 1955.jpg|mini|hochkant|[[Dizzy Gillespie]] – Wegbereiter von Bebop und Latin Jazz]] |
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Fmaj7 wäre f-a-c-e<br> |
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Andere Schreibweisen:FM7, FΔ<br> |
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Funktion: Harmonisch stabil, oft Tonika-Klang<br><br> |
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[[Bebop]] entwickelte sich ab 1940 und legte die Grundlagen für den Modern Jazz. Besonderheiten des Bebop sind größere rhythmische Freiheiten für Schlagzeug und Bass, extrem schnelle Tempi und komplexere Harmonieschemata als im Swing, sowie die Einführung der Tempoverdoppelung in die solistischen Improvisationen. Gleichzeitig lockerte sich die Bindung an ein Thema. Musiker wie [[Charlie Parker]] griffen in der Regel nur noch auf den formalen Rahmen und die Harmonieabfolgen eines Musikstücks zurück und ließen die Melodie des Themas in den Improvisationen weitgehend unberücksichtigt. Ein weiteres Merkmal des Bebop sind Improvisationen über einen längeren Zeitraum, manchmal beginnen oder enden sie mitten in einem [[Chorus (Jazz)|Chorus]].<ref>Andre Asriel: ''Jazz: Aspekte und Analysen.'' Berlin 1985, S. 186</ref> Mischformen dieses Modern Jazz mit dem Swing wurden zunächst unter dem Namen [[Mainstream Jazz]] vermarktet. |
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7<sup>9</sup> (Akkord mit kleiner Septime und großer None)<br> |
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F7<sup>9</sup> wäre f-a-c-eb-g<br><br> |
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=== Latin Jazz (ab 1947) === |
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7<sup>b9</sup> (Akkord mit kleiner Septime und kleiner None)<br> |
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[[Latin Jazz]] ist eine Spielart des Modern Jazz, die sich vor allem durch die Übernahme von Rhythmen und manchmal auch Kompositionen aus dem Repertoire der [[Lateinamerikanische Musik|lateinamerikanischen Musik]] auszeichnet. Zunächst handelte es sich vorwiegend um eine Verbindung des Jazz mit Elementen verschiedener Stilen aus der [[Karibik]], wobei der [[Kubanische Musik|Musik Kubas]] eine Schlüsselstellung eingeräumt wurde. Im weiteren Sinne schließt der Begriff auch Einflüsse aus der [[Música Popular Brasileira|brasilianischen Popularmusik]] mit ein. Der Pionier des Latin Jazz war [[Dizzy Gillespie]]. Er führte 1947 in der New Yorker [[Carnegie Hall]] zusammen mit kubanischen Perkussionisten die „Afro-Cuban Drums Suite“ auf. |
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F7<sup>b9</sup> wäre f-a-c-eb-gb<br> |
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Funktion: Stark dominant wegen Tritonus Quinte-None<br><br> |
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=== Cool Jazz (ab 1948) === |
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7<sup>#9</sup> (Akkord mit kleiner Septime und übermäßiger None)<br> |
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[[Cool Jazz]] wurde Ende der 1940er Jahre in [[New York City|New York]] aus dem Bebop heraus entwickelt. Der Terminus „cool“ bezieht sich auf eine eher introvertierte Grundhaltung des Musizierens. Der Cool Jazz mit Pionieren wie [[Lennie Tristano]] oder [[Miles Davis]] ist eher konzertant orientiert und bevorzugt langsamere Tempi und weitgeschwungene Melodiebögen. Der [[West Coast Jazz]] ist eine in Kalifornien entstandene melodische Variante dieses Stils, die deutlicher Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen möchte. |
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F7<sup>#9</sup> wäre f-a-c-eb-g#<br><br> |
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=== Hard Bop (ab 1955) === |
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Der [[Hard Bop]] (auch Hardbop) ist eine Weiterentwicklung des [[Bebop]]. Er nahm Elemente aus der neueren afroamerikanischen Unterhaltungsmusik auf, was eine insgesamt rhythmisch akzentuierte, auf die Takteinheiten ausgerichtete Spielweise mit sich brachte. [[Soul Jazz]] ist die [[Funk (Musik)|funkige]] Variante, die in den frühen 60er Jahren entstand. |
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[[Datei:Deutsches Jazzfestival 2013 - Pharoah and the Underground - Pharoah Sanders - 05.JPG|mini|[[Pharoah Sanders]] trug die Intensität des freien Spiels auch in jüngere Formen ein (im Hintergrund [[Rob Mazurek]]).]] |
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=== Free Jazz (ab Ende der 1950er Jahre) === |
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7<sup>11</sup> (Akkord mit kleiner Septime, None und Undezime)<br> |
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[[Free Jazz]] ist einerseits ein historischer Begriff für freies ungebundenes Improvisationsspiel im Jazz seit den 1960er Jahren. Andererseits ist es ein bis heute ausstrahlendes [[Paradigma]], das die Möglichkeit zur freien Entfaltung immer neuer Formen im Jazz bereithält. Eine stilistische Analyse ist daher nur bedingt möglich. Im zeitgenössischen [[Avantgarde Jazz]] – einer späteren, intellektuellen Variante des Free Jazz – greift man in der Regel auf durchgehende Metren zurück. Daneben hat sich aktuell mit der [[Neue Improvisationsmusik|freien Improvisation]] eine Form spontanen Spiels aufgetan, die jedoch die Bezüge und Rückverbindungen zum Jazz aufgibt und Neuland jenseits etablierter Musikgattungen betritt. |
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F7<sup>11</sup> wäre f-a-c-eb-g-Bb<br><br> |
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=== Jazz Fusion (ab Ende der 1960er Jahre) === |
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7<sup>#11</sup> (Akkord mit kleiner Septime, None und übermäßiger Undezime)<br> |
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[[Fusion (Musik)|Jazz Fusion]] ist ein Genre, das Jazz mit anderen Stilrichtungen kombiniert, besonders mit Rock- und Funkmusik. Typischerweise mischen Jazz-Musiker hier Jazztechniken unter Einsatz elektrisch verstärkter Instrumente, wie der [[Elektrische Gitarre|E-Gitarre]], dem [[Elektrisches Klavier|E-Piano]] oder dem [[Synthesizer]] mit rhythmischen Strukturen afroamerikanischer Popmusik. Das können die Grooves der [[Soul]]musik, die des [[Rhythm and Blues]] oder auch binäre Rhythmen der Rockmusik sein. [[Jazzfunk]] ist eine funkige Variante der Fusionmusik. Im selben Maße, wie sich Jazzmusiker der Rock- oder Funkmusik näherten (zum Beispiel [[Herbie Hancock]]), kam es auch zu einer Verschmelzung von der anderen Seite: Rockmusiker wie [[Brian Auger]], [[Al Kooper]] und Bands wie ''[[Embryo (Band)|Embryo]]'' schufen den ''Rockjazz'' analog zum ''Jazzrock'' von [[Miles Davis]] oder ''[[Weather Report]]''. |
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F7<sup>#11</sup> wäre f-a-c-es-g-b<br><br> |
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== Zeitgenössische Entwicklungen == |
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7<sup>13</sup> (Akkord mit kleiner Septime, None, ohne(!) Undezime und 13. Die Quinte kann ohne Klangveränderung weggelassen werden)<br> |
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[[Datei:Matana-roberts.jpg|mini|hochkant|[[Association for the Advancement of Creative Musicians|AACM]]-Saxophonistin [[Matana Roberts]] auf dem [[Moers Festival]] 2006]] |
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F7<sup>13</sup> wäre f-a-c-eb-g-Bb-d<br><br> |
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=== Modern Creative === |
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mi<sup>7</sup> (Moll-Akkord mit kleiner Septime)<br> |
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{{Hauptartikel|Modern Creative}} |
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Fmi<sup>7</sup> wäre f-ab-c-eb<br> |
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Andere Schreibweisen: F-7<br><br> |
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Modern Creative ist ein Jazzstil, der die stilistische Vielfalt des Modern Jazz zeitgenössisch aufgreift. Er wird als Weiterentwicklung des Free Jazz gesehen und entstand durch die mannigfaltigen musikalischen Mittel, die den Musikern heute zugänglich sind. Viele Jazzmusiker haben daraus unterschiedliche persönliche Improvisationssprachen entwickelt. So können sie sich in den verschiedenen zeitgenössischen Jazzstilen improvisatorisch ausdrücken. Musiker wie [[Paul Bley]], [[James Carter (Saxophonist)|James Carter]], [[Theo Jörgensmann]] oder [[Michael Moore (Holzbläser)|Michael Moore]] kann man dem ''Modern Creative Jazz'' zurechnen. |
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mi<sup>6</sup> (Moll-Akkord mit großer Sexte)<br> |
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Fmi<sup>6</sup> wäre f-ab-c-d<br> |
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Andere Schreibweisen:F-6<br><br> |
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=== World Jazz bzw. Ethno-Jazz === |
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<sup>0</sup> (Verminderter Akkord)<br> |
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Anders als frühere Begegnungen von Jazzmusikern mit Musikern anderer Musikkulturen, bei denen [[Exotismus|exotische]] Themen mit Mitteln der Jazz-Stilistik behandelt wurden, entstanden ab den 1970er Jahren Verbindungen von Jazz mit „nicht-westlicher“ Musik, in denen der Jazz-Charakter zugunsten eines gleichberechtigten Austauschs und des Bemühens um tatsächliche Fusion zurückgestellt wurde (zum Beispiel in den Gruppen ''[[Shakti (Band)|Shakti]]'' oder ''Codona''). Für diese Versuche einer musikalischen Synthese wurden Bezeichnungen wie „World Jazz“ oder auch „[[Ethno-Jazz]]“ gebräuchlich. Der Begriff „[[Weltmusik|World Music]]“ wird aber auch in darüber hinausgehender Weise verstanden, im Sinne einer allen Musikkulturen zugrundeliegenden Gemeinsamkeit, einer weltumspannenden musikalischen Sprache und sogar im Sinne einer Abbildung universaler (spiritueller) Welt-Prozesse in Musik. |
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F<sup>0</sup> wäre f-ab-cb-d<br> |
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Funktion: Dominant-Funktion (verk. Dominantseptakkord)<br> |
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Andere Schreibweise:<sup>0</sup>7 |
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=== Neotraditionalismus === |
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Andere Akkorde sind möglich, aber ungebräuchlich. |
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Anhänger des „Neotraditionalismus“ lehnen die Entwicklungen des Free Jazz und der Jazz Fusion als dem Wesen des Jazz widersprechend ab und sehen die Elemente Blues und Swing als unentbehrliche Bestandteile von Jazz an. Der sogenannte „[[Neobop]]“ – eine aktuelle Form einer aus dem Bebop und Hardbop abgeleiteten Jazz-Tradition – bildet einen wesentlichen Teil des Neotraditionalismus, der aber weit darüber hinausreicht: einerseits durch einen Rückbezug auf ältere Stile (Louis Armstrong dient als wichtiger Bezugspunkt), andererseits durch einen starken Einfluss des sogenannten modalen Jazz (das Vorbild der Miles-Davis-Quintette ist allgegenwärtig). Im Vordergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit dieser Bewegung steht der Trompeter [[Wynton Marsalis]]. |
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Zu den neuen Spannungstönen kommen im modernen Blues neue Akkord-Progressionen. Dazu gehören Sequenz-Dominanten, bzw. II-V-I-Kadenzen. Eine II-V-I-Kadenz besteht ausschließlich aus diatonischen Akkorden, das heißt z.B., dass alle Akkordtöne einer solchen Kadenz innerhalb von F-Dur auf der F-Dur-Tonleiter wiederzufinden sind. Eine F-Dur II-V-I-Kadenz sähe folgendermaßen aus:<br><br> |
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=== Neoklassizismus === |
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Gmi<sup>7</sup> (II. Stufe) - C<sup>7</sup> (V. Stufe)- Fmaj<sup>7</sup> (I. Stufe, Tonika)<br><br> |
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[[Datei:Roy Hargrove (Photo Eddy Westveer).jpg|mini|[[Roy Hargrove]]]] |
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Der Ausdruck „Neoklassizismus“ wird zur Bezeichnung einer Stilrichtung verwendet, die sowohl die logische Folge als auch die Abkehr vom Free Jazz darstellt. Sie ist aus dem „Gestus des langen improvisatorischen Freiflugs“ hervorgegangen, hat aber die Ästhetik der [[Avantgarde]] aufgegeben.<ref>Zit. n. Hannah Dübgen, [http://www2.hu-berlin.de/fpm/wip/duebgen_01.htm ''Blue Notes on Black and White Keys: Stationen und Aspekte des Piano Jazz der 1970er Jahre unter besonderer Betrachtung der Soloimprovisationen von Keith Jarrett, Chick Corea und Alexander von Schlippenbach'']. 2003.</ref> Diese Richtung teilt mit dem Neotraditionalismus („Klassizismus“ im Sinne Berendts) die Wertschätzung für die afroamerikanische Jazz-Tradition, bringt in ihr Traditions-Verständnis jedoch die Formen und Ausdrucksmittel des gesamten Jazz ein. Protagonisten dieses Stils, der sich seit den 1990er Jahren immer mehr in Richtung Neo-Traditionalismus bewegt, sind u. a. [[Archie Shepp]] oder [[David Murray (Jazzmusiker)|David Murray]]. So werden etwa die Schrei-ähnlichen Überblas-Effekte des Free Jazz im Spiel des Tenor-Saxofonisten David Murray melodisiert und erscheinen damit mehr als moderne Formen uralter Blues-Shouts, als dass sie in einem avantgardistischen Sinne zu verstehen wären. |
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Ein moderner Blues sähe so aus:<br><br> |
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=== Acid Jazz === |
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| F<sup>6</sup> | Bb<sup>7</sup> | F<sup>6</sup> | F<sup>6</sup> |<br><br> |
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{{Hauptartikel|Acid Jazz}} |
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Der Begriff Acid Jazz wurde in den späten 1980er Jahren geprägt, als vorwiegend britische [[DJ]]s tanzbare Soul- und Funkjazz-Aufnahmen der 1960er und 1970er wiederentdeckten und in [[Diskothek]]en spielten. Viele Aufnahmen der damaligen Zeit wurden unter dieser Bezeichnung wiederveröffentlicht. Im Zuge dieses Revivals bildeten sich auch neue Formationen, die Jazz mit [[Soul]] und [[Funk (Musik)|Funk]] kombinierten. Dabei wurden auch elektronische Klangerzeuger verwendet, speziell beim [[Beat (Rhythmus)|Beat]], aber auch sonst im Arrangement. Acid Jazz funktioniert als tanzbarer Clubsound und steht dem Musikgenre [[Disco (Musik)|Disco]] nahe. |
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| Bb7<sup>#9</sup> | B<sup>7</sup> |E<sup>7</sup> A<sup>7</sup>|D<sup>7</sup> G<sup>7</sup>|<br><br> |
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=== Downtown === |
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| C<sup>7</sup> | Bb<sup>7</sup> | F<sup>6</sup> |G<sup>7</sup> C<sup>7</sup>|D.C.<br><br> |
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„Downtown“ ist eine Bezeichnung für eine fast ausschließlich euro-amerikanische Szene, die in Downtown Manhattan eine spezifische Stilrichtung entwickelt hat. Sie führte in den 1980er Jahren zunächst den Jazz in extrem avantgardistische Bereiche („[[Noise Rock|Noise Music]]“, Verwendung von Geräuschen anstelle von Tönen) mit Verbindungen zur „[[Neue Musik|Neuen Musik]]“ und zu avantgardistischer Rock-Musik. Daraus entwickelte sie ein extrem eklektizistisches Musikverständnis: die unterschiedlichsten Musikarten ([[Filmmusik|Zeichentrickfilm-Musik]], Avantgarde-Jazz, [[Grindcore]] usw.) werden gleichberechtigt verwendet – oft collagenartig und in schnell wechselnder Abfolge. Als zentrale Persönlichkeit dieser Szene gilt der Alt-Saxofonist [[John Zorn]]. |
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=== Imaginäre Folklore === |
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Die II-V-I-Kadenz wurde zur hauptsächlich verwendeten Kadenz und viele [[Jazzstandard|Jazz-Standards]] sind ausschließlich auf Sequenz-Dominanten aufgebaut (gutes Beispiel: All Of Me). Viele andere basieren auf der Blues-Form.<br><br> |
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Beim Konzept der [[Imaginäre Folklore|imaginären Folklore]] bilden folkloristische oder als folkloristisch empfundene Melodien oder deren rhythmische Strukturen den Ausgangspunkt für die Improvisationen. Neben Musikern aus dem Kreis der [[Association à la Recherche d’un Folklore Imaginaire]] (ARFI) wie [[Louis Sclavis]] gehören [[Gianluigi Trovesi]] und mittlerweile auch [[Norbert Stein]] aus Deutschland zu den führenden Vertretern dieser Richtung. |
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[[Datei:Reflex Trio, met Steve Coleman, Transition Festival Tivoli Vredenburg Utrecht, 8 april 2017 - Anthony Tidd (51336026105).jpg|mini|hochkant|Steve Coleman (2017), bedeutendster Vertreter der ''M-Base''-Bewegung]] |
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'''Funktionstheorie''' <br><br> |
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=== M-Base === |
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{{Hauptartikel|M-Base}} |
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Die Musik der herausragenden Vertreter des M-Base-Musiker-Kreises ist hoch komplex strukturiert und virtuos, bezieht zahlreiche Elemente der Jazz-Tradition mit ein, stellt aber den Gegenwartsbezug in den Vordergrund und ist in der aktuellen afroamerikanischen Groove-Musik verankert. |
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In der Funktionstheorie werden die Beziehungen der einzelnen Akkorde zueinander innerhalb einer Tonart erklärt.<br><br> |
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=== Nu Jazz === |
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Tonika sind alle Akkorde, die einen (auch zeitweiligen) Ruhepunkt im Verlauf der Musik definieren. Das gehörsmässige Empfinden einer Tonika-Funktion entsteht dabei, neben einem grundsätzlichen Voraussetzen (abendländischer) Hörerfahrung, vor allem durch die Platzierung des Akkordes innerhalb einer harmonischen Entwicklung (Schwerpunkt, Ruhepunkt, Ziel einer harmonischen Entwicklung, etc.), sowie einen tendenziell stabilen, ruhigen Klangcharakter relativ zur Umgebung. |
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{{Hauptartikel|Nu Jazz}} |
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Nu Jazz (gelegentlich auch als ''Electro Jazz'' bezeichnet) ist eine Richtung der [[Elektronische Musik|elektronischen Musik]] der späten 1990er- und der 2000er-Jahre. Auch der Nu Jazz ist nur bedingt als originärer Jazzstil zu bezeichnen, da die Basis dieser Musik meist elektronische Musik ist, die mit Jazz-Elementen verbunden wird. Wie auch [[Electronica (Musik)|Electronica]] oder [[Downtempo]] ist Nu Jazz nicht genau definiert, sondern wird vielseitig eingesetzt und für viele verschiedene musikalische Variationen verwendet. Als Nu Jazz wird beispielsweise sowohl [[Drum and Bass]] oder [[House]] mit Jazz-Anklängen als auch der ''Broken Beat'' bezeichnet. |
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Dominante ist der Gegenpol zur Tonika. Im Sinne eines Wechselspiels von Spannung und Entspannung in der Musik ist die Dominante der Akkord, der einer Tonika diametral gegenübersteht. Dominant-Akkorde 'möchten' sich in ihre Tonika-Akkorde auflösen (die geschieht nicht immer direkt!). |
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[[Datei:Rebekka Bakken Victoria teater Oslo Jazzfestival 2017 (223746).jpg|mini|Rebekka Bakken (2017)]] |
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Subdominante sind demnach alle Akkorde und Klänge, die weder Tonika- noch Dominant-Charakter haben. Subdominanten können 'auf dem Weg' zwischen Tonika und Dominante (und wieder zurück) eingesetzt werden. |
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=== Smooth Jazz bzw. Pop-Jazz === |
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{{Hauptartikel|Smooth Jazz}} |
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Smooth Jazz wird häufig der [[Easy Listening|Easy-Listening]]-Musik zugeordnet. Entstanden aus dem [[Fusion (Musik)|Jazz-Rock (Fusion)]] der 1970er Jahre, verbindet diese melodische Spielart den Jazz mit rhythmischen Texturen der Popmusik. Smooth Jazz ist überwiegend ein [[Hörfunkformat|Radioformat]] in Nordamerika, das dort in den 1990er Jahren sehr populär wurde. Zu den Wegbereitern zählen [[Bob James]], [[Lee Ritenour]] und [[Grover Washington Jr.]] Besonders erfolgreiche Interpreten sind [[George Benson]] und [[Kenny G.]] und in Deutschland [[Till Brönner]]. In den letzten Jahren wurde vornehmlich durch Sängerinnen wie [[Silje Nergaard]], [[Rebekka Bakken]], [[Katie Melua]], [[Norah Jones]], [[Viktoria Tolstoy]] und [[Solveig Slettahjell]] die Jazzmusik mit Mitteln der Popmusik neu definiert. Hier wird eher der Begriff Pop-Jazz verwendet (siehe auch [[Pop-Jazz]]). |
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=== Jazz-Rap === |
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Doppeldominante (V von V oder II. Stufe): |
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Durch das Aufkommen des [[Hip-Hop]] als Jugendkultur wurde auch die Musikrichtung Jazz-Rap in den Jazz integriert. Ein Vertreter des [[Jazz-Rap]] in Deutschland ist die [[Jazzkantine]]. Als ein Wegbereiter dieser Spielart des Jazz gilt das Bandprojekt [[Jazzmatazz]]. Zu den Vertretern des Subgenres gehörten um 2020 auch Künstler wie [[Kassa Overall]] ''(Go Get Ice Cream and Listen to Jazz)'', [[Robert Glasper]] ''(Fuck Yo Feelings)'', [[Melanie Charles]], R.A.P. Ferriera, Karriem Riggins, das Kollectiv ''Stas Thee Boss'' und der Sänger/Produzent (Liv).e.<ref name="band">{{Internetquelle |autor= Blake Gillespie |url=https://daily.bandcamp.com/lists/jazz-rap-rap-ferreira-robert-glasper-kassa-overall |titel=A Brief Guide to the Shape of “Jazz Rap” Today |werk=Bandcamp Daily |datum=2020-11-11 |abruf=2020-11-12 |sprache=en}}</ref> |
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Sie leitet zur Dominante der Grundtonart d.h. ihrer eigenen Tonika (deshalb V von V). Mehrere Doppeldominanten hintereinander werden als Dominant-Sequenz bezeichnet. |
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=== Electroswing === |
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Es lassen sich nun aus einem System der diatonischen Vierklänge einer Tonart (zunäst in Dur) bestimmte Akkordfunktionen ableiten. Diese beruhen selbstverständlich vor allem auch auf unsrer Hörerfahrung. Dabei hat die grundsätzlich (mindestens) vierstimmige Struktur der Akkorde im Jazz die Eigenschaft, auch bei ihren Tonika-Akkorden immer eine gewisse Grundspannung zu behalten, also nicht die Auflösung in einen Dreiklang oder gar den Grundton alleine zu suchen. |
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Der [[Electroswing]] ist eine Form der zeitgenössischen [[Electro|elektronischen Tanzmusik]] und bedient sich in [[Retro]]manier Melodien, teilweise auch Instrumentierungen aus der Jazz- und Unterhaltungsmusik der 1920er bis 1950er Jahre. Sie werden mit elektronischen Klängen und Beats unterlegt. |
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== Musikalische Form == |
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In diesem System sind folgende grundlegende Beobachtungen zu machen: |
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Im Vergleich mit der „Architektur der großen Form“ in der europäischen [[Kunstmusik|Konzertmusik]] mit dem zunehmend groß angelegten komplexen Aufbau ihrer [[Komposition (Musik)|Kompositionen]] wirkt der Jazz (ähnlich wie auch afrikanische und indische Musikformen) zumeist einfach. Der großen Bedeutung der Improvisation und des Grooves im Jazz entsprechend ist die musikalische Gestaltung sehr in den Verlauf der Zeit eingebettet, mit grundsätzlich offenem Ende. Jazz ist demnach weitgehend seriell (hintereinander verlaufend) organisiert und tendiert daher zu [[Modularisierung|modularen]], kleineren Gestaltungseinheiten. Dem Musikwissenschaftler und Pianisten [[Vijay Iyer]] zufolge liegt das Augenmerk „statt auf der groß angelegten [[Hierarchie|hierarchischen]] Form“ vermehrt „auf den fein-körnigen rhythmischen Details und der Hierarchie rhythmischer Überlagerungen. Die größeren musikalischen Formen ergeben sich daher [[Emergenz|emergent]] aus der improvisierten Gestaltung dieser kleinen musikalischen Bestandteile.“<ref>V. Iyer, {{Webarchiv |url=http://archive.cnmat.berkeley.edu/People/Vijay/00.0%20title%20%26approval%20pages.html |text=Microstructures of Feel, Macrostructures of Sound: Embodied Cognition in West African and African-American Musics. Diss.: Berkeley 1998 |wayback=20131029193331}}</ref> |
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Tonika-Akkorde haben grundsätzlich grosse Septimen, da die dazugehörigen Tonleitern einen Leitton haben sollen, der die Tonika-Wirkung unterstützt. |
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Dominant-Akkorde enthalten zwischen ihrer (grossen) Terz und der (kleinen) Septim ein Tritonus-Intervall, das für den charakteristischen Dominant-Klang verantwortlich ist. |
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Die Funktion der Akkorde kann durch die drei Akkordtöne 1, 3 und 7 meist vollständig ausgedrückt werden. Zumindest sind Akkorde mit reiner Quint ohne diese vollständig definiert. (Die Terz und die Sept heissen daher auch die Funktionstöne.) |
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Nur zum Teil wurde formal eine größere Nähe zur Konzertmusik der europäischen Tradition gesucht. Hier ist zunächst [[Duke Ellington]] mit Kompositionen wie dem ''Diminuendo And Crescendo In Blue'' oder der Suite ''Black, Brown and Beige'' zu nennen. Der [[Progressive Jazz]] eines [[Stan Kenton]] und vor allem der [[Third Stream]] eines [[Gunther Schuller]], [[Charles Mingus]] oder [[John Lewis (Pianist)|John Lewis]]<ref>Peter W. Schatt: ''„Jazz“ in der Kunstmusik: Studien zur Funktion afroamerikanischer Musik in Kompositionen des 20. Jahrhunderts.'' Kassel 1995, ISBN 3-7649-2476-4.</ref> haben diesen Weg weiterverfolgt. Häufiger jedoch wurde in der Vergangenheit die ästhetische Haltung aus der Konzertmusik Europas auf weniger komplexe Musikstücke in die Song-Charakteristik und die in ihnen gespielten Improvisation übertragen, beispielsweise bei [[Dave Brubeck]] oder bei [[Jutta Hipp]]. |
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Die Anwendung dieser Zusammenhänge auf eine Moll-Tonalität folgt nun nicht ganz der in der klassischen Harmonik gebräuchlichen Beziehung einer Moll-Tonleiter zu ihrer Dur-Parallele (z. B. C-Dur/a-moll). Vielmehr wird das Dur-System nach Moll alteriert (b3, auch b6) und so analog beibehalten. |
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In einigen Strömungen des Jazz (zum Beispiel Modern Creative oder M-Base) werden den Improvisationen Eigenkompositionen zugrunde gelegt, in anderen wird häufig auf bewährte Standards und bekannte Songs anderer Musikgenres zurückgegriffen. |
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Dominant-Substitution:<br> |
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Der dominantische Klang eines Septim Akkords wird durch den Tritonus zwischen Terz und Septime erzeugt. Wenn man diesen Tritonus umkehrt (wenn es z.B. vorher der zu C7 gehörende Tritonus E(Terz)-Bb(kl. Septime) war wird einach das E jetzt zur Septime und das Bb zur Terz), entsteht ein neuer Akkord mit dem gleichen Tritonus, der dann natürlich auch in den gleichen Akkord aufgelöst werden kann. Dieser neue Akkord ist die Substitution des Ausgangsakkords. Wenn der Ausgangsakkord wie im Beispiel C7 war, ist der Substitutionsakkord Gb7. Beide leiten nach F. |
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=== Jazzstandards === |
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Tonika-Sustitution:<br> |
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{{Hauptartikel|Jazzstandard|Liste von Jazzstandards und -kompositionen}} |
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Auch die Tonika kann aufgrund von Akkordähnlichkeiten 'vertreten' werden: die III. Stufe (in Dur - also etwa Gm7 in Eb-Dur) wird daher oft als Tonika-Subszitut verwendet und hat vor allem den Effekt der Tonika-Vermeidung (längere harmonische Entwicklung!). |
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Ein Jazzstandard ist eine Melodie mit festgelegter Harmoniefolge, die häufig als Thema und Material einer Jazzimprovisation dient. In der Regel wird das Thema zu Beginn und zum Schluss des Stücks vorgestellt; dazwischen erfolgen Improvisationen (fast immer in solistischer Abfolge). Standards stammen seit etwa 1930 aus [[Schlager]]n, [[Chanson]]s, [[Musical]]s, [[Filmmusik]] und Eigenkompositionen von Jazzmusikern. Sie gehören zum Grundrepertoire eines traditionell orientierten Jazz[[musiker]]s. Seit den 1940er Jahren verwendeten Bebop-Musiker solche bereits bekannten Songs und schrieben neue Melodien über deren Akkordfolgen oder behielten die Melodie, veränderten aber die Akkordfolgen (Harmonien) dieser Songs. Auf diese Weise entstanden neue Standards, deren neuentwickelte Themen mit dem Fachbegriff [[bebop head]] bezeichnet werden. |
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== Melodik == |
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Wie auch bei der Harmonik stammt die Jazzmelodik teilweise aus dem Blues. Sie baut auf der Pentatonik, der Tonleiter ohne die Halbtonschritte, auf. Dazu kamen im Blues die sogenannten "Blue Notes", b3 und b7. Das sind Mollterz und kleine Septime. Später folgte #4 (übermäßige Quarte). Das sind allerdings nur Annäherungen an die wirklichen Blue Notes, die eigentlich zwischen den Tönen liegen. Beispiel F-Dur: Die b3 liegt zwischen A und Ab, allerdings etwas näher am Ab. So verhält es sich auch mit b7 und #4. Diese Töne lassen sich mit Blas- oder Saiteninstrumenten sehr gut erzeugen, mit Tasteninstrumenten allerdings nicht.<br> |
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Werden diese Töne der Moll-Pentatonik hinzugefügt, entsteht eine Tonleiter, die "Blues-Skala" genannt wird. Es gibt zwar verschiedene Bluesskalen aber diese ist die gebräuchlichste.<br><br> |
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Viele Jazzmusiker spielen diese Melodien und improvisieren darüber bzw. über die durch Melodien gebildete Akkordfolge. Die musikalischen Übereinkünfte dafür variieren von Stil zu Stil. Einige Jazzgruppen greifen bei Auftritten auch auf eine Auswahl der im Jazz allgemein anerkannten Jazzstandards zurück, auf die sich verschiedene Musiker oft rasch gemeinsam verständigen können. Diese Standardisierung bildet die Basis für eine allgemeine Verständigung. Damit können sie ohne Probe ein Konzert geben, selbst wenn sie sich vorher noch nie getroffen haben. Auch bei den spontanen Jazzmusikertreffen, den ''[[Jamsession]]s'', spielen Standards eine verbindende Rolle. Eine Zusammenstellung der wichtigsten und meistgespielten Jazzstandards findet man im sogenannten [[Real Book]], das in den meisten Sessions die Grundlage darstellt. |
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F-Dur Bluesskala:<br> |
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f-ab-Bb-b-c-eb<br><br> |
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== Ausbildung und Förderung == |
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Welche Skala verwendet wird, ist eine Frage des Geschmacks des Musikers. Es ist ebenfalls möglich, die Skala der parallelen Molltonart zu spielen.<br><br> |
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Ab Anfang der 1960er Jahre, in Europa ab etwa 1970, verzeichnete die Ausbildung im Bereich des Jazz starken Aufschwung. Außer an eigenständigen akademischen Ausbildungsrichtungen im „Mutterland“ des Jazz wie dem [[Berklee College of Music]], dem [[New England Conservatory of Music]] oder der [[Juilliard School]] konnte nun auch an der [[Universität für Musik und darstellende Kunst Graz|Kunstuniversität Graz]] Jazz studiert werden. In der Schweiz bietet seit damals die ''[[Swiss Jazz School]]'' Ausbildungsmöglichkeiten. In Deutschland ist es seit den 1980er Jahren üblich, dass sich an den [[Hochschule für Musik|Hochschulen für Musik]] eigene Studiengänge für Jazz und Popular-Musik befinden. In den letzten Jahren sind in den meisten Ländern Wettbewerbe wie [[Jugend jazzt]] und vor allem [[Jazzpreis]]e entstanden, mit denen entweder vielversprechende Nachwuchsmusiker entsprechend anerkannt und gefördert oder verdiente Musiker ausgezeichnet werden. |
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Die jungen Jazz-Musiker sind heute allgemein auf sehr gutem technischen Stand. Die meisten dieser Nachwuchskünstler fixieren sich aber vorwiegend auf das Imitieren allseits anerkannter Jazzformen. Einige wenige hingegen setzen souverän ihre eigenen Vorstellungen in neue Formen musikalischer Gestaltung um. |
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Die Überlagerung von Moll-Melodik und Dur-Harmonik erzeugt den typischen Blues/Jazz-Klang. |
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== Etymologie == |
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Zusätzlich werden eine Reihe verschiedener Tonleitern eingesetzt, die im Wesentlichen die jeweilige Akkordfunktion ausdrücken und mit Tensions und Durchgangs-Stufen angereichert sind. Neben Skalen, die aus den jeweils 7 Modi der Dur-Tonleiter und der melodischen Moll-Tonleiter gebildet werden, sind auch die beiden symmetrischen Skalen 'Dominat-Diminished' (=Halbton/Ganzton) und 'Wholetone' (=Ganztonleiter) sehr gebräuchlich. |
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[[Datei:ThatFunnyJasBandFromDixielandCover1916.jpeg|mini|hochkant|Frühe Notenausgabe von ''That Funny Jas Band from Dixieland'' (1916, in heute unüblicher Schreibweise)]] |
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Die Herkunft des Ausdrucks ''Jazz'' ist ungeklärt. Am Anfang bezeichnete man den frühen Jazz auch häufig als „Hot Ragtime“ oder einfach „Ragtime“. Lange Zeit wurde angenommen, dass der Begriff bereits 1909 in [[Cal Stewart]]s Song ''Uncle Josh in Society'' vorkomme: “One lady asked me if I danced the jazz …”, wahrscheinlich eine Art von Ragtime-Tanz meinend.<ref>Lewis Porter ''Jazz: A Century of Change'' New York 1997, S. 9</ref> Tatsächlich enthält jedoch erst eine spätere Aufnahme diesen Begriff.<ref>Vgl. Oxford English Dictionary Online</ref> Möglich ist die Ableitung des Wortes „Jass“ oder „Jazz“ aus der Verwendung des Begriffs „jasm“ (französisches Wörterbuch von 1860) für [[Energie]], [[Dynamik (Musik)|Dynamik]] und [[Vitalität]],<ref>Jan Bäumer: ''The Sound of a City? New York und Bebop 1941–1949'' Münster / New York 2014, S. 13 f.</ref> als passender Ersatzbegriff für afrikanische Tanznamen (wie etwa [[Mandinka (Sprache)|Mandingo]] „jasi“ oder [[Temnische Sprache|Temne]] „yas“), jedenfalls gilt ein anderes [[Jargon|Slangwort]] („jism“) auch als davon abgeleitet. „Jasi“ ist nicht nur der Name eines Tanzes, sondern steht auch für „in Erregung versetzen“. |
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== [[Etymologie]] == |
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Die Herkunft des Ausdrucks ''Jazz'' ist ungeklärt. |
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Die erste dokumentierte Verwendung des Wortes „Jazz“ ist im [[Sportjournalismus]] in Kalifornien im April 1912, als ein [[Baseball]]spieler namens Ben Henderson seine Wurftechnik gegenüber einem Reporter der ''[[Los Angeles Times]]'' als „jazz ball“ bezeichnete,<ref>Artikel ''Ben’s Jazz Curve'', Los Angeles Times, 2. April 1912.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Ben ZimmerMarch 25, 2012, 12:00 a m Share on Facebook Share on TwitterView Comments |url=https://www.bostonglobe.com/ideas/2012/03/24/how-baseball-gave-jazz/CMUIs4osAVhg49mvnhLfjK/story.html |titel=How baseball gave us ‘jazz’ |werk=The Boston Globe |sprache=en |abruf=2023-02-21}}</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://blog.oxforddictionaries.com/2015/04/jazz-baseball/ |text=Dave Wilton, ''Jazz, an unlikely, but true american journey'' |wayback=20170902052113}}, Oxford Dictionary Language Matters, 4. April 2015. Danach wurde diese Entdeckung durch den New Yorker Bibliothekar George Thompson 2003 gemacht, als das Archiv der ''Los Angeles Times'' online gestellt wurde und systematische Wortsuchen ermöglichte.</ref> was bald darauf 1913 von Reportern im Raum San Francisco für ein energiegeladenes Spiel mit „Pep“ aufgegriffen wurde.<ref>Zuerst vom Sportreporter E. T. „Scoop“ Gleason im San Francisco Bulletin vom 6. März 1913 über das Spiel der Seals im Trainingscamp Boyes Springs: ''What is the „jazz“ ? Why, it’s a little of that „old life“, the „gin-i-ker“, the „pep“, otherwise known as the enthusiasalum.''</ref> Als musikalische Bezeichnung ist „Jazz“ zu dieser Zeit jedoch nicht belegt (in New Orleans wurde sie damals als ''hot''-Variante synkopierter Musik bezeichnet). |
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1909 tauchte der Begriff in dem Song "Uncle Josh in Society" auf: "One lady asked me if I danced the jazz ...", |
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wahrscheinlich eine Art von [[Ragtime]]-Tanz meinend. 1913 ist der Begriff belegt als Bezeichnung einer Art von Musik, möglicherweise als Bezeichnung für die Musik zu jenem Ragtime-Tanz. Möglicherweise ist er abgeleitet aus einem Wort "jass" aus dem kreolischen [[Patois]], "jass", für "tatkräftige Aktivität", im speziellen [[Geschlechtsverkehr|Sexualverkehr]]. Dazu eine Quelle: "If the truth were known about the origin of the word 'Jazz' it would never be mentioned in polite society." |
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["Étude," Sept. 1924] |
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Für den Übertrag des Begriffs auf die Musik gibt es verschiedene Versionen: |
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Ab spätestens 1915 gibt es Bands aus New Orleans, die das Wort Jass oder Jazz im Band-Namen tragen und/oder damit ihre Musik bezeichnen. |
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* Nach Angabe des Schlagzeugers und Bandleaders [[Art Hickman]] geschah das beim Zusammentreffen der Baseballmannschaft der ''San Francisco Seals'' in deren Trainingslager im Kurort Boyes Springs mit seiner Ragtime-Band. Er benutzte dies aber selbst nur für eine besonders „energetische“ Spielweise und bezeichnete nicht die Stilrichtung seiner Band damit. |
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* Nach Angaben seines Banjospielers [[Bert Kelly]] (in einem Brief an ''Variety'' von 1957 und unveröffentlichten Memoiren), der 1914 Bandleader in Chicago wurde, war seine Formation die erste, die das Wort für ihre Spielweise benutzte. |
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Nachweisbar ist ''Jazz'' als Bezeichnung für die neue Form von Musik erstmals in einem Artikel der ''[[Chicago Tribune]]'' von Gordon Seagrove vom 11. Juni 1915 mit dem Titel ''Blues is Jazz and Jazz is Blues''. Der Begriff schlug bald darauf Wurzeln und ist danach in einer Vielzahl von Artikeln nachweisbar. |
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Ab spätestens 1915 gab es Gruppen aus New Orleans, die „Jass“ oder „Jazz“ im Namen tragen bzw. damit ihre Musik bezeichnen. Der Bandleader [[Tom Brown (Jazzmusiker)|Tom Brown]] nahm für sich in Anspruch, als erster dieses Wort für die genauere Beschreibung einer Band verwendet zu haben, worüber ein heftiger Streit mit [[Nick LaRocca]] von der [[Original Dixieland Jass Band]] entbrannte.<ref>Vgl. {{Internetquelle |url=http://nfo.net/usa/JO1.html#TBro |titel=New Orleans Biographical Listings |archiv-url=https://web.archive.org/web/20101127122712/http://nfo.net/usa/JO1.html#TBro |archiv-datum=2010-11-27 |offline=1 |abruf=2014-10-15}} sowie {{Internetquelle |autor=Wolfram Knauer |url=http://www.jazzinstitut.de/history/Jazzhistory-1.htm |titel=„Jazz“ |titelerg=Ein Überblick über die Jazzgeschichte |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140820111953/http://www.jazzinstitut.de/history/Jazzhistory-1.htm |archiv-datum=2014-08-20 |offline=1 |abruf=2014-10-15}}</ref> Im Dezember 1916 nahm das (weiße) Komikerduo Arthur Collins & Byron G. Harlan den Song ''That Funny Jas Band from Dixieland'' auf, an dessen Ende versucht wurde, typische Instrumentalgeräusche vorzustellen, die eine Jazzband charakterisieren.<ref>Collins and Harlan: {{archive.org|fjasband1916|That Funny Jas Band from Dixieland.}}</ref> |
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Möglich ist auch eine Ableitung des Wortes Jass oder Jazz aus der Verwendung des Begriffes jasm (frz. dictionnaire von 1860 ) für [[Energie]], [[Dynamik]] und [[Vitalität]], als passender Ersatzbegriff für afrikanische Tanznamen (i.e. [[Mandingo]] jasi, [[Temne]] yas), jedenfalls gilt ein anderes [[Slang]]wort (jism) auch daher abgeleitet. Jasi ist nicht nur der Name eines Tanzes, sondern steht auch für "in Erregung versetzen". |
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Das englische [[Verb]] „to jazz“ für „to speed or liven up“, schneller werden oder beleben, in Schwung bringen, ist ab 1917 belegt. |
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Eine andere Möglichkeit ist, dass "Jazz" von kreolisch "jizz" kommt, was ebenso mit dem Ki-Kongo-Wort "dinza" verwandt ist, und Ejakulation bedeutet. |
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== {{Anker|Debatte um den Begriff „Jazz“}} Jazz – ein rassistischer Begriff? == |
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Manche Quellen wollen in "Jazz" eine [[Verballhornung]] des französisch-[[kreolisch]]en ''chasse'' für ''Jagd'' erkennen: eine Anspielung auf die [[Kollektivimprovisation]] der Instrumente im New-Orleans-Stil. Andere leiten das Wort eher von ''chasse-beau'' ab, einer Tanzfigur beim [[Cakewalk]], oder auf einen berühmten Tänzer einer [[Minstrel]]show, der sich Jasbo nannte, und dem das Publikum zurief "We want more Jasbo". Wieder andere verweisen auf eine sexuelle [[Konnotation]] oder die verballhornte Version des Namens „Jézabel“, der zu Jazz-Belle ("Jazz"-Schöne) umgedeutet wurde: So nannte man eine populäre [[Prostituierte]] im alten [[New Orleans]]. Möglich ist auch die Bedeutung „blödes Zeug“ wie in der verächtlichen Redewendung „... and all that jazz“. So sollen die weißen Amerikaner die ersten musikalischen Gehversuche ihrer Sklaven genannt haben, aus denen sich der Jazz später entwickelte. [[Jass]] ist ein Kartenspiel, das durch Einwanderer in New Orleans bekannt gewesen sein dürfte. Jas ist ein Jargon-Wort mit evtl. sexueller Bedeutung aus dem Senegalesischen. |
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Aufbauend auf [[Alfons M. Dauer]], der auf eine zunächst [[Stigmatisierung|stigmatisierende]] Wirkung des Jazzbegriffs hinwies,<ref>[http://www.markusheuger.de/theory/dauerwurst.html Alfons M. Dauer ''Don’t Call My Music Jazz.''] In: Helmut Rösing (Hrsg.): ''Aspekte zur Geschichte populärer Musik'' (= ''Beiträge zur Popularmusikforschung'' 11). Baden-Baden 1992, S. 42–55.</ref> betont der Musikwissenschaftler [[Maximilian Hendler]], „dass der Begriff ''Jazz'' von seinem Ursprung her weder musikalische noch stilistische, sondern soziale Konnotationen hatte. Er drückte ein abwertendes Urteil der Master-Gesellschaft – der Träger der Suprastruktur – gegenüber allen Erscheinungsformen von Musik aus, die nicht den von ihr gesetzten [[Soziale Norm|Normen]] entsprachen.“<ref name="HENDL">Maximilian Hendler: ''Vorgeschichte des Jazz.'' Graz 2008, S. 261.</ref> |
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Zahlreiche Jazzmusiker lehnten für ihre Musik daher den Begriff ''Jazz'' ab; das sei „ein Wort des weißen Mannes“, so [[Miles Davis]].<ref>„Ich hasse das Wort Jazz, das die Weißen uns angeklebt haben, ich spiele ganz einfach schwarze Musik.“ Vgl. [http://www.zeit.de/2010/04/Miles-Davis-CDs ''Ich hasse das Wort Jazz''] In: ''[[Die Zeit]]'' Nr. 04, 21. Januar 2010.</ref> In den 1970er Jahren propagierte das [[Art Ensemble of Chicago]] an seiner Stelle den Begriff ''Great Black Music'',<ref>{{Literatur |Autor=[[Peter Kemper]] |Titel=The Sound of Rebellion: Zur politischen Ästhetik des Jazz. |Verlag=Philipp Reclam jun. |Ort=Ditzingen |Datum=2023 |Seiten=484ff.}}</ref> der sich jedoch nicht durchsetzte. Der Trompeter [[Nicholas Payton]] schlug 2011 vor, den Begriff ''Jazz'' durch ''Black American Music (BAM)'' zu ersetzen, da das Wort ''Jazz'' einen rassistischen Beigeschmack habe und ''BAM'' eine Erfindung schwarzer Amerikaner sei, was anerkannt werden solle. Ähnlich haben sich auch andere Musiker geäußert,<ref>''[[Süddeutsche Zeitung]].'' Nr. 101 v. 2. Mai 2012, Feuilleton, S. 11.</ref> beispielsweise [[Orrin Evans]], der meinte, ''Jazz'' sei „ein repressiver, kolonialistischer Sklaven-Begriff, und ich will nichts damit zu tun haben“,<ref>[http://blogs.phillymag.com/the_philly_post/2012/01/10/call-jazz-call-black-american-music/ ''The Word “Jazz” Will Now Be Racist.''] In: ''The Philly Post.'' 10. Januar 2012.</ref> oder [[Archie Shepp]], der sagte: „Ich habe darauf bestanden, dass meine Studenten in ihren Seminararbeiten das Wort Jazz vermeiden.“ Diese Musik habe vielmehr in Afrika begonnen, mit Call and Response, Händeklatschen, Fußstampfen, Blues-Tonleitern, die man nicht bei [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozart]] oder [[Anton Webern]] fände, sondern bei kleinen Stämmen in Westafrika.<ref>Stefan Hentz: [http://www.zeit.de/2012/22/Archie-Shepp ''Maschinengewehre rosten nicht. Ein Besuch bei dem Saxofonisten und Jazz-Revoluzzer Archie Shepp, der in Paris seinen 75. Geburtstag feiert.''] In: ''[[Die Zeit]].'' Nr. 22, 24. Mai 2012, S. 57.</ref> [[Shabaka Hutchings]] findet, Jazz sei „ein einengender Terminus, bei dem die Leute gleich zu wissen meinen, um was für eine Musik es sich handelt“.<ref>{{Internetquelle |autor=[[Peter Kemper]] |url=https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/pop/shabaka-hutchings-im-gespraech-ueber-sein-album-black-to-the-future-17333796-p2.html |titel=Shabaka Hutchings im Gespräch: „Black Power ist eine Ermutigung“ |werk=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]] |datum=2021-05-11 |abruf=2021-05-17}}</ref> |
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In einer weiteren Theorie wird die Herkunft des Wortes [[Jazz]] aus dem Begriff „Jass“ beschrieben. Dabei gibt es für den Ursprung von „Jass“ verschiedene Erklärungsansätze. Der wohl bekannteste ist die Verkürzung des Begriffes „Jackass“ („Esel“), da die damals etablierte Musikszene meinte, dass sich die neue improvisierte Spielweise „wie eine Horde Esel“ anhörte. Der Begriff „Jass“ fand allerdings bei den Musikern keinen Gefallen - schließlich konnte man durch einfaches Weglassen des ersten Buchstaben das Wort „ass“ daraus machen. So wandelten sich die letzten beiden Buchstaben von „ss“ zu „zz“. |
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== Siehe auch == |
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Das Verb "to jazz" für "to speed or liven up", schneller werden oder beleben, in Schwung bringen, ist ab 1917 belegt. |
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{{Portal|Jazz}} |
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* [[Liste von Jazzmusikern]] (alphabetisch geordnet) |
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* [[Liste von Jazzmusikern nach Epoche und Instrument]] |
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* [[Jazzgesang]] – [[Liste von Jazzsängern]] |
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* [[Jazz in den Vereinigten Staaten]] |
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* [[Jazz in Deutschland]] |
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* [[Jazzmusiker in Deutschland]] |
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* [[Jazz in Polen]] |
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* [[Jazzgottesdienst]] |
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== Film == |
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Noch mehr unter [http://www.wordorigins.org/] |
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* [[Ken Burns]]: ''Jazz'' ist eine zehnteilige [[Dokumentarfilm|dokumentarische]] Jazzgeschichte, die 2001 von [[Public Broadcasting Service|PBS]] erstmals in den USA im Fernsehen gesendet wurde. (Sie hat einen chronologischen Aufbau und zeigt 75 Interviews mit zentralen Personen dieses Musikgenres, 2400 Fotografien, mehr als 2000 historische Filmclips und spielt über 500 Musikstücke.) |
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== Geschichte == |
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=== Entstehung === |
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In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts gab es im Süden der USA eine [[Straßenmusik]]tradition. Die [[Brass Band]]s, schwarze aber auch weiße Marschkapellen, spielten zu vielfältigen Anlässen auf. Die schwarzen Blaskapellen waren vor allem vom [[Blues]] und [[Kreolen|kreolischer]] Musik beeinflusst und mischten diese Einflüsse mit europäischer Musiktradition. Die Musik dieser sogenannten "Marching Bands" nennt man auch „New-Orleans“-Stil oder [[Archaischer Jazz|Archaischen Jazz]]. Ihm fehlten die individuelle Improvisation und der Swing, obwohl auch dort schon die "leichten" Taktzeiten (2+4) betont wurden. Im heutigen „Dixieland“- oder „Oldtime“-Jazz hat er eine Fortsetzung gefunden, die aber fast nur von weißen Musikern gepflegt wird. |
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[[Bild:Jazzing orchestra 1921.jpg|thumb|Jazzformation von 1921]] |
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Um [[1890]] entstand der [[Ragtime]] (englisch: ''ragged time'', „zerrissene Zeit“): Dies war ein in ausnotierten Stücken festgelegter Klavierstil, bei dem die linke Hand die Rhythmusgruppe einer Band ersetzt (Bass und Schlaggitarre). Auch dort wurde noch nicht improvisiert; aber aus der Spannung zwischen durchgehendem Viertelbeat und [[Synkope (Musik)|synkopisch]] „zerrissener“ Melodik entstand bereits eine Art [[Swing (Rhythmus)|Swing]]. Hauptkomponist dieses Stils war [[Scott Joplin]], dessen bekanntester Ragtime - der "[[The Entertainer|Entertainer]]" - durch den Film „[[Der Clou]]“ ([[1973]]) erneut populär wurde. |
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Bereits weniger festgelegt und damit „jazzmäßiger" spielte [[Jelly Roll Morton]] in [[New Orleans]], der von sich selbst behauptete, ''„im Jahre 1902 den Jazz erfunden“'' zu haben. Er war ein großartiger Komponist von Blues, Blues-Songs, Ragtimes, Stomps, und ein herausragender und extravaganter Pianist, aber seine nachgewiesene Bedeutung für den Jazz hatte er mit seinen Bands in den 1920er Jahren, nicht als Erfinder. Ebenso behauptete [[Nick LaRocca]] den Jazz erfunden zu haben. Aber auch seine Behauptung gilt als unwahrscheinlich. Hauptrepräsentant des frühen, wahrscheinlich noch ragtimeverwandten Jazz von New Orleans war [[Buddy Bolden]]. Von seinem Vorbild ausgehend dürfte zwischen 1900 und 1915 der Jazz entwickelt worden sein von einer Vielzahl von Bands und Musiker-Persönlichkeiten, auch außerhalb von New Orleans, z.B. auch in Memphis. Als um 1915 erste namhafte Bands New Orleans verliessen, dürften diese dazu beigetragen haben, den Jazz auch abseits des [[Mississippi]] in den USA zu popularisieren. Evtl. haben bereits Bands, die um 1910 in andere Metropolen aufbrachen, jazzmäßig gespielt, aber erst ab 1914 nannten sich die Bands auch Jass bzw. Jazz Bands, traten also mit dem Selbstbewußtsein auf, eine neue Musikrichtung zu vertreten. Z.B. Pedro Stacholy's Cuban Jazzband (evtl. bereits 1914) in Havanna, Tom Brown's Band From Dixieland 1915 in Chicago, der folgte 1916 Johnny Stein's Jass Band, und 1915 ging das Black And Tan Orchestra mit dem Trompetenvirtuosen Buddy Petit nach Kalifornien. |
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=== Epochen === |
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* Vor 1900: '[[Archaischer Jazz]]', d.h. [[Ragtime]], [[Street Bands]] |
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==== Traditioneller Jazz und Swing (ca. 1900-40) ==== |
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* Um 1900: [[New Orleans Jazz (Musik)|New Orleans Jazz]], [[Creole Jazz]] |
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* Um 1910: [[Dixieland Jazz]] |
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** 26. Februar 1917: Die "[[Nick LaRocca|Original Dixieland Jass Band]]", eine weiße Dixielandkapelle, nimmt die erste Jazzplatte überhaupt auf. |
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* Seit etwa 1920: [[Chicago Jazz]] |
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** 12. November 1925: [[Louis Armstrong]]'s [[Hot Five]] machen die ersten Aufnahmen: Solistik löst die Kollektivimprovisation des frühen Jazz teilweise ab |
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** 1928: Das [[Hoch'sches Konservatorium|Hoch'sche Konservatorium]] in Frankfurt am Main gründet eine Jazz-Klasse, ihr Lehrer wird Mátyás Seiber |
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* Seit etwa 1930: [[Swing (Musikrichtung)|Swing]] oder 'klassische' Zeit der Big Bands |
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** 1934: Gründung des Quintette du Hot Club de France, mit [[Django Reinhardt]]: Europa mischt in der Jazzgeschichte mit |
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* 1940er-Jahre: New Orleans/Dixieland Revival in den USA, später auch nachhaltig in Europa |
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==== [[Modern Jazz]] (ca. 1940-60) ==== |
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* Seit etwa 1940: [[Bebop]] |
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** 1941: Live-Aufnahmen in Minton's Playhouse mit [[Charlie Christian]], [[Dizzy Gillespie]], [[Thelonious Monk]] u.a. |
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* Seit etwa 1945: [[Afro Cuban Jazz]] |
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* Seit etwa 1950: [[Cool Jazz]] |
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* Seit etwa 1955: [[Hard Bop]], [[Soul Jazz]], [[East Coast Jazz]] |
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* Etwa 1955-60: |
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**[[Latin Jazz]], [[Bossa Nova]] |
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**[[Third Stream]], [[Progressive Jazz]] |
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**[[West Coast Jazz]] |
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**[[Modal Jazz]] |
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*** 2. März 1959: Erste Aufnahmesession zur Schallplatte "[[Kind of Blue]]" mit [[Miles Davis]], [[John Coltrane]], [[Bill Evans (Jazzpianist)|Bill Evans]] u.a. |
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==== Free Jazz, Rock Jazz und New Bop (ca. 1960-90) ==== |
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* Seit etwa 1960: [[Free Jazz]] |
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* Etwa 1965-70: [[Jazz Rock]] |
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* Seit etwa 1970: [[Rockjazz|Rock Jazz]] oder [[Fusion (Musik)|Fusion]] |
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** 1975: Das [[United Jazz and Rock Ensemble]] wird gegründet |
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* Seit etwa 1980: [[New Bop]] oder Neobop (oder Modernjazz-Revival) |
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* Seit den späten 1980ern: [[Smooth Jazz]] |
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==== Seit etwa 1990 ==== |
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Die Jazzstile ab 1990 sind entsprechend der relativen Kürze der vergangenen Zeit ungenau |
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*[[Avantgarde Jazz]] oder Experimenteller Jazz ('gebundener [[Freejazz]]') |
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*[[Acid Jazz]] (inkl. [[Hip Hop Jazz]] u. ä.) |
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*'[[Salsa-Jazz]]' ([[Jerry Gonzalez]], tp, cong, u. a., nicht zu verwechseln mit früherem [[Latin-Jazz]]) |
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*'[[Ethno-Jazz]]' (von [[World Music]] oder global beeinflusster Jazz) |
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*[[Jazz Metal]] (vom [[New Rock]] oder [[Hard & Heavy]] beeinflusster Jazz); u. a. |
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*[[Nu Jazz]] (auch Electro Jazz) |
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*[[Retro-Swing]] |
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==== Seit etwa 2000 ==== |
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*[[Pop Jazz]] à la [[Norah Jones]] |
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=== Entwicklungszentren === |
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* [[New York City|New York]], mit Abstand die meisten Jazzclubs weltweit |
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* [[Chicago]], mehr blues-orientiert |
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* [[Los Angeles]]/[[Hollywood]], mehr rock-orientiert |
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* [[New Orleans]], das 'Betlehem des Jazz' oder dessen offizielle Wiege |
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* [[Kansas City]] |
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* [[Havanna]], von Pedro Stacholy über [[Chano Pozo]] bis zum [[Buena Vista Social Club]] |
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* [[Kopenhagen]] |
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* [[Paris]], besonders in den 1930ern (Hot Club de France) und auch sonst immer |
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* [[London]], in der Swing-Ära, und auch gegenwärtig |
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* [[Tokio]], besonders gegenwärtig |
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* [[Sao Paulo]], besonders gegenwärtig |
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* [[Hannover]], alle Mitglieder des [[Jazz Club Hannover]], sowie des Vereins der Freunde des Jazz sind Ehrenbürger von New Orleans. Der Jazz-Club Hannover ist in New Orleans der bekannteste Deutsche Jazz-Club. Ferner finden in Hannover zwei große Jazzfestivals statt. |
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Im Entstehen befindliche, noch instabile globale Zentren: |
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* [[Shanghai]] |
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* [[Buenos Aires]] |
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* [[Sydney]] |
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* [[Johannesburg]] |
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* [[Rom]] |
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* u. a. |
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== Instrumente (Auswahl)== |
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===Melodie-Instrumente:=== |
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* [[Klarinette]] |
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* [[Saxophon]] ([[Sopransaxophon|Sopran]]-, [[Altsaxophon|Alt]]-, [[Tenorsaxophon|Tenor]]- und [[Baritonsaxophon]]) |
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* [[Trompete]] |
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* [[Flügelhorn]] |
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* [[Posaune]] |
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* [[Piano]] |
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* [[Hammond-Orgel]] |
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* [[Keyboard]] |
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* [[Flöte]] |
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* [[Gesang]] |
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* [[Horn (Instrument)|Horn]] |
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* [[Gitarre]] |
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===[[Rhythmusgruppe]]n-Instrumente:=== |
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* [[Piano]] |
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* [[Vibraphon]] |
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* [[Gitarre]] |
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* [[Bass (Instrument)|Bass]] |
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* [[Schlagzeug]] |
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== Bedeutende Persönlichkeiten == |
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*''Siehe auch: [[Liste von Jazzmusikern]]'' (alphabetisch geordnet) |
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*''Siehe auch: [[Liste von Jazzmusikern nach Epoche und Instrument]]'' |
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*''Siehe auch: [[Liste von Jazzsängern|Liste von Jazzsängerinnen und -sängern]]'' |
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*''Siehe auch: [[Jazz-Piano|Liste von Jazzpianistinnen und -pianisten]] oder [[:Kategorie:Jazzpianist]]'' |
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=== Komponisten === |
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*''Siehe auch: [[Liste von Jazzkomponisten]]'' |
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=== Jazzstandards === |
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Siehe dazu den eigenen Artikel [[Jazzstandard]] sowie die [[Liste von Jazzstandards und -kompositionen]]. |
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== Bedeutende Veranstaltungen == |
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* [http://www.worldsax.net World Saxophone Congress 2006 - Jazz] |
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* [[Jazzfest Berlin]] - eines der ältesten und renommiertesten Festivals, [[1964]] von [[Joachim-Ernst Berendt]] gegründet. Jährlich im November. |
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* [[Montreux Jazz Festival]] - jährlich im Juli in [[Montreux]], seit 1967 |
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* [[North Sea Jazz Festival]] - jährlich im Sommer in Den Haag & Cape Town, seit 1976 |
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* [[Warschau]]er Jazz Jamboree - jährlich im Herbst seit 1958 |
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* [[Deutsches Jazz Festival Frankfurt]] - seit fast 40 Jahren jährlich im Oktober in Kooperation mit [[hr2]] |
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* [[Leverkusener Jazztage]], jährlich im November, seit 1980 |
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* [[Jazzfest Rottweil]], jährlich im April / Mai, seit 1985 |
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* Internationale Jazzwoche in [[Burghausen]], jährlich im April/Mai ([http://www.b-jazz.com Website]), seit 1973 |
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* [[Internationale Sonneberger Jazztage]] - jährlich im November, seit 1986 |
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* [[Worms: Jazz & Joy]] - jährlich stattfindend, größtes Jazzfestival in Rheinland-Pfalz, seit 1991 |
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* [[Jazzmeile]] - jährlich stattfindendes 2-monatiges Festival in Thüringen, seit 1994 |
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* [[Enercity Swinging Hannover]], dreitägiges internationales Jazzfestival in Hannover |
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* [[Hot Advent]] - Jazzfestival in Hannover |
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* [[Winning Jazz]] - dreitägiger Nachwuchswettbewerb in Hannover |
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* [[Jazz am Ballhof]] - Jeden Samstag in Hannover, von Mai bis September |
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* [[Internationale Wiehler Jazztage]] - seit 1989 regelmäßig in [[Wiehl]] |
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* [[Darmstädter Jazzforum]] - seit 1989 alle zwei Jahre Konzertreihe und internationales Symposium (siehe Link zu Jazzinstitut Darmstadt) |
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* [[Internationales Dixieland-Festival Dresden]] jährlich im Mai, seit 1970 |
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* [[Internationales New Jazz-Festival Moers]] jährlich an Pfingsten, seit 1972 |
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* [[Düsseldorfer Jazz-Rally]] jährlich im Juni, seit 1993 |
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* [[Leipziger Jazztage]] jährlich im Oktober, seit 1976 |
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* [[Jazzfest]] [[Wiesen (Burgenland)]] seit 1976 |
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* Duerener Jazztage in [[Düren]], jährlich im Juli ([http://www.euregiojazz.net Website]), seit 1991 |
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* [[VS swingt]] Jazzfestival in [[Villingen-Schwenningen]] - jährlich Anfang Juli, seit 1977 |
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* Internationales Jazz Festival [[Viersen]] ([http://www.jazz-festival-viersen.de Website]) - jeweils am 4. Septemberwochenende |
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* Jazz live im Speicher in [[Leer (Ostfriesland)|Leer]] ([http://www.jazzinleer.de Website]) - seit 1992 |
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==Siehe auch== |
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[[:Kategorie:Jazz]], [[Jazzmuseum]], [[Jazz-Piano]], [[Blues]], [[Jugend jazzt]], [[Stilrichtungen der Musik]], [[Portal:Musik]] |
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== Literatur == |
== Literatur == |
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* [[Joachim Ernst Berendt]], [[Günther Huesmann]] (Bearb.): ''Das Jazzbuch.'' 7. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-003802-9. |
|||
* Ken Burns, Geoffrey C. Ward: Jazz - eine Musik und ihre Geschichte. Dt. Franca Fritz, Heinrich Koop. Econ, München. 2001. ISBN 3430116090. Nach einer Dokumentarfilm-Reihe. Original: Jazz - A History of America´s Music. Alfred A. Knopf, NY USA. 2000 bzw: The Jazz Film Project, Inc. |
|||
* [[Ken Burns]], Geoffrey C. Ward: ''Jazz – eine Musik und ihre Geschichte.'' Econ, München 2001, ISBN 3-430-11609-0 (Nach der Dokumentarfilm-Reihe von Ken Burns mit Beiträgen von Wynton Marsalis, s. o.). |
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* Klaus Wolbert (Herausgeber): That's Jazz - Der Sound des 20. Jahrhunderts (Darmstadt 1988 und 1997) |
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* [[Ralf Dombrowski]]: ''111 Gründe, Jazz zu lieben: Eine Liebeserklärung.'' Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2019, ISBN 978-3-86265-804-6. |
|||
* Joachim-Ernst Berendt, Günther Huesmann: Das Jazzbuch (Frankfurt am Main 2001) <br> |
|||
* [[Daniel Martin Feige]]: ''Philosophie des Jazz.'' Suhrkamp, Berlin 2014, ISBN 978-3-518-29696-7. |
|||
* Geoff Dyer : but beautiful (Argon) |
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* John Fordham |
* [[John Fordham]]: ''Das große Buch vom Jazz: Musiker, Instrumente, Geschichte, Aufnahmen.'' Christian, München 1998, ISBN 3-88472-395-2. |
||
* [[Herbert Hellhund]]: ''Jazz. Harmonik, Melodik, Improvisation, Analyse.'' Philipp Reclam jun., Ditzingen 2018, ISBN 978-3-15-011165-9. |
|||
* Studs Terkel: ''Giganten des Jazz''. Zweitausendeins, Frankfurt 2005 ISBN 3-86150-723-4 |
|||
* Michael Jacobs: ''All that Jazz. Die Geschichte einer Musik.'' mit einem Beitrag von [[Robert Fischer (Schriftsteller)|Robert Fischer]], 3., erweiterte und aktualisierte Ausgabe. Reclam Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-021684-2. |
|||
* [[Ekkehard Jost]]: ''Sozialgeschichte des Jazz.'' 2. Auflage. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-86150-472-3. |
|||
* [[Peter Kemper]]: ''The Sound of Rebellion: Zur politischen Ästhetik des Jazz.'' Philipp Reclam jun., Ditzingen 2023, ISBN 978-3-15-011324-0. |
|||
* Philippe Margotin: ''100 Jahre Jazz – Von der Klassik bis zur Moderne: die größten Stars.'' Delius, Klasing, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-667-10607-0. |
|||
* [[Arrigo Polillo]]: ''Jazz. Die neue Enzyklopädie.'' Schott Music, Mainz 2007, ISBN 978-3-254-08368-5. |
|||
* Klaus Wolbert (Hrsg.): ''That’s Jazz: der Sound des 20. Jahrhunderts; eine Musik-, Personen-, Kultur-, Sozial- und Mediengeschichte des Jazz von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' Bochinsky, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-923639-87-2. |
|||
* [[Peter Niklas Wilson]] (Hrsg.): ''Jazz-Klassiker.'' Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-030030-4. |
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=== Nachschlagewerke === |
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* [[Carlo Bohländer]], Karl Heinz Holler, Christian Pfarr: ''[[Reclams Jazzführer]].'' 5., durchgesehene und ergänzte Auflage. Reclam, Stuttgart 2000, ISBN 3-15-010464-5. |
|||
* [[Ian Carr]] et al.: ''The Rough Guide to Jazz.'' Rough Guides, New York/London 2004, ISBN 1-84353-256-5. |
|||
* [[Leonard Feather]], [[Ira Gitler]]: ''The Biographical Encyclopedia of Jazz.'' 2. erweiterte Auflage. Oxford University Press, Oxford u. a. 1999, ISBN 0-19-507418-1. |
|||
* [[Wolf Kampmann]] (Hrsg.), unter Mitarbeit von [[Ekkehard Jost]]: ''[[Reclams Jazzlexikon]].'' 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Reclam, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-15-010731-7. |
|||
* [[Barry Kernfeld]] (Hrsg.): ''The New Grove Dictionary of Jazz.'' Oxford University Press, 2005, ISBN 0-19-516909-3. |
|||
* [[Martin Kunzler]]: ''Jazz Lexikon.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002 / Directmedia Publ., Berlin 2005, ISBN 3-89853-018-3. |
|||
* [[Scott Yanow]]: ''Jazz on Record. The First Sixty Years.'' Backbeat Books, San Francisco 2003, ISBN 0-87930-755-2. |
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=== |
=== Diskografien === |
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* Ralf Dombrowski: ''Basis-Diskothek Jazz'' (= ''Reclams Universal-Bibliothek.'' Nr. 18657). 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-018657-2. |
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* Martin Kunzler: Jazz Lexikon (Reinbek bei Hamburg 1988 und 2002) |
|||
* [[Manfred Scheffner]] (Hrsg.): ''Bielefelder Katalog Jazz.'' Vereinigte Motor Verlage, 2005, ISBN 3-89113-137-2. |
|||
* Barry Kernfeld (Herausgeber): The New Grove Dictionary of Jazz (London 1988 und 1994) |
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* Carr/Fairweather/Priestley: JAZZ - Rough guide (Metzler Musik 1999) |
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== Weblinks == |
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{{Commonscat}} |
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{{Wikibooks|Gitarre: Inhaltsübersicht#Jazzgitarre|Jazzgitarre}} |
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{{Wikiquote}} |
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{{Wiktionary}} |
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* {{DNB-Portal|4028532-7}} |
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* {{Webarchiv |url=http://www.jazz.com/encyclopedia |wayback=20160706215855 |text=Encyclopedia of Jazz Musicians}} (englisch) |
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* [https://miz.org/de/themen/jazz Themenportal Jazz] [[Deutsches Musikinformationszentrum]] |
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== Einzelnachweise == |
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===Kataloge=== |
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<references /> |
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'''Bielefelder Katalog Jazz''', hrsg. Manfred Scheffner: Schallplatten CDs , MCs, jährlich neu, vollständiger Überblick über in Deutschland erhältliche Jazzaufnahmen, sehr übersichtlich sortiert nach Musiktiteln auf den Tonträgern, Interpreten und Labels (Etiketten). ISBN 3-89113-137-2 (bzw. neuste Ausgabe) |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4028532-7|LCCN=sh/85/069833|NDL=00574987}} |
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== Weblinks == |
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* [http://jazzworlddatabase.com Jazzworlddatabase.com] |
|||
* [http://www.jazzscene.no Jazz Scene with David Fishel. 55 hours of jazz-celebrity interviews] |
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* [http://www.jazzpages.com Jazzpages.com] |
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* [http://www.jazz-network.com jazz-network.com] |
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* [http://www.jazzecho.de JazzEcho - Online-Magazin von Universal Music] |
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* [http://www.harlem.org/index.html harlem.org: Jazzgeschichte auf einem Foto (engl.)] |
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* [http://www.jazzthing.de/ Website des Printmagazins ''Jazz thing''] |
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* [http://www.jazzthetik.de Website des Printmagazins ''Jazzthetik''] |
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* [http://www.jazzzeitung.de/ JazzZeitung.de] |
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* [http://www.jazzinstitut.de Jazzinstitut Darmstadt] inkl. seiner Auswahlbibliographie zur Jazzforschung: Präsenzbibliothek |
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* [http://www.breaking-the-rules.com Dokumentation BREAKING THE RULES (2005) über Jazz als Gegenkultur] |
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[[he:ג'אז]] |
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[[it:Jazz]] |
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[[ja:ジャズ]] |
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[[ko:재즈]] |
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[[la:Jazium]] |
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[[li:Jazz]] |
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[[lt:Džiazas]] |
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[[nds:Jazz]] |
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[[pl:Jazz]] |
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[[pt:Jazz]] |
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[[ro:Jazz]] |
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[[ru:Джаз]] |
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[[simple:Jazz]] |
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[[sl:Jazz]] |
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[[sv:Jazz]] |
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[[tr:Caz]] |
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[[zh:爵士乐]] |
Aktuelle Version vom 12. Mai 2025, 08:33 Uhr

Jazz (Aussprache: Afroamerikanern hervorgebrachte Musikrichtung, die in vielfältiger Weise weiterentwickelt wurde, häufig im Crossover mit anderen Musiktraditionen und Genres. Mittlerweile werden auch Musikformen zum Jazz gezählt, die oft nur lose oder kaum noch mit der afroamerikanischen Tradition verbunden sind. Das Wort Jazz wird seit 1915 auf Musik bezogen.
oder ) oder Jazzmusik ist eine ungefähr 1900 in den Südstaaten der USA entstandene, ursprünglich überwiegend vonDer Jazz wird im Hinblick auf seine künstlerische Bedeutung häufig als amerikanisches Pendant zur klassischen europäischen Musik verstanden. Darüber hinaus hat er vielen anderen Sparten der Musik neue Möglichkeiten eröffnet und viele andere Genres beeinflusst.
Kennzeichen des Jazz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Jazz ist eine Mischung aus europäischen (Melodik, Harmonik, Musikinstrumente) und westafrikanischen (Improvisation, Call and Response, synkopierte Rhythmen) musikalischen Elementen, beeinflusst von Ragtime, Minstrel Shows und Blues. Die Melodien basieren auf der Tonalität des Klaviers. Typische Instrumente waren Trompete, Trombone, Saxophon und Klavier, später auch fast jedes andere Musikinstrument.
Auch die neueren Strömungen des Jazz weisen einzelne musikalische und ästhetische Charakteristika auf, die sie als Jazz erkennbar werden lassen.[1] Zu diesen Kennzeichen gehören vor allem die Blue Notes, aber auch:
- Improvisation,
- Jazzrhythmik mit (zumindest tendenziell) polyrhythmischem Charakter, etwa durch den Offbeat,
- eine spezielle Art der Tonbildung (zum Beispiel Schleiftöne und Multiphonics) und Instrumentenbehandlung,
- stilistische Individualität einzelner Musiker und
- ein Traditionsbezug auf vorhergegangene Stile der Jazzgeschichte.
Der Jazz entstand in einem Verschmelzungsprozess aus Elementen der afroamerikanischen Volksmusik (Blues, Worksong, Negro Spiritual) und der europäisch-amerikanischen Marsch-, Tanz- und Populärmusik. Die Geschichte des Jazz ist „in erster Linie eine Geschichte individueller und kollektiver Stilistiken, Improvisations-Strategien, Phrasierungs- und Intonationsweisen, kurz: eine Interpretations-Geschichte.“[2] Daraus ergibt sich aber auch: Den Jazz gibt es nicht (mehr) – im Verlauf der Jazzgeschichte wird es zunehmend schwierig, sich auf eine einheitliche Definition dieses Begriffs zu einigen und Jazzmusik alleine aufgrund ihrer musikalischen Gestaltungsmittel zu definieren.[3]
Zentrale Jazzstile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit der zunehmenden Verbreitung und Popularisierung entstand zunächst die Jazz-Kritik und dann die Jazzforschung. Sie versteht den Jazz nicht nur als eine mitreißende Unterhaltungsmusik, sondern auch als ernstzunehmende kulturelle Leistung. So trug sie entscheidend zur Wertschätzung und zum Verständnis eines größeren Publikums für diese Musik bei. Damit bereitete sie den Boden dafür, dass die ab den 1940er Jahren hervorgebrachten Entwicklungen, die, wie der Modern Jazz, jenseits der Popular-Musik liegen, auch eine weltweite Hörerschaft fanden. Allerdings widersprach die Jazz-Kritik mit ihren Kategorisierungen und Deutungen häufig dem andersartigen und überwiegend von afroamerikanischer Kultur geprägten Zugang der Musiker.
Die Jazz-Kritik entwarf eine Reihe von Jazz-Stilen und deutete ihre Abfolge so, dass die auf dem Blues, dem Gospel und dem Ragtime aufbauende Jazz-Geschichte zumindest bis in die 1960er Jahre als annähernd „folgerichtige“ Entwicklung erschien: New Orleans Jazz / Dixieland Jazz; Chicago-Jazz; Swing; Bebop; Cool Jazz / West Coast Jazz; Hard Bop / East Coast Jazz; Free Jazz; Fusion / Rock Jazz. Ungefähr ab 1970 wuchs die Vielfalt der unterschiedlichen Stilrichtungen erheblich an und mit ihnen auch widersprüchliche Auffassungen davon, worauf es im Jazz ankommt, welche Entwicklungen richtungsweisend sind und welche neu hinzugekommenen Musiker als bedeutend anzusehen sind. Es gelang für die Zeit ab den 1970er Jahren daher keine allgemein anerkannte Darstellung einer stilistischen Entwicklung mehr. So werden heute mehrere, zum Teil unterschiedliche Bezeichnungen für Stile, Strömungen und Musikerkreise verwendet. Auch die Stile der Vergangenheit werden aus neueren Blickwinkeln mitunter mit zusätzlichen Stil-Bezeichnungen angereichert („Latin Jazz“, „Modal Jazz“) und abweichend bewertet. Von Musikern, aber auch von Jazz-Kritikern und -Forschern selbst werden all diese Kategorisierungen grundsätzlich in Frage gestellt. Sie sind allerdings zur allgemeinen Orientierung gebräuchlich geblieben.
New Orleans Jazz (ab 1905)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
New Orleans Jazz entwickelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts in New Orleans (Louisiana) und verbreitete sich in den 1910er Jahren durch New Orleans Bands nach Chicago, Illinois und New York. New Orleans Jazz wird häufig als der erste wirkliche Jazz-Stil gesehen. Es war auch die erste Musik, die unter dem Begriff Jazz zitiert wurde. Vor 1917 wurde das Wort Jazz oft „Jass“ buchstabiert. Bekannte Vertreter des New Orleans Jazz waren Kid Ory und Louis Armstrong, der in vielen verschiedenen Bereichen des Jazz wirkte. Der historische Vorgänger waren die Musik der Street Bands, Kirchenlieder, Negro Spirituals und Blues, aber auch der Cakewalk und Ragtime. Seine Stilmerkmale sind: Kollektivimprovisation, Breaks, die Trompete als Hauptstimme (wird von den anderen Bläsern umspielt). In den 1950er Jahren erlebte der New Orleans Jazz eine Renaissance unter dem Begriff New Orleans Revival.
Dixieland Jazz (ab 1910)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch die damalige Rassentrennung waren Bands nach Hautfarben getrennt. In New Orleans gab es von Anfang an sowohl afroamerikanische als auch weiße Bands. Sie lieferten einander oft musikalische Duelle in den Straßen. Es bildete sich schließlich eine weiße Spielart des New Orleans Jazz heraus, der Dixieland. Die Original Dixieland Jass Band spielte am 26. Februar 1917 ihre erste Schellackplatte ein, die im Mai 1917 veröffentlicht und ein Millionenhit wurde. Mit ihr begann sich der Jazz weltweit durchzusetzen.[4] Beim Dixieland traten die ursprüngliche Tonbildung, Schleiftöne, expressives Vibrato und der Gesamtausdruck zurück. Die Melodien waren glatter, die Harmonien reiner und die Technik geläufiger. Dixieland Jazz ist allerdings nicht scharf vom New Orleans Jazz abzugrenzen. Im Verlauf der Zeit spielten Musiker unabhängig von ihrer Hautfarbe beide Richtungen. Heute gibt es drei Hauptströmungen des Dixieland Jazz: Den Chicago Style, West Coast Revival und New Orleans Traditional.
Chicago Jazz (ab 1919)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Chicago fand der New Orleans Jazz und der Dixieland Jazz der Profis aus dem Süden viele Nachahmer. Dazu zählten insbesondere junge Amateure, meist Schüler und Studenten. Es gelang ihnen nicht, die komplexen Konstruktionen gleichwertig nachzubilden. Letztlich entwickelte sich ein neuer Stil, der Chicago Jazz. Die Melodien überkreuzen sich dabei nicht mehr, sondern liegen parallel zueinander. Die einzelnen Soli haben im Gegensatz zur Kollektivimprovisation des New Orleans Jazz eine größere Bedeutung. Erstmals tritt hier das Saxophon als wichtiges Instrument auf. Ein bedeutender Vertreter dieser Stilrichtung war Bix Beiderbecke.
Swing (ab 1926)
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Der Swing war die populärste Stilrichtung der Jazzgeschichte. Sie entstand Mitte bis Ende der 1920er Jahre. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise schlossen sich die Musiker zu sogenannten Bigbands zusammen, da sie als Einzelne in diesem Beruf nicht mehr bestehen konnten. Der Swing hatte zwischen 1935 und 1945 seine Blütezeit. Kansas City Jazz und Western Swing sind zunächst regionale Unterstile des Swing, die aber ab Mitte der 1930er auch überregionale und internationale Bedeutung erlangten. In dieser Zeit übernahm auch der Gospel vieles aus der Jazzharmonik und beeinflusste später den Rhythm and Blues damit.
In Europa entwickelte sich seit den späten 1920er Jahren der Gypsy-Jazz oder Jazz manouche. Der bekannteste Vertreter dieser Richtung war der Gitarrist Django Reinhardt, der diesen Stil durch außergewöhnliche Grifftechniken und seine Virtuosität entscheidend mitgestaltete. Der Gypsy-Jazz entstand als europäischer Ableger des angloamerikanischen Swing und war beeinflusst durch viele europäische Musikstile, insbesondere den Valse Musette und den ungarischen Csárdás. Gypsy-Jazz oder Jazz manouche wurde auch „String Jazz“ genannt, weil er hauptsächlich mit Saiteninstrumenten wie Gitarre, Geige und Kontrabass in der Besetzung des frühen Quintette du Hot Club de France gespielt wurde.
Bebop (ab 1940)
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Bebop entwickelte sich ab 1940 und legte die Grundlagen für den Modern Jazz. Besonderheiten des Bebop sind größere rhythmische Freiheiten für Schlagzeug und Bass, extrem schnelle Tempi und komplexere Harmonieschemata als im Swing, sowie die Einführung der Tempoverdoppelung in die solistischen Improvisationen. Gleichzeitig lockerte sich die Bindung an ein Thema. Musiker wie Charlie Parker griffen in der Regel nur noch auf den formalen Rahmen und die Harmonieabfolgen eines Musikstücks zurück und ließen die Melodie des Themas in den Improvisationen weitgehend unberücksichtigt. Ein weiteres Merkmal des Bebop sind Improvisationen über einen längeren Zeitraum, manchmal beginnen oder enden sie mitten in einem Chorus.[5] Mischformen dieses Modern Jazz mit dem Swing wurden zunächst unter dem Namen Mainstream Jazz vermarktet.
Latin Jazz (ab 1947)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Latin Jazz ist eine Spielart des Modern Jazz, die sich vor allem durch die Übernahme von Rhythmen und manchmal auch Kompositionen aus dem Repertoire der lateinamerikanischen Musik auszeichnet. Zunächst handelte es sich vorwiegend um eine Verbindung des Jazz mit Elementen verschiedener Stilen aus der Karibik, wobei der Musik Kubas eine Schlüsselstellung eingeräumt wurde. Im weiteren Sinne schließt der Begriff auch Einflüsse aus der brasilianischen Popularmusik mit ein. Der Pionier des Latin Jazz war Dizzy Gillespie. Er führte 1947 in der New Yorker Carnegie Hall zusammen mit kubanischen Perkussionisten die „Afro-Cuban Drums Suite“ auf.
Cool Jazz (ab 1948)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Cool Jazz wurde Ende der 1940er Jahre in New York aus dem Bebop heraus entwickelt. Der Terminus „cool“ bezieht sich auf eine eher introvertierte Grundhaltung des Musizierens. Der Cool Jazz mit Pionieren wie Lennie Tristano oder Miles Davis ist eher konzertant orientiert und bevorzugt langsamere Tempi und weitgeschwungene Melodiebögen. Der West Coast Jazz ist eine in Kalifornien entstandene melodische Variante dieses Stils, die deutlicher Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen möchte.
Hard Bop (ab 1955)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Hard Bop (auch Hardbop) ist eine Weiterentwicklung des Bebop. Er nahm Elemente aus der neueren afroamerikanischen Unterhaltungsmusik auf, was eine insgesamt rhythmisch akzentuierte, auf die Takteinheiten ausgerichtete Spielweise mit sich brachte. Soul Jazz ist die funkige Variante, die in den frühen 60er Jahren entstand.
Free Jazz (ab Ende der 1950er Jahre)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Free Jazz ist einerseits ein historischer Begriff für freies ungebundenes Improvisationsspiel im Jazz seit den 1960er Jahren. Andererseits ist es ein bis heute ausstrahlendes Paradigma, das die Möglichkeit zur freien Entfaltung immer neuer Formen im Jazz bereithält. Eine stilistische Analyse ist daher nur bedingt möglich. Im zeitgenössischen Avantgarde Jazz – einer späteren, intellektuellen Variante des Free Jazz – greift man in der Regel auf durchgehende Metren zurück. Daneben hat sich aktuell mit der freien Improvisation eine Form spontanen Spiels aufgetan, die jedoch die Bezüge und Rückverbindungen zum Jazz aufgibt und Neuland jenseits etablierter Musikgattungen betritt.
Jazz Fusion (ab Ende der 1960er Jahre)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jazz Fusion ist ein Genre, das Jazz mit anderen Stilrichtungen kombiniert, besonders mit Rock- und Funkmusik. Typischerweise mischen Jazz-Musiker hier Jazztechniken unter Einsatz elektrisch verstärkter Instrumente, wie der E-Gitarre, dem E-Piano oder dem Synthesizer mit rhythmischen Strukturen afroamerikanischer Popmusik. Das können die Grooves der Soulmusik, die des Rhythm and Blues oder auch binäre Rhythmen der Rockmusik sein. Jazzfunk ist eine funkige Variante der Fusionmusik. Im selben Maße, wie sich Jazzmusiker der Rock- oder Funkmusik näherten (zum Beispiel Herbie Hancock), kam es auch zu einer Verschmelzung von der anderen Seite: Rockmusiker wie Brian Auger, Al Kooper und Bands wie Embryo schufen den Rockjazz analog zum Jazzrock von Miles Davis oder Weather Report.
Zeitgenössische Entwicklungen
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Modern Creative
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Modern Creative ist ein Jazzstil, der die stilistische Vielfalt des Modern Jazz zeitgenössisch aufgreift. Er wird als Weiterentwicklung des Free Jazz gesehen und entstand durch die mannigfaltigen musikalischen Mittel, die den Musikern heute zugänglich sind. Viele Jazzmusiker haben daraus unterschiedliche persönliche Improvisationssprachen entwickelt. So können sie sich in den verschiedenen zeitgenössischen Jazzstilen improvisatorisch ausdrücken. Musiker wie Paul Bley, James Carter, Theo Jörgensmann oder Michael Moore kann man dem Modern Creative Jazz zurechnen.
World Jazz bzw. Ethno-Jazz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anders als frühere Begegnungen von Jazzmusikern mit Musikern anderer Musikkulturen, bei denen exotische Themen mit Mitteln der Jazz-Stilistik behandelt wurden, entstanden ab den 1970er Jahren Verbindungen von Jazz mit „nicht-westlicher“ Musik, in denen der Jazz-Charakter zugunsten eines gleichberechtigten Austauschs und des Bemühens um tatsächliche Fusion zurückgestellt wurde (zum Beispiel in den Gruppen Shakti oder Codona). Für diese Versuche einer musikalischen Synthese wurden Bezeichnungen wie „World Jazz“ oder auch „Ethno-Jazz“ gebräuchlich. Der Begriff „World Music“ wird aber auch in darüber hinausgehender Weise verstanden, im Sinne einer allen Musikkulturen zugrundeliegenden Gemeinsamkeit, einer weltumspannenden musikalischen Sprache und sogar im Sinne einer Abbildung universaler (spiritueller) Welt-Prozesse in Musik.
Neotraditionalismus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anhänger des „Neotraditionalismus“ lehnen die Entwicklungen des Free Jazz und der Jazz Fusion als dem Wesen des Jazz widersprechend ab und sehen die Elemente Blues und Swing als unentbehrliche Bestandteile von Jazz an. Der sogenannte „Neobop“ – eine aktuelle Form einer aus dem Bebop und Hardbop abgeleiteten Jazz-Tradition – bildet einen wesentlichen Teil des Neotraditionalismus, der aber weit darüber hinausreicht: einerseits durch einen Rückbezug auf ältere Stile (Louis Armstrong dient als wichtiger Bezugspunkt), andererseits durch einen starken Einfluss des sogenannten modalen Jazz (das Vorbild der Miles-Davis-Quintette ist allgegenwärtig). Im Vordergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit dieser Bewegung steht der Trompeter Wynton Marsalis.
Neoklassizismus
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Der Ausdruck „Neoklassizismus“ wird zur Bezeichnung einer Stilrichtung verwendet, die sowohl die logische Folge als auch die Abkehr vom Free Jazz darstellt. Sie ist aus dem „Gestus des langen improvisatorischen Freiflugs“ hervorgegangen, hat aber die Ästhetik der Avantgarde aufgegeben.[6] Diese Richtung teilt mit dem Neotraditionalismus („Klassizismus“ im Sinne Berendts) die Wertschätzung für die afroamerikanische Jazz-Tradition, bringt in ihr Traditions-Verständnis jedoch die Formen und Ausdrucksmittel des gesamten Jazz ein. Protagonisten dieses Stils, der sich seit den 1990er Jahren immer mehr in Richtung Neo-Traditionalismus bewegt, sind u. a. Archie Shepp oder David Murray. So werden etwa die Schrei-ähnlichen Überblas-Effekte des Free Jazz im Spiel des Tenor-Saxofonisten David Murray melodisiert und erscheinen damit mehr als moderne Formen uralter Blues-Shouts, als dass sie in einem avantgardistischen Sinne zu verstehen wären.
Acid Jazz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff Acid Jazz wurde in den späten 1980er Jahren geprägt, als vorwiegend britische DJs tanzbare Soul- und Funkjazz-Aufnahmen der 1960er und 1970er wiederentdeckten und in Diskotheken spielten. Viele Aufnahmen der damaligen Zeit wurden unter dieser Bezeichnung wiederveröffentlicht. Im Zuge dieses Revivals bildeten sich auch neue Formationen, die Jazz mit Soul und Funk kombinierten. Dabei wurden auch elektronische Klangerzeuger verwendet, speziell beim Beat, aber auch sonst im Arrangement. Acid Jazz funktioniert als tanzbarer Clubsound und steht dem Musikgenre Disco nahe.
Downtown
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Downtown“ ist eine Bezeichnung für eine fast ausschließlich euro-amerikanische Szene, die in Downtown Manhattan eine spezifische Stilrichtung entwickelt hat. Sie führte in den 1980er Jahren zunächst den Jazz in extrem avantgardistische Bereiche („Noise Music“, Verwendung von Geräuschen anstelle von Tönen) mit Verbindungen zur „Neuen Musik“ und zu avantgardistischer Rock-Musik. Daraus entwickelte sie ein extrem eklektizistisches Musikverständnis: die unterschiedlichsten Musikarten (Zeichentrickfilm-Musik, Avantgarde-Jazz, Grindcore usw.) werden gleichberechtigt verwendet – oft collagenartig und in schnell wechselnder Abfolge. Als zentrale Persönlichkeit dieser Szene gilt der Alt-Saxofonist John Zorn.
Imaginäre Folklore
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beim Konzept der imaginären Folklore bilden folkloristische oder als folkloristisch empfundene Melodien oder deren rhythmische Strukturen den Ausgangspunkt für die Improvisationen. Neben Musikern aus dem Kreis der Association à la Recherche d’un Folklore Imaginaire (ARFI) wie Louis Sclavis gehören Gianluigi Trovesi und mittlerweile auch Norbert Stein aus Deutschland zu den führenden Vertretern dieser Richtung.

M-Base
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Musik der herausragenden Vertreter des M-Base-Musiker-Kreises ist hoch komplex strukturiert und virtuos, bezieht zahlreiche Elemente der Jazz-Tradition mit ein, stellt aber den Gegenwartsbezug in den Vordergrund und ist in der aktuellen afroamerikanischen Groove-Musik verankert.
Nu Jazz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nu Jazz (gelegentlich auch als Electro Jazz bezeichnet) ist eine Richtung der elektronischen Musik der späten 1990er- und der 2000er-Jahre. Auch der Nu Jazz ist nur bedingt als originärer Jazzstil zu bezeichnen, da die Basis dieser Musik meist elektronische Musik ist, die mit Jazz-Elementen verbunden wird. Wie auch Electronica oder Downtempo ist Nu Jazz nicht genau definiert, sondern wird vielseitig eingesetzt und für viele verschiedene musikalische Variationen verwendet. Als Nu Jazz wird beispielsweise sowohl Drum and Bass oder House mit Jazz-Anklängen als auch der Broken Beat bezeichnet.

Smooth Jazz bzw. Pop-Jazz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Smooth Jazz wird häufig der Easy-Listening-Musik zugeordnet. Entstanden aus dem Jazz-Rock (Fusion) der 1970er Jahre, verbindet diese melodische Spielart den Jazz mit rhythmischen Texturen der Popmusik. Smooth Jazz ist überwiegend ein Radioformat in Nordamerika, das dort in den 1990er Jahren sehr populär wurde. Zu den Wegbereitern zählen Bob James, Lee Ritenour und Grover Washington Jr. Besonders erfolgreiche Interpreten sind George Benson und Kenny G. und in Deutschland Till Brönner. In den letzten Jahren wurde vornehmlich durch Sängerinnen wie Silje Nergaard, Rebekka Bakken, Katie Melua, Norah Jones, Viktoria Tolstoy und Solveig Slettahjell die Jazzmusik mit Mitteln der Popmusik neu definiert. Hier wird eher der Begriff Pop-Jazz verwendet (siehe auch Pop-Jazz).
Jazz-Rap
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch das Aufkommen des Hip-Hop als Jugendkultur wurde auch die Musikrichtung Jazz-Rap in den Jazz integriert. Ein Vertreter des Jazz-Rap in Deutschland ist die Jazzkantine. Als ein Wegbereiter dieser Spielart des Jazz gilt das Bandprojekt Jazzmatazz. Zu den Vertretern des Subgenres gehörten um 2020 auch Künstler wie Kassa Overall (Go Get Ice Cream and Listen to Jazz), Robert Glasper (Fuck Yo Feelings), Melanie Charles, R.A.P. Ferriera, Karriem Riggins, das Kollectiv Stas Thee Boss und der Sänger/Produzent (Liv).e.[7]
Electroswing
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Electroswing ist eine Form der zeitgenössischen elektronischen Tanzmusik und bedient sich in Retromanier Melodien, teilweise auch Instrumentierungen aus der Jazz- und Unterhaltungsmusik der 1920er bis 1950er Jahre. Sie werden mit elektronischen Klängen und Beats unterlegt.
Musikalische Form
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Vergleich mit der „Architektur der großen Form“ in der europäischen Konzertmusik mit dem zunehmend groß angelegten komplexen Aufbau ihrer Kompositionen wirkt der Jazz (ähnlich wie auch afrikanische und indische Musikformen) zumeist einfach. Der großen Bedeutung der Improvisation und des Grooves im Jazz entsprechend ist die musikalische Gestaltung sehr in den Verlauf der Zeit eingebettet, mit grundsätzlich offenem Ende. Jazz ist demnach weitgehend seriell (hintereinander verlaufend) organisiert und tendiert daher zu modularen, kleineren Gestaltungseinheiten. Dem Musikwissenschaftler und Pianisten Vijay Iyer zufolge liegt das Augenmerk „statt auf der groß angelegten hierarchischen Form“ vermehrt „auf den fein-körnigen rhythmischen Details und der Hierarchie rhythmischer Überlagerungen. Die größeren musikalischen Formen ergeben sich daher emergent aus der improvisierten Gestaltung dieser kleinen musikalischen Bestandteile.“[8]
Nur zum Teil wurde formal eine größere Nähe zur Konzertmusik der europäischen Tradition gesucht. Hier ist zunächst Duke Ellington mit Kompositionen wie dem Diminuendo And Crescendo In Blue oder der Suite Black, Brown and Beige zu nennen. Der Progressive Jazz eines Stan Kenton und vor allem der Third Stream eines Gunther Schuller, Charles Mingus oder John Lewis[9] haben diesen Weg weiterverfolgt. Häufiger jedoch wurde in der Vergangenheit die ästhetische Haltung aus der Konzertmusik Europas auf weniger komplexe Musikstücke in die Song-Charakteristik und die in ihnen gespielten Improvisation übertragen, beispielsweise bei Dave Brubeck oder bei Jutta Hipp.
In einigen Strömungen des Jazz (zum Beispiel Modern Creative oder M-Base) werden den Improvisationen Eigenkompositionen zugrunde gelegt, in anderen wird häufig auf bewährte Standards und bekannte Songs anderer Musikgenres zurückgegriffen.
Jazzstandards
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Jazzstandard ist eine Melodie mit festgelegter Harmoniefolge, die häufig als Thema und Material einer Jazzimprovisation dient. In der Regel wird das Thema zu Beginn und zum Schluss des Stücks vorgestellt; dazwischen erfolgen Improvisationen (fast immer in solistischer Abfolge). Standards stammen seit etwa 1930 aus Schlagern, Chansons, Musicals, Filmmusik und Eigenkompositionen von Jazzmusikern. Sie gehören zum Grundrepertoire eines traditionell orientierten Jazzmusikers. Seit den 1940er Jahren verwendeten Bebop-Musiker solche bereits bekannten Songs und schrieben neue Melodien über deren Akkordfolgen oder behielten die Melodie, veränderten aber die Akkordfolgen (Harmonien) dieser Songs. Auf diese Weise entstanden neue Standards, deren neuentwickelte Themen mit dem Fachbegriff bebop head bezeichnet werden.
Viele Jazzmusiker spielen diese Melodien und improvisieren darüber bzw. über die durch Melodien gebildete Akkordfolge. Die musikalischen Übereinkünfte dafür variieren von Stil zu Stil. Einige Jazzgruppen greifen bei Auftritten auch auf eine Auswahl der im Jazz allgemein anerkannten Jazzstandards zurück, auf die sich verschiedene Musiker oft rasch gemeinsam verständigen können. Diese Standardisierung bildet die Basis für eine allgemeine Verständigung. Damit können sie ohne Probe ein Konzert geben, selbst wenn sie sich vorher noch nie getroffen haben. Auch bei den spontanen Jazzmusikertreffen, den Jamsessions, spielen Standards eine verbindende Rolle. Eine Zusammenstellung der wichtigsten und meistgespielten Jazzstandards findet man im sogenannten Real Book, das in den meisten Sessions die Grundlage darstellt.
Ausbildung und Förderung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ab Anfang der 1960er Jahre, in Europa ab etwa 1970, verzeichnete die Ausbildung im Bereich des Jazz starken Aufschwung. Außer an eigenständigen akademischen Ausbildungsrichtungen im „Mutterland“ des Jazz wie dem Berklee College of Music, dem New England Conservatory of Music oder der Juilliard School konnte nun auch an der Kunstuniversität Graz Jazz studiert werden. In der Schweiz bietet seit damals die Swiss Jazz School Ausbildungsmöglichkeiten. In Deutschland ist es seit den 1980er Jahren üblich, dass sich an den Hochschulen für Musik eigene Studiengänge für Jazz und Popular-Musik befinden. In den letzten Jahren sind in den meisten Ländern Wettbewerbe wie Jugend jazzt und vor allem Jazzpreise entstanden, mit denen entweder vielversprechende Nachwuchsmusiker entsprechend anerkannt und gefördert oder verdiente Musiker ausgezeichnet werden.
Die jungen Jazz-Musiker sind heute allgemein auf sehr gutem technischen Stand. Die meisten dieser Nachwuchskünstler fixieren sich aber vorwiegend auf das Imitieren allseits anerkannter Jazzformen. Einige wenige hingegen setzen souverän ihre eigenen Vorstellungen in neue Formen musikalischer Gestaltung um.
Etymologie
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Die Herkunft des Ausdrucks Jazz ist ungeklärt. Am Anfang bezeichnete man den frühen Jazz auch häufig als „Hot Ragtime“ oder einfach „Ragtime“. Lange Zeit wurde angenommen, dass der Begriff bereits 1909 in Cal Stewarts Song Uncle Josh in Society vorkomme: “One lady asked me if I danced the jazz …”, wahrscheinlich eine Art von Ragtime-Tanz meinend.[10] Tatsächlich enthält jedoch erst eine spätere Aufnahme diesen Begriff.[11] Möglich ist die Ableitung des Wortes „Jass“ oder „Jazz“ aus der Verwendung des Begriffs „jasm“ (französisches Wörterbuch von 1860) für Energie, Dynamik und Vitalität,[12] als passender Ersatzbegriff für afrikanische Tanznamen (wie etwa Mandingo „jasi“ oder Temne „yas“), jedenfalls gilt ein anderes Slangwort („jism“) auch als davon abgeleitet. „Jasi“ ist nicht nur der Name eines Tanzes, sondern steht auch für „in Erregung versetzen“.
Die erste dokumentierte Verwendung des Wortes „Jazz“ ist im Sportjournalismus in Kalifornien im April 1912, als ein Baseballspieler namens Ben Henderson seine Wurftechnik gegenüber einem Reporter der Los Angeles Times als „jazz ball“ bezeichnete,[13][14][15] was bald darauf 1913 von Reportern im Raum San Francisco für ein energiegeladenes Spiel mit „Pep“ aufgegriffen wurde.[16] Als musikalische Bezeichnung ist „Jazz“ zu dieser Zeit jedoch nicht belegt (in New Orleans wurde sie damals als hot-Variante synkopierter Musik bezeichnet).
Für den Übertrag des Begriffs auf die Musik gibt es verschiedene Versionen:
- Nach Angabe des Schlagzeugers und Bandleaders Art Hickman geschah das beim Zusammentreffen der Baseballmannschaft der San Francisco Seals in deren Trainingslager im Kurort Boyes Springs mit seiner Ragtime-Band. Er benutzte dies aber selbst nur für eine besonders „energetische“ Spielweise und bezeichnete nicht die Stilrichtung seiner Band damit.
- Nach Angaben seines Banjospielers Bert Kelly (in einem Brief an Variety von 1957 und unveröffentlichten Memoiren), der 1914 Bandleader in Chicago wurde, war seine Formation die erste, die das Wort für ihre Spielweise benutzte.
Nachweisbar ist Jazz als Bezeichnung für die neue Form von Musik erstmals in einem Artikel der Chicago Tribune von Gordon Seagrove vom 11. Juni 1915 mit dem Titel Blues is Jazz and Jazz is Blues. Der Begriff schlug bald darauf Wurzeln und ist danach in einer Vielzahl von Artikeln nachweisbar.
Ab spätestens 1915 gab es Gruppen aus New Orleans, die „Jass“ oder „Jazz“ im Namen tragen bzw. damit ihre Musik bezeichnen. Der Bandleader Tom Brown nahm für sich in Anspruch, als erster dieses Wort für die genauere Beschreibung einer Band verwendet zu haben, worüber ein heftiger Streit mit Nick LaRocca von der Original Dixieland Jass Band entbrannte.[17] Im Dezember 1916 nahm das (weiße) Komikerduo Arthur Collins & Byron G. Harlan den Song That Funny Jas Band from Dixieland auf, an dessen Ende versucht wurde, typische Instrumentalgeräusche vorzustellen, die eine Jazzband charakterisieren.[18]
Das englische Verb „to jazz“ für „to speed or liven up“, schneller werden oder beleben, in Schwung bringen, ist ab 1917 belegt.
Jazz – ein rassistischer Begriff?
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufbauend auf Alfons M. Dauer, der auf eine zunächst stigmatisierende Wirkung des Jazzbegriffs hinwies,[19] betont der Musikwissenschaftler Maximilian Hendler, „dass der Begriff Jazz von seinem Ursprung her weder musikalische noch stilistische, sondern soziale Konnotationen hatte. Er drückte ein abwertendes Urteil der Master-Gesellschaft – der Träger der Suprastruktur – gegenüber allen Erscheinungsformen von Musik aus, die nicht den von ihr gesetzten Normen entsprachen.“[20]
Zahlreiche Jazzmusiker lehnten für ihre Musik daher den Begriff Jazz ab; das sei „ein Wort des weißen Mannes“, so Miles Davis.[21] In den 1970er Jahren propagierte das Art Ensemble of Chicago an seiner Stelle den Begriff Great Black Music,[22] der sich jedoch nicht durchsetzte. Der Trompeter Nicholas Payton schlug 2011 vor, den Begriff Jazz durch Black American Music (BAM) zu ersetzen, da das Wort Jazz einen rassistischen Beigeschmack habe und BAM eine Erfindung schwarzer Amerikaner sei, was anerkannt werden solle. Ähnlich haben sich auch andere Musiker geäußert,[23] beispielsweise Orrin Evans, der meinte, Jazz sei „ein repressiver, kolonialistischer Sklaven-Begriff, und ich will nichts damit zu tun haben“,[24] oder Archie Shepp, der sagte: „Ich habe darauf bestanden, dass meine Studenten in ihren Seminararbeiten das Wort Jazz vermeiden.“ Diese Musik habe vielmehr in Afrika begonnen, mit Call and Response, Händeklatschen, Fußstampfen, Blues-Tonleitern, die man nicht bei Mozart oder Anton Webern fände, sondern bei kleinen Stämmen in Westafrika.[25] Shabaka Hutchings findet, Jazz sei „ein einengender Terminus, bei dem die Leute gleich zu wissen meinen, um was für eine Musik es sich handelt“.[26]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Liste von Jazzmusikern (alphabetisch geordnet)
- Liste von Jazzmusikern nach Epoche und Instrument
- Jazzgesang – Liste von Jazzsängern
- Jazz in den Vereinigten Staaten
- Jazz in Deutschland
- Jazzmusiker in Deutschland
- Jazz in Polen
- Jazzgottesdienst
Film
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ken Burns: Jazz ist eine zehnteilige dokumentarische Jazzgeschichte, die 2001 von PBS erstmals in den USA im Fernsehen gesendet wurde. (Sie hat einen chronologischen Aufbau und zeigt 75 Interviews mit zentralen Personen dieses Musikgenres, 2400 Fotografien, mehr als 2000 historische Filmclips und spielt über 500 Musikstücke.)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Joachim Ernst Berendt, Günther Huesmann (Bearb.): Das Jazzbuch. 7. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-003802-9.
- Ken Burns, Geoffrey C. Ward: Jazz – eine Musik und ihre Geschichte. Econ, München 2001, ISBN 3-430-11609-0 (Nach der Dokumentarfilm-Reihe von Ken Burns mit Beiträgen von Wynton Marsalis, s. o.).
- Ralf Dombrowski: 111 Gründe, Jazz zu lieben: Eine Liebeserklärung. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2019, ISBN 978-3-86265-804-6.
- Daniel Martin Feige: Philosophie des Jazz. Suhrkamp, Berlin 2014, ISBN 978-3-518-29696-7.
- John Fordham: Das große Buch vom Jazz: Musiker, Instrumente, Geschichte, Aufnahmen. Christian, München 1998, ISBN 3-88472-395-2.
- Herbert Hellhund: Jazz. Harmonik, Melodik, Improvisation, Analyse. Philipp Reclam jun., Ditzingen 2018, ISBN 978-3-15-011165-9.
- Michael Jacobs: All that Jazz. Die Geschichte einer Musik. mit einem Beitrag von Robert Fischer, 3., erweiterte und aktualisierte Ausgabe. Reclam Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-021684-2.
- Ekkehard Jost: Sozialgeschichte des Jazz. 2. Auflage. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-86150-472-3.
- Peter Kemper: The Sound of Rebellion: Zur politischen Ästhetik des Jazz. Philipp Reclam jun., Ditzingen 2023, ISBN 978-3-15-011324-0.
- Philippe Margotin: 100 Jahre Jazz – Von der Klassik bis zur Moderne: die größten Stars. Delius, Klasing, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-667-10607-0.
- Arrigo Polillo: Jazz. Die neue Enzyklopädie. Schott Music, Mainz 2007, ISBN 978-3-254-08368-5.
- Klaus Wolbert (Hrsg.): That’s Jazz: der Sound des 20. Jahrhunderts; eine Musik-, Personen-, Kultur-, Sozial- und Mediengeschichte des Jazz von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bochinsky, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-923639-87-2.
- Peter Niklas Wilson (Hrsg.): Jazz-Klassiker. Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-030030-4.
Nachschlagewerke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Carlo Bohländer, Karl Heinz Holler, Christian Pfarr: Reclams Jazzführer. 5., durchgesehene und ergänzte Auflage. Reclam, Stuttgart 2000, ISBN 3-15-010464-5.
- Ian Carr et al.: The Rough Guide to Jazz. Rough Guides, New York/London 2004, ISBN 1-84353-256-5.
- Leonard Feather, Ira Gitler: The Biographical Encyclopedia of Jazz. 2. erweiterte Auflage. Oxford University Press, Oxford u. a. 1999, ISBN 0-19-507418-1.
- Wolf Kampmann (Hrsg.), unter Mitarbeit von Ekkehard Jost: Reclams Jazzlexikon. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Reclam, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-15-010731-7.
- Barry Kernfeld (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Jazz. Oxford University Press, 2005, ISBN 0-19-516909-3.
- Martin Kunzler: Jazz Lexikon. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002 / Directmedia Publ., Berlin 2005, ISBN 3-89853-018-3.
- Scott Yanow: Jazz on Record. The First Sixty Years. Backbeat Books, San Francisco 2003, ISBN 0-87930-755-2.
Diskografien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ralf Dombrowski: Basis-Diskothek Jazz (= Reclams Universal-Bibliothek. Nr. 18657). 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-018657-2.
- Manfred Scheffner (Hrsg.): Bielefelder Katalog Jazz. Vereinigte Motor Verlage, 2005, ISBN 3-89113-137-2.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Jazz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Encyclopedia of Jazz Musicians ( vom 6. Juli 2016 im Internet Archive) (englisch)
- Themenportal Jazz Deutsches Musikinformationszentrum
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Wolfram Knauer Ein Überblick über die Jazzgeschichte. ( vom 21. März 2011 im Internet Archive)
- ↑ Hans-Jürgen Schaal (Hrsg.): Jazz-Standards. Das Lexikon. 3., revidierte Auflage. Bärenreiter, Kassel u. a. 2004, ISBN 3-7618-1414-3, S. 7.
- ↑ Vgl. Ekkehard Jost Jazz, in Wolf Kampmann Reclams Jazzlexikon. Stuttgart 2003, S. 632 f. Jost hebt dabei auf Improvisation, Interaktion, Rhythmik und die Ich-Bezogenheit des musikalischen Ausdrucks als ästhetische Prämissen der Jazzmusik über deren gesamte Entwicklung ab.
- ↑ Bert Noglik 100 Jahre Jazz auf Schallplatte (Deutsche Welle)
- ↑ Andre Asriel: Jazz: Aspekte und Analysen. Berlin 1985, S. 186
- ↑ Zit. n. Hannah Dübgen, Blue Notes on Black and White Keys: Stationen und Aspekte des Piano Jazz der 1970er Jahre unter besonderer Betrachtung der Soloimprovisationen von Keith Jarrett, Chick Corea und Alexander von Schlippenbach. 2003.
- ↑ Blake Gillespie: A Brief Guide to the Shape of “Jazz Rap” Today. In: Bandcamp Daily. 11. November 2020, abgerufen am 12. November 2020 (englisch).
- ↑ V. Iyer, Microstructures of Feel, Macrostructures of Sound: Embodied Cognition in West African and African-American Musics. Diss.: Berkeley 1998 ( vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive)
- ↑ Peter W. Schatt: „Jazz“ in der Kunstmusik: Studien zur Funktion afroamerikanischer Musik in Kompositionen des 20. Jahrhunderts. Kassel 1995, ISBN 3-7649-2476-4.
- ↑ Lewis Porter Jazz: A Century of Change New York 1997, S. 9
- ↑ Vgl. Oxford English Dictionary Online
- ↑ Jan Bäumer: The Sound of a City? New York und Bebop 1941–1949 Münster / New York 2014, S. 13 f.
- ↑ Artikel Ben’s Jazz Curve, Los Angeles Times, 2. April 1912.
- ↑ Ben ZimmerMarch 25, 2012, 12:00 a m Share on Facebook Share on TwitterView Comments: How baseball gave us ‘jazz’. In: The Boston Globe. Abgerufen am 21. Februar 2023 (englisch).
- ↑ Dave Wilton, Jazz, an unlikely, but true american journey ( vom 2. September 2017 im Internet Archive), Oxford Dictionary Language Matters, 4. April 2015. Danach wurde diese Entdeckung durch den New Yorker Bibliothekar George Thompson 2003 gemacht, als das Archiv der Los Angeles Times online gestellt wurde und systematische Wortsuchen ermöglichte.
- ↑ Zuerst vom Sportreporter E. T. „Scoop“ Gleason im San Francisco Bulletin vom 6. März 1913 über das Spiel der Seals im Trainingscamp Boyes Springs: What is the „jazz“ ? Why, it’s a little of that „old life“, the „gin-i-ker“, the „pep“, otherwise known as the enthusiasalum.
- ↑ Vgl. New Orleans Biographical Listings. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 27. November 2010; abgerufen am 15. Oktober 2014. sowie Wolfram Knauer: „Jazz“. Ein Überblick über die Jazzgeschichte. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 20. August 2014; abgerufen am 15. Oktober 2014.
- ↑ Collins and Harlan: That Funny Jas Band from Dixieland. – Internet Archive
- ↑ Alfons M. Dauer Don’t Call My Music Jazz. In: Helmut Rösing (Hrsg.): Aspekte zur Geschichte populärer Musik (= Beiträge zur Popularmusikforschung 11). Baden-Baden 1992, S. 42–55.
- ↑ Maximilian Hendler: Vorgeschichte des Jazz. Graz 2008, S. 261.
- ↑ „Ich hasse das Wort Jazz, das die Weißen uns angeklebt haben, ich spiele ganz einfach schwarze Musik.“ Vgl. Ich hasse das Wort Jazz In: Die Zeit Nr. 04, 21. Januar 2010.
- ↑ Peter Kemper: The Sound of Rebellion: Zur politischen Ästhetik des Jazz. Philipp Reclam jun., Ditzingen 2023, S. 484 ff.
- ↑ Süddeutsche Zeitung. Nr. 101 v. 2. Mai 2012, Feuilleton, S. 11.
- ↑ The Word “Jazz” Will Now Be Racist. In: The Philly Post. 10. Januar 2012.
- ↑ Stefan Hentz: Maschinengewehre rosten nicht. Ein Besuch bei dem Saxofonisten und Jazz-Revoluzzer Archie Shepp, der in Paris seinen 75. Geburtstag feiert. In: Die Zeit. Nr. 22, 24. Mai 2012, S. 57.
- ↑ Peter Kemper: Shabaka Hutchings im Gespräch: „Black Power ist eine Ermutigung“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 11. Mai 2021, abgerufen am 17. Mai 2021.