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„Volksgruppe“ – Versionsunterschied

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Das Wort '''Volksgruppe''' bezeichnet allgemein eine [[Ethnie|ethnische Gruppe]], im engeren Sinne eine [[Minderheit]] innerhalb eines [[Staat]]es, speziell eine einzelne ethnische Gruppe innerhalb eines polyethnischen Staates ([[Vielvölkerstaat]]). Eine ''autochthone'' (aus dem [[Griechische Sprache|Griechischen]] für „aus dem Lande selbst“, [alt-]eingesessene<ref>Vgl. Glossar in Georg Hansen, Norbert Wenning: ''Schulpolitik für andere Ethnien in Deutschland. Zwischen Autonomie und Unterdrückung'', Waxmann, Münster 2003, ISBN 3-8309-1122-X, S.&nbsp;214; Dieter Kolonovits: ''Rechte der Minderheiten'', in: [[Detlef Merten]], [[Hans-Jürgen Papier]] (Hrsg.): ''Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa.'' Band VII/1: ''Grundrechte in Österreich'', 2. Aufl., C.F. Müller, Heidelberg 2014, §&nbsp;21 Rn.&nbsp;23.</ref> oder ursprüngliche) ''Volksgruppe'', auch ''Bevölkerungsgruppe''<ref>Eintrag [https://www.dwds.de/wb/Bev%C3%B6lkerungsgruppe ''Bevölkerungsgruppe''], bereitgestellt durch das [[Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache|Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache]], abgerufen am 11. Dezember 2022.</ref> genannt, ist eine ethnische, in Europa [[Gesetzgebung|rechtlich]] geschützte [[nationale Minderheit]]. [[Umgangssprache|Umgangssprachlich]] wird „Volksgruppe“ oft bedeutungsgleich zu ''[[ethnische Minderheit]]'' verwendet.
{{Qualitätssicherungstext}}


Wenn es um den Schutz von Volksgruppen innerhalb eines Staates geht, spricht man von ''[[Minderheitenschutz]]'', in [[Österreich]] auch von ''Volksgruppenförderung''.
[[Kategorie:Wikipedia:Qualitätssicherung]]
Die Diskussion über diesen Antrag findet auf der '''[[Wikipedia:Qualitätssicherung/30. November_2005#{{PAGENAME}}|Qualitätssicherungsseite]]''' statt.<br />
Hier der konkrete Grund, warum dieser Artikel auf den QS-Seiten eingetragen wurde: 'Der Artikel scheitert gänzlich an dem Versuch, diesen Begriff einigermaßen spezifisch zu definieren. Der erste Satz ist schlicht falsch. Im landläufigen Gebrauch ist "Volksgruppe" keineswegs gleichbedeutend mit Minorität. Auch die Mehrheitsbevölkerung eines multiethnischen Staates wird häufig genug als "Volksgruppe" bezeichnet". Der Abschnitt "Der Begriff" scheitert ebenfalls an dem Versuch einer Definition. Zudem sind die unvollständigen Sätze sprachlich eine Zumutung. Eine enzyklopädische Definition wäre etwas sehr anderes. (Dabei sollte selbstverständlich nicht verschwiegen werden, dass der Begriff problematisch und seine Definition eine hakelige Sache ist.)' --[[Benutzer:Jrohr|Jrohr]] 01:43, 30. Nov 2005 (CET)


Die Bezeichnung darf nicht mit ''[[Völkergruppe]]'' (abstrakte Zusammenfassung verschiedener [[Volk#Stamm|Völker]] oder Ethnien wie etwa [[Indianer]] oder [[Papua (Völkergruppe)|Papua]]) verwechselt werden.
{{Deutschlandlastig}}


== Begrifflichkeiten ==
Eine '''Volksgruppe''' sind diejenigen Angehörigen einer [[Ethnie]], die als Minderheit in einer vorwiegend von Angehörigen eines anderen [[Volk]]es bevölkerten [[Staates]] leben.
Anders als bei den Begriffen ''[[Minderheit]]'' und ''[[indigene Völker]]'' ([[Latein|lat.]] „eingeborene“, siehe [[Indigene Völker#Wortherkunft „indigen, autochthon“|Wortherkunft]]) existiert&nbsp;– abgesehen von der rechtlichen Definition des [[Legislative|Gesetzgebers]] in [[Österreich]]<ref>[[Bundeskanzleramt (Österreich)|Bundeskanzleramt Österreich]]: [https://www.bundeskanzleramt.gv.at/volksgruppen ''Volksgruppen.''] Informationsseite, ohne Datum, abgerufen am 26. Januar 2019; Zitat: {{"|In Österreich bestehen folgende 6 autochthone Volksgruppen […]}}.</ref>&nbsp;– keine allgemein anerkannte spezifische Definition einer ''Volksgruppe'', was sich auch in der wechselnden Anwendung der Bezeichnung auf Minder- und Mehrheiten niederschlägt.


So werden etwa die afrikanischen [[Hutu]] und [[Tutsi]] oftmals gleichermaßen als „Volksgruppen“ bezeichnet, obwohl die erstere in [[Ruanda]] und [[Burundi]] die zahlenmäßige Mehrheit bildet, wohingegen die letztere die parlamentarische Mehrheit in Ruanda stellt. Außer der Zeit seit der [[Staatliche Unabhängigkeit|Unabhängigkeit]] 1962 bis zum [[Völkermord in Ruanda]] beherrscht das [[Hirtenvolk]] der Tutsi als Minderheit traditionell die [[Ackerbau|bäuerliche]] Hutu-Mehrheit.
==Begriff==
Der Begriff ist weitgehend bedeutungsgsgleich zu [[nationale Minderheit|nationale]] oder [[ethnische Minderheit]].


In Fällen, wo mehrere Gruppen in etwa gleich stark vertreten sind, werden diese zu Volksgruppen, beispielsweise [[Flamen]] und [[Wallonen]] in [[Belgien]]. Gleichzeitig werden oft ethnische Minderheiten mit diesem Begriff benannt, so etwa [[deutschsprachige Minderheiten]] in [[Ostmitteleuropa]] (vgl. [[Nationalität]]). In der [[Slowenien|slowenischen]] Minderheitenterminologie wird neben ''narodna skupina'' (Volksgruppe) und ''narodna skupnost'' auch der Begriff ''avtohtona narodna skupnost'' (=&nbsp;„autochthone Volksgruppe / autochthone nationale Gemeinschaft“) verwendet.<ref>[[Stefan Karner]]: ''Slowenien und seine „Deutschen“. Die deutschsprachige Volksgruppe als Subjekt und Objekt der Politik 1939 bis 1998'', [[Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen]], Bonn 2000, S.&nbsp;7; Klaus-Jürgen Hermanik: ''Deutsche und Ungarn im südöstlichen Europa. Identitäts- und Ethnomanagement'', Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2017, ISBN 978-3-205-20264-6, S.&nbsp;192, 229 Anm.&nbsp;451.</ref>
Erklärung: Jeder Staat ist ein Kunstgebilde, der entweder aufgrund von kriegerischen Ereignissen entstanden ist oder aufgrund von Fürstenhochzeiten, selten aber aufgrund von kulturellen Zusammengehörigkeitsgesichtspunkten seiner Bürger.


Die Bezeichnung ''Volksgruppe'' kennt keine genaue Entsprechung in anderen Sprachen. Im [[Ungarische Sprache|Ungarischen]] existiert das Wort ''népcsoport'' mit derselben Bedeutung. Im [[Englische Sprache|Englischen]], [[Spanische Sprache|Spanischen]] und [[Französische Sprache|Französischen]] wird der Begriff zumeist als ethnische Gruppe verstanden.
Eine Volksgruppe bildet daher eine kulturelle Zugehörigkeit (Sprache, kulturgeographische Nachbarschaft, gemeinsame Kunst- und Geistesgeschichte, usw.) zu einer bestimmten Gruppe von Menschen die über das Staatsgebiet hinausreicht (Kulturnation). So sind viele muttersprachig deutsche Menschen Teil von "deutschen Volksgruppen" in verschiedenen Staaten und gehören somit zum "deutschsprachigen Kulturkreis". Beide Bezeichnungen meinen das selbe.
Beispiel: die deutsch- oder ladinischsprachigen Staatsbürger Italiens in Südtirol sind im staatsbürgerlichen Sinne Italiener; sie leben im deutschen bzw. ladinischen Kulturkreis und sind in diesem Sinne Deutsche bzw. Ladiner bzw. Volksgruppenangehörige der jeweiligen Sprach- und Volksgruppe. Oder die Volksgruppen der Kurden im Irak und in der Türkei.


Das britische Innenministerium hat die freiwillige [[selbst definierte ethnische Zugehörigkeit]] (engl. ''self-defined ethnicity'') als Konzept entwickelt.
==Beispiele von Volksgruppen==
sind etwa die
*[[Russlanddeutsche]]n in [[Russland]]
*[[Rumäniendeutsche]]n, [[Siebenbürger Sachsen]], [[Bessarabiendeutsche]]n, [[Dobrudschadeutsche]]
*[[Sudetendeutsche]]n
*deutsche [[Nordschleswiger]] in [[Dänemark]]
* deutsche [[Südtiroler]] in [[Italien]]
* deutsche [[Elsässer]] und [[Lothringer]] in [[Frankreich]]
*dänische Minderheit in [[Schleswig-Holstein]]
*[[Polen]] in [[Litauen]]
*[[Russen]] in den Nachfolgestaaten der [[Sowjetunion]]


== Historisches Volksgruppenkonzept ==
''Siehe auch:'' [[Liste von Volksgruppen]]
Der Begriff ''Volksgruppe'' wurde durch die deutsche Kulturpropaganda und die politische [[Grenzland#Politisch bedingtes Grenzland in Deutschland|„Grenzlandarbeit“]] im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] bekannt. [[Max Hildebert Boehm]] von der „Arbeitsstelle für Nationalitäten- und Stammesprobleme“ prägte diesen Begriff in der [[Völkische Bewegung|völkischen Bewegung]] und versuchte ihn zu verwissenschaftlichen.


Der Begriff der Volksgruppe ist durch das starke [[Bevölkerungswachstum]] insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert zu einem besonderen Thema geworden. Radikalisiert wurde das ohnehin problematische Volksgruppenkonzept im Rahmen der verbrecherischen [[Ethnische Minderheit|Volksgruppenpolitik]] des [[NS-Regime]]s. Dieses benutzte die deutsche Minderheiten in Nachbarländern (z.&nbsp;B. [[Münchner Abkommen|1938]] die [[Sudetendeutsche]]n) nicht allein, um Gebietsansprüche geltend zu machen, sondern förderte insbesondere in [[Südosteuropa]] eine Politik des ''[[divide et impera]]'' („Teile und herrsche!“), deren Kern es war, verschiedene Volksgruppen gegeneinander auszuspielen.
== Volksgruppenkonzept ==
Der Begriff der Volksgruppe ist aufgrund der explodierenden Bevölkerungszahlen und damit einer zuvor nie gekannten Bevölkerungsdichte insbesondere im 19. und 20. Jhrh. zu einem besonderen Thema der Völker geworden. Dies führte schließlich in Europa zum Entstehen der [[Volksgruppenpolitik]] der [[Nationalsozialisten]]. Diese siedelten deutsche Streuminoritäten aus entfernten Gebieten nach Deutschland bzw. dessen angrenzende Territorien um und benutzten deutsche Minderheiten in Nachbarländern andererseits, um territoriale Ansprüche geltend zu machen. Darüberhinaus förderten sie insbesondere auch in Südosteuropa eine Politik des [[Divide et impera]], deren Kern es war, verschiedene Volksgruppen gegeneinander auszuspielen.


Nach dem Volksgruppenkonzept organisieren sich die Menschen nicht nur nach ihren sozialen Bedürfnissen, sondern ordnen diesen auch abstammungsorientierten ([[Volk]]) und daher nationalen Idealen unter.
Nach dem Volksgruppenkonzept organisieren sich die Menschen oft unter der Leitung von „[[Volksgruppenführer]]n“ nicht nur nach ihren sozialen Bedürfnissen, sondern ordnen diese auch abstammungsorientierten ([[Volk]]) und daher nationalen Idealen unter. Das Konzept wurde noch in den 1970er Jahren im Kontext der [[Geschichte Südtirols|Südtirolfrage]] und der [[Sudetendeutsche Landsmannschaft|Sudetendeutschen Landsmannschaft]] reaktiviert.<ref>Christoph Pan: ''Grundelemente zur Theorie der Ethno-Soziologie.'' In: Theodor Veiter (Hrsg.): ''System eines Internationalen Volksgruppenrechts.'' Teil 2: ''Innerstaatliche, regionale und universelle Struktur eines Volksgruppenrechts'', Wien/Stuttgart 1972.</ref>


===Kritik===
=== Rezeption ===
Der Sozialwissenschaftler [[Samuel Salzborn]] kritisierte 2003, dass sich das Volksgruppenkonzept auf einen [[Romantik|romantischen]] [[Volk]]sbegriff beziehe und diesen insofern [[Politisierung|politisiere]], als damit eine raumordnerische Konsequenz aus der kulturellen Teilung der Menschheit in Völker und Volksgruppen gezogen werde. Soziale und politische Konflikte würden „damit naturalisiert und in einen ethnischen Entstehungszusammenhang gerückt“.<ref name="Salzborn 2003-1214">[[Samuel Salzborn]], [[Heribert Schiedel]]: ''„Nation Europa“. Ethnoföderale Konzepte und kontinentale Vernetzung der extremen Rechten.'' In: [[Blätter für deutsche und internationale Politik]], Heft 10, 2003, S. 1209–1217, hier S. 1214 ([http://www.salzborn.de/txt/blae1003.pdf PDF; 60&nbsp;kB]).</ref> Indem [[Ethnizität]] als grundlegende Kategorie gedacht werde und zum höchsten Gut des „menschlichen Wesens“ avanciere, bestehe „das politische Ziel in einer kompletten sozialen und politischen [[Segregation (Soziologie)|Segregation]] von Menschen entlang ethnischer Kriterien sowie in der Schaffung separierter Ethnoregionen für die einzelnen Volksgruppen.“<ref name="Salzborn 2003-1214" />
Kritiker des Volksgruppenkonzeptes:


Das Konzept betont „die ethnisch-kulturelle Homogenität der Bevölkerung, oder zumindest ihre kulturell-mentalitätsmäßige Ähnlichkeit bis hin zur gemeinsamen Betroffenheit durch negative Einwirkungen von außen. Davon ausgehend wird die Gleichartigkeit der Interessen der Betroffenen gegenüber anderen Regionen oder dem übergeordneten System behauptet.“<ref>Zitiert bei [[Günther Pallaver]]: ''Kopfgeburt Europaregion Tirol. Genesis und Entwicklung eines politischen Projekts.'' In: ''[[Geschichte und Region/Storia e regione]].'' Jahrbuch der Arbeitsgruppe Regionalgeschichte, Bozen 2000, S. 247.</ref>
====Kritik nach Samuel Salzborn und Heribert Schiedel====
"Das Volksgruppenkonzept bezieht sich auf den romantischen Volksbegriff und politisiert diesen insofern, als eine raumordnerische Konsequenz aus der kulturellen Teilung der Menschheit in Völker und Volksgruppen gezogen werden soll. Soziale und politische Konflikte werden damit naturalisiert und einen ethnischen Entstehungszusammenhang gerückt. Indem Ethnizität als essentielle Kategorie gedacht wird und zum höchsten Gut des „menschen Wesen avanciert, besteht das politische Ziel in einer kompletten sozialen und politischen Segregation von Menschen entlang ethnischer Kriterien sowie in der Schaffung separierter Ethnoregionen für die einzelnen Volksgruppen." (Samuel Salzborn und Heribert Schiedel: „Nation Europa“. Ethnoförderale Konzepte und kontinentale Vernetzung der extremen Rechten)


== Siehe auch ==
====Kritik nach Günther Pallaver====
* [[Stamm (Gesellschaftswissenschaften)]]
"Betont wird die ethnisch-kulturelle Homogenität der Bevölkerung, oder zumindest ihre kulturelle-mentalitätsmäßige Ähnlichkeit bis hin zur gemeinsamen Betroffenheit durch negative Einwirkungen von außen. Davon ausgehend wird die Gleichartigkeit der Interessen der Betroffenen gegenüber anderen Regionen oder dem übergeordneten System behauptet." (Günther Pallaver, Kopfgeburt Europaregion Tirol. Genesis und Entwicklung eines politischen Projekts, in: Jahrbuch der Arbeitsgruppe Regionalgeschiche, Bozen 200. S. 247)
* [[Volkszugehörigkeit]]


==Literatur==
== Literatur ==
*Michael Krugmann: ''Das Recht der Minderheiten : Legitimation und Grenzen des Minderheitenschutzes'', Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 955, 445 S., Berlin: Duncker & Humblot, 2004
* Michael Krugmann: ''Das Recht der Minderheiten. Legitimation und Grenzen des Minderheitenschutzes'' (=&nbsp;''Schriften zum öffentlichen Recht.'' Bd. 955). Duncker & Humblot, Berlin 2004.
* Ulrich Prehn: ''Die wechselnden Gesichter eines „Europa der Völker“ im 20. Jahrhundert. Ethnopolitische Vorstellungen bei Max Hildebert Boehm, [[Eugen Lemberg]] und [[Guy Héraud]].'' In: Heiko Kauffmann, [[Helmut Kellershohn]], Jobst Paul (Hrsg.): ''Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie.'' Unrast, Münster 2005, ISBN 3-89771-737-9, S. 123–157.
*Jürgen Schlögel: ''Der Schutz ethnischer Minderheiten als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts, Studien zum Völker- und Europarecht, Bd.5, XXI, 467 S., Hamburg: Kovac, 2004
* Jürgen Schlögel: ''Der Schutz ethnischer Minderheiten als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts'' (=&nbsp;''Studien zum Völker- und Europarecht.'' Bd. 5,21). Kovac, Hamburg 2004.
* [[Felix Ermacora]], [[Christoph Pan]]: ''Grundrechte der europäischen Volksgruppen.'' Wien 1993.
* Felix Ermacora: ''Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht.'' München 1978.
* Ulrich Prehn: ''Max Hildebert Boehm: Radikales Ordnungsdenken vom Ersten Weltkrieg bis in die Bundesrepublik''. Wallstein, Göttingen 2013.
* Sarah Pritchard: ''Der völkerrechtliche Minderheitenschutz: Historische und neuere Entwicklungen''. Duncker & Humblot, Berlin 2001.
* [[Theodor Veiter]] (Hrsg.): ''Neueste Entwicklungen auf dem Gebiet des internationalen Volksgruppenrechts und des Schutzes ethnischer Minderheiten.'' 3 Bände, Wien 1970–1978.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
* [http://www.salzborn.de/txt/blae1003.pdf Samuel Salzborn und Heribert Schiedel: „Nation Europa“. Ethnoförderale Konzepte und kontinentale Vernetzung der extremen Rechen]


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Ethnologie]]
<references />
[[Kategorie:Völkerrecht]]

[[Kategorie:Völkerrecht]]<!--Österreich-->
[[Kategorie:Ethnische Minderheit als Thema|!]]

Aktuelle Version vom 4. Dezember 2024, 22:22 Uhr

Das Wort Volksgruppe bezeichnet allgemein eine ethnische Gruppe, im engeren Sinne eine Minderheit innerhalb eines Staates, speziell eine einzelne ethnische Gruppe innerhalb eines polyethnischen Staates (Vielvölkerstaat). Eine autochthone (aus dem Griechischen für „aus dem Lande selbst“, [alt-]eingesessene[1] oder ursprüngliche) Volksgruppe, auch Bevölkerungsgruppe[2] genannt, ist eine ethnische, in Europa rechtlich geschützte nationale Minderheit. Umgangssprachlich wird „Volksgruppe“ oft bedeutungsgleich zu ethnische Minderheit verwendet.

Wenn es um den Schutz von Volksgruppen innerhalb eines Staates geht, spricht man von Minderheitenschutz, in Österreich auch von Volksgruppenförderung.

Die Bezeichnung darf nicht mit Völkergruppe (abstrakte Zusammenfassung verschiedener Völker oder Ethnien wie etwa Indianer oder Papua) verwechselt werden.

Begrifflichkeiten

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Anders als bei den Begriffen Minderheit und indigene Völker (lat. „eingeborene“, siehe Wortherkunft) existiert – abgesehen von der rechtlichen Definition des Gesetzgebers in Österreich[3] – keine allgemein anerkannte spezifische Definition einer Volksgruppe, was sich auch in der wechselnden Anwendung der Bezeichnung auf Minder- und Mehrheiten niederschlägt.

So werden etwa die afrikanischen Hutu und Tutsi oftmals gleichermaßen als „Volksgruppen“ bezeichnet, obwohl die erstere in Ruanda und Burundi die zahlenmäßige Mehrheit bildet, wohingegen die letztere die parlamentarische Mehrheit in Ruanda stellt. Außer der Zeit seit der Unabhängigkeit 1962 bis zum Völkermord in Ruanda beherrscht das Hirtenvolk der Tutsi als Minderheit traditionell die bäuerliche Hutu-Mehrheit.

In Fällen, wo mehrere Gruppen in etwa gleich stark vertreten sind, werden diese zu Volksgruppen, beispielsweise Flamen und Wallonen in Belgien. Gleichzeitig werden oft ethnische Minderheiten mit diesem Begriff benannt, so etwa deutschsprachige Minderheiten in Ostmitteleuropa (vgl. Nationalität). In der slowenischen Minderheitenterminologie wird neben narodna skupina (Volksgruppe) und narodna skupnost auch der Begriff avtohtona narodna skupnost (= „autochthone Volksgruppe / autochthone nationale Gemeinschaft“) verwendet.[4]

Die Bezeichnung Volksgruppe kennt keine genaue Entsprechung in anderen Sprachen. Im Ungarischen existiert das Wort népcsoport mit derselben Bedeutung. Im Englischen, Spanischen und Französischen wird der Begriff zumeist als ethnische Gruppe verstanden.

Das britische Innenministerium hat die freiwillige selbst definierte ethnische Zugehörigkeit (engl. self-defined ethnicity) als Konzept entwickelt.

Historisches Volksgruppenkonzept

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Der Begriff Volksgruppe wurde durch die deutsche Kulturpropaganda und die politische „Grenzlandarbeit“ im Ersten Weltkrieg bekannt. Max Hildebert Boehm von der „Arbeitsstelle für Nationalitäten- und Stammesprobleme“ prägte diesen Begriff in der völkischen Bewegung und versuchte ihn zu verwissenschaftlichen.

Der Begriff der Volksgruppe ist durch das starke Bevölkerungswachstum insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert zu einem besonderen Thema geworden. Radikalisiert wurde das ohnehin problematische Volksgruppenkonzept im Rahmen der verbrecherischen Volksgruppenpolitik des NS-Regimes. Dieses benutzte die deutsche Minderheiten in Nachbarländern (z. B. 1938 die Sudetendeutschen) nicht allein, um Gebietsansprüche geltend zu machen, sondern förderte insbesondere in Südosteuropa eine Politik des divide et impera („Teile und herrsche!“), deren Kern es war, verschiedene Volksgruppen gegeneinander auszuspielen.

Nach dem Volksgruppenkonzept organisieren sich die Menschen oft unter der Leitung von „Volksgruppenführern“ nicht nur nach ihren sozialen Bedürfnissen, sondern ordnen diese auch abstammungsorientierten (Volk) und daher nationalen Idealen unter. Das Konzept wurde noch in den 1970er Jahren im Kontext der Südtirolfrage und der Sudetendeutschen Landsmannschaft reaktiviert.[5]

Der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn kritisierte 2003, dass sich das Volksgruppenkonzept auf einen romantischen Volksbegriff beziehe und diesen insofern politisiere, als damit eine raumordnerische Konsequenz aus der kulturellen Teilung der Menschheit in Völker und Volksgruppen gezogen werde. Soziale und politische Konflikte würden „damit naturalisiert und in einen ethnischen Entstehungszusammenhang gerückt“.[6] Indem Ethnizität als grundlegende Kategorie gedacht werde und zum höchsten Gut des „menschlichen Wesens“ avanciere, bestehe „das politische Ziel in einer kompletten sozialen und politischen Segregation von Menschen entlang ethnischer Kriterien sowie in der Schaffung separierter Ethnoregionen für die einzelnen Volksgruppen.“[6]

Das Konzept betont „die ethnisch-kulturelle Homogenität der Bevölkerung, oder zumindest ihre kulturell-mentalitätsmäßige Ähnlichkeit bis hin zur gemeinsamen Betroffenheit durch negative Einwirkungen von außen. Davon ausgehend wird die Gleichartigkeit der Interessen der Betroffenen gegenüber anderen Regionen oder dem übergeordneten System behauptet.“[7]

  • Michael Krugmann: Das Recht der Minderheiten. Legitimation und Grenzen des Minderheitenschutzes (= Schriften zum öffentlichen Recht. Bd. 955). Duncker & Humblot, Berlin 2004.
  • Ulrich Prehn: Die wechselnden Gesichter eines „Europa der Völker“ im 20. Jahrhundert. Ethnopolitische Vorstellungen bei Max Hildebert Boehm, Eugen Lemberg und Guy Héraud. In: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hrsg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Unrast, Münster 2005, ISBN 3-89771-737-9, S. 123–157.
  • Jürgen Schlögel: Der Schutz ethnischer Minderheiten als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts (= Studien zum Völker- und Europarecht. Bd. 5,21). Kovac, Hamburg 2004.
  • Felix Ermacora, Christoph Pan: Grundrechte der europäischen Volksgruppen. Wien 1993.
  • Felix Ermacora: Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht. München 1978.
  • Ulrich Prehn: Max Hildebert Boehm: Radikales Ordnungsdenken vom Ersten Weltkrieg bis in die Bundesrepublik. Wallstein, Göttingen 2013.
  • Sarah Pritchard: Der völkerrechtliche Minderheitenschutz: Historische und neuere Entwicklungen. Duncker & Humblot, Berlin 2001.
  • Theodor Veiter (Hrsg.): Neueste Entwicklungen auf dem Gebiet des internationalen Volksgruppenrechts und des Schutzes ethnischer Minderheiten. 3 Bände, Wien 1970–1978.
Wiktionary: Volksgruppe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Glossar in Georg Hansen, Norbert Wenning: Schulpolitik für andere Ethnien in Deutschland. Zwischen Autonomie und Unterdrückung, Waxmann, Münster 2003, ISBN 3-8309-1122-X, S. 214; Dieter Kolonovits: Rechte der Minderheiten, in: Detlef Merten, Hans-Jürgen Papier (Hrsg.): Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa. Band VII/1: Grundrechte in Österreich, 2. Aufl., C.F. Müller, Heidelberg 2014, § 21 Rn. 23.
  2. Eintrag Bevölkerungsgruppe, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, abgerufen am 11. Dezember 2022.
  3. Bundeskanzleramt Österreich: Volksgruppen. Informationsseite, ohne Datum, abgerufen am 26. Januar 2019; Zitat: „In Österreich bestehen folgende 6 autochthone Volksgruppen […]“.
  4. Stefan Karner: Slowenien und seine „Deutschen“. Die deutschsprachige Volksgruppe als Subjekt und Objekt der Politik 1939 bis 1998, Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 2000, S. 7; Klaus-Jürgen Hermanik: Deutsche und Ungarn im südöstlichen Europa. Identitäts- und Ethnomanagement, Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2017, ISBN 978-3-205-20264-6, S. 192, 229 Anm. 451.
  5. Christoph Pan: Grundelemente zur Theorie der Ethno-Soziologie. In: Theodor Veiter (Hrsg.): System eines Internationalen Volksgruppenrechts. Teil 2: Innerstaatliche, regionale und universelle Struktur eines Volksgruppenrechts, Wien/Stuttgart 1972.
  6. a b Samuel Salzborn, Heribert Schiedel: „Nation Europa“. Ethnoföderale Konzepte und kontinentale Vernetzung der extremen Rechten. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 10, 2003, S. 1209–1217, hier S. 1214 (PDF; 60 kB).
  7. Zitiert bei Günther Pallaver: Kopfgeburt Europaregion Tirol. Genesis und Entwicklung eines politischen Projekts. In: Geschichte und Region/Storia e regione. Jahrbuch der Arbeitsgruppe Regionalgeschichte, Bozen 2000, S. 247.