Zum Inhalt springen

„Unruhen in Frankreich 2005“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K RevertVandalismus entfernt (HG) (3.4.12)
Markierung: Zurücksetzung
 
(650 dazwischenliegende Versionen von mehr als 100 Benutzern, die nicht angezeigt werden)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:France Riots spread.png|mini|Von den Unruhen betroffene Départements]]
{{Neuigkeiten}}
[[Datei:Paris riots satellite.jpg|mini|Die Brennpunkte in der Pariser Umgebung]]
[[Bild:2005_riots_France_new.png||thumb|right|220px|Von den Unruhen betroffene Départements (überwiegend nur räumlich punktuell)]]

Bei den gewalttätigen '''Unruhen in Paris''' im Jahr [[2005]] handelt es sich um eine Serie von zunächst unorganisierten Sachbeschädigungen und Brandstiftungen sowie gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei in den so genannten [[Banlieue]]s des Großraums [[Paris]], die am Donnerstag, dem [[27. Oktober]] [[2005]], nach dem Unfalltod zweier Jugendlicher begannen. Zunächst beschränkten sich die Ausschreitungen auf den Heimatort der Jugendlichen dem Pariser Vorort [[Clichy-sous-Bois]]. Im Laufe der folgenden Tage weiteten sich die Unruhen zunächst auf das Pariser Umland wie [[Seine-et-Marne]] oder [[Val-d’Oise]], später auch auf andere französische Städte wie [[Lille]], [[Rouen]], [[Rennes]], [[Dijon]], [[Toulouse]] und [[Marseille]] aus. Alleine am Abend des [[3. November]] wurden 500 Autos und mehrere Häuser in [[Aulnay-sous-Bois]], [[Neuilly-sur-Marne]], [[Le Blanc Mesnil]] und [[Yvelines]] in Brand gesteckt.
Bei den gewalttätigen '''Unruhen in [[Frankreich]]''' im Oktober und November 2005 handelte es sich um eine Serie von zunächst unorganisierten [[Sachbeschädigung]]en und [[Brandstiftung]]en sowie gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei in der so genannten [[Banlieue]] des Großraums [[Paris]], die am Donnerstag, dem 27. Oktober 2005, nach dem Unfalltod zweier Jugendlicher begannen. Zunächst beschränkten sich die Ausschreitungen auf den Heimatort der Jugendlichen, den Pariser Vorort [[Clichy-sous-Bois]]. Im Laufe der folgenden Tage weiteten sich die Unruhen zunächst auf [[Département]]s des Pariser Umlands wie [[Département Seine-et-Marne|Seine-et-Marne]] oder [[Département Val-d’Oise|Val-d’Oise]], später auch auf andere französische Städte wie [[Lille]], [[Rouen]], [[Rennes]], [[Dijon]], [[Toulouse]], [[Straßburg]] und [[Marseille]] aus. Alleine am Abend des 3. November wurden 500 Autos und mehrere Häuser in [[Aulnay-sous-Bois]], [[Neuilly-sur-Marne]], [[Le Blanc-Mesnil]] sowie im [[Département Yvelines]] in Brand gesteckt.


== Vorgeschichte ==
== Vorgeschichte ==
[[Datei:Clichy sous Bois - Transformateur.jpg|mini|Trafostation in Clichy-sous-Bois, an der die Ereignisse am 27. Oktober 2005 ihren Ursprung hatten]]
[[Bild:Paris riots satellite.jpg|thumb|right|350px|Die Brennpunkte in Paris]]
Auslöser für die Gewalt waren [[Gerücht]]e um den Tod zweier muslimischer Jugendlicher aus in Frankreich lebenden Immigrantenfamilien (Ziad Benna, 17, und Banou Traoré, 15), die am [[27. Oktober]] [[2005]] in Paris die Absperrung eines [[Transformator]]enhäuschens überwanden und dort von [[Stromschlag|Stromschlägen]] tödlich getroffen wurden. Ein weiterer Jugendlicher, der türkischstämmige Metin Altun (17), wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Der Staatsanwalt François Molins gab an, dass die Jugendlichen vor Polizisten flüchteten, die allerdings eine andere Gruppe verfolgten, die sich einer Personenkontrolle entziehen wollte. Dies bestätigt auch der [[Liste der Innenminister von Frankreich|französische Innenminister]] [[Nicolas Sarkozy]], nachdem er zunächst die Todesopfer des Diebstahls von Baumaterial bezichtigt hatte, was sich schnell als falsch herausstellte. Nachdem die offizielle Untersuchung abgeschlossen wurde, eröffnete Sarkozy ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung gegen unbekannt, da, wie die Angehörigen zu recht vermuteten, die Polizisten von der Anwesenheit der Jugendlichen auf dem Gelände gewusst hatten, sie sich aber trotz der Lebensgefahr nicht darum gekümmert hätten. Dies ist jetzt durch Mitschnitte des Polizeifunks bestätigt worden.


Auslöser für die Gewalt waren [[Gerücht]]e um den Tod zweier Jugendlicher aus in Frankreich lebenden Immigrantenfamilien (''Ziad Benna'', 17, und ''Bouna Traoré'', 15),<ref>Spiegel Online: [https://www.spiegel.de/netzwelt/web/randale-blogs-das-geht-jetzt-weiter-nonstop-a-383602.html "Das geht jetzt weiter, nonstop"]</ref> die am 27.&nbsp;Oktober&nbsp;2005 in Paris auf der Flucht vor der Polizei die Absperrung zu einem Transformatorenhäuschen überwanden und dort von [[Stromschlag|Stromschlägen]] tödlich getroffen wurden. Ein weiterer Jugendlicher, der türkischstämmige ''Muhittin Altun'' (17), wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Der Staatsanwalt [[François Molins]] gab an, dass die Jugendlichen vor Polizisten flüchteten, die allerdings eine andere Gruppe verfolgt hätten, die sich einer Personenkontrolle entziehen wollte. Dies bestätigte auch der damalige [[Liste der Innenminister von Frankreich|französische Innenminister]] [[Nicolas Sarkozy]], nachdem er zunächst die Todesopfer des Diebstahls von Baumaterial bezichtigt hatte, was sich schnell als falsch herausstellte. Nachdem die offizielle Untersuchung abgeschlossen worden war, eröffnete Sarkozy ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung gegen Unbekannt. Polizisten hatten von der Anwesenheit der Jugendlichen auf dem Gelände gewusst, hätten sich aber trotz der Lebensgefahr der Jugendlichen nicht um diese gekümmert. Diese Vermutung der Angehörigen konnte mittlerweile durch Mitschnitte des Polizeifunks bestätigt werden. Dennoch wurden zwei Polizisten im Jahr 2015 in letzter Instanz freigesprochen.<ref>Tagesschau.de: {{Webarchiv | url=http://www.tagesschau.de/ausland/frankreich-221.html | wayback=20150520002833 | text=Urteil zu Vorstadtkrawallen in Paris: Freispruch nach Tod von Jugendlichen}}</ref>
Überraschend kommt der Ausbruch der Gewalt allerdings nicht. So wurden seit Beginn des Jahres 2005 etwa 90 Autos jede Nacht in Frankreich ein Opfer der Flammen, insgesamt 28000 seit Beginn des Jahres 2005. Daneben wurden ca. 17500 Müllcontainer angezündet, 5760 Bushaltestellen, Telefonzellen und andere städtische Einrichtungen zerstört und 3832 Angriffe auf Polizei oder Feuerwehr gezählt (diese Angaben stammen aus dem Tagesspiegel vom 07. November 2005). Für mediales Aufsehen sorgte lediglich eine Serie von Brandanschlägen auf jüdische Einrichtungen, die die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Israel belastete.


Der Soziologen Didier Lapeyronnie analysiert den Freispruch, dass es „als tiefgreifende Verweigerung der Gerechtigkeit interpretiert, nicht nur von den Angehörigen, sondern ganz allgemein von der Bevölkerung der Arbeiterviertel“ wird, während die Beziehungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei oder Institutionen distanziert und schwierig bleiben werden.<ref>Carole Sterlé: [https://www.leparisien.fr/seine-saint-denis-93/clichy-sous-bois-93390/mort-de-zyed-et-bouna-relaxe-des-policiers-confirmee-en-appel-24-06-2016-5910027.php Mort de Zyed et Bouna : relaxe des policiers confirmée en appel], leparisien.fr, 24. Juni 2016, Abruf am 7. Juli 2023</ref>
== Unruhen ==
[[Bild:Burning car schnell.jpg|thumb|225px|Brennendes Auto in Straßburg, [[5. November]]]]
[[Image:Burnt out car.jpg|thumb|225px|Das ausgebrannte Wrack]]
Bisher kam es nach diesem Vorfall dreizehn Nächte in Folge zu öffentlichen [[Krawalle]]n und [[Straßenschlacht]]en, bei denen von Seiten der Beteiligten vereinzelt mit scharfer Munition geschossen wurde. Am ersten Abend steckten mehrere Jugendbanden etwa zwei Dutzend Autos in Brand. Glasfenster wurden zerbrochen und Bushaltestellen zerstört. Die Krawalle begannen zunächst nur im von hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität geprägten Ort [[Clichy-sous-Bois]] bei [[Paris]], bis es in mehreren Städten Frankreichs zu Ausschreitungen kam. Die Polizei versuchte, meist erfolglos, den Ausschreitungen der Jugendbanden Einhalt zu gebieten. Besonders stark flackern diese Unruhen seit dem 30. Oktober, als am Abend zwei [[Tränengas]]-Granaten vor einer voll besetzten [[Moschee]] explodierten. Dieser Vorfall wird von den Jugendlichen der französischen Polizei angelastet, welche dies jedoch bestreitet.


Bereits zuvor war es in den betroffenen Gebieten zu Ausschreitungen gekommen. So wurden im Jahr 2005 bereits vor dem Beginn der eigentlichen Unruhen jede Nacht etwa 90 Autos in Frankreich in Brand gesteckt, insgesamt 28.000 seit Beginn des Jahres 2005. Daneben wurden ca. 17.500 Müllcontainer angezündet, 5.760 Bushaltestellen, Telefonzellen und andere städtische Einrichtungen zerstört und 3.832 Angriffe auf Polizei oder [[Feuerwehr in Frankreich|Feuerwehr]] gezählt.<ref>[[Tagesspiegel]] vom 7. November 2005, nicht als online-Artikel verfügbar</ref><ref>„Doch die Entwicklung eskaliert. Seit Januar hat es 70.000 Fälle von Vandalismus, Brandstiftung, Bandengewalt gegeben. Nicht weniger als 28.000 Autos sind angesteckt worden. Und es sind meist die Autos der Armen, die da lodern.“ {{Der Spiegel|ID=42983326|Titel=Aufruhr in Eurabia|Autor=In|Jahr=2005|Nr=45|Seiten=|Datum=2005-11-07}}</ref> Für mediales Aufsehen sorgte lediglich eine Serie von Brandanschlägen auf jüdische Einrichtungen, die die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Israel belasteten.
In [[Dijon]] und bei [[Marseille]] wurden mehr als 30 Autos angezündet. Polizisten wurden mit Steinen beworfen, und es gab Angriffe auf öffentliche Gebäude wie Rathäuser, Schulen oder Polizeiwachen.
Seit dem Beginn der Unruhen wurden mindestens 4.500 Autos zerstört; etwa 480 Personen wurden festgenommen.


== Unruhen ==
Im Nordosten von [[Paris]], im Département [[Seine-Saint-Denis]], wurden 1300 Sicherheitskräfte eingesetzt, die dort die Lage unter Kontrolle bringen sollen. Der öffentliche Nahverkehr musste eingestellt werden, da zahlreiche Busse ständig mit Steinen beworfen oder durch Brände vollständig zerstört wurden.
[[Datei:Strasbourg torched car.jpg|mini|Brennendes Auto in Straßburg, <br />5. November 2005]]
[[Datei:Burnt out Citroën C3.jpg|mini|Das ausgebrannte Wrack]]
Nach dem Tod der beiden Jugendlichen kam es 20 Nächte in Folge zu öffentlichen [[Krawalle]]n und [[Straßenschlacht]]en, bei denen von Seiten der Beteiligten vereinzelt mit scharfer Munition geschossen wurde. Am ersten Abend steckten mehrere Jugendbanden etwa zwei Dutzend Autos in Brand. Glasfenster wurden zerbrochen und Bushaltestellen zerstört. Die Krawalle begannen zunächst nur im von hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität geprägten Ort [[Clichy-sous-Bois]] bei Paris, bis es in mehreren Städten Frankreichs zu Ausschreitungen kam. Die Polizei versuchte, meist erfolglos, den Ausschreitungen der Jugendbanden Einhalt zu gebieten. Besonders stark waren die Unruhen ab dem 30.&nbsp;Oktober&nbsp;2005, als am Abend zwei [[Tränengas]]-Granaten vor einer voll besetzten [[Moschee]] explodierten. Jugendliche lasten diesen Vorfall der französischen Polizei an, welche dies jedoch bestreitet.


In Dijon und rund um Marseille wurden mehr als 30 Autos angezündet. Polizisten wurden mit Steinen beworfen, und es gab Angriffe auf öffentliche Gebäude wie Rathäuser, Schulen oder Polizeiwachen.
In der Nacht zum 7. November gingen in der bisher schwersten Krawallnacht nach Aussagen der Polizei 1408 Autos sowie erneut zahlreiche Gebäude vom Kindergarten bis zum Krämerladen in Feuer auf.


Insgesamt wurden bei den Unruhen fast 8500 Autos zerstört; etwa 2500 Personen wurden festgenommen.
312 Randalierer und Brandstifter, darunter auch viele Minderjährige, seien festgenommen worden, teilte die Polizei in Paris mit. Die meisten Täter stammen aus muslimischen Einwandererfamilien aus Nordafrika und christlichen Einwanderfamilien aus Schwarzafrika.


Im [[Département Seine-Saint-Denis]], nordöstlich von Paris, wurden 1300 Sicherheitskräfte eingesetzt, die dort die Lage unter Kontrolle bringen sollten. Der öffentliche Nahverkehr musste eingestellt werden, da zahlreiche Busse ständig mit Steinen beworfen oder durch Brände vollständig zerstört wurden.
Die Aufrufe der Regierung, muslimischer Würdenträger und auch der Eltern der zwei Jungen, deren Unfalltod die Unruhen ausgelöst hatte, verhallten ungehört. Brandstifterbanden zogen vermehrt auch in ruhige Viertel. Sogar im Zentrum von Paris wurden einige Autos angezündet.


Am 4. November wurde im Pariser Vorort Stains der 61-jährige Franzose Jean-Jacques Le Chenadec von einem Gewalttäter zusammengeschlagen und erlag seinen schweren Kopfverletzungen.
In Nantes, Rennes, Rouen und Montargis wurden Dutzende Autos und Mülleimer angezündet. Im südfranzösischen Toulouse musste die Feuerwehr nach eigenen Angaben etwa 50 Mal ausrücken, um von Jugendgruppen gelegte Brände zu löschen. Dutzende Jugendliche wurden festgenommen. In Evreux in der Normandie wurde ein Einkaufszentrum bei Zusammenstößen zwischen bewaffneten Jugendlichen und der Polizei schwer beschädigt.
Inzwischen gehen die Krawalle weiter.


In der Nacht zum 7. November gingen in der bis dahin schwersten Krawallnacht nach Aussagen der Polizei 1408 Autos sowie erneut zahlreiche Gebäude vom Kindergarten bis zum Krämerladen in Flammen auf.
=== Aktuelles ===
Trotz der Aufrufe der französischen Regierung zu Ruhe und Ordnung setzen randalierende Jugendliche die nächtliche Gewalt fort. 34 Polizisten wurden bei Auseinandersetzungen mit Jugendbanden in Pariser Vorstädten und anderswo im Land verletzt, teilten die Sicherheitskräfte mit. Bis Mitternacht zählte die Polizei mehr als 500 angesteckte Autos und knapp 100 Festnahmen. Zuvor hatte Staatspräsident [[Jacques Chirac]] die „Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung” zur absoluten Priorität erklärt. Am 7. November gab es nach Meldungen der Polizei ein erstes Todesopfer.
In [[Raincy]] ([[Seine-Saint-Denis]]) wurde vom Bürgermeister für den 7. November eine [[Ausgangssperre]] verhängt.


Die Aufrufe der Regierung, muslimischer Würdenträger und auch der Eltern der zwei Jungen, deren Unfalltod die Unruhen ausgelöst hatte, verhallten ungehört. Brandstifterbanden zogen vermehrt auch in ruhige Viertel. Sogar im Zentrum von Paris wurden einige Autos angezündet. Im weiteren Verlauf der Krawalle wurde von sozialen Verstärkereffekten durch Politik und der Medien gesprochen, so hätten sich Jugendliche vor allem im [[Internet]] gegenseitig angespornt und zu übertreffen versucht. Auch Fernsehbilder sollen Jugendliche zusätzlich angetrieben haben.
=== Zahlen und Daten ===


In Nantes, Rennes, Rouen und Montargis wurden Dutzende Autos und Mülleimer angezündet. Im südfranzösischen Toulouse musste die Feuerwehr nach eigenen Angaben etwa 50 Mal ausrücken, um von Jugendgruppen gelegte Brände zu löschen. Dutzende Jugendliche wurden festgenommen. In Évreux in der Normandie wurde ein Einkaufszentrum bei Zusammenstößen zwischen bewaffneten Jugendlichen und der Polizei schwer beschädigt.
{| border="2" cellspacing="0" cellpadding="4" rules="all" style="margin: 1em 1em 1em 0; border: solid 1px #aaaaaa; border-collapse: collapse; background-color: #f9f9f9; font-size: 95%; empty-cells: show; text-align:right;"
Trotz der Aufrufe der französischen Regierung zu Ruhe und Ordnung setzten randalierende Jugendliche die nächtliche Gewalt fort. 34 Polizisten wurden bei Auseinandersetzungen mit Jugendbanden in Pariser Vorstädten und anderswo im Land verletzt, teilten die Sicherheitskräfte mit. Bis Mitternacht zählte die Polizei mehr als 500 angesteckte Autos und knapp 100 Festnahmen. Zuvor hatte Staatspräsident [[Jacques Chirac]] die „Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung“ zur absoluten Priorität erklärt. Am 7. November gab es nach Meldungen der Polizei ein erstes Todesopfer.
|- align="center"
In [[Le Raincy]] (Seine-Saint-Denis) wurde vom Bürgermeister für den 7. November eine [[Ausgangssperre]] verhängt.
! Nacht || zerstörte Autos || Festnahmen
|-
| 1.11.–2.11. || 40 || keine
|-
| 2.11.–3.11. || 315 || 29
|-
| 3.11.–4.11. || 596 || 78
|-
| 4.11.–5.11. || 897 || 253
|-
| 5.11.–6.11. || 1295 || 349
|-
| 6.11.–7.11. || 1408 || 395
|-
| 7.11.–8.11. || 1173 || 330
|-
| 8.11.–9.11. || 558 || 204
|}


== Reaktionen der französischen Politik und Behörden ==
Quelle: [http://www.spiegel.de]
Am 5. November erklärte der für die innere Sicherheit zuständige französische Innenminister Nicolas Sarkozy, dass „der Staat die Gewalt nicht akzeptieren“ könne. In der Nacht zum 6. November besuchte er überraschend eine Polizeistation im Département Essonne im Süden von Paris, wo er sich mit festgenommenen Minderjährigen auseinandersetzte. Der sozialistische Senator [[Jean-Luc Mélenchon]] hatte zuvor die Notwendigkeit eines Dialogs mit den Jugendlichen angemahnt. Die Situation dürfe nicht zum „Konflikt zwischen verzweifelten Jugendlichen und zornigen Polizisten werden“.


Sarkozy geriet immer mehr unter Druck. Durch seine ''[[Law and Order (Politik)|Law-and-order]]''-Parolen (Schlagwort: ''„Tolérance zéro“'') wurde er zur Hassfigur der Jugendlichen, die meist [[nordafrika]]nischer Herkunft waren. Sarkozy behauptete, dass diese Unruhen perfekt geplant worden seien. Kritisiert wurde er unter anderem dafür, dass er die Jugendlichen als „Gesindel“ und „Abschaum“ ''(„racaille“)'' bezeichnete, den man „weg[[kärcher (Unternehmen)|kärcher]]n“, also mit einem Hochdruckreiniger wegspritzen müsse, mit dem Argument, wer auf ''„Beamte, Familienväter oder junge Leute von der eigenen Hautfarbe“'' schieße, könne nur so bezeichnet werden, und so noch mehr Öl ins Feuer gegossen habe. In diesem Zusammenhang sprach er auch vom „Wundbrand“, den es „wegzuschneiden“ gelte. Jugendliche aus den Vororten forderten Sarkozys Rücktritt. Auch Teile der Regierungspartei [[Union pour un mouvement populaire|UMP]], deren Vorsitzender Sarkozy war, rückten von ihm ab. Präsident Jacques Chirac rief dagegen zur Ruhe und zum Dialog auf. Kritisiert wurde auch, dass Sarkozy die orts- und bürgernahe [[police de proximité]] abschaffte, die für Schlichtungen vor Ort eintreten sollte. Chirac selbst wurde dafür kritisiert, dass er sich erst nach tagelangem Schweigen zu den Ereignissen äußerte.
== Reaktionen ==
Am 5. November erklärte der für die innere Sicherheit zuständige französische Innenminister [[Sarkozy]], dass „der Staat die Gewalt nicht akzeptieren“ könne. In der Nacht zum 6. November besuchte er überraschend eine Polizeistation im Département Essonne im Süden von Paris, wo er sich mit festgenommenen Minderjährigen unterhielt. Der sozialistische Senator [[Jean-Luc Mélenchon]] hatte zuvor die Notwendigkeit eines Dialogs mit den Jugendlichen angemahnt. Die Situation dürfe nicht zum „Konflikt zwischen verzweifelten Jugendlichen und zornigen Polizisten werden”.


Premierminister [[Dominique de Villepin]] traf sich mit Protestierern aus betroffenen Vierteln zu Gesprächen. Er sagte, es handele sich um Schüler, Studenten, Arbeitslose und Inhaber von [[Billiglohn]]<span>jobs</span>. Er äußerte, einen Aktionsplan initiieren zu wollen.
Sarkozy gerät immer mehr unter Druck. Durch seine ''[[Law and Order (Politik)|Law-and-order]]''-Parolen wurde er eine Hassfigur der Jugendlichen, die meist [[nordafrika]]nischer Herkunft sind. Sarkozy behauptet, dass diese Unruhen perfekt geplant wären. Kritisiert wurde er unter anderem dafür, dass er die Jugendlichen als „Gesindel“ und „Abschaum“ (wer auf „''Beamte, Familienväter oder junge Leute von der eigenen Hautfarbe''“ schieße, könne nur so bezeichnet werden) bezeichnet, den man "weg[[kärcher]]n", also mit einem „Hochdruckreiniger wegspritzen“ müsse, und so noch mehr Öl ins Feuer gegossen habe; in diesem Zusammenhang sprach er auch vom „Wundbrand“, den es „wegzuschneiden“ gälte. Jugendliche aus den Vororten forderten Sarkozys Rücktritt. Auch Teile der Regierungspartei [[UMP]], deren Vorsitzender Sarkozy ist, rückten von ihm ab. Präsident [[Jacques Chirac]] rief dagegen zur Ruhe und zum Dialog auf. Kritisiert wurde auch, daß während seiner Amtszeit die ortsnahe [[police de proximité]] abgeschafft wurde, die für Schlichtungen vor Ort eintreten sollte.


Die Vizevorsitzende der rechtsextremen [[Front National]], [[Marine Le Pen]], forderte am 4. November 2005 in einer Presseerklärung die Verhängung des [[Ausnahmezustand]]es und den Einsatz der [[Armee]] in den betroffenen Bezirken.
Premierminister [[Dominique de Villepin]] traf sich mit Protestierern aus betroffenen Vierteln zu Gesprächen. Er sagte, es handele sich um Schüler, Studenten, Arbeitslose und Inhaber von [[Billiglohn]]<nowiki></nowiki>jobs. Er möchte einen Aktionsplan initiieren.

Die Vizevorsitzende der rechtsextremen [[Le Front National (Frankreich)|Front National]], [[Marine Le Pen]] (Tochter von [[Jean-Marie Le Pen]]), forderte am 4. November 2005 in einer Presseerklärung die Verhängung des [[Ausnahmezustand]]es und den Einsatz der [[Armee]] in den betroffenen Bezirken.


Der Pariser [[Imam]] wandte sich gegen die Gewalt und bezeichnete sie als Schande. Auch der Bruder eines der durch Stromschläge getöteten Jugendlichen rief zur Mäßigung auf.
Der Pariser [[Imam]] wandte sich gegen die Gewalt und bezeichnete sie als Schande. Auch der Bruder eines der durch Stromschläge getöteten Jugendlichen rief zur Mäßigung auf.


Am 5. November gab es erste [[Gegendemonstration]]en und Proteste der Bevölkerung gegen Gewalt, so trugen etwa 1000 Bürger Transparente mit der Aufschrift „Nein zur Gewalt, Ja zum Dialog“ durch die Straßen [[Aulnay-sous-Bois]] bei Paris. In einigen Orten werden [[Bürgerwehr]]en gegründet oder dazu aufgerufen, da die Polizei vielerorts überfordert sei.
Am 5. November gab es erste Gegendemonstrationen und Proteste der Bevölkerung gegen Gewalt, so trugen etwa 1000 Bürger Transparente mit der Aufschrift „Nein zur Gewalt, Ja zum Dialog“ durch die Straßen Aulnay-sous-Bois bei Paris. In einigen Orten wurden [[Bürgerwehr]]en gegründet oder zu ihrer Gründung aufgerufen, da die Polizei vielerorts überfordert sei. Diese sah jedoch solche Bestrebungen als sehr kritisch an, weil möglicherweise die Gewalt eskalieren könne.


Der [[Generalstaatsanwalt]] von Paris, [[Yves Bot]], meinte, die Zerstörungen seien organisiert. Über das [[Internet]] würden Jugendliche in anderen Städten zum Mitmachen aufgerufen. Auch hätten die Unruhen seiner Meinung nach keinen ethnischen Charakter, sondern seien allein gegen die Institution Staat gerichtet.
Der [[Generalstaatsanwalt]] von Paris, [[Yves Bot]], meinte, die Zerstörungen seien organisiert. Über das Internet würden Jugendliche in anderen Städten zum Mitmachen aufgerufen. Auch hätten die Unruhen seiner Meinung nach keinen ethnischen Charakter, sondern seien allein gegen die Institution Staat gerichtet.


Am 8. November beschließt die französische Regierung den Ausnahmezustand zu verhängen. Die Grundlage hierfür bildet ein aus dem Jahre 1955 stammendes [[Notstandsgesetz|Notstandsrecht]], das im [[Algerienkrieg]] Anwendung fand. Somit ist die Polizei nun ermächtigt, auch präventive Maßnahmen, wie [[Hausdurchsuchung]]en bei Verdacht auf Waffenbesitz, zu ergreifen. Zudem sollen gezielt [[Ausgangssperre]]n über Teile des französischen Staatsgebietes verhängt werden.
Am 8. November beschloss die [[französische Regierung]], den Ausnahmezustand zu verhängen. Die Grundlage hierfür bildet ein aus dem Jahre 1955 stammendes [[Notstandsgesetz|Notstandsrecht]], das im [[Algerienkrieg]] Anwendung fand. Zunächst wurde mit dem Dekret Nr. 2005-1386<ref>[http://fr.wikisource.org/wiki/D%C3%A9cret_n%C2%B02005-1386_du_8_novembre_2005_portant_application_de_la_loi_n%C2%B055-385_du_3_avril_1955 Das Dekret 2005-1386 bei fr.wikisource.org]</ref> der Notstand ausgerufen und sodann im Dekret 2005-1387<ref>[http://fr.wikisource.org/wiki/D%C3%A9cret_n%C2%B02005-1387_du_8_novembre_2005_relatif_%C3%A0_l%27application_de_la_loi_n%C2%B055-385_du_3_avril_1955 Das Dekret 2005-1387 bei fr.wikisource.org]</ref> die Gebiete und Großstädte präzisiert, in denen der Notstand galt. Im französischen Mutterland war dieses Gesetz bis dahin noch nie angewandt worden. Somit war die Polizei nun ermächtigt, auch präventive Maßnahmen zu ergreifen, wie [[Hausdurchsuchung]]en bei Verdacht auf Waffenbesitz. Zudem sollten gezielt Ausgangssperren über Teile des französischen Staatsgebietes verhängt werden.


Die Presselandschaft in Frankreich reagiert sehr unterschiedlich auf die jüngsten Ereignisse. Im Mittelpunkt steht dabei die rechts-konservative [[Boulevardzeitung]] [[France Soir]], die von „radikalen Islamisten, organisierten Banden und [[Guerillakrieg]]“ spricht. Dies wird jedoch durch nichts belegt.
Die Presselandschaft in Frankreich reagierte sehr unterschiedlich auf die jüngsten Ereignisse. Im Mittelpunkt stand dabei die rechts-konservative [[Boulevardzeitung]] [[France Soir]], die von „radikalen Islamisten, organisierten Banden und [[Guerillakrieg]]“ sprach. Diese Einschätzung wurde jedoch durch nichts belegt.


Der grüne Politiker [[Daniel Cohn-Bendit]] nannte organisierte Krawalle „Blödsinn“ und eine „[[Verschwörungstheorie]]“, er warf Sarkozy Versagen vor. Er wies auf eine Atmosphäre des Misstrauens schon vor den Krawallen hin, seit Sarkozy Spezialeinheiten statt bürgernaher Beamte in den Gebieten einsetzen ließ. Er forderte eine neue Polizeistrategie und die „materielle Integration“ der Jugendlichen sowie hohe Investitionen in Bildung. Die derzeitigen europäischen Schulsysteme schlössen Einwanderer aus.
Der [[Bündnis 90/Die Grünen|Grünen]]-Politiker [[Daniel Cohn-Bendit]] nannte organisierte Krawalle „Blödsinn“ und eine „[[Verschwörungstheorie]]“, er warf Sarkozy Versagen vor. Er wies auf eine Atmosphäre des Misstrauens schon vor den Krawallen hin, seit Sarkozy Spezialeinheiten anstelle bürgernaher Beamter in den Gebieten einsetzen ließ. Cohn-Bendit forderte eine neue Polizeistrategie, die „materielle Integration“ der Jugendlichen sowie hohe Investitionen in Bildung. Die derzeitigen europäischen Schulsysteme schlössen Einwanderer aus.


== Betroffene Regionen ==
Viele Jugendliche nichtdeutscher Herkunft würden sich ausgeschlossen fühlen und könnten in Zukunft besonders in den sozialen „[[Ghettos]]“ ihre Wut und ihren Hass auf ähnliche Weise zum Ausdruck bringen, äußterten [[Jörg Schönbohm]] und [[Wolfgang Bosbach]] (beide [[CDU]]) zur Situation in Deutschland. [[Günther Beckstein]] ([[CSU]]) warnte zudem vor „[[Parallelgesellschaft]]en“.
'''Pariser Region, [[Île-de-France]]'''

* [[Département Essonne|Essonne]]: [[Athis-Mons]], [[Corbeil-Essonnes]], [[Évry]], [[Grigny (Essonne)|Grigny]], [[Saint-Michel-sur-Orge]], [[Brétigny-sur-Orge]]
Unterdessen wurde bekannt, dass vereinzelt Brandanschläge in [[Bremen-Huchting]], [[Berlin-Moabit]] und [[Brüssel]] verübt worden seien. In Berlin wurde dabei neben Autos und Kleidercontainern auch eine leerstehende Schule in Brand gesetzt. Ob diese auf die französischen Unruhen zurückzuführen sind oder anderweitig motiviert sind, ist bislang unklar.
* [[Département Hauts-de-Seine|Hauts-de-Seine]]: [[Suresnes]], [[Clamart]]

== Ursachen ==
Die Gewaltausbrüche sehen Experten als einen Ausdruck für die lange aufgestaute Wut vieler Jugendlicher nordafrikanischer oder schwarzafrikanischer Herkunft über die herrschende relative [[Armut]], den [[Rassismus]], Perspektivlosigkeit, [[Massenarbeitslosigkeit]] und damit verbundene [[Resignation]], [[Langeweile]] und [[Bandenkriminalität]] sowie fehlende [[Integration (Soziologie)|Integration]]smöglichkeiten ([[Ghetto]]isierung), die besonders die [[Migrant]]en in den [[Trabantenstadt|Trabantenstädten]] betreffen. Soziologen warnten schon länger vor einer Eskalation, da die Vorstädte seit etwa 20 Jahren politisch vernachlässigt wurden. Jüngste Einsparungen und [[Sozialabbau]] vor allem auf kommunaler Ebene verschärfte die Situation. Die bestehende Frustration wurde neben ethnischen und religiösen Spannungen durch das Gefühl verstärkt, politisch ignoriert und lediglich durch die Polizei ruhig gestellt und schikaniert zu werden. Ein Teilnehmer der Ausschreitungen sagte: „Die Menschen vereinen sich, um zu sagen, dass wir genug haben. Wir leben in Ghettos. Jeder lebt in Angst.“ Der Soziologe [[Michel Wieviorka]] deutete in Medien die Ereignisse als [[Revolte]] gegen die Ordnung, die Jugendlichen griffen Symbole des [[Staat]]es an. Die Integration habe versagt, die Einwohner fühlten sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und perspektivlos.

Im weiteren Verlauf der Krawalle wird auch immer mehr von sozialen Verstärkereffekte durch Politik und vor allem der Medien gesprochen, so würden sich Jugendliche vor allem im [[Internet]] gegenseitig anspornen und zu übertreffen versuchen.

== Betroffene Regionen ==

Folgende [[Département]]s waren von den Unruhen betroffen:

=== Pariser Region ===
* [[Essonne]]: [[Athis-Mons]], [[Corbeil-Essonnes]], [[Evry]], [[Grigny]], [[Saint-Michel-sur-Orge]], [[Brétigny-sur-Orge]]
* [[Hauts-de-Seine]]: [[Suresnes]], [[Clamart]]
* [[Paris]] (Zentrum)
* [[Paris]] (Zentrum)
* [[Seine-et-Marne]]: [[Meaux]], [[Torcy]]
* [[Département Seine-et-Marne|Seine-et-Marne]]: [[Meaux]], [[Torcy (Seine-et-Marne)|Torcy]]
* [[Seine-Saint-Denis]]: [[Aubervilliers]], [[Aulnay-sous-Bois]], [[Clichy-sous-Bois]], [[Noisy-le-Grand]], [[Epinay-sur-Seine]], [[Pierrefitte-sur-Seine]], [[Sevran]]
* [[Département Seine-Saint-Denis|Seine-Saint-Denis]]: [[Aubervilliers]], Aulnay-sous-Bois, Clichy-sous-Bois, [[Noisy-le-Grand]], [[Épinay-sur-Seine]], [[Pierrefitte-sur-Seine]], [[Sevran]], [[Montfermeil]]
* [[Val-de-Marne]]: [[Champigny]], [[Ormesson-sur-Marne]], [[Villeneuve-Saint-Georges]]
* [[Département Val-de-Marne|Val-de-Marne]]: [[Champigny-sur-Marne]], [[Ormesson-sur-Marne]], [[Villeneuve-Saint-Georges]]
* [[Val-d'Oise]]: [[Villiers-le-Bel]]
* [[Département Val-d’Oise|Val-d’Oise]]: [[Villiers-le-Bel]]
* [[Yvelines]]: [[Achères]], [[Mureaux]], [[Sartrouville]]
* [[Département Yvelines|Yvelines]]: [[Achères (Yvelines)|Achères]], [[Les Mureaux|Mureaux]], [[Sartrouville]]


=== Andere Regionen (außerhalb der [[Île-de-France]]) ===
'''Andere Regionen (außerhalb der Île-de-France)'''
{{Mehrspaltige Liste |breite=25em |anzahl=3 |liste=
* [[Grand Est ]]
** [[Département Bas-Rhin|Bas-Rhin]]: [[Straßburg]]
** [[Département Haut-Rhin|Haut-Rhin]]: [[Colmar]], [[Illzach]], [[Mülhausen]]
* [[Aquitanien]] (frz.: Aquitaine)
** [[Département Gironde|Gironde]]: [[Bègles]], [[Blanquefort (Gironde)|Blanquefort]], [[Bordeaux]], [[Lormont]]
** [[Département Pyrénées-Atlantiques|Pyrénées-Atlantiques]]: [[Pau]]
* [[Auvergne]]
** [[Département Puy-de-Dôme|Puy-de-Dôme]]: [[Clermont-Ferrand]]
* [[Burgund]] (frz.: Bourgogne)
** [[Département Côte-d’Or|Côte-d’Or]]: Dijon
** [[Département Saône-et-Loire|Saône-et-Loire]]: [[Montceau-les-Mines]], [[Chalon-sur-Saône]]
* [[Bretagne]]
** [[Département Finistère|Finistère]]: [[Brest (Finistère)|Brest]], [[Quimper]]
** [[Département Ille-et-Vilaine|Ille-et-Vilaine]]: Rennes, [[Saint-Malo]]
* [[Centre-Val de Loire]]
** [[Département Indre-et-Loire|Indre-et-Loire]]: [[Tours]]
** [[Département Loir-et-Cher|Loir-et-Cher]]: [[Blois]]
** [[Département Loiret|Loiret]]: [[Montargis]], [[Orléans]]
* [[Champagne-Ardenne]]
** [[Département Haute-Marne|Haute-Marne]]: [[Saint-Dizier]]
* [[Franche-Comté]]
** [[Territoire de Belfort]]: [[Belfort]]
** [[Département Doubs|Doubs]]: [[Montbéliard]]
* [[Haute-Normandie]]
** [[Département Eure|Eure]]: [[Évreux]]
** [[Département Seine-Maritime|Seine-Maritime]]: [[Le Havre]], Rouen
* [[Languedoc-Roussillon]]
** [[Département Hérault|Hérault]]: [[Montpellier]]
** [[Département Pyrénées-Orientales|Pyrénées-Orientales]]: [[Canet-en-Roussillon]], [[Perpignan]].
* [[Lothringen]] (frz.: Lorraine)
** [[Département Meurthe-et-Moselle|Meurthe-et-Moselle]]: [[Nancy]]
** [[Département Moselle|Moselle]]: [[Behren-lès-Forbach]], [[Guénange]], [[Metz]], [[Rombas]], [[Thionville]].
** [[Département Vosges|Vosges]]: [[Épinal]]
* [[Midi-Pyrénées]]
** [[Département Haute-Garonne]]: [[Toulouse]]
** [[Département Hautes-Pyrénées]]: [[Tarbes]]
** [[Département Tarn-et-Garonne]]: [[Montauban]]
* [[Nord-Pas-de-Calais]]
** [[Département Nord]]: [[Dunkerque]], [[Hem]], [[Lille]], [[Mons-en-Barœul]], [[Roubaix]], [[Tourcoing]], [[Valenciennes]], [[Wattrelos]]
** [[Département Pas-de-Calais]]: [[Calais]], [[Arras]]
* [[Pays de la Loire]]
** [[Département Loire-Atlantique]]: [[Nantes]]
** [[Département Mayenne]]: [[Laval (Mayenne)|Laval]]
** [[Département Sarthe]]: [[Le Mans]]
** [[Département Maine-et-Loire]]: [[Angers]]
* [[Picardie]]
** [[Département Aisne|Aisne]]: [[Soissons]]
** [[Département Oise|Oise]]: [[Beauvais]], [[Méru]], [[Nogent-sur-Oise]], [[Creil]]
** [[Département Somme|Somme]]: [[Amiens]]
* [[Provence-Alpes-Côte d’Azur]]
** [[Département Alpes-Maritimes]]: [[Drap]], [[Nizza|Nice]], [[Saint-André-de-la-Roche|Saint-André]]
** [[Département Bouches-du-Rhône]]: Marseille
** [[Département Var]]: [[Draguignan]], [[Fréjus]], [[La Seyne-sur-Mer]], [[Toulon]]
** [[Département Vaucluse]]: [[Avignon]]
* [[Rhône-Alpes]]
** [[Département Ain|Ain]]: [[Bourg-en-Bresse]], [[Meximieux]]
** [[Département Haute-Savoie|Haute-Savoie]]: [[Sallanches]], [[Seynod]], [[Cluse]], [[Ville-la-Grand]], [[Annemasse]], [[Rumilly (Haute-Savoie)|Rumilly]]
** [[Département Isère|Isère]]: [[Échirolles]], [[Grenoble]]
** [[Département Loire|Loire]]: [[Saint-Étienne]]
** [[Département Rhône|Rhône]]: [[Lyon]], [[Rillieux-la-Pape]]
}}


== Ursachen und Hintergründe ==
==== [[Elsass]] (frz.: Alsace) ====


Frankreich hat eine lange Zuwanderungsgeschichte. Die [[Einwanderung#Einwanderung nach Frankreich|Immigranten nach Frankreich]] stammen zum großen Teil aus den ehemaligen [[Französische Kolonien|französischen Kolonien]] [[Marokko]], [[Tunesien]], [[Algerien]] und [[Subsahara-Afrika]]. Viele dieser Immigranten wohnen in großen, ab den 1970er Jahren entstandenen Neubausiedlungen an den Rändern der Großstädte, den [[Banlieue]]s. Die Integration der Einwanderer, von denen eine Mehrheit die französische Staatsbürgerschaft hat, ist nur sehr unvollständig gelungen. Experten sehen die Gewaltausbrüche als einen Ausdruck für die lange aufgestaute Wut vieler Jugendlicher vor allem afrikanischer Herkunft über die herrschende relative [[Armut]], den [[Rassismus]], die Perspektivlosigkeit, die [[Massenarbeitslosigkeit]] und die damit verbundene [[Resignation]], [[Langeweile]] und [[Bandenkriminalität]] sowie fehlende [[Integration (Soziologie)|Integrationsmöglichkeiten]] (Ghettoisierung), die besonders die [[Migrant]]en in den [[Trabantenstadt|Trabantenstädten]] betreffen (vgl. [[Youth Bulge]]).
* [[Bas-Rhin]]: [[Strasbourg]]
* [[Haut-Rhin]]: [[Colmar]], [[Illzach]], [[Mulhouse]]


Soziologen warnten schon länger vor einer Eskalation, da die Vorstädte seit etwa 20 Jahren politisch vernachlässigt worden seien. Die Jugendlichen selbst hatten zuvor wiederholt versucht, friedlich auf ihre Situation aufmerksam zu machen, wie z.&nbsp;B. durch den „marche des Beurs“, doch die erhofften Reaktionen blieben aus. Einsparungen und [[Sozialabbau]] vor allem auf kommunaler Ebene verschärften die Situation. Die bestehende Frustration wurde neben ethnischen und religiösen Spannungen durch das Gefühl verstärkt, politisch ignoriert und lediglich durch die Polizei ruhig gestellt und schikaniert zu werden. Ein Teilnehmer der Ausschreitungen sagte: „Die Menschen vereinen sich, um zu sagen, dass wir genug haben. Wir leben in Ghettos. Jeder lebt in Angst.“ Der Soziologe [[Michel Wieviorka]] deutete in Medien die Ereignisse als [[Revolte]] gegen die Ordnung, die Jugendlichen griffen Symbole des [[Staat]]es an. Die Integration habe versagt, die Einwohner fühlten sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und perspektivlos.
==== [[Aquitanien]] (frz.: Aquitaine) ====


Bei den [[Aufstand|rebellierenden]] Jugendlichen in den französischen Vorstädten handelte es sich so gut wie ausschließlich um männliche [[Jugendlicher|Jugendliche]]. Männliche wie weibliche Jugendliche in Migrantenfamilien lebten – so etwa die Zeitschrift [[Emma (Zeitschrift)|Emma]] in einer geschlechterorienterten Analyse – im Spannungsfeld zwischen einer traditionell geprägten Kultur, die oft stark [[patriarch]]alisch dominiert sei und der westlichen Kultur des Landes, in dem sie wohnen. Sie erlebten [[Diskriminierung]] und soziale [[Marginalisierung|Benachteiligung]], weil ihre Stadtviertel [[Stigmatisierung|stigmatisiert]] seien, sie aus dem Ausland kommen und häufig in ärmlichen Verhältnissen lebten. Da es ihnen an Strategien zur [[Konflikt]]lösung mangele, griffen männliche Jugendliche leichter zu [[Gewalt]]maßnahmen.<ref>[http://www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/index.jsp?rubrik=21206&key=standard_document_12874560 „Weder Huren noch Sklavinnen - Rebellion in Frankreichs Vorstädten“]{{Toter Link|url=http://www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/index.jsp?rubrik=21206&key=standard_document_12874560 |date=2023-02 |archivebot=2023-02-02 23:13:03 InternetArchiveBot }}, [[Hessischer Rundfunk|hr]], 10. November 2005</ref><ref>[[Emma (Zeitschrift)|Emma]]; Ausgabe Januar / Februar 2006, S. 6 – 7 und 22 – 31</ref>
* [[Gironde (Département)|Gironde]]: [[Bègles]], [[Blanquefort]], [[Bordeaux]], [[Lormont]]
* [[Pyrénées-Atlantiques]]: [[Pau]]


== Mediale Rezeption und Bearbeitung ==
==== [[Auvergne]] ====
Das französische Filmdrama ''[[Hass (Film)|Hass]]'' schilderte bereits 1995 das trostlose Leben in den Banlieues Frankreichs. Er handelt vom Leben dreier jugendlicher Protagonisten, deren Welt von Hip-Hop, Gewalt, Drogen und Auseinandersetzungen mit der Polizei beherrscht wird.


Nach den Ereignissen:
* [[Puy-de-Dôme]]: [[Clermont-Ferrand]]
* ''Wut in den Städten.'' (OT: ''L'embrasement.'') Fernsehfilm, Frankreich, 2006, 78 Min., Buch: Marc Herpoux, Philippe Triboit, Regie: Philippe Triboit, Produktion: Cinétévé, [[ARTE|arte]] France, deutsche Erstsendung: 12. Januar 2007, [https://web.archive.org/web/20100420002251/http://www.arte.tv/de/1420696.html Inhaltsangabe] von arte
* In dem aufgrund der Gewaltdarstellungen kontrovers diskutierten Video „Stress“ der französischen Band [[Justice (französische Band)|Justice]] geht es um eine Gruppe Jugendlicher algerischer und afrikanischer Abstammung, die wild randalierend durch Paris zieht und dabei von einem Kamerateam gefilmt wird.
* Der algerisch-französische Fotograf [[Mohamed Bourouissa]] widmet sich in seiner Fotoserie „Périphérique“ (2005–2009) den Riten und Gebräuchen auf den Straßen der Banlieue. In großformatigen Arbeiten inszeniert und stilisiert er gewalttätige Körpersprache in artifiziellen Bildern.<ref>http://www.mohamedbourouissa.com/peripherique/</ref>
* Der Krimi „Einschlägig bekannt“ der Historikerin Dominique Manotti behandelt die Unruhen und die Verwicklung der Polizei in Korruption.


== Widerhall in Deutschland ==
==== [[Burgund]] (frz.: Bourgogne) ====
Zur Situation in Deutschland äußerten [[Jörg Schönbohm]] und [[Wolfgang Bosbach]] (beide [[CDU]]), viele Jugendliche nichtdeutscher Herkunft würden sich ebenfalls ausgeschlossen fühlen und könnten in Zukunft besonders in den sozialen [[Ghetto]]s ihre Wut und ihren Hass auf ähnliche Weise zum Ausdruck bringen. [[Günther Beckstein]] ([[CSU]]) warnte vor „[[Parallelgesellschaft]]en“.


Als Nachahmungstaten wurden vereinzelte Brandanschläge in [[Bremen-Huchting]], [[Berlin-Moabit]] und [[Brüssel]] bekannt. In Berlin wurde dabei neben Autos und Kleidercontainern auch eine leerstehende Schule in Brand gesetzt. Auch in Köln gab es vereinzelte Fälle. Ob diese auf die französischen Unruhen zurückzuführen sind oder anderweitig motiviert sind, war unklar.
* [[Côte d'Or]]: [[Dijon]]
* [[Saône-et-Loire]]: [[Montceau-les-Mines]], [[Chalon-sur-Saône]]

==== [[Bretagne]] ====

* [[Finistère]]: [[Brest]], [[Quimper]]
* [[Ille-et-Vilaine]]: [[Rennes]], [[Saint-Malo]]

==== [[Centre]] ====

* [[Indre-et-Loire]]: [[Tours]]
* [[Loir-et-Cher]]: [[Blois]]
* [[Loiret]]: [[Montargis]], [[Orléans]]

==== [[Franche-Comté]] ====

* [[Territoire de Belfort]]: [[Belfort]]
* [[Doubs (Département)|Doubs]]: [[Montbéliard]]

==== [[Haute-Normandie]] ====

* [[Eure (Département)|Eure]]: [[Evreux]]
* [[Seine-Maritime]]: [[Le Havre]], [[Rouen]]

==== [[Languedoc-Roussillon]] ====

* [[Hérault (Département)|Hérault]]: [[Montpellier]]
* [[Pyrénées-Orientales]]: [[Canet-en-Roussillon]], [[Perpignan]].

==== [[Lothringen]] (frz.: Lorraine) ====

* [[Meurthe-et-Moselle]]: [[Nancy (Frankreich)|Nancy]]
* [[Moselle]]: [[Behren-lès-Forbach]], [[Guenange]], [[Metz]], [[Rombas]], [[Thionville]].
* [[Vosges]]: [[Épinal]]

==== [[Midi-Pyrénées]] ====

* [[Haute-Garonne]]: [[Toulouse]]
* [[Hautes-Pyrénées]]: [[Tarbes]]
* [[Tarn-et-Garonne]]: [[Montauban]]

==== [[Nord-Pas-de-Calais]] ====

* [[Nord]]: [[Dunkerque]], [[Hem]], [[Lille]], [[Mons-en-Baroeul]], [[Roubaix]], [[Tourcoing]], [[Valenciennes]], [[Wattrelos]]
* [[Pas-de-Calais]]: [[Calais]], [[Arras]], [[Valenciennes]]

==== [[Pays de la Loire]] ====

* [[Loire-Atlantique]]: [[Nantes]]
* [[Mayenne (Département)]]: [[Laval]]
* [[Sarthe (Département)|Sarthe]]: [[Le Mans]]

==== [[Picardie]] ====

* [[Aisne (Département)|Aisne]]: [[Soissons]]
* [[Oise (Département)|Oise]]: [[Beauvais]], [[Méru]], [[Nogent-sur-Oise]], [[Creil]]
* [[Somme]]: [[Amiens]]

==== [[Provence-Alpes-Côte d'Azur]] ====

* [[Alpes Maritimes]]: [[Drap]], [[Nizza|Nice]], [[Saint-André]]
* [[Bouches-du-Rhône]]
* [[Var]]: [[Draguignan]], [[Fréjus]], [[La Seyne-sur-Mer]], [[Toulon]]
* [[Vaucluse]]: [[Avignon]]

==== [[Rhône-Alpes]] ====

* [[Ain]]: [[Bourg-en-Bresse]], [[Meximieu]]
* [[Isère]]: Echirolles, Grenoble
* [[Loire]]: [[Saint-Etienne]]
* [[Rhône]]: [[Lyon]], [[Rillieux-la-Pape]]

== Sozialkritik in Literatur, Musik und Film ==

* Die französische Schriftstellerin [[Viviane Forrester]] beschrieb bereits [[1996]] in ihrem preisgekrönten Buch ''Der Terror der Ökonomie'' die Situation der Jugendlichen in den verarmten Vorstädten so:
: ''„Von diesen Verstoßenen, Beiseitegeschobenen, die in das soziale Nichts gestoßen werden, wird das Verhalten pflichtbewusster Bürger erwartet, denen ein staatsbürgerliches Leben mit Pflichten und Rechten versprochen ist. In Wahrheit wurde ihnen doch jede Möglichkeit, irgendeine Pflicht zu erfüllen genommen, und ihre bereits stark eingeschränkten Rechte werden mit Vergnügen verhöhnt. Welche Trauer, welche Enttäuschung bedeutet es, zu sehen, wie sie die Benimmregeln, den Anstandskodex derer verletzen, von denen sie abgeschoben, geduzt, beiseite gestoßen und, ohne lange zu fragen, verachtet werden! Wie betrüblich, dass sie die guten Manieren einer Gesellschaft, die auf so großzügige Weise ihren Abscheu gegen sie bekundet und ihnen dabei hilft, sich selbst als Außenseiter zu betrachten, nicht übernehmen! Wer nimmt hier wen nicht ernst?“''

* Der Film [[Hass (Film)|„Hass“]] ein französisches Filmdrama aus dem Jahre 1995 zeigt das trostlose Leben in den Banlieues Frankreichs. Er behandelt das Leben dreier jugendlicher Protagonisten, deren Welt von Hip-Hop, Gewalt, Drogen und Auseinandersetzungen mit der Polizei beherrscht wird.

* Die französische [[Hip Hop]]-Gruppe [[Suprême NTM|NTM]] machte bereits [[1999]] in ihrem Lied ''Police'' auf die bestehende Problematik aufmerksam:
{|
|''Police: vos papiers, controle d'identité
''Formule devenue classique a laquelle tu dois t'habituer.
''Seulement dans les quartiers
''Les condés de l'abus de pouvoir ont trop abusé.
''Aussi sachez que l'air est chargé d'electricité,
''Alors pas de respect, pas de pitié escomptée
''Vous aurez des regrets car:
''Jamais par la repression vous n'obtiendrez la paix,
''La paix de l'ame, le respect de l'homme.
''Mais cette notion d'humanité n'existe plus quand ils passent l'uniforme,
''Préférant au fond la forme, peur du hors norme.''
|''Polizei: Ihre Papiere, Passkontrolle,
''Alltägliche Redewendung an die du dich gewöhnen musst,
''Nur in den Vorstadtvierteln,
''Die Verurteilten des Machtmissbrauchs,
''Ihr müsst wissen dass die Luft hier geladen ist,
''Kein Respekt, kein Erbarmen,
''Aber ihr werdet es bedauern, denn:
''Niemals werdet ihr durch Unterdrückung zum Frieden gelangen,
''dem Seelenfrieden, dem Respekt vor den Menschen.
''Eure Definition von Menschlichkeit existiert nicht mehr, wenn sie sich die Uniform überstreifen,
''Im Innern ziehen sie das Formale vor, Angst vor dem Andersartigen.''
|}

== Siehe auch ==
''Unruhen in Frankreich mit sozialem Hintergrund und unterschiedlicher Motivation''
* [[Französische Revolution]] [[1789]]
* [[Julirevolution]] [[1830]]
* [[Februarrevolution]] [[1848]]
* [[Pariser Kommune]] [[1870]]
* [[Mai-Unruhen]] [[1968]]
''Weiterführende Links''
* [[Unruhen in Los Angeles 1992]]
* [[Konfliktforschung]]
* [[Französische Kolonien]]


== Weblinks und Quellen ==
== Weblinks und Quellen ==
{{commons2|Paris suburb riots|Pariser Vorstadt-Unruhen}}
{{Commonscat|2005 riots in France|Pariser Vorstadt-Unruhen}}
* Kolja Lindner: [http://www.budrich-journals.de/index.php/peripherie/article/view/24161 „25 Jahre 'Marche des Beurs': Kämpfe der Migration im Frankreich der 1980er Jahren und heute“], in: Peripherie. Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt, Nr. 114/115, 29. Jg., Heft 2/2009, S. 304–324.
{{wikinews1|Portal:Unruhen in Frankreich 2005}}
* Vogel, F. (2009). [https://web.archive.org/web/20111117031101/http://friedemann-vogel.de/projekte/48-aufstand-revolte-widerstand „Aufstand“ - „Revolte“ - „Widerstand“. Linguistische Mediendiskursanalyse der Ereignisse in den Pariser Vorstädten 2005]. Frankfurt am Main: Peter-Lang-Verlag. (= Europäische Hochschulschriften 343)
*[http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21258/1.html „Unruhen in Pariser Trabantenstädten“], [[Telepolis]], 2. November 2005
* Kolja Lindner: „Soziale Bewegungen und autoritärer Populismus. Proteste und Präsidentschaftswahlen in Frankreich“, in: Prokla. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Nr. 148, 37. Jg., Heft 3/2007, S. 459–479.
*[http://www.zeit.de/online/2005/45/paris „Heiße Nächte in Paris. Der französische Gesellschaftsvertrag endet dort, wo die Vororte beginnen“], [[Die Zeit]], 4. November 2005, Hintergrundbericht
* [https://www.heise.de/tp/features/Unruhen-in-Pariser-Trabantenstaedten-3403432.html „Unruhen in Pariser Trabantenstädten“], [[Telepolis]], 2. November 2005
*[http://www.lemonde.fr/web/article/0,1-0,36-706879,0.html „La réduction des aides exaspère les maires de banlieue“], [[Le Monde]], 5. November 2005 (Die Kürzung der sozialen Hilfen machte die Bürgermeister der Vororte zornig.)
*[http://www.indymedia.org/de/2005/11/827290.shtml „Paris brennt: Rassismus und Repression explodieren in einer Woche der Revolte“], [[Indymedia]], 5. November 2005
* [http://www.zeit.de/online/2005/45/paris „Heiße Nächte in Paris. Der französische Gesellschaftsvertrag endet dort, wo die Vororte beginnen“], [[Die Zeit]], 4. November 2005, Hintergrundbericht
* [http://www.lemonde.fr/societe/article/2005/11/05/la-reduction-des-aides-exaspere-les-maires-de-banlieue_706879_3224.html „La réduction des aides exaspère les maires de banlieue“], [[Le Monde]], 5. November 2005 (Die Kürzung der sozialen Hilfen machte die Bürgermeister der Vororte zornig.)
*[http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21282/1.html „Aufruhr in den Städten“], [[Telepolis]], 5. November 2005
*[http://www.fr-aktuell.de/fr_home/startseite/?sid=271207bae45f495b041180bf7718c0e5&cnt=751972 Das hässliche Gesicht Frankreichs“], [[Frankfurter Rundschau]], 5. November 2005
* [https://www.heise.de/tp/features/Aufruhr-in-den-Staedten-3403492.html „Aufruhr in den Städten“], Telepolis, 5. November 2005
* [http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/gastbeitrag-sarkozy-wir-dulden-keine-rechtlosen-zonen-mehr-1277836.html Wir dulden keine „rechtlosen Zonen“ mehr], Gastbeitrag Nicolas Sarkozys in der [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]], 6. November 2005
*[http://germany.indymedia.org/2005/11/131526.shtml „Revolte in Frankreich“], [[Indymedia]], 5. November 2005, Artikelansammlung
* [https://web.archive.org/web/20060301142111/http://www.zmag.org/content/showarticle.cfm?SectionID=74&ItemID=9066 „Why is France burning?“] [[ZNet]], 6. November 2005 (englisch)
*[http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E1044D5C90D61495CA2B8C42DD752CAE6~ATpl~Ecommon~Scontent.html Wir dulden keine „rechtlosen Zonen” mehr], Gastbeitrag [[Nicolas Sarkozy]]s in der [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]], 6. November 2005
* {{Webarchiv | url=http://www.tagesschau.de:80/ausland/meldung152060.html | wayback=20090312012026 | text=„Portrait eines Randalierers“}}, [[Tagesschau (ARD)|Tagesschau]], 7. November 2005, auch als Audio-Datei
*[http://www.zmag.org/content/showarticle.cfm?SectionID=74&ItemID=9066 „Why is France burning?“], [[ZNet]], 6. November 2005 (englisch)
* {{Der Spiegel|ID=42983326|Titel=Aufruhr in Eurabia|Autor=|Jahr=2005|Nr=45|Seiten=|Datum=2005-11-07}}
*[http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4925168_REF1_NAV_BAB,00.html „Portrait eines Randalierers“], [[Tagesschau]], 7. November 2005, auch als Audio-Datei
* {{Webarchiv | url=http://archiv.tagesspiegel.de/drucken.php?link=archiv/11.11.2005/2166403.asp#art | wayback=20060824081819 | text=„Warten auf die nächste Explosion“}}, [[Tagesspiegel]], 11. November 2005
<!--*[http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,383443,00.html „Aufruhr in Eurabia“], [[Der Spiegel|Spiegel Online]], 7. November 2005 BALD KOSTENPFLICHTIG DESHALB BITTE NICHT VERWENDEN-->
* {{Webarchiv | url=http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Frankreich/unruhen2005.html | wayback=20060917105635 | text=Attac Frankreich zu den Unruhen}} – Stellungnahme von [[Attac]]

* [https://web.archive.org/web/20090512195608/http://www.france-mail-forum.de/fmf39/neuf/index39neuf.htm La Banlieue / Die Bann-Meile: Sonderbericht zu den Unruhen in den Vorstädten] – Stellungnahme und Quellensammlung im France-Mail-Forum

* [http://www.eurotopics.net/de/magazin/magazin_aktuell/frankreich-2008-07/oberti/ Die Unruhen in den französischen Städten] Artikel von euro|topics (Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung)
* [http://www.zeit.de/online/2005/46/banlieue_interview Reißt die Ghettos ab] Interview von [[Alain-Xavier Wurst]], Zeit Online, 11. November 2005.


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Paris]]
<references />
[[Kategorie:Frankreich]]
[[Kategorie:Unruhen]]
[[Kategorie:2005]]


[[Kategorie:Französische Geschichte (21. Jahrhundert)]]
[[en:2005 French riots]]
[[Kategorie:Aufruhr|Frankreich]]
[[es:Disturbios de París de 2005]]
[[Kategorie:Konflikt 2005]]
[[fr:Violences urbaines de 2005 en banlieue française]]
[[he:מהומות פריז 2005]]
[[Kategorie:Politik 2005]]
[[hu:2005-ös párizsi zavargások]]
[[id:Kerusuhan pinggiran Paris 2005]]
[[io:2005 Francia incendiadi]]
[[it:Rivolte nella periferia di Parigi del 2005]]
[[ko:2005년 파리교외 소요사태]]
[[nl:Rellen in Frankrijk 2005]]
[[no:Forstadsopprørene i Paris 2005]]
[[pl:Zamieszki we Francji w 2005]]
[[pt:Revolta de jovens dos subúrbios de Paris em 2005]]
[[ru:Беспорядки в пригородах Парижа]]
[[sv:Parisupploppen 2005]]
[[zh:2005年巴黎郊区骚乱]]

Aktuelle Version vom 12. November 2024, 17:09 Uhr

Von den Unruhen betroffene Départements
Die Brennpunkte in der Pariser Umgebung

Bei den gewalttätigen Unruhen in Frankreich im Oktober und November 2005 handelte es sich um eine Serie von zunächst unorganisierten Sachbeschädigungen und Brandstiftungen sowie gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei in der so genannten Banlieue des Großraums Paris, die am Donnerstag, dem 27. Oktober 2005, nach dem Unfalltod zweier Jugendlicher begannen. Zunächst beschränkten sich die Ausschreitungen auf den Heimatort der Jugendlichen, den Pariser Vorort Clichy-sous-Bois. Im Laufe der folgenden Tage weiteten sich die Unruhen zunächst auf Départements des Pariser Umlands wie Seine-et-Marne oder Val-d’Oise, später auch auf andere französische Städte wie Lille, Rouen, Rennes, Dijon, Toulouse, Straßburg und Marseille aus. Alleine am Abend des 3. November wurden 500 Autos und mehrere Häuser in Aulnay-sous-Bois, Neuilly-sur-Marne, Le Blanc-Mesnil sowie im Département Yvelines in Brand gesteckt.

Trafostation in Clichy-sous-Bois, an der die Ereignisse am 27. Oktober 2005 ihren Ursprung hatten

Auslöser für die Gewalt waren Gerüchte um den Tod zweier Jugendlicher aus in Frankreich lebenden Immigrantenfamilien (Ziad Benna, 17, und Bouna Traoré, 15),[1] die am 27. Oktober 2005 in Paris auf der Flucht vor der Polizei die Absperrung zu einem Transformatorenhäuschen überwanden und dort von Stromschlägen tödlich getroffen wurden. Ein weiterer Jugendlicher, der türkischstämmige Muhittin Altun (17), wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Der Staatsanwalt François Molins gab an, dass die Jugendlichen vor Polizisten flüchteten, die allerdings eine andere Gruppe verfolgt hätten, die sich einer Personenkontrolle entziehen wollte. Dies bestätigte auch der damalige französische Innenminister Nicolas Sarkozy, nachdem er zunächst die Todesopfer des Diebstahls von Baumaterial bezichtigt hatte, was sich schnell als falsch herausstellte. Nachdem die offizielle Untersuchung abgeschlossen worden war, eröffnete Sarkozy ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung gegen Unbekannt. Polizisten hatten von der Anwesenheit der Jugendlichen auf dem Gelände gewusst, hätten sich aber trotz der Lebensgefahr der Jugendlichen nicht um diese gekümmert. Diese Vermutung der Angehörigen konnte mittlerweile durch Mitschnitte des Polizeifunks bestätigt werden. Dennoch wurden zwei Polizisten im Jahr 2015 in letzter Instanz freigesprochen.[2]

Der Soziologen Didier Lapeyronnie analysiert den Freispruch, dass es „als tiefgreifende Verweigerung der Gerechtigkeit interpretiert, nicht nur von den Angehörigen, sondern ganz allgemein von der Bevölkerung der Arbeiterviertel“ wird, während die Beziehungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei oder Institutionen distanziert und schwierig bleiben werden.[3]

Bereits zuvor war es in den betroffenen Gebieten zu Ausschreitungen gekommen. So wurden im Jahr 2005 bereits vor dem Beginn der eigentlichen Unruhen jede Nacht etwa 90 Autos in Frankreich in Brand gesteckt, insgesamt 28.000 seit Beginn des Jahres 2005. Daneben wurden ca. 17.500 Müllcontainer angezündet, 5.760 Bushaltestellen, Telefonzellen und andere städtische Einrichtungen zerstört und 3.832 Angriffe auf Polizei oder Feuerwehr gezählt.[4][5] Für mediales Aufsehen sorgte lediglich eine Serie von Brandanschlägen auf jüdische Einrichtungen, die die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Israel belasteten.

Brennendes Auto in Straßburg,
5. November 2005
Das ausgebrannte Wrack

Nach dem Tod der beiden Jugendlichen kam es 20 Nächte in Folge zu öffentlichen Krawallen und Straßenschlachten, bei denen von Seiten der Beteiligten vereinzelt mit scharfer Munition geschossen wurde. Am ersten Abend steckten mehrere Jugendbanden etwa zwei Dutzend Autos in Brand. Glasfenster wurden zerbrochen und Bushaltestellen zerstört. Die Krawalle begannen zunächst nur im von hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität geprägten Ort Clichy-sous-Bois bei Paris, bis es in mehreren Städten Frankreichs zu Ausschreitungen kam. Die Polizei versuchte, meist erfolglos, den Ausschreitungen der Jugendbanden Einhalt zu gebieten. Besonders stark waren die Unruhen ab dem 30. Oktober 2005, als am Abend zwei Tränengas-Granaten vor einer voll besetzten Moschee explodierten. Jugendliche lasten diesen Vorfall der französischen Polizei an, welche dies jedoch bestreitet.

In Dijon und rund um Marseille wurden mehr als 30 Autos angezündet. Polizisten wurden mit Steinen beworfen, und es gab Angriffe auf öffentliche Gebäude wie Rathäuser, Schulen oder Polizeiwachen.

Insgesamt wurden bei den Unruhen fast 8500 Autos zerstört; etwa 2500 Personen wurden festgenommen.

Im Département Seine-Saint-Denis, nordöstlich von Paris, wurden 1300 Sicherheitskräfte eingesetzt, die dort die Lage unter Kontrolle bringen sollten. Der öffentliche Nahverkehr musste eingestellt werden, da zahlreiche Busse ständig mit Steinen beworfen oder durch Brände vollständig zerstört wurden.

Am 4. November wurde im Pariser Vorort Stains der 61-jährige Franzose Jean-Jacques Le Chenadec von einem Gewalttäter zusammengeschlagen und erlag seinen schweren Kopfverletzungen.

In der Nacht zum 7. November gingen in der bis dahin schwersten Krawallnacht nach Aussagen der Polizei 1408 Autos sowie erneut zahlreiche Gebäude vom Kindergarten bis zum Krämerladen in Flammen auf.

Die Aufrufe der Regierung, muslimischer Würdenträger und auch der Eltern der zwei Jungen, deren Unfalltod die Unruhen ausgelöst hatte, verhallten ungehört. Brandstifterbanden zogen vermehrt auch in ruhige Viertel. Sogar im Zentrum von Paris wurden einige Autos angezündet. Im weiteren Verlauf der Krawalle wurde von sozialen Verstärkereffekten durch Politik und der Medien gesprochen, so hätten sich Jugendliche vor allem im Internet gegenseitig angespornt und zu übertreffen versucht. Auch Fernsehbilder sollen Jugendliche zusätzlich angetrieben haben.

In Nantes, Rennes, Rouen und Montargis wurden Dutzende Autos und Mülleimer angezündet. Im südfranzösischen Toulouse musste die Feuerwehr nach eigenen Angaben etwa 50 Mal ausrücken, um von Jugendgruppen gelegte Brände zu löschen. Dutzende Jugendliche wurden festgenommen. In Évreux in der Normandie wurde ein Einkaufszentrum bei Zusammenstößen zwischen bewaffneten Jugendlichen und der Polizei schwer beschädigt. Trotz der Aufrufe der französischen Regierung zu Ruhe und Ordnung setzten randalierende Jugendliche die nächtliche Gewalt fort. 34 Polizisten wurden bei Auseinandersetzungen mit Jugendbanden in Pariser Vorstädten und anderswo im Land verletzt, teilten die Sicherheitskräfte mit. Bis Mitternacht zählte die Polizei mehr als 500 angesteckte Autos und knapp 100 Festnahmen. Zuvor hatte Staatspräsident Jacques Chirac die „Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung“ zur absoluten Priorität erklärt. Am 7. November gab es nach Meldungen der Polizei ein erstes Todesopfer. In Le Raincy (Seine-Saint-Denis) wurde vom Bürgermeister für den 7. November eine Ausgangssperre verhängt.

Reaktionen der französischen Politik und Behörden

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 5. November erklärte der für die innere Sicherheit zuständige französische Innenminister Nicolas Sarkozy, dass „der Staat die Gewalt nicht akzeptieren“ könne. In der Nacht zum 6. November besuchte er überraschend eine Polizeistation im Département Essonne im Süden von Paris, wo er sich mit festgenommenen Minderjährigen auseinandersetzte. Der sozialistische Senator Jean-Luc Mélenchon hatte zuvor die Notwendigkeit eines Dialogs mit den Jugendlichen angemahnt. Die Situation dürfe nicht zum „Konflikt zwischen verzweifelten Jugendlichen und zornigen Polizisten werden“.

Sarkozy geriet immer mehr unter Druck. Durch seine Law-and-order-Parolen (Schlagwort: „Tolérance zéro“) wurde er zur Hassfigur der Jugendlichen, die meist nordafrikanischer Herkunft waren. Sarkozy behauptete, dass diese Unruhen perfekt geplant worden seien. Kritisiert wurde er unter anderem dafür, dass er die Jugendlichen als „Gesindel“ und „Abschaum“ („racaille“) bezeichnete, den man „wegkärchern“, also mit einem Hochdruckreiniger wegspritzen müsse, mit dem Argument, wer auf „Beamte, Familienväter oder junge Leute von der eigenen Hautfarbe“ schieße, könne nur so bezeichnet werden, und so noch mehr Öl ins Feuer gegossen habe. In diesem Zusammenhang sprach er auch vom „Wundbrand“, den es „wegzuschneiden“ gelte. Jugendliche aus den Vororten forderten Sarkozys Rücktritt. Auch Teile der Regierungspartei UMP, deren Vorsitzender Sarkozy war, rückten von ihm ab. Präsident Jacques Chirac rief dagegen zur Ruhe und zum Dialog auf. Kritisiert wurde auch, dass Sarkozy die orts- und bürgernahe police de proximité abschaffte, die für Schlichtungen vor Ort eintreten sollte. Chirac selbst wurde dafür kritisiert, dass er sich erst nach tagelangem Schweigen zu den Ereignissen äußerte.

Premierminister Dominique de Villepin traf sich mit Protestierern aus betroffenen Vierteln zu Gesprächen. Er sagte, es handele sich um Schüler, Studenten, Arbeitslose und Inhaber von Billiglohnjobs. Er äußerte, einen Aktionsplan initiieren zu wollen.

Die Vizevorsitzende der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, forderte am 4. November 2005 in einer Presseerklärung die Verhängung des Ausnahmezustandes und den Einsatz der Armee in den betroffenen Bezirken.

Der Pariser Imam wandte sich gegen die Gewalt und bezeichnete sie als Schande. Auch der Bruder eines der durch Stromschläge getöteten Jugendlichen rief zur Mäßigung auf.

Am 5. November gab es erste Gegendemonstrationen und Proteste der Bevölkerung gegen Gewalt, so trugen etwa 1000 Bürger Transparente mit der Aufschrift „Nein zur Gewalt, Ja zum Dialog“ durch die Straßen Aulnay-sous-Bois bei Paris. In einigen Orten wurden Bürgerwehren gegründet oder zu ihrer Gründung aufgerufen, da die Polizei vielerorts überfordert sei. Diese sah jedoch solche Bestrebungen als sehr kritisch an, weil möglicherweise die Gewalt eskalieren könne.

Der Generalstaatsanwalt von Paris, Yves Bot, meinte, die Zerstörungen seien organisiert. Über das Internet würden Jugendliche in anderen Städten zum Mitmachen aufgerufen. Auch hätten die Unruhen seiner Meinung nach keinen ethnischen Charakter, sondern seien allein gegen die Institution Staat gerichtet.

Am 8. November beschloss die französische Regierung, den Ausnahmezustand zu verhängen. Die Grundlage hierfür bildet ein aus dem Jahre 1955 stammendes Notstandsrecht, das im Algerienkrieg Anwendung fand. Zunächst wurde mit dem Dekret Nr. 2005-1386[6] der Notstand ausgerufen und sodann im Dekret 2005-1387[7] die Gebiete und Großstädte präzisiert, in denen der Notstand galt. Im französischen Mutterland war dieses Gesetz bis dahin noch nie angewandt worden. Somit war die Polizei nun ermächtigt, auch präventive Maßnahmen zu ergreifen, wie Hausdurchsuchungen bei Verdacht auf Waffenbesitz. Zudem sollten gezielt Ausgangssperren über Teile des französischen Staatsgebietes verhängt werden.

Die Presselandschaft in Frankreich reagierte sehr unterschiedlich auf die jüngsten Ereignisse. Im Mittelpunkt stand dabei die rechts-konservative Boulevardzeitung France Soir, die von „radikalen Islamisten, organisierten Banden und Guerillakrieg“ sprach. Diese Einschätzung wurde jedoch durch nichts belegt.

Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit nannte organisierte Krawalle „Blödsinn“ und eine „Verschwörungstheorie“, er warf Sarkozy Versagen vor. Er wies auf eine Atmosphäre des Misstrauens schon vor den Krawallen hin, seit Sarkozy Spezialeinheiten anstelle bürgernaher Beamter in den Gebieten einsetzen ließ. Cohn-Bendit forderte eine neue Polizeistrategie, die „materielle Integration“ der Jugendlichen sowie hohe Investitionen in Bildung. Die derzeitigen europäischen Schulsysteme schlössen Einwanderer aus.

Betroffene Regionen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pariser Region, Île-de-France

Andere Regionen (außerhalb der Île-de-France)

Ursachen und Hintergründe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frankreich hat eine lange Zuwanderungsgeschichte. Die Immigranten nach Frankreich stammen zum großen Teil aus den ehemaligen französischen Kolonien Marokko, Tunesien, Algerien und Subsahara-Afrika. Viele dieser Immigranten wohnen in großen, ab den 1970er Jahren entstandenen Neubausiedlungen an den Rändern der Großstädte, den Banlieues. Die Integration der Einwanderer, von denen eine Mehrheit die französische Staatsbürgerschaft hat, ist nur sehr unvollständig gelungen. Experten sehen die Gewaltausbrüche als einen Ausdruck für die lange aufgestaute Wut vieler Jugendlicher vor allem afrikanischer Herkunft über die herrschende relative Armut, den Rassismus, die Perspektivlosigkeit, die Massenarbeitslosigkeit und die damit verbundene Resignation, Langeweile und Bandenkriminalität sowie fehlende Integrationsmöglichkeiten (Ghettoisierung), die besonders die Migranten in den Trabantenstädten betreffen (vgl. Youth Bulge).

Soziologen warnten schon länger vor einer Eskalation, da die Vorstädte seit etwa 20 Jahren politisch vernachlässigt worden seien. Die Jugendlichen selbst hatten zuvor wiederholt versucht, friedlich auf ihre Situation aufmerksam zu machen, wie z. B. durch den „marche des Beurs“, doch die erhofften Reaktionen blieben aus. Einsparungen und Sozialabbau vor allem auf kommunaler Ebene verschärften die Situation. Die bestehende Frustration wurde neben ethnischen und religiösen Spannungen durch das Gefühl verstärkt, politisch ignoriert und lediglich durch die Polizei ruhig gestellt und schikaniert zu werden. Ein Teilnehmer der Ausschreitungen sagte: „Die Menschen vereinen sich, um zu sagen, dass wir genug haben. Wir leben in Ghettos. Jeder lebt in Angst.“ Der Soziologe Michel Wieviorka deutete in Medien die Ereignisse als Revolte gegen die Ordnung, die Jugendlichen griffen Symbole des Staates an. Die Integration habe versagt, die Einwohner fühlten sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und perspektivlos.

Bei den rebellierenden Jugendlichen in den französischen Vorstädten handelte es sich so gut wie ausschließlich um männliche Jugendliche. Männliche wie weibliche Jugendliche in Migrantenfamilien lebten – so etwa die Zeitschrift Emma in einer geschlechterorienterten Analyse – im Spannungsfeld zwischen einer traditionell geprägten Kultur, die oft stark patriarchalisch dominiert sei und der westlichen Kultur des Landes, in dem sie wohnen. Sie erlebten Diskriminierung und soziale Benachteiligung, weil ihre Stadtviertel stigmatisiert seien, sie aus dem Ausland kommen und häufig in ärmlichen Verhältnissen lebten. Da es ihnen an Strategien zur Konfliktlösung mangele, griffen männliche Jugendliche leichter zu Gewaltmaßnahmen.[8][9]

Mediale Rezeption und Bearbeitung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das französische Filmdrama Hass schilderte bereits 1995 das trostlose Leben in den Banlieues Frankreichs. Er handelt vom Leben dreier jugendlicher Protagonisten, deren Welt von Hip-Hop, Gewalt, Drogen und Auseinandersetzungen mit der Polizei beherrscht wird.

Nach den Ereignissen:

  • Wut in den Städten. (OT: L'embrasement.) Fernsehfilm, Frankreich, 2006, 78 Min., Buch: Marc Herpoux, Philippe Triboit, Regie: Philippe Triboit, Produktion: Cinétévé, arte France, deutsche Erstsendung: 12. Januar 2007, Inhaltsangabe von arte
  • In dem aufgrund der Gewaltdarstellungen kontrovers diskutierten Video „Stress“ der französischen Band Justice geht es um eine Gruppe Jugendlicher algerischer und afrikanischer Abstammung, die wild randalierend durch Paris zieht und dabei von einem Kamerateam gefilmt wird.
  • Der algerisch-französische Fotograf Mohamed Bourouissa widmet sich in seiner Fotoserie „Périphérique“ (2005–2009) den Riten und Gebräuchen auf den Straßen der Banlieue. In großformatigen Arbeiten inszeniert und stilisiert er gewalttätige Körpersprache in artifiziellen Bildern.[10]
  • Der Krimi „Einschlägig bekannt“ der Historikerin Dominique Manotti behandelt die Unruhen und die Verwicklung der Polizei in Korruption.

Widerhall in Deutschland

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Situation in Deutschland äußerten Jörg Schönbohm und Wolfgang Bosbach (beide CDU), viele Jugendliche nichtdeutscher Herkunft würden sich ebenfalls ausgeschlossen fühlen und könnten in Zukunft besonders in den sozialen Ghettos ihre Wut und ihren Hass auf ähnliche Weise zum Ausdruck bringen. Günther Beckstein (CSU) warnte vor „Parallelgesellschaften“.

Als Nachahmungstaten wurden vereinzelte Brandanschläge in Bremen-Huchting, Berlin-Moabit und Brüssel bekannt. In Berlin wurde dabei neben Autos und Kleidercontainern auch eine leerstehende Schule in Brand gesetzt. Auch in Köln gab es vereinzelte Fälle. Ob diese auf die französischen Unruhen zurückzuführen sind oder anderweitig motiviert sind, war unklar.

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Commons: Pariser Vorstadt-Unruhen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Spiegel Online: "Das geht jetzt weiter, nonstop"
  2. Tagesschau.de: Urteil zu Vorstadtkrawallen in Paris: Freispruch nach Tod von Jugendlichen (Memento vom 20. Mai 2015 im Internet Archive)
  3. Carole Sterlé: Mort de Zyed et Bouna : relaxe des policiers confirmée en appel, leparisien.fr, 24. Juni 2016, Abruf am 7. Juli 2023
  4. Tagesspiegel vom 7. November 2005, nicht als online-Artikel verfügbar
  5. „Doch die Entwicklung eskaliert. Seit Januar hat es 70.000 Fälle von Vandalismus, Brandstiftung, Bandengewalt gegeben. Nicht weniger als 28.000 Autos sind angesteckt worden. Und es sind meist die Autos der Armen, die da lodern.“ In: Aufruhr in Eurabia. In: Der Spiegel. Nr. 45, 2005 (online7. November 2005).
  6. Das Dekret 2005-1386 bei fr.wikisource.org
  7. Das Dekret 2005-1387 bei fr.wikisource.org
  8. „Weder Huren noch Sklavinnen - Rebellion in Frankreichs Vorstädten“@1@2Vorlage:Toter Link/www.hr-online.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., hr, 10. November 2005
  9. Emma; Ausgabe Januar / Februar 2006, S. 6 – 7 und 22 – 31
  10. http://www.mohamedbourouissa.com/peripherique/