„Bipolare Störung“ – Versionsunterschied
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Als '''bipolare affektive Störung''' bezeichnet man eine Untergruppe von Erkrankungen aus der Gruppe der [[Affektive Störung|affektiven Störungen]]. Es handelt sich dabei um seelische Erkrankungen, bei denen die Betroffenen unter willentlich nicht kontrollierbaren und extremen Auslenkungen ihrer Stimmungen und ihres Antriebs leiden, die weit außerhalb des Normalniveaus schwanken. |
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| 01-CODE = F31 |
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| 01-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung |
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| 02-CODE = F31.0 |
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| 02-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, gegenwärtig hypomanische Episode |
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| 03-CODE = F31.1 |
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| 03-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische Episode ohne psychotische Symptome |
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| 04-CODE = F31.2 |
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| 04-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische Episode mit psychotischen Symptomen |
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| 05-CODE = F31.3 |
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| 05-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, gegenwärtig leichte oder mittelgradige depressive Episode |
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| 06-CODE = F31.4 |
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| 06-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome |
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| 07-CODE = F31.5 |
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| 07-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen |
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| 08-CODE = F31.6 |
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| 08-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode |
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| 09-CODE = F31.7 |
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| 09-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, gegenwärtig remittiert |
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| 10-CODE = F31.8 |
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| 10-BEZEICHNUNG = Sonstige bipolare affektive Störungen |
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| 11-CODE = F31.9 |
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| 11-BEZEICHNUNG = Bipolare affektive Störung, nicht näher bezeichnet |
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'''Bipolare Störung''' ist die Kurzbezeichnung für '''bipolare affektive Störung''' (''BAS''), eine [[Psychische Störung|psychische Erkrankung]], die zu den [[Affektive Störung|affektiven Störungen]] (Stimmungsstörungen) zählt. |
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Die bipolare affektive Störung ist durch einen phasischen Verlauf mit depressiven, manischen oder hypomanischen - und recht oft auch gemischten - Episoden gekennzeichnet, bei denen sowohl die Kriterien einer [[Manie]] als auch einer [[Depression]] erfüllt sind. Depressionen zeichnen sich durch übernormal gedrückte Stimmung und drastisch verminderten Antrieb aus. Manische Phasen gehen immer mit überdrehtem Antrieb und Rastlosigkeit, oft mit inadäquat euphorischer oder gereizter Stimmung einher, mitunter aber auch mit depressiver Symptomatik (bis hin zu gemischten Phasen). Unter einer [[Hypomanie]] versteht man eine nicht so stark ausgeprägte Manie. Eine Hypomanie liegt jedoch bereits deutlich über einem normalen Aktivitäts- und/oder Stimmungsausschlag. |
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<br>Zwischen den Krankheits-Episoden tritt in der Regel eine Besserung ein. Antrieb und Gemüt befinden sich dann wieder innerhalb der Normalschwankungen zwischen beiden Extrempolen. Bei längerem Verlauf mit mehreren Episoden können jedoch [[Residuum|Residual-Symptome]] zurück bleiben. |
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Die Krankheit zeichnet sich durch extreme, zweipolige (= ''bipolar''e) Schwankungen, die [[Stimmung (Psychologie)|Stimmung]], [[Antriebsstörung|Antrieb]], Denken, Handeln und [[Aktivität (Psychologie)|Aktivitätsgrade]] betreffen, aus. Diese Auslenkungen treten phasenhaft auf und reichen weit über das Normalniveau hinaus. Die Betroffenen pendeln dabei zwischen [[Depression]] und [[Hypomanie]] bzw. [[Manie]], ohne diese Wechsel willentlich kontrollieren zu können, weswegen man die Erkrankung früher auch als '''''manisch-depressive''''' Erkrankung oder '''''manische Depression''''' bezeichnete.<ref>[https://www.puk.uni-frankfurt.de/75057263/Manische_Depression_beeintr%C3%A4chtigt_Ged%C3%A4chtnis Manische Depression beeinträchtigt Gedächtnis] uni-frankfurt.de</ref> In [[#gemischte Phase|gemischten Phasen]] können Symptome beider Zustände zugleich auftreten. Die Manie umfasst ein intensives Hochgefühl sowie eine erhöhte Leistungsfähigkeit. Schlaf wird häufig als Zeitverschwendung gesehen, da er den Tatendrang unterbricht.<ref name=":4">{{Literatur |Autor=Michael Bauer, Emanuel Severus, Gerd Laux |Titel=Bipolare affektive Störungen |Sammelwerk=Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie |Verlag=Springer Berlin Heidelberg |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2017 |ISBN=978-3-662-49293-2 |Seiten=1819–1854 |DOI=10.1007/978-3-662-49295-6_68}}</ref> Die Depression umfasst Symptome der Antriebslosigkeit, Interessenverlust sowie gedrückte Stimmung.<ref>{{Literatur |Autor=Franz Caspar, Irena Pjanic, Stefan Westermann |Titel=Depression und bipolare Störungen |Sammelwerk=Klinische Psychologie |Verlag=Springer Fachmedien Wiesbaden |Ort=Wiesbaden |Datum=2018 |ISBN=978-3-531-17076-3 |Seiten=55–63 |DOI=10.1007/978-3-531-93317-7_5}}</ref> Die Erkrankung betrifft 0,2–5 % der Weltbevölkerung.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Dome, Zoltan Rihmer, Xenia Gonda |Titel=Suicide Risk in Bipolar Disorder: A Brief Review |Sammelwerk=Medicina |Band=55 |Nummer=8 |Datum=2019-07-24 |Seiten=403 |DOI=10.3390/medicina55080403}}</ref><ref name="oc2156">{{cite journal| doi = 10.1017/S0033291721001252| volume = 51| issue = 13| last1 = O’Connell| first1 = Kevin S.| last2 = Coombes| first2 = Brandon J.| title = Genetic contributions to bipolar disorder: current status and future directions| journal = Psychological Medicine| access-date = 2024-07-04| date = 2021-10| url = https://www.cambridge.org/core/product/identifier/S0033291721001252/type/journal_article | pages = 2156–2167, S. 2156| language = en-US}}</ref> |
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Meist beginnt eine bipolare Störung in der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenen-Alter. Bei sehr starker Ausprägung der Beschwerden kann die Fähigkeit zur angemessenen Prüfung der Realität eingeschränkt sein.<br> |
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Es handelt sich um eine schwere Erkrankung mit hoher Suizidrate. |
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== Kriterien == |
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Sowohl für manische als auch für hypomanische und depressive Episoden gibt es Kriterien-Kataloge, bei denen einige Symptome erfüllt sein müssen und auch über eine definierte Zeit lang anhalten müssen, um eine Diagnose zu treffen. |
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Zwischen den akuten Krankheitsepisoden kann es je nach Verlaufsform mehr oder weniger lange Zeitabschnitte, d. h. Tage, Monate bis Jahre geben,<ref name=":4" /> in denen die Betroffenen keinerlei Beschwerden haben. Antrieb und Gefühlsleben unterliegen dann wieder den „normalen“ Schwankungen. BAS treten in unterschiedlichen Schweregraden auf. Mögliche negative soziale Folgen der Störung für den Betroffenen können jedoch sehr schwerwiegend sein. |
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Eine solche Auflistung von [[Symptom]]en findet sich beispielsweise in der "[[International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems]]" (ICD), einer von der Weltgesundheitsorganisation ([[WHO]]) herausgegebenen internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen. Sie wurde 1992 fertig gestellt; jährlich wird eine aktualisierte Version heraus gegeben, trägt aber immer die Bezeichnung ICD 10. Die aktuelle Ausgabe der ICD wird als [[ICD-10]] 2005 bezeichnet. |
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Ein nationales (US-amerikanisches) Klassifikations-System findet sich im "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen, abgekürzt als DSM IV). Seit 1996 existiert eine deutsche Publikation des DSM 4 ([[DSM-IV]]). |
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In Abhängigkeit vom Verlauf kann bei frühzeitigem Erkennen der Störung durch eine Behandlung eine Stabilisierung erzielt werden. Neben dem Einsatz von Medikamenten wird als Ergänzung, jedoch nicht als Alternative, Psychotherapie empfohlen.<ref name=":0" /> |
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Typische Symptome finden sich in den Wikipedia-Artikeln über [[Depression]] und [[Manie]]. |
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Bipolare Störungen zählen weltweit zu den Krankheiten, die häufig mit weitreichenden, krankheitsbedingten Einschränkungen der Lebensführung (u. a. Krankheitslast, Komorbidität, erhöhtes Suizidrisiko) verbunden sind.<ref>{{Literatur |Titel=Global, regional, and national burden of 12 mental disorders in 204 countries and territories, 1990–2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019 |Sammelwerk=The Lancet Psychiatry |Band=9 |Nummer=2 |Datum=2022-02 |Seiten=137–150 |Online=https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S2215036621003953 |Abruf=2024-12-27 |DOI=10.1016/S2215-0366(21)00395-3 |PMC=8776563 |PMID=35026139}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Joe Kwun Nam Chan, CoCo Ho Yi Tong, Corine Sau Man Wong, Eric Yu Hai Chen, Wing Chung Chang |Titel=Life expectancy and years of potential life lost in bipolar disorder: systematic review and meta-analysis |Sammelwerk=The British Journal of Psychiatry |Band=221 |Nummer=3 |Datum=2022-09 |ISSN=0007-1250 |Seiten=567–576 |Online=https://www.cambridge.org/core/product/identifier/S0007125022000198/type/journal_article |Abruf=2024-12-27 |DOI=10.1192/bjp.2022.19}}</ref> |
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== Bezeichnungen == |
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Früher wurde für bipolare Störungen auch der Begriff "'''manisch-depressive Erkrankung'''" oder (von dem Psychiater [[Emil Kraepelin]]) gar "manisch-depressives Irresein" verwendet. Umgangssprachlich wird sie mitunter als "manische Depression" bezeichnet, was missverständlich ist. Auch die Bezeichnungen "''manisch-depressive Erkrankungen''" oder "''manisch-depressive Krankheit''" sind heute als Synonyme gebräuchlich und werden in der Öffentlichkeit in der Regel besser verstanden. |
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Ein unter Ärzten und Behörden mitunter als Synonym für die bipolare Störung verwendeter Begriff ist '''bipolare Psychose''' oder '''affektive Psychose'''. Meist wird er aber nur dann verwendet, wenn psychotische Symptome vorliegen. |
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<!-- Da obige Aussage ein wenig uneindeutig ist, hier zum Vergleich die bisherige Fassung, die im Dezember 2024 von Benutzer:Marinowa mit dem Hinweis auf veraltete Angaben entfernt wurde: |
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Der Begriff "[[Psychose]]" wird in der Fachwelt unterschiedlich verwendet: Einige subsumieren nur "[[Wahn]]" darunter, andere verwenden den Begriff für gravierende psychische Störungen, zu denen Bipolare Störungen - trotz des vielleicht "harmlos" erscheinenden Wortes "Störung" sicher gehören. |
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" Bipolare Störungen gehören laut der [[Weltgesundheitsorganisation]] zu den zehn Krankheiten, die weltweit am meisten zu Beeinträchtigung führen. Mit BAS geht ein erhöhtes [[Suizid]]risiko einher: Ungefähr 25 % bis 50 % aller Menschen mit bipolarer Störung unternehmen mindestens einen Suizidversuch, in etwa 15 % bis 30 % aller Fälle enden diese tödlich.<ref>{{Literatur |Autor=Robert M. A. Hirschfeld, Lana A. Vornik |Titel=Bipolar disorder--costs and comorbidity |Sammelwerk=The American Journal of Managed Care |Band=11 |Nummer=3 Suppl |Datum=2005-06 |Seiten=S85–90 |Online=http://www.ajmc.com/journals/supplement/2005/2005-06-vol11-n3suppl/jun05-2074ps85-s90?p=2 |PMID=16097719}}</ref> " --> |
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== {{Anker|MD}}Bezeichnungen == |
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==Forschungsgeschichte== |
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Bis vor einigen Jahren wurde die bipolare Störung meist ''manisch-depressive Erkrankung'', ''manisch-depressive Psychose'' oder ''manisch-depressives Irresein'' (vom Psychiater [[Emil Kraepelin]] Ende des 19. Jahrhunderts geprägt) genannt. |
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Bipolare Störungen sind schon seit langem bekannt. Erste Schriftzeugnisse aus der [[Antike]] belegen bereits die Kenntnis der beiden Zustände, zunächst als gesonderte Krankheiten durch [[Hippokrates]] und einige Jahrhunderte danach bereits eine Erkenntnis der Zusammengehörigkeit von [[Depression]] und [[Manie]] durch [[Aretaios|Aretaeus von Kappadokien]]. |
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Die Bezeichnungen ''manisch-depressive Erkrankungen'' oder ''manisch-depressive Krankheit'' sind als Synonyme gebräuchlich. Sie legen allerdings nahe, es handle sich um eine vorübergehende und heilbare Veränderung, was wiederum missverständlich ist. Ein unter Ärzten und Behörden oft verbreiteter Ausdruck für die bipolare Störung ist ''bipolare Psychose'' oder ''affektive Psychose''. Das Wort ''[[Psychose]]'' wird in der Fachwelt unterschiedlich verwendet: Einige subsumieren nur ''[[Wahn]]'' darunter, andere verwenden den Begriff für alle gravierenden psychischen Störungen (zu denen bipolare Störungen sicher gehören). |
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Hippokrates von [[Kos]] beschrieb im 5. Jahrhundert vor Christi Geburt die [[Melancholie]] (entspricht der heutigen "Depression"). Er nahm an, dass sie durch einen Überschuss an "schwarzer Galle" entstehe, die von der organisch erkrankten [[Milz]] ins Blut ausgeschieden werde, den gesamten Körper überflute, ins Gehirn eindringe und Schwermut verursache. Mit dieser Vorstellung ist der [[griechisch]]e Begriff "Melancholia" eng verzahnt (griechisch: μελαγχολια von μελας, melas, "schwarz", + χολη, cholé, "[[Galle]]"). Hippokrates verwendete auch bereits den Begriff "Mania" (Manie), um einen Zustand der [[Ekstase]] und Raserei zu beschreiben. Dieser griechische Begriff ([[Griechische Sprache|griech.]] μανία manía = Raserei) hielt sich seitdem bis heute in der Wissenschaft. Statt des griechischen Wortes "Melancholie" wird heute der Fachbegriff "Depression" für den anderen Extrempol dieser Erkrankung verwendet, der aus der [[lateinisch]]en Sprache stammt (lat. ''depressio'' „Niederdrücken“). |
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Eine weitere früher genutzte Bezeichnung ist ''Zyklophrenie''.<ref>[[Roche Lexikon Medizin]], 5. Auflage. Online bei [https://www.elsevier-data.de/rochelexikon5a/ro22500/r23620.000.html Elsevier], abgerufen am 8. Februar 2022.</ref> |
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Der griechische Arzt Aretaeus von Kappadokien vermutete ähnliche körperliche Ursachen, erkannte aber bereits im 1. Jahrhundert nach Christus eine Zusammengehörigkeit der beiden extremen Zustände, die als Gegenpole so weit auseinander liegen und beschrieb somit als erster die bipolare Störung: ''"Meiner Ansicht nach ist die Melancholie ohne Zweifel Anfang oder sogar Teil der Krankheit, die Manie genannt wird ... Die Entwicklung einer Manie ist vielmehr eine Zunahme der Krankheit als ein Wechsel in eine andere Krankheit."''{{Ref|WormerGeschichte}} |
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Die Bezeichnung ''Bipolare Störung'' hat ihren Ursprung in der Unterscheidung von [[Karl Kleist (Mediziner)|Karl Kleist]] – seit 1911 – zwischen unipolaren und bipolaren Stimmungsstörungen (Affektstörungen). „Bi-“ ist eine Vorsilbe lateinischen Ursprungs mit der Bedeutung „zwei“, unter „Pol“ versteht man eines von zwei (äußersten) Enden. Das eine Ende wird hierbei als das extreme Gegenteil des anderen betrachtet (siehe Abschnitt [[#Forschungsgeschichte|Forschungsgeschichte]]). |
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Während des [[Mittelalter]]s geriet dieses rationale Konzept in Vergessenheit, ebenso die Ursachensuche auf körperlich bedingte Faktoren. [[Dämon]]en und [[Hexe]]n galten nun als Ursache der Erkrankung, und nicht wenige derer, die der Hexerei bezichtigt waren, fielen diesem "Irrsinn" der "normalen" Bevölkerung und Instanzen zum Opfer. Auch Betroffene wurden als "Besessene" verteufelt, verfolgt und umgebracht. |
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== Beschreibung == |
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Das wesentlich "modernere" und aufgeklärtere Konzept des Aretaeus von Kappadokien, der wie Hippokrates von körperlichen Ursachen ausging, griffen erst französische Forscher wieder auf. [[Jean-Pierre Falret]] beschrieb im Jahr 1851 "la folie circulaire" (= zirkuläres Irresein) als einen Wechsel von Depressionen, Manien und einem gesunden Intervall, [[Jules Baillarger]] drei Jahre später sein Konzept der "folie à double forme" als unterschiedliche Erscheinungsformen der selben Krankheit, wobei nicht unbedingt ein freies Intervall zwischen diesen beiden Extremzuständen liegen muss.{{Ref|WormerGeschichte 1}} |
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Die bipolare affektive Störung ist durch einen episodischen Verlauf mit depressiven, manischen, hypomanischen oder [[#gemischte Episode|gemischten Episoden]] gekennzeichnet: |
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* [[Depression|Depressive Phasen]] zeichnen sich durch überdurchschnittlich gedrückte Stimmung und verminderten Antrieb aus. Bei starken Depressionen kann es zu [[Suizid]]gedanken kommen. |
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* Eine [[Manie|manische]] Episode ist durch gesteigerten Antrieb und Rastlosigkeit gekennzeichnet, was oft mit inadäquat überschwänglicher oder gereizter Stimmung einhergeht. Dabei ist die Fähigkeit zur Wahrnehmung der Realität mitunter stark eingeschränkt, und die Betroffenen können plötzlich völlig irrational agieren. Die Handlungen anderer Menschen können als Aggression wahrgenommen werden und die Betroffenen können selber aggressiv sein.<ref name="juf" /><ref>Spezielle Informationen für Angehörige in der Manie - [https://dgbs.de/bipolare-stoerung/in-der-manie/aggressivitaet ''Aggressivität''], Deutsche Gesellschaft für bipolare Störungen e. V. In: dgbs.de</ref> |
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* Unter einer [[Hypomanie]] versteht man eine nicht stark ausgeprägte Manie, typischerweise ohne gravierende soziale Konsequenzen. Eine Hypomanie liegt jedoch bereits deutlich über einem normalen Aktivitäts- und/oder Stimmungsausschlag. |
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* Eine [[#gemischte Episode|gemischte Episode]] ist gekennzeichnet durch gleichzeitiges oder rasch wechselndes Auftreten von Symptomen der Manie und der Depression. Beispielsweise trifft ein verstärkter Antrieb mit einer gedrückten Grundstimmung zusammen.<ref>[http://www.aerztezeitung.at/fileadmin/PDF/2013_Verlinkungen/State_Bipolare_Stoerungen.pdf Österreichische Ärztezeitung 5/2013, S. 31 – PDF, 5,9 MB]</ref> |
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Meist beginnt eine bipolare Störung in der [[Adoleszenz]] oder dem frühen Erwachsenenalter. Oftmals wird sie sowohl von Betroffenen als auch von Medizinern erst viele Jahre nach Ausbruch erkannt. Häufig hat also bereits eine lange Leidenszeit bestanden, bevor eine Behandlung beginnt. |
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Der deutsche Psychiater Emil Kraepelin nannte 1899 diese Erkrankung des "circulären Irreseins" auch "manisch-depressives Irresein", wobei er auch schon Mischzustände erkannte, bei denen manische und depressive Symptome gleichzeitig vorkommen. Auch für Kraepelin waren Manien und Depressionen Ausdrucksformen ein- und derselben Krankheit{{Ref|WaldenGrunze1}}. |
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Da die Symptome starke Auswirkungen auf Entscheidungen und Beziehungen haben, können zum Zeitpunkt der Diagnose die Lebenswege schon erheblich durch sie beeinflusst sein, zumal sie meist in jungen Jahren beginnen, in denen die Persönlichkeit noch nicht gefestigt ist. Häufig kommt es zu Problemen in der Ausbildung, im Arbeits- und Familienleben oder zu jähen Wechseln im Lebenslauf. Ist die Störung erkannt, können die Auswirkungen mit einer dementsprechenden Behandlung durch Spezialisten möglicherweise gemildert werden. |
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In der [[NS-Zeit]] machten sich die Psychiater zu Helfershelfern des Nazi-Rassenwahns. Enthusiastisch trugen prominente deutsche Psychiater zur "Vernichtung unwerten Lebens" bei. Nicht wenige stießen diese Entwicklung sogar an und brachten sie vorwärts. Zehntausende geistig behinderter und psychisch kranker Menschen, darunter als "cirkulär Irre" eingestufte bipolar Erkrankte wurden in den Vergasungs-Anstalten der "[[Aktion T4]]" ermordet. Es hieß, man habe ihnen "[[Euthanasie]]" angedeihen lassen, einen "schönen Tod", der für sie "Erlösung" gewesen wäre und man habe den "Volkskörper" von kranken, schwächenden, unwerten Elementen und Erbgut gereinigt. |
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Die bipolare Störung wird oft mit [[Kreativität]] in Verbindung gebracht. Zu den Betroffenen zählen viele erfolgreiche Menschen, oft in künstlerischen Berufen. Der gesteigerte Antrieb in hypomanen sowie manischen Phasen kann für ungewöhnliche und gewagte Projekte begeistern, und Ziele werden oft mit großem Engagement verfolgt. |
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1949 traf [[Karl Kleist]] eine erbbiologische Unterscheidung unipolarer und bipolarer Krankheitsformen und [[1966]] unterschieden [[Jules Angst]] und [[Carlo Perris]] bipolare Erkrankungen und unipolare Depressionen.{{Ref|WormerGeschichte 1}} "[[Bi]]-" ist hierbei eine [[Vorsilbe]] lateinischen Ursprungs mit der Bedeutung "[[zwei]]", unter "[[Pol]]" versteht man eines von zwei (äußersten) [[Ende]]n. Das eine Ende wird hierbei als das extreme [[Gegenteil]] des anderen Endes betrachtet. |
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Weitere Symptome wie ein Gefühl der Irrealität, Hinterfragen, ob Dinge oder Personen real sind sowie soziale Probleme und Empathielosigkeit, können Betroffene in einer manischen Phase belasten. Zusätzlich können zwischenmenschliche Konflikte die Symptomatik weiter verschlechtern.<ref>{{Literatur |Autor=Martin Schäfer, Cindy Eckart, Harald Scherk, Christine Reif-Leonhard, Sarah Kittel-Schneider, Andreas Reif |Titel=Moderne Therapie bipolarer Störungen |Sammelwerk=InFo Neurologie + Psychiatrie |Band=25 |Nummer=3 |Datum=2023-03 |Seiten=40–49 |DOI=10.1007/s15005-023-3190-2}}</ref> |
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==Verlaufsformen== |
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Episoden beider Art treten häufig, aber nicht ausschließlich nach einem belastenden Lebensereignis auf. Nach einigen Phasen der Krankheit können sich innere Rhythmen ausbilden, die auch unabhängig von äußeren Ereignissen wirken. Während mitunter - vor allem wenn schnell erkannt und richtig behandelt - nach der ersten oder den ersten Episoden keine weiteren mehr auftreten, tritt die bipolare Störung bei vielen als eine lebenslange, chronische Erkrankung in Erscheinung. Bei bipolaren Störungen werden die normalen Ausschläge von Depression und Euphorie überschritten, die Gegenpole sind viel extremer. Eine Depression wird als viel schlimmer empfunden als das "Depressiv-Drauf"-Sein, das auch viele gesunde Menschen gelegentlich durchmachen. Eine Manie ist viel stärker als normale Glücksgefühle oder als normale Gereiztheit ("[[Dysphorie]]") und als normaler Antrieb und [[Euphorie]]. |
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Die bipolare Störung ist eine recht häufige Störung: Werden auch leichtere Fälle berücksichtigt, so sind laut einigen Untersuchungen in den Industrieländern drei bis vier Prozent der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens von ihr betroffen. |
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Die Phasen der [[Manie]] äußern sich häufig in starker Aktivität in Beruf und freiwilligem Engagement. Die Auswirkung der Krankheit auf ein Engagement bezieht sich insbesondere auf dessen Umfang sowie die Interpretation des Geleisteten durch den Erkrankten. |
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== Diagnostik == |
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Während einer Manie konzentriert der Betroffene oft seine volle Kapazität auf meist angenehme Teilaspekte seines Lebens, wobei andere [[Aspekt]]e vernachlässigt werden oder völlig ignoriert werden. Nach manchen Deutungen kann hierbei eine Flucht vor der Depression vorliegen. So kann es vorkommen, dass der Betroffene seine gesamte Energie auf sein berufliches oder freiwilliges Engagement, für einen neuen Partner oder auf Sexualität fokussiert, gleichzeitig aber wichtige oder wichtigere Dinge wie z.B. seinen Haushalt oder seinen Beruf oder seine Familie völlig vernachlässigt. Die vermehrte Leistungsbereitschaft kann zunächst auch zu Erfolgen führen. So kann der Erkrankte während einer Manie, mehr noch aber bei einer Hypomanie, bei vorhandener Begabung sehr respektable Leistungen vollbringen. Auch die übersteigerte Geselligkeit und Schlagfertigkeit kann mitunter gut ankommen. |
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Hypomanien werden von Ärzten oft nicht zur Kenntnis genommen, oder sie erfahren in der [[Anamnese]] nichts davon, sodass bipolare Störungen dann nicht angemessen behandelt werden. Aber auch Depressionen werden oft nicht erkannt. Bei etwa 60 % der Patienten wird die Erkrankung nicht erkannt oder fehldiagnostiziert.<ref>{{Internetquelle |url=https://dgbs.de/ |titel=Home ■ DGBS |abruf=2024-05-03}}</ref> |
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Folgende Umstände erschweren eine Diagnose:<ref>Heinz Grunze, Emanuel Severus: {{Webarchiv |url=https://dgbs.de/fileadmin/user_upload/PDFs/DGBS_Materialien/DGBS_Diagnostik_Bipolar.pdf |text=''Bipolare Störungen erkennen. Die Kunst der korrekten Diagnose''. |wayback=20140715131523 |archiv-bot=2023-06-16 15:38:23 InternetArchiveBot}} In: ''Der Neurologe & Psychiater.'' Sonderheft 1/2005.</ref> |
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Der Betroffene kann sich auch in Dinge hineinsteigern, die absolut realitätsfremd sind ([[Wahn]], psychotische Symptome). Dies ist vor allem der Fall, wenn er während der Manie in einen [[Größenwahn]] verfällt ([[Megalomanie]]). Dabei kann ein religiöser Wahn, auch religiöser Größenwahn auftreten. Auch wegen des durch die Manie hervorgerufenen - oder sie auslösenden - teils extremen, Schlafmangels können solche Wahnvorstellungen und auch [[Halluzinationen]] hervorgerufen werden. Eine Manie muss aber nicht zwangsläufig mit psychotischen Symptomen im Sinne von Wahnvorstellungen verbunden sein. |
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* 30 % [[#Mischzustand|Mischzustand]]: Lediglich knapp die Hälfte aller Manien ist entgegen weit verbreiteter Ansicht und Darstellung durch [[Euphorie]] gekennzeichnet. Oft gehen gleichzeitig depressive Symptome damit einher, die letztlich (zu 40 %) in einen Mischzustand münden können. Wenn diese Mischsymptomatik nicht als solche erkannt wird, kommt es zu Fehldiagnosen. |
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* Verbreitete Beschreibungen nennen finanziellen Ruin, Bedenkenlosigkeit bei Trennungen und Wahn bei Manien als typische Elemente, sodass Manien, die diese Phänomene nicht aufweisen, nicht als solche wahrgenommen werden. |
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* In der Manie kommt es vielfach zu exzessivem Alkohol- oder Drogenkonsum, so dass eine bipolare Störung vorschnell als Alkohol- oder Drogenabhängigkeit eingeordnet wird. |
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* Wenn Suchtkrankheiten als [[Komorbidität]] vorkommen, besteht eine erhöhte Gefahr, dass die Grunderkrankung verschleiert wird. |
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* Depression: Eine ''rezidivierende unipolare Depression'' ist die häufigste Fehldiagnose bei bipolaren Störungen. Dies kommt daher, dass hypomane Phasen meist nicht als solche erkannt, berichtet oder erfragt werden. |
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* ADHS: Nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch im höheren Alter ist die Abgrenzung zum ''Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom'' ([[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung|ADHS]]) manchmal schwierig. |
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* Schizophrenie: Psychotische Symptome, die bei schweren Manien auf deren Höhepunkt vorkommen können, führen oft zur Fehldiagnose einer [[Schizophrenie]] oder einer [[Schizoaffektive Störung|schizoaffektiven Störung]]. |
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* Die bipolare Störung ist mit [[quantitativ]]en diagnostischen Methoden ([[Bildgebendes Verfahren (Medizin)|bildgebenden Verfahren]], [[Elektrodiagnostik]], [[Labordiagnostik]]) nicht zu erkennen. Die Diagnose erfolgt qualitativ anhand subjektiver Symptome und Verhaltensweisen, was die [[Differentialdiagnostik]] erschwert und das [[Simulant]]entum begünstigt. |
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Heute werden bipolare Erkrankungen nach den Vorgaben der [[Weltgesundheitsorganisation]] ([[ICD-10]]) oder der [[American Psychiatric Association|Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft]] ([[DSM-5]]) diagnostiziert. Bei ICD-10 und DSM-5 handelt es sich um Diagnosekataloge mit genauen Kriterien, welche die [[Symptom]]e und andere Bedingungen (z. B. Anhalten der Symptome über einen definierten Zeitraum) beschreiben, die für eine Diagnose erfüllt sein müssen. |
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Häufig treten auch Mischzustände auf (bis zu 40 % der Phasen), dabei ist die Grundstimmung nicht euphorischer, sondern eher depressiver oder angespannter Natur. Gleichzeitig ist ein erhöhter Tatendrang vorhanden. Depressive Gedanken können dann in die Tat umgesetzt werden, so dass das [[Suizid]]risiko in diesen Zuständen wesentlich höher ist als in der reinen Depression, in der alles gelähmt wird. Die Depression verkehrt alle Aspekte der Manie ins Gegenteil und zwingt den Betroffenen zu [[Apathie]] und Lustlosigkeit. Bei dieser Erkrankungsphase höchsten Leidens erscheint sehr oft der Tod als besserer Zustand. Auch beschämen dann oft Dinge, die man in der Manie gemacht hat (oft wahllose Affären, unüberlegte schädigende Geldausgaben, zu deutliche Worte z.B. gegenüber dem Arbeitgeber, Chaos, fehlende Rücksicht auf Beziehungen, u.s.w.). |
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=== Nach ICD === |
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Das erstmalige Auftreten der Krankheit kann in jedem Alter geschehen. Häufigkeit und Dauer der einzelnen Phasen sind sehr unterschiedlich. Generell lässt sich jedoch sagen, dass manische Phasen in der Regel etwas kürzer dauern als depressive Episoden, dass die Intervalle zwischen den Phasen im Lauf der Zeit kürzer werden und dass mit zunehmendem Lebensalter häufiger depressive Phasen auftreten und diese länger andauern. |
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In der [[ICD-10]], der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, die derzeit im deutschen Gesundheitswesen verwendet wird, werden die verschiedenen Formen der bipolaren affektiven Störung unter dem Schlüssel F31.- kodiert. Dabei wird zwischen neun verschiedenen Ausprägungen unterschieden.<ref>[https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2019/block-f30-f39.htm#F31 Klassifikation der Bipolaren Störung in der ICD-10 (Version 2019)]</ref> |
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In der nachfolgenden [[ICD-11]] werden Bipolare Störungen unter der Codierung ''ICD-11 6A6'' geführt: Eine weitere Unterteilung in Bipolar-I-Störung und Bipolar-II-Störung je nach Ausprägungsgrad wurde auch in der ICD-11 beibehalten. Allein Typ-I (''6A60 Bipolar-I-Störung'') umfasst 17 mögliche Ausprägungen.<ref>Elze, Sandra; Elze Michael (2021): Bipolare Störungen: ICD-11. Online verfügbar unter: [https://xn--depressive-strungen-26b.info/bipolare-stoerungen-icd-11 https://xn--depressive-strungen-26b.info/bipolare-stoerungen-icd-11, letzte Aktualisierung am 3. Januar 2021, abgerufen am 4. März 2021.]</ref> |
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Bei bipolaren Störungen werden Erkrankungsformen unterschieden, die mit "Bipolar I", "Bipolar II" oder "Zyklothymie" klassifiziert werden. "Bipolar I" nennt man eine bipolare Krankheit, bei der mindestens eine voll ausgeprägte Manie vorkommt oder vorgekommen ist. "Bipolar II" charakterisiert eine Erkrankungsform, die mit Hypomanien und - oft schweren - Depressionen einhergeht. "Zyklothymie" ist eine in den Ausschlägen schwächere Verlaufsform, die allerdings immer noch deutlich über den normalen Schwankungen liegt ("himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt"). Bei so genannten [[rezidiv]]ierenden Depressionen, das sind Depressionen, die - nach einem Zwischenzustand des Normalen - immer wieder kommen, steckt meist bei näherem Hinsehen eine "Bipolar II"-Störung dahinter. Die Hypomanien nehmen Ärzte oft nicht zur Kenntnis, oder sie erfahren in der meist kurzen [[Anamnese]] nichts davon, so dass Bipolare Störungen dann nicht angemessen behandelt werden. Oft genug werden nicht einmal Depressionen erkannt. Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch unter Ärzten sind die Symptome manisch-depressiver Krankheiten immer noch sehr wenig bekannt, obwohl viele - in Deutschland mindestens 2 Millionen Menschen - von bipolaren Störungen betroffen sind. |
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=== Nach DSM-5 === |
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Die Dauer der einzelnen manischen, depressiven, hypomanischen oder gemischten Phasen ist sehr unterschiedlich. Sie kann Wochen, Monate umfassen, auch länger als ein Jahr gehen. Je nach der Häufigkeit der Stimmungsumschwünge unterscheidet man neben der normalen Verlaufsform das so genannte Rapid Cycling (mindestens vier Stimmungsumschwünge im Jahr), Ultra Rapid Cycling (Stimmungsumschwünge innerhalb von wenigen Tagen) und Ultra Ultra Rapid Cycling (Umschwünge innerhalb von wenigen Stunden). Das Selbstmord-Risiko ist bei "Rapid Cycling" besonders hoch und die Prognose besonders schlecht. |
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Die folgenden Kriterien stammen aus der vierten Version des ''[[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders]]'' (einem viel verwendeten US-amerikanischen Klassifikationssystem, abgekürzt als DSM-IV).<ref>{{Webarchiv |url=http://www.dsmivtr.org/ |text=Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV) |wayback=20080517004926}}.</ref> Wesentliche Veränderungen im [[DSM-5]] von 2013 sind ein eigenes separates Kapitel (''Bipolare und verwandte Störungen'') und die Abschaffung der Kategorie ''[[#gemischte Phase|Gemischte Phase]]''. Stattdessen können nun gemischte Merkmale (gleichzeitiges Auftreten hypomanischer, depressiver oder manischer Symptome) im Rahmen ''Bipolarer'' und ''Depressiver Störungen'' als Zusatzkodierung vergeben werden.<ref>{{Literatur |Autor=E. Severus, M. Bauer |Titel=Bipolare Störungen im DSM-5 |Sammelwerk=Der Nervenarzt |Band=85 |Nummer=5 |Datum=2014 |Seiten=543–547 |DOI=10.1007/s00115-013-3987-1}}</ref> |
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==== Manische Episode ==== |
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An bipolaren Störungen Leidende haben generell ein um ein Vielfaches erhöhtes [[Suizid|Selbsttötungsrisiko]]. 15 bis 30 % begehen Selbsttötung. Das ist ein Durchschnittswert. In manchen Gegenden - wie für Schottland nachgewiesen - ist die Selbsttötungsrate 23mal höher als im Bevölkerungsdurchschnitt, und in manchem Lebensabschnitt - beispielsweise im Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nach der Erstmanifestation - ereignen sich besonders viel Suizide.{{Ref|WaldenGrunze2}} |
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A. Eine ausgeprägte Periode abnormer und ständiger gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die über eine Woche dauert (oder Krankenhausaufenthalt). |
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B. Während der Periode der Stimmungsstörung halten drei (oder mehr) der folgenden Symptome bis zu einem bedeutsamen Grad beharrlich an: |
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Besonders riskant sind Depressionen, bei denen die Lähmung des Antriebs noch nicht da ist oder bereits wieder etwas verbessert ist, so dass die Selbsttötung umgesetzt werden kann. Auch gemischte Phasen (Mischzustände), bei denen in quälender Weise manische und depressive Symptome zugleich auftreten, bergen infolge der dysphorischen bzw. verzweifelten Stimmung und des enorm hohen Antriebsniveaus ein Selbsttötungs-Risiko. Ein weiterer Grund kann sich sogar bei klarer Überlegung zwischen den Phasen halten: Viele Experten halten die Depression für die Krankheit, bei der man am meisten leidet. Bipolare mit ungünstiger Prognose und vielen Phasen zuvor wissen darum, dass wieder und wieder Depressionen kommen werden. |
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# übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn |
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# verringertes Schlafbedürfnis (z. B. Erholungsgefühl nach nur drei Stunden Schlaf) |
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# gesprächiger als üblich oder Drang zum Reden |
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# Ideenflucht oder subjektives Gefühl, dass die Gedanken rasen |
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# Zerstreutheit (Aufmerksamkeit wird zu leicht auf unwichtige oder belanglose externe Reize gezogen) |
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# Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, am Arbeitsplatz oder in der Schule oder sexuell) oder psychomotorische Unruhe |
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# exzessive Beschäftigung mit angenehmen Tätigkeiten, die höchstwahrscheinlich negative Folgen hat (z. B. ungehemmter Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten oder unvernünftige geschäftliche Investitionen) |
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C. Die Symptome werden nicht besser durch die Kriterien der [[#gemischte Episode|gemischten Episode]] beschrieben. |
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D. Die Stimmungsstörung ist hinlänglich schwer, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in beruflichen Aufgabengebieten oder unübliche soziale Aktivitäten oder Beziehungen mit anderen zu bewirken, oder sie erfordern einen Krankenhausaufenthalt, um Selbst- oder Fremdschädigung zu verhindern, oder es gibt andere psychotische Merkmale. |
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==Ursachen== |
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Die Ursachen-Forschung für manisch-depressive Erkrankungen steht erst am Anfang. Die Gründe für die Entstehung der Krankheit sind demzufolge noch weitgehend unklar. Dennoch verdichten sich Hinweise auf folgende Faktoren: |
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E. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. [[Abhängigkeitssyndrom|Drogenkonsum]], Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. [[Hyperthyreose|Überfunktion der Schilddrüse]]) verursacht. |
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Bipolare Störungen kommen in Familien gehäuft vor. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Verwandte ersten Grades von Menschen mit einer Bipolar-I-Störung ebenfalls daran erkranken, ist gegenüber der normalen Bevölkerung siebenfach erhöht. Deren Risiko, an irgend einer Form von Gemütsleiden - an einer affektiven Störung also - zu erkranken, ist sogar um das 15- bis 20fache erhöht.{{Ref|wahrscheinlicheUrsachen}}Bei [[Zwillinge|eineiigen Zwillingen]] - sie sind genetisch völlig identisch - ist bei 60 Prozent der Fälle der zweite Zwilling ebenfalls von der bipolaren Störung betroffen, falls der erste erkrankt ist. Allerdings wird daraus auch deutlich, dass trotz 100prozentig gleichen Erbguts keine 100prozentige Übereinstimmung bei der Krankheit besteht.{{Ref|wahrscheinlicheUrsachen}} |
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==== Schwere depressive Episode ==== |
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Dies weist darauf hin, dass [[Genetik|genetisch]]e Faktoren eine wichtige Rolle bei den Ursachen, bei der Krankheitsentstehung spielen, dass aber auf der anderen Seite bei dieser Krankheit das Erbgut nicht die einzige Rolle spielt. Unterschiedliche Faktoren aus der Umwelt, die in der Lebensgeschichte wirken, wie [[Trauma (Psychologie)|traumatisch]]e Ereignisse (Trennungen, [[Mobbing]] und [[Bossing]], Verlust des Arbeitsplatzes, Vertreibung und Verfolgung), sind hier von Bedeutung. Ebenso verheerend wirkt sich auch sonstiger [[Stress]] aus (hierbei sind Bipolare viel verletzlicher als Nichtbetroffene, so kann sogar Wohnungswechsel Phasen auslösen), vor allem auch [[psychosozial]]er Stress, [[Konflikt]]e in der Partnerschaft, in Familie und Beruf (auch hier sind Betroffene viel mehr gefährdet). |
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A. Fünf (oder mehr) der folgenden Symptome sind während einer Zwei-Wochen-Periode vorhanden und bedeuten eine Änderung des bisherigen Verhaltens, Gefühlslebens oder der Leistungsfähigkeit, wobei mindestens eines der Symptome eine depressive Verstimmung oder der Verlust von Interesse und Freude ist: |
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# depressive Stimmung fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag, angezeigt entweder durch subjektiven Bericht (fühlt sich z. B. traurig oder leer) oder durch Beobachtung anderer (erscheint z. B. weinerlich). Anmerkung: Bei Kindern und Heranwachsenden kann eine gereizte Stimmung vorliegen; |
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# deutlich vermindertes Interesse oder Freude bei allen oder beinahe allen Aktivitäten fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag (wird entweder durch eigenen Bericht oder Beobachtungen anderer festgestellt); |
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# erheblicher Gewichtsverlust ohne Diät oder aber Gewichtszunahme (z. B. eine Veränderung des Körpergewichts um mehr als fünf Prozent in einem Monat) oder Ab- oder Zunahme des Appetits beinahe jeden Tag; |
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# Schlaflosigkeit oder übersteigertes Schlafbedürfnis beinahe jeden Tag; |
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# psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung fast jeden Tag (beobachtet durch andere, nicht nur subjektive Gefühle der Ruhelosigkeit oder der Erschöpfung); |
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# Erschöpfung oder Verlust der Energie beinahe jeden Tag; |
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# Gefühl der Wertlosigkeit oder ausgeprägte und unangemessene Schuldgefühle (die auch wahnhaft sein können) beinahe jeden Tag (nicht nur Selbstvorwurf oder Schuldgefühle, weil man krank ist); |
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# verminderte Fähigkeit zu denken oder sich zu konzentrieren, oder Entscheidungsunfähigkeit beinahe jeden Tag (entweder durch subjektiven Bericht oder Beobachtung anderer festgestellt); |
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# wiederkehrende Todesgedanken (nicht nur Furcht zu sterben), wiederkehrende Suizidgedanken ohne spezifischen Plan oder ein Suizidversuch oder die konkrete Planung eines Suizids. |
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B. Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien für eine [[#gemischte Episode|gemischte Episode]]. |
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Diskutiert wird auch eine Schwächung des Selbstwertgefühls, bei der eine tragende Säule des gesunden Zustandes wegfällt (Stavros Mentzos). Eine große Rolle bei auslösenden Faktoren spielt ein unregelmäßiger Tag-/Nacht-Rhythmus z. B. durch Schichtarbeit oder Lebenswandel, Schlafmangel, Überarbeitung, [[Alkohol]] - und sonstiger [[Drogen]]missbrauch. Schlussendlich können jegliche Veränderungen phasenauslösend wirken. Bis zu 75% der Betroffenen berichten im reflektierenden Rückblick, dass sie unmittelbar vor der ersten spürbaren Krankheitsepisode intensiven Stress hatten. Stress allerdings, der bei nicht vulnerablen (solcherart verletzlichen, von [[Vulnerabilität]] betroffenen) Menschen keine manische oder depressive Episode ausgelöst hätte, da sie Stress besser körperlich verarbeiten.{{Ref|wahrscheinlicheUrsachen 4}} |
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C. Die Symptome verursachen klinisch bedeutsames Leiden oder eine Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Aufgabengebieten. |
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Spätere Krankheits-Phasen können immer weniger mit stressenden Ereignissen erklärt werden, bzw. minimaler Stress kann sie bereits auslösen. |
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D. Die Symptome beruhen nicht auf einem direkten physiologischen Effekt einer Substanz (z. B. einem Drogenkonsum, einer Medikation) oder einer generellen medizinischen Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse). |
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Bipolare Erkrankungen sind also keine klassische, reine [[Erbkrankheit]], die etwa gemäß der [[Mendelsche Regeln|Mendelschen Regeln]] [[dominant]] oder [[rezessiv]] vererbt würde. |
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Dennoch tragen nach heutigem Wissensstand verschiedene [[Gen]]e zum Erkrankungsrisiko bei. So wurden bei manisch-depressiven Veränderungen vor allem auf den [[Chromosom]]en 18, 4 und 21 festgestellt{{Ref|möglicheUrsachen}}. So z.B. an einem Gen, das auf Wirkungen von Stress auf das [[Nervensystem]] Einfluss ausübt. Auch genetische Codierungen für das episodenhafte Denken können betroffen sein. Weiter ist ein Gen wirksam, das für Stoffe zur Ausbildung von [[Nerv]]enscheiden und auch bei Veränderungen in der [[Pubertät]] verantwortlich ist. Gene für [[Monoaminoxidase]] (MAO), für [[Serotonin]]-Transport, für den Aufbau des [[Noradrenalin]]-[[Stoffwechsel]]s sind ebenfalls betroffen.{{Note|genetische Aspekte}} Die [[Transmitter]]stoffe, die in [[Synapse]]n zwischen den [[Nervenzelle]]n bei der Informations-Übermittlung hemmend oder verstärkend wirken, zeigen bei Bipolaren mengenmäßige Abweichungen von dem Zustand bei Nichtbetroffenen. Besonders die Transmitter, die chemischen Überträgerstoffe [[Serotonin]], [[Dopamin]] und [[Noradrenalin]] sind hier zu nennen. Auch der Stresshormon-Gehalt im Blut Erkrankter scheint erhöht zu sein ([[Cortisol]], [[Adrenalin]], Noradrenalin). |
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E. Die Symptome werden nicht besser durch Trauer erklärt, z. B. über den Verlust einer geliebten Person. Oder: Die Symptome dauern länger als zwei Monate an oder sind gekennzeichnet durch eine ausgeprägte funktionale Beeinträchtigung, krankhafte Beschäftigung mit Wertlosigkeit, Suizidgedanken, durch psychotische Symptome oder psychomotorische Verlangsamung. |
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Jedes einzelne Gen bzw. jeder einzelne genetische Defekt hat hierbei nur einen relativ geringen Effekt. Solche Anlagenträger sind recht verbreitet. Kommen allerdings viele solcherart wirkende Gene bei einer Person zusammen, so hat sie eine große [[Disposition]], bei auslösenden Faktoren im Laufe des Lebens an der bipolaren Störung zu erkranken.{{Ref|genetischeAspekte}} |
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==== Hypomanische Episode ==== |
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Die Entstehung einer bipolaren Störung ist höchstwahrscheinlich multifaktoriell bedingt. Sowohl genetische Faktoren als auch psychosoziale Auslöser dürften eine Rolle spielen, d. h. das Erbgut gibt vor und die Umgebung hat weiteren Einfluss. |
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A. Eine mindestens vier Tage andauernde, ausgeprägte Periode ständig gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die eindeutig verschieden von der üblichen nichtdepressiven Stimmung ist. |
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B. Während der Phase der Stimmungsstörung sind drei (oder mehr) der folgenden Symptome (vier, wenn die Stimmung nur gereizt ist) bis zu einem bestimmten Grad ständig vorhanden: |
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Die Ursachen sind noch nicht genau bekannt und erklärt, man weiß bei den einzelnen Medikamenten nicht, weshalb sie wirken bzw. weshalb sie oft erst nach Wochen wirken und bei einem recht hohen Prozentsatz gar nicht. Hingegen weiß man gut, was Erkrankten gut tut und was sie meiden sollen. Es ist viel Wissen vorhanden über Manien vermeidendes Verhalten im Vorfeld und über antidepressives Verhalten, Kriterien für den Schweregrad liegen vor, und Wissen um Phasenprophylaxe, das in Therapien und Psychoedukation umgesetzt werden kann. |
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# überhöhtes Selbstwertgefühl oder Größenwahn |
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Hochfrequentes "rapid cycling", das bei Schwerstkranken vorliegt, ist sehr schwierig zu behandeln und man weiß noch kaum, wie der schlechten Prognose abgeholfen werden kann. |
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# vermindertes Schlafbedürfnis (z. B. Erholungsgefühl nach nur drei oder weniger Stunden Schlaf) |
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In den letzten Jahren hat man sich intensiv der Erforschung und der Öffentlichkeitsarbeit zugewandt, so dass weitere Erkenntnisse zu erwarten sind. |
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# gesprächiger als üblich oder Rededrang |
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# Ideenflucht oder subjektive Erfahrung des Gedankenrasens |
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# Zerstreutheit (das bedeutet Fokussierung auf unwichtige oder unerhebliche externe Reize) |
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# Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, beruflich oder [[Hypersexualität|sexuell]]) oder [[Psychomotorik|psychomotorische]] [[Agitation (Medizin)|Agitation]] |
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# Beschäftigung mit angenehmen oder lustvollen Aktivitäten, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit negative psycho-soziale oder physische Konsequenzen haben (z. B. [[Kaufrausch]], sexuelle Indiskretionen oder leichtsinnige geschäftliche Investitionen) |
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C. Die Episode wird begleitet von Veränderungen der Leistungsfähigkeit oder des Verhaltens, die für die Person in symptomfreien Phasen uncharakteristisch ist. |
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==Behandlung== |
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Eine angemessene medikamentöse Behandlung erfolgt in der Regel mit Stimmungsstabilisierern. Bei akuten Manien oder dem Vorherrschen starker Manien werden oft atypische [[Neuroleptika]] verabreicht. [[Antidepressivum|Antidepressiva]] werden bei akuten Depressionen oder bei rasch wiederkehrendem (rezidivierendem) Erscheinen vieler Depressionen empfohlen. Eine vorbeugende Behandlung der bipolaren Störung geschieht mit Stimmungsstabilisierern wie [[Lithium]] oder [[Antikonvulsivum|Antiepileptika]] wie [[Carbamazepin]], [[Valproinsäure]] oder [[Lamotrigin]]. Neuerdings ist auch das Neuroleptikum Olanzapin als Phasenprophylaxe zugelassen. Die genauen Wirkungsweisen, insbesondere die des Lithiums, in Form von [[Lithiumcarbonat]] eingenommen, sind bisher noch ungeklärt. |
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D. Die Stimmungsstörung und der Wechsel des Auftretens werden durch Andere beobachtet. |
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Bei vielen Antidepressiva kann es bei Betroffenen zu einem Umschlagen in die Manie oder Hypomanie kommen ("Switch", "Switch-Risiko"); deswegen sind nicht alle Antidepressiva bei Bipolaren gleichermaßen geeignet. |
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E. Die Episode ist nicht schwer genug, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in sozialen oder beruflichen Aufgabenbereichen zu verursachen oder einen Krankenhausaufenthalt zu erfordern, und es gibt keine psychotischen Merkmale. |
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Viele dieser Medikamente haben Nebenwirkungen, die den Betroffenen weitere Probleme bereiten können, wie z.B. Gewichtszunahme. Auch wirken nicht alle Medikamente bei jedem. Es kann sehr belastend sein, wenn erst viele Medikamente durchprobiert werden müssen, bis endlich ein geeignetes gefunden ist, zumal diese Medikamente meist erst nach einiger Zeit Wirkung zeigen und so lange abgewartet werden muss. Auch dies weist darauf hin, dass noch nicht genau bekannt ist, warum bei einer Person manche Medikamente wirken und manche nicht, und warum sie meist erst nach einiger Zeit wirken. |
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F. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenkonsum, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht. |
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Sinnvoll ist auch eine auf die Krankheit abgestimmte kognitive [[Verhaltenstherapie]] ([[Psychotherapie]]) oder [[Soziotherapie]] oder [[Psychoedukation]]. Empfehlenswert sind außerdem [[Selbsthilfegruppe]]n, wie sie sich etwa im "Bipolar-Netzwerk" zusammengeschlossen haben. |
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Anmerkung: Hypomaniegleiche Episoden, die eindeutig durch somatische antidepressive Behandlung verursacht sind (Medikamente, Elektroschocktherapie, Lichttherapie), sollten nicht einer Diagnose ''Bipolare II Störung'' zugerechnet werden. |
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Neben der regelmäßigen Medikamenten-Einnahme hat sich ein Erkennen der persönlichen Frühwarnzeichen der depressiven, manischen oder gemischten Phasen bewährt und ein rechtzeitiges Gegensteuern durch entsprechendes Verhalten (z. B. antidepressive Tätigkeiten bei Gefahr einer Depression; antimanisches Verhalten, wie genügend Schlaf, Beschränkung, Reizabschirmung bei der Gefahr einer Manie). Kann auch eine voll ausgeprägte, schwere Phase dadurch nicht verhindert werden, so gelingt es doch oft, einen schweren Ausbruch im Vorfeld oder beim Beginn einer Krankheits-Episode abzumildern. |
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== Begleiterscheinungen == |
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Neben Stress und Schlafmangel wirken sich auch [[Koffein]], [[Alkohol]] und andere Drogen bei Bipolaren sehr ungünstig aus. Auch hier kann man gegensteuern. Vielen Betroffenen fällt es schwer, einen "Normalzustand" oder "Normalität" als erstrebenswert anzusehen. Doch solch Phasen vorbeugendes Verhalten soll den Höhenflug in die Manie und den Absturz in die Depression verhindern, darin besteht das Ziel. |
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=== Komorbiditäten === |
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Bei Erwachsenen ist Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch mit 2/3 die häufigste [[Komorbidität|Begleiterkrankung]], gefolgt von [[Panikstörung]]en und [[Persönlichkeitsstörung]]en. [[Medikamentenmissbrauch]] tritt vor allem in postmanischen [[#Mischzustand|Mischzuständen]] und den darauf folgenden schweren Depressionen auf. |
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Bipolare Störungen gehen oft mit weiteren psychischen Krankheiten einher. Dabei tritt [[Schizophrenie]] häufiger mit Typ I und schwere Depressionen eher mit Typ II auf.<ref name="Mc1841" /> |
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Eine sehr häufige [[Komorbidität]] (Begleiterkrankung) ist [[Alkoholismus|Alkoholmissbrauch]]. Bei Erwachsenen ist Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch mit 2/3 sogar die häufigste Komorbidität, während bei Heranwachsenden die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ([[ADHS]]) die häufigste Begleiterkrankung mit ebenfalls 2/3 davon Betroffener darstellt, gefolgt von Substanzmittelmissbrauch. [[Panikstörung]]en und Persönlichkeitsstörungen sind weitere häufige Begleiterscheinungen. <br> |
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Koffein wirkt sich ungünstig auf die Schlafdauer aus und fördert Nervosität und Unruhe; Bipolare sind in besonderer Weise anfällig dafür und könnten eine Manie dadurch [[triggern]]. <br> |
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Alkohol wirkt sich - neben der Gefahr einer Abhängigkeit - entgegen populärer Ansichten negativ auf Schlaftiefe und Schlafdauer aus und wirkt enthemmend, was einer antimanischen Prophylaxe entgegensteht. Auf der anderen Seite verstärkt Alkohol Depressivität. |
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[[Schilddrüsenunterfunktion]], die häufig auch durch Lithiumeinnahme induziert wird, erhöht das Risiko für [[#Mischzustand|''rapid cycling'']].<ref>{{cite journal| doi = 10.4061/2011/306367| volume = 2011| pages = 1–13| last = Chakrabarti| first = Subho| title = Thyroid Functions and Bipolar Affective Disorder| journal = Journal of Thyroid Research| access-date = 2024-07-14| date = 2011| url = http://www.hindawi.com/journals/jtr/2011/306367/}}</ref> |
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Aufgrund der mangelnden Krankheitseinsicht der Betroffenen, insbesondere in manischen Episoden oder bei akuter Suizid-Gefahr, muss eine Behandlung in der akuten Krankheitsphase bei Manien oder schweren Depressionen manchmal gegen den Willen der Patienten erfolgen. |
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=== Soziale Effekte === |
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==Häufige Fehldiagnosen== |
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BAS haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das soziale Leben der Erkrankten. |
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Nur der geringste Teil aller bipolar Erkrankten wird derzeit korrekt dignostiziert (Grunze & Severus 2005). Folgende Hürden erschweren eine Diagnose: |
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*Lediglich knapp die Hälfte aller Manien ist entgegen weit verbreiteter Ansicht und Darstellung durch Euphorie ("himmelhoch-jauchzend") gekennzeichnet. Oft gehen zeitgleich depressive Symptome mit einher, die letztlich (zu 40 %!) in einen Mischzustand münden können. Wenn diese Mischsymptomatik nicht als solche erkannt wird, kommt es schnell zu Fehldiagnosen. |
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*Eine "rezidivierende unipolare Depression" ist die häufigste Fehldiagnose bei bipolaren Störungen. Dies kommt daher, weil hypomane Phasen meist nicht als solche erkannt, berichtet oder erfragt werden. |
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*Bei Kindern und Jugendlichen ist die Abgrenzung zur "Attentional Deficit Hyperactivity Disorder" ([[ADHD]]) schwierig. |
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*Psychotische Symptome, die bei schweren Manien auf deren Höhepunkt vorkommen, führen oft zur Fehldiagnose einer [[Schizophrenie]] oder einer [[schizoaffektive Störung|schizoaffektiven Störung]]. |
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*In der Manie kommt es vielfach zu exzessivem Alkohol- oder Drogenkonsum, so dass eine bipolare Störung vorschnell als Alkohol- oder Drogenabhängigkeit eingeordnet wird. |
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*Wenn Suchtkrankheiten als Komorbidität vorkommen, besteht eine erhöhte Gefahr, dass die Grunderkrankung verschleiert wird. |
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*Obwohl die bipolare affektive Störung weit verbreitet und eine sehr ernste Krankheit ist, sind Informationen darüber in der Öffentlichkeit bis jetzt eher selten. Auch Allgemeinmediziner übersehen oft die Anzeichen dieser Krankheit. Für eine lange Anamnese steht ihnen auch meist nicht genügend Zeit zur Verfügung. |
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Erhöhte [[Kreativität]], beruflicher Erfolg und Führung in Organisationen gehen zwar häufig mit der Krankheit einher, jedoch leiden die meisten Betroffenen unter einer beträchtlichen krankheitsbedingten Behinderung, herabgesetzten psychosozialen Funktionen und erhöhten wirtschaftlichen Kosten.<ref>{{cite journal| doi = 10.1016/S0140-6736(20)31544-0| volume = 396| issue = 10265| pages = 1841–1856, S. 1841f| last1 = McIntyre| first1 = Roger S| last2 = Berk| first2 = Michael| last3 = Brietzke| first3 = Elisa| last4 = Goldstein| first4 = Benjamin I| last5 = López-Jaramillo| first5 = Carlos| last6 = Kessing| first6 = Lars Vedel| last7 = Malhi| first7 = Gin S| last8 = Nierenberg| first8 = Andrew A| last9 = Rosenblat| first9 = Joshua D| last10 = Majeed| first10 = Amna| last11 = Vieta| first11 = Eduard| last12 = Vinberg| first12 = Maj| last13 = Young| first13 = Allan H| last14 = Mansur| first14 = Rodrigo B| title = Bipolar disorders| journal = [[The Lancet]]| access-date = 2024-07-07| date = 2020-12| url = https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0140673620315440}}</ref> |
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==Epidemiologie== |
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Die Wahrscheinlichkeit, in seinem Leben an einer bipolaren affektiven Störung zu erkranken (Lebenszeitrisiko), liegt in den unterschiedlichsten Ländern bei 1 - 1,6 %, das ist mindestens jeder Hundertste. Es besteht kein Unterschied des Erkrankungsrisikos zwischen Männern und Frauen. Das Risiko, eine hohe Phasenfrequenz (schneller Wechsel zwischen gehobener und gedrückter Stimmung) zu entwickeln, steigt mit der Dauer der Erkrankung. Etwa 10 % der Betroffenen entwicklen Krankheitsformen mit vier und mehr Episoden pro Jahr. Dies geht mit einer ernsteren Prognose einher. Ersten Untersuchungen zufolge scheinen 80 % der so genannten ''Rapid Cycler'' Frauen zu sein. Etwa ein Drittel der Patienten erreichen im Rahmen ihrer Erkrankung keine Vollremission (symptomfreies Intervall), jeder zweite Patient mit einer bipolaren Störung zeigt im Rahmen einer krisenhaften Veränderung psychotische Symptome. 75 % der Patienten erleiden ihre erste Krankheitsepisode bis zum 25.Lebensjahr. 10 - 15 % der Betroffenen durchleben mehr als 10 Episoden in ihrem Leben. 39 % der Patienten haben eine weitere psychiatrische Diagnose. Die sozioökonomischen Auswirkungen von affektiven Störungen auf die Volkswirtschaft belaufen sich allein in den USA auf 45 Milliarden Dollar (Studie von 1991). Bipolare Störungen gehören laut WHO zu den 10 Krankheiten, die weltweit am meisten zu dauernder Behinderung führen. Laut einer deutschen Erhebung werden bipolar Erkrankte in Deutschland durchschnittlich zwischen dem 46. und dem 46,8. Lebensjahr berentet. Ungefähr 25 - 50 % aller bipolar Erkrankten unternehmen mindestens einen Suizidversuch. Etwa 15 - 30 % der Patienten suizidieren sich. |
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==Kinder und Jugendliche== |
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== Krankheitsphasen == |
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Bis jetzt wird die Häufigkeit des Auftretens einer manisch-depressiven Episode im Kindheits- und Jugendalter mit einem Wert von unter 0,1 % als relativ gering eingeschätzt. Es spricht allerdings einiges dafür, dass dieser Wert die tatsächliche Auftretens-Häufigkeit unterschätzt, da nach Vermutung einiger Psychiater in der kinderpsychiatrischen und psychologischen Praxis Fehlinterpreationen des Beschwerdebildes bei Hypomanie und Manie in Richtung ADHS und Verhaltensstörungen vorkommen. Häufige Komorbiditäten sind Angststörungen und aggressive Verhaltensstörungen. |
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=== Manie (manische Episode) === |
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Besonders jugendliche männliche Erkrankte weisen in 30 % der Fälle stimmungsinkogruente psychotische Merkmale auf. In Bezug auf ADHS überlappen sich viele Symptome. Hinweise auf die bipolare Störung ergeben sich vor allem in episodenhaftem Verlauf, einer signifikant höheren Beinträchtigung, und - im Fall einer Manie - durch Größenideen und Selbstüberschätzung sowie rücksichtsloses Verhalten. Eine genaue Anamnese ist somit unerlässlich. Fehlbehandlung durch Stimulanzien wie Ritalin können solche Symptome für Hypomanien und Manien verstärken. |
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{{Hauptartikel|Manie}} |
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Gegenüber rein unipolar Depressiven besteht bei bipolaren Jugendlichen ein noch mehr erhöhtes Suizidrisiko. |
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Während einer Manie konzentriert der Betroffene oft seine volle Kapazität auf meist angenehme Teilaspekte seines Lebens, wobei andere Aspekte vernachlässigt oder völlig ignoriert werden. So kann es vorkommen, dass der Betroffene seine gesamte Energie auf sein berufliches oder freiwilliges Engagement, für einen neuen Partner oder auf Sexualität fokussiert, gleichzeitig aber wichtige oder wichtigere Dinge wie z. B. seinen Haushalt oder seinen Beruf oder seine Familie völlig vernachlässigt. Die vermehrte Leistungsbereitschaft kann zunächst auch zu Erfolgen führen. So kann der Betroffene während einer Manie, mehr noch aber bei einer Hypomanie, bei vorhandener Begabung beachtliche Leistungen vollbringen. Auch die übersteigerte Geselligkeit und Schlagfertigkeit kann gut ankommen. Der Schlaf reduziert sich jedoch extrem und der Körper wird entsprechend überanstrengt. |
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==Angehörige== |
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Bei stärkeren Ausprägungen kann es zu [[Realitätsverlust]] und [[Wahn]] kommen. Dies ist in postmanischen [[#Mischzustand|Mischzuständen]] häufig der Fall. Die Selbstüberschätzung und die Grandiositätsgefühle während der Manie können in einen [[Wahn|Größenwahn]] ([[Megalomanie]] oder [[Cäsarenwahnsinn]]) umschlagen. Dabei kann ein [[religiöser Wahn]], auch religiöser Größenwahn auftreten. Auch wegen des durch die Manie hervorgerufenen teils extremen Schlafmangels können [[Halluzination]]en hervorgerufen werden. |
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Bipolare sind in ihrem Alltag durch ihre Krankheit starken Beeinträchtigungen und Leiden ausgesetzt. Aber auch Angehörige haben stark zu leiden, ob unter "Fremdgehen" oder finanziellem Ruin, distanzlosem, ruhelosen oder auffälligem Verhalten im Rahmen einer Manie, ob unter der Berufsunfähigkeit, oder ob unter dem Ausfall partnerschaftlich-unterstützender Verhaltensweisen bei Depressionen und der zermürbenden Wiederkehr solcher Phasen, noch verstärkt durch Komorbidität wie Alkoholabusus. Dazu kommt die Stigmatisierung. |
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Kinder und Jugendliche leiden beispielsweise darunter, dass Mütter oder Väter ganz oder teilweise in ihren Phasen bei der Erziehung und im Haushalt ausfallen. |
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Als hilfreich hat sich erwiesen, dass Angehörige, die häufig so sehr unterstützend tätig sein müssen, nicht vergessen, auch einmal an sich zu denken. In den Selbsthilfegruppen ist oft auch Platz für Angehörige und mittlerweile gibt es auch eigene Angehörigengruppen. |
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==Kreative und berühmte Bipolare== |
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Die Liste berühmter Künstler, Wissenschaftler, Entdecker und Politiker, bei denen eine bipolare Störung bekannt ist oder vermutet wird, ist lang. Einige suizidierten sich vermutlich in Folge dieser Krankheit, wie [[Virginia Woolf]], [[Sylvia Plath]], [[Robert Schumann]] und [[Vincent van Gogh]]{{Ref|vanGogh}}, um jeweils Beispiele aus den Bereichen [[Prosa]] und [[Lyrik]], [[Musik]] und [[Kunst]] zu nennen. |
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.<br> [[Bild:Vangogh1889.jpg|thumb|right|180px|''Selbstbildnis'' (1889) von [[Vincent van Gogh]], bei dem Fachleute vermuten, dass er an einer bipolaren Störung litt.]] |
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=== Hypomanie === |
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In seinen Tagebüchern und Briefen berichtete beispielsweise Vincent van Gogh über seine zerrissene Persönlichkeit, seine Depressionen und sein "Irresein" ("d'exaltation ou de délire", "tristesse", "accès", "crises" und "maladie mentale"). Über seine Manien schreibt van Gogh unter anderem in seinem "Brief 607" aus dem Jahr 1890: ''"Ich bin selbst erstaunt, ... dass mir derartig wirre und grässliche religiöse Vorstellungen kommen ..."''. In den Monaten Mai bis Juni 1889 - kurz vor seinem Psychiatrie-Aufenthalt - hatte van Gogh ''"eine erstaunlich große Zahl von Meisterwerken gemalt"'' (Arnold), u.a. seine bekannte und intensiv farbige "Sternennacht" mit Zypressen, die sich als bipolares Bild "mit entgegengesetzten Farben" auszeichnet (Vincent van Gogh aus der psychiatrischen Anstalt von [[Saint-Rémy-de-Provence]] in einem Brief vom 21. Mai 1889 an Bruder "Theo"). |
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{{Hauptartikel|Hypomanie}} |
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Die Hypomanie ist die abgeschwächte Form der Manie. Besondere Merkmale sind die gehobene Grundstimmung und gesteigerter Antrieb, die mit gleichzeitigen Veränderungen im Denken im Sinne eines sprunghafteren, unkonzentrierteren Denkens ([[Ideenflucht]]) und einer Veränderung der Psychomotorik verbunden sein können. Durch die gehobene Stimmung kommt es zu einem größeren Selbstbewusstsein, einer erhöhten Risikofreudigkeit und zu Grenzverletzungen. Die Leistungsfähigkeit ist in diesem Zustand am höchsten. |
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Solche Phasen, die als Manie mit überflutender Aktivität und nachfolgender Depression erklärbar sind, und von vielen Fachleuten als solche angesehen werden, brachten ihn bis ins "Irrenhaus", wohin ihn sein Vater schon früher bringen wollte. Auch seine Familie war belastet. Sein Bruder "Cor" (Cornelius Vincent) beging Suizid, seine Schwester "Wil" (Wilhelmina Jacoba) war nachweislich psychisch erkrankt, sein Bruder "Theo" erkrankte ebenfalls psychisch. Wichtigste Quellenbelege seiner Krankheit sind die zahlreichen Briefe zwischen seinem Bruder "Theo" (Theodorus), Vincent van Gogh selbst und Doktor Théophile Peyron, dem Psychiater der Anstalt in Saint-Rémy-de-Provence. Vincent van Goghs Bild "Sternennacht" kann man, wie manch andere seiner Gemälde, in seinen Farben, Kontrasten und Symbolen auch als Chiffre für Bipolarität sehen. In einem handgeschriebenen Gedicht seines "Antwerpener Skizzenbuchs" schreibt Vincent van Gogh: ''"Mein Herz ist wie das Meer / Hat Sturm und Ebb und Fluth ..."''. Auch damit drückt er starke Gegensätze und extreme innere Gefühlsschwankungen aus. [[Paul Gauguin]], mit dem van Gogh teilweise zusammen lebte, war möglicherweise ebenfalls bipolar {{Ref|Wormer}}. |
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Vielen Betroffenen fällt es schwer, einen ''Normalzustand'' oder ''Normalität'' als erstrebenswert anzusehen. Es kommt deshalb nicht selten zu einer Bevorzugung des hypomanischen Zustands, was häufig zu [[Compliance (Medizin)|Compliance]]-Problemen bei der [[Phasenprophylaxe]] führt. |
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Nach einer Untersuchung von Kay Redfield Jamison von 1994 beträgt die Häufigkeit bipolarer Erkrankungen bei "kreativen" Persönlichkeiten das 10fache der Häufigkeit bei der Allgemeinbevölkerung. Mehr als ein Drittel aller zwischen 1705 und 1805 geborenen englischen und irischen Dichter litten gemäß Jamison an bipolaren Erkrankungen, mehr als die Hälfte an Stimmungsstörungen{{Ref|Wormer}}. |
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=== Depression (depressive Episode) === |
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[[Ernest Hemingway]] wurde als bipolar diagnostiziert, [[Georg Friedrich Händel]] und [[Edvard Munch]]{{Ref|munch}}, [[Wolfgang Amadeus Mozart]], [[Ludwig van Beethoven]], [[Hermann Hesse]] und [[Thomas Alva Edison]] ... die Liste bipolarer Prominenter ist lang, {{Ref|Wormer}} und die Dunkelziffer sicherlich hoch{{Ref|Wormer}}. |
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{{Hauptartikel|Depression}} |
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Die Depression verkehrt alle Aspekte der Manie ins Gegenteil und zwingt den Betroffenen zu [[Apathie]] und Lustlosigkeit. Bei dieser Erkrankungsphase höchsten Leidens erscheint sehr oft der Tod als besserer Zustand. Auch beschämen dann oft Taten aus der manischen Phase. Eine Depression wird als viel schlimmer empfunden als eine ''depressive Stimmung'', die auch viele gesunde Menschen gelegentlich erleben. Depressive Episoden kommen im fortgeschrittenen Alter häufiger vor. |
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Dies gilt auch für die Gegenwart. Manche Kreative sind sich ihrer Krankheit nicht bewusst oder sie outen sich nicht. Ein gegenteiliges Beispiel ist der Musiker [[Gordon Matthew Sumner]], bekannt als [[Sting]], der sich in einem Interview als manisch-depressiv bezeichnete und einen Song namens "Lithium Sunset" veröffentlichte. |
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== Verlaufsformen == |
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Die Kreativitätsschübe erfolgen vorwiegend in der hypomanen Phase. In der Manie ist recht schnell Durcheinander und Überdrehtheit vorherrschend, so dass Betroffene in dieser Phase oftmals Schaden anrichten und nichts Vernünftiges leisten können, während rezidivierende Depressionen und gemischte Episoden, die bei Bipolaren besonders quälend sind, die Betroffenen aus der Bahn werfen und lähmen. Durch moderne Behandlungsmethoden kann die Kreativität meist erhalten bleiben, so dass sie als positiver Aspekt dieser schlimmen und zerstörerischen Krankheit wirken kann. |
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Manische oder depressive Episoden treten häufig, aber nicht ausschließlich, nach einem belastenden Lebensereignis auf. Das erstmalige Auftreten der Störung kann in jedem Alter geschehen. Die ersten Symptome treten jedoch meist zwischen 15 und 30 Jahren auf. Die Betroffenen durchleben in den ersten 10 Jahren meist vier verschiedene Phasen. Häufigkeit und Dauer der einzelnen Phasen sind sehr unterschiedlich. Generell lässt sich jedoch sagen, dass manische Phasen in der Regel etwas kürzer dauern als depressive Episoden, dass die Intervalle zwischen den Phasen im Laufe der Zeit kürzer werden und dass mit zunehmendem Lebensalter häufiger depressive Phasen auftreten und diese länger andauern. Nach einigen Phasen der Störung können sich innere Rhythmen ausbilden, die auch unabhängig von äußeren Ereignissen wirken. Mitunter, wenn nach der ersten oder den ersten Episoden keine weiteren mehr auftreten, sie also nicht schnell genug erkannt und adäquat behandelt werden, tritt die bipolare Störung dann bei vielen als eine lebenslange, chronische Störung in Erscheinung. |
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Es gibt eine Rückkoppelung zwischen den Erlebnissen und dem Handeln einer Person auf der einen Seite und seiner Biochemie und Symptomatik auf der anderen Seite. Mangelnde Einsicht (in den manischen Phasen) ist ein Symptom der Störung, ohne dieses Element wäre das selbstschädigende Verhalten nicht möglich. Je mehr Zeit vergeht, bevor Einsicht erlangt wird, desto stärker werden Hirnstrukturen geprägt, was die [[Prognose#Medizin, Zahnmedizin und Tiermedizin|Prognose]] negativ beeinflusst. Hinzu kommt der Einfluss von störungsbedingten Entscheidungen (Probleme am Arbeitsplatz und in Beziehungen, Schulden) auf die Lebensoptionen. |
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==Referenzen== |
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Gemäß den neuesten Studien erreichen bis zu 40 % nach Phasen von Manie oder Depression ihr ursprüngliches Funktionsniveau nicht mehr. 40 % der Betroffenen haben einen günstigen psychosozialen Verlauf bzw. können ihr soziales Umfeld bzw. ihre Position in der Gesellschaft erhalten. Im Fall bleibender Symptome wie [[Konzentrationsstörung|Konzentrationsschwäche]] oder [[Müdigkeit]] spricht man von residualen Symptomen. |
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#{{Note|WormerGeschichte}}[Eberhard J. Wormer: Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. - Ein Manual für Betroffene und Angehörige, München 2002, S. 47-54] |
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Dauert die Störung länger mit mehreren längeren Klinikaufenthalten, besteht die Gefahr, dass der betroffenen Person vielfach der soziale Halt verloren geht, oft auch der Arbeitsplatz. Mitunter zerbricht die Familie. |
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#{{Note|WaldenGrunze1}}[Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung, Stuttgart-New York 2003, S. 7f, ISBN 3-13-104993-6] |
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#{{Note|WaldenGrunze2}}[Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung, Stuttgart-New York 2003, S. 11, ISBN 3-13-104993-6] |
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#{{Note|wahrscheinlicheUrsachen}}[Bräunig, Peter; Gerd Dietrich: ''Leben mit Bipolaren Störungen''. Trias-Verlag 2004, S. 42-47, ISBN 3830430698] |
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#{{Note|möglicheUrsachen}}[Anna Forsthoff, Heinz Grunze: Breites Spektrum möglicher Ursachen Bipolarer Störungen. Forschungsansätze und Hypothesen, in: "Der Neurologe und Psychiater"-Sonderheft 1/05, S. 5-7, hier aus: http://dgbs.de/download/pdf/04_Ursachen%20Bipolar.pdf] |
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#{{Note|genetische Aspekte}}[W. Maier: ''Genetische Aspekte bipolarer Depression''. Vortrag auf dem "Wissenschaftlichen Symposium" der "Deutschen Gesellschft für Bipolare Störungen'' am 2. September 2005 in Bonn, Kurzfassung unter: http://dgbs.de/download/pdf/Jahrestag2005Abstracts.pdf] |
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#{{Note|Forschungsgeschichte}}[Eberhard J. Wormer: Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. - Ein Manual für Betroffene und Angehörige, München 2002, S. 47-54] |
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#{{Note|neueForschungsergebnisse}}[M. Bauer: ''Neue Forschungsergebnisse bei bipolaren Störungen''. Vortrag auf dem "Wissenschaftlichen Symposium" der "Deutschen Gesellschft für Bipolare Störungen'' am 1. September 2005 in Bonn, Kurzfassung unter: http://dgbs.de/download/pdf/Jahrestag2005Abstracts.pdf] |
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#{{Note|kreativeodersonstbedeutendeberühmteBipolare}} [http://www.oup.com/us/catalog/general/subject/Medicine/ConsumerHealth/~~/c2Y9YWxsJnNzPWF1dGhvci5hc2Mmc2Q9YXNjJnBmPTQwJnZpZXc9dXNhJnByPTEwJmJvb2tDb3ZlcnM9eWVzJmNpPTAxOTUwMzkzNDM= Frederick K. Goodwin und Kay Refield Jamison: ''Manic depressive illness'', Oxford University Press 1990, S. 332 - 367] |
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#{{Note|vanGogh}}[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list_uids=11925286&dopt=Citation Blumer D.: The illness of Vincent van Gogh. American Journal of Psychiatry, 2002] |
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#{{Note|Wormer}}[Eberhard J. Wormer: Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. - Ein Manual für Betroffene und Angehörige, München 2002, S. 131-138] |
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#{{Note|munch}}[http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=11433879&query_hl=3 Rothenberg A.: Bipolar illness, creativity, and treatment. Psychiatric Quarterly, 2001. (Hinweis auf Bipolare Störung Edvard Munchs)] |
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=== Typologie === |
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[[Datei:Bipolar1 entwurf.png|mini|links|hochkant=1.5|''Bipolar-I-Störung''. |
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Die x-Achse ist die Zeit-Achse. Die oszillierenden Schwankungen stehen für die Ausschläge von Antrieb, Aktivität und Stimmung in Richtung der extremen Pole Manie bzw. Depression.]] |
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Bipolare Störungen werden unterteilt in ''Bipolar I'' und ''Bipolar II''. |
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Als ''Bipolar I'' wird eine 7 bis 14 Tage oder seltener auch länger andauernde ''manische Episode'' (Hochphase) bezeichnet, gefolgt von mindestens einer depressiven Episode. Die Bipolar-I-Störung kommt bei etwa 0,1 bis 1,7 Prozent der Bevölkerung vor.<ref name="oc2156" /> Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen. |
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* Bräunig, Peter; Gerd Dietrich: ''Leben mit bipolaren Störungen''. Trias-Verlag 2004, ISBN 3830430698 |
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* Eberhard J. Wormer: ''Bipolar – Depression und Manie. Leben mit extremen Emotionen''. Knaur, München 2003, ISBN 3-426-66748-7 |
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* Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung, Stuttgart-New York 2003, ISBN 3131049936 |
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* Andreas Erfurth (Redaktion): ''Weißbuch Bipolare Störungen in Deutschland, Stand des Wissens - Defizite - Was ist zu tun?'', Kurzfassung: ISBN 3-8311-4520-2, Langfassung: ISBN 3-8311-4521-0 |
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* Meyer, Thomas D., Martin Hautzinger: ''Manisch-depressive Störungen''. Beltz Psychologie Verlags Union 2004, ISBN 3621275517 |
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* Faust, Volker: ''Manie. Eine allgemeine Einführung in die Diagnose,Therapie und Prophylaxe der krankhaften Hochstimmung'', Enke-Verlag 1997, ISBN 3432278616 |
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* Stavros Mentzos: ''Depression und Manie. Psychodynamik und Therapie affektiver Störungen'', Göttingen 2001, ISBN 3-525-45775-8. Ein alternativer Ansatz, mit dem der Autor affektive psychische Störungen psychodynamisch zu erklären sucht, insbesondere einen hohen Stellenwert der Art des Selbstwertgefühls postuliert. |
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* Heinz Grunze, Emanuel Severus: ''Bipolare Störungen erkennen. Die Kunst der korrekten Diagnose'', in: Der Neurologe & Psychiater Sonderheft 1/2005. |
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* Kay Redfield Jamison: ''Meine ruhelose Seele. Die Geschichte einer manischen Depression''. Goldmann-Verlag 1999, ISBN 3442150302 |
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* Petra Otto: ''Infarkt der Seele'', Büro + Service GmbH Rostock, ISBN 3899540395 |
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* Dr. Renate Kingma (Redaktion): ''Mit gebrochenen Flügeln fliegen.... Menschen berichten über bipolare Störungen'', Books On Demand 2003, ISBN 3-8330-0662-5 |
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* Kay Redfield Jamison: ''Touched with fire. Manic-depressive illness and the artistic temperament'', New York 1993, ISBN 0-684-83183-X |
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* Matthias Arnold: ''Vincent van Gogh: Biographie'', München (Kindler-Verlag) 1993, ISBN 3-463-40205-X. Diese umfangreiche und fundierte Biografie zeichnet sich dadurch aus, dass viele Original-Briefe und sonstige Dokumente darin zum Ausdruck kommen, darunter auch bisher unter Verschluss gehaltene, die einer "Legendenbildung" Vorschub geleistet hatten, so dass der Leser sich anhand der Original-Quellen ein eigenes Bild machen kann. Wenn Vincent van Gogh im Artikel zitiert wird, entstammen die Zitate diesem Buch. |
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* Frederick K. Goodwin und Kay Refield Jamison: Manic depressive illness. Oxford University Press 1990, ISBN 0195039343 |
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* Stavros Mentzos: ''Depression und Manie. Psychodynamik und Therapie affektiver Störungen'', Göttingen 2001, ISBN 3-525-45775-8. Ein alternativer Ansatz, mit dem der Autor affektive psychische Störungen psychodynamisch zu erklären sucht, insbesondere einen hohen Stellenwert der Art des Selbstwertgefühls postuliert. |
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''Bipolar II'' beinhaltet eine mindestens 14 Tage andauernde ''depressive Episode'', gefolgt von mindestens einer ''[[Hypomanie]]'' (leichtere Form der Manie). Die Bipolar-II-Störung kommt bei rund vier Prozent der Bevölkerung vor. ''Bipolar-II''-Störungen können mit ''[[rezidiv]]ierenden depressiven Störungen'' (Depressionen, die nach einem Zwischenzustand des Normalen immer wieder auftreten) verwechselt werden, wenn die hypomanen Phasen nicht erkannt werden. |
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==Spielfilme== |
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=== {{Anker|Switching}}Switching – Zyklothymia === |
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*''Mr. Jones'', USA 1993. Regie: Mike Figgis. Schauspieler: Richard Gere, Lena Olin, Anne Bancroft. Der Film stellt die bipolare Erkrankung an zwei Personen dar und ist für viele immer noch einer der faszinierendsten Filmbeiträge zum Thema. |
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[[Datei:Bipolar2 entwurf.png|mini|hochkant=1.5|''Bipolar-II-Störung'']] |
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*''Mad Love'', USA 1995. Regie: Antonia Bird. Buch: Paula Milne. Schauspieler: Drew Barrymore, Chris O'Donnell. Zwei Teenager verlieben sich, sie ist bipolar, er lernt, sie trotz ihrer Krankheit zu lieben. |
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*''Phenomenon'', USA 1996. Regie: Jon Turteltaub. Schauspieler: John Travolta, Kyra Sedgwick, Robert Duval, Forest Whitaker, Ashley Buccille. Übermenschliche (meist vermeintliche) Fähigkeiten im Sinne hypomanischen und manischen Verhaltens. |
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''Switching'' (Polaritätswechsel) wird der übergangslose Wechsel zwischen Manie (oder Hypomanie) und Depression genannt. |
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*''Back from Madness: The Struggle for Sanity'', USA 1996. Regie: Kenneth Paul Rosenburg. Es wird - neben anderen psychiatrischen Patienten - auch ein obdachloser Bipolarer dargestellt. |
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Bei einer ''[[Zyklothymia]]'' sind die Betroffenen mindestens zwei Jahre lang leichten manischen und depressiven Schwankungen ausgesetzt, die allerdings immer noch deutlich über den normalen Stimmungsschwankungen liegen. Nach [[ICD-10]] wird die Zyklothymia nicht zur bipolaren Störung gerechnet. |
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=== Rapid Cycling === |
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Von Rapid Cycling wird bei mindestens vier Stimmungsumschwüngen im Jahr gesprochen. Ultra Rapid Cycling beschreibt Stimmungsumschwünge innerhalb von wenigen Tagen. Ultradian Rapid Cycling (Ultra-Ultra Rapid Cycling) weist Umschwünge innerhalb von wenigen Stunden auf. Patienten mit einem Rapid-Cycling-Verlauf werden häufig in einer Klinik behandelt. Sie benötigen eine spezielle Therapie, weil der häufige Episodenwechsel mit klassischen Medikamenten oftmals nicht ausreichend behandelbar ist und daher üblicherweise zu [[Phasenprophylaktikum|Stimmungsstabilisatoren]] gegriffen wird. Die Ursachen sind bis zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt. Das Selbsttötungs-Risiko ist bei ''Rapid Cycling'' hoch und die Prognose schlechter. |
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=== {{Anker|Mischzustand|gemischte Episode|gemischte Phase}}Mischzustände (dysphorische Manien) === |
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Wenn während einer bipolaren Episode depressive und manische Symptome in rascher Aufeinanderfolge auftreten, oder wenn sich depressive und manische Symptome durch gleichzeitiges Auftreten mischen, nennt man das einen manisch-depressiven Mischzustand oder eine gemischte Episode. Die betroffenen Patienten können z. B. sehr schnell denken oder sprechen, wie es für eine manische Episode typisch ist. Gleichzeitig können sie aber sehr ängstlich sein, Selbstmordgedanken haben und unter gedrückter Stimmung leiden; auch Ultra- und Ultradian Rapid Cycling lassen sich in diesen Episoden bei Patienten feststellen, die sonst nicht von dieser Art des [[#Switching|Switchings]] betroffen sind. Mischzustände treten häufig in der postmanischen Phase auf und sind auch darin begründet, dass Betroffene in der manischen Phase nicht mehr fähig sind, richtig zu schlafen. Sie sind häufig und kommen mindestens so oft vor wie ''klassische'' Manien. Der erhöhte Antrieb kann verursachen, dass depressive Gedanken in die Tat umgesetzt werden, so dass das [[Suizid]]risiko in diesen Zuständen wesentlich höher ist als in der reinen Depression, in welcher der Antrieb gelähmt ist.<ref name="juf">Podcast Serie "Jung und Freudlos", Episode [https://juf.podigee.io/17-bipolar ''Bipolare affektive Störung''], 5. April 2019. In: juf.podigee.io</ref> Wie bei Rapid Cycling finden hier oft stimmungsstabilisierende [[Psychopharmaka]] Anwendung. Es handelt sich um schwere Episoden, die schwieriger zu behandeln sind als die klassischen Phasen der bipolaren Störung. |
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=== Suizidrisiko === |
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Betroffene Personen weisen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein 15-30fach erhöhtes [[Suizid]]risiko auf. In 6-7 % der Fälle führt der Suizidversuch zu einem Todesfall. Hierfür zeigen sich geschlechterspezifische Unterschiede. In ca. 5 % der Todesfälle von erkrankten Frauen und in knapp 10 % der Todesfälle von erkrankten Männern ist ein vollzogener Suizid die Todesursache.<ref name="linkinghub.elsevier.com">{{Literatur |Autor=L. Plans, C. Barrot, E. Nieto, J. Rios, T.G. Schulze, S. Papiol, M. Mitjans, E. Vieta, A. Benabarre |Titel=Association between completed suicide and bipolar disorder: A systematic review of the literature |Sammelwerk=Journal of Affective Disorders |Band=242 |Datum=2019-01 |Seiten=111–122 |Online=https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0165032718305147 |Abruf=2024-12-27 |DOI=10.1016/j.jad.2018.08.054}}</ref><ref name="linkinghub.elsevier.com"/><ref>{{Literatur |Autor=Arif Khan, James Faucett, Shaneta Morrison, Walter A. Brown |Titel=Comparative Mortality Risk in Adult Patients With Schizophrenia, Depression, Bipolar Disorder, Anxiety Disorders, and Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder Participating in Psychopharmacology Clinical Trials |Sammelwerk=JAMA Psychiatry |Band=70 |Nummer=10 |Datum=2013-10-01 |ISSN=2168-622X |Seiten=1091 |Online=http://archpsyc.jamanetwork.com/article.aspx?doi=10.1001/jamapsychiatry.2013.149 |Abruf=2024-12-27 |DOI=10.1001/jamapsychiatry.2013.149}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Andre F. Carvalho, Joseph Firth, Eduard Vieta |Titel=Bipolar Disorder |Sammelwerk=New England Journal of Medicine |Band=383 |Nummer=1 |Datum=2020-07-02 |ISSN=0028-4793 |Seiten=58–66 |DOI=10.1056/NEJMra1906193}}</ref> |
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<!-- Zum Vergleich die bisherige Fassung, die im Dezember 2024 von Benutzer:Marinowa mit dem Hinweis auf aktuellere Angaben entfernt wurde: |
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" An bipolaren Störungen Leidende haben generell ein um ein Vielfaches erhöhtes [[Suizid]]risiko. Durchschnittlich nahmen sich 15 bis 30 % das Leben. In manchen Gegenden – wie für Schottland nachgewiesen – ist die Suizidrate von Betroffenen 23 Mal höher als im Bevölkerungsdurchschnitt, und in manchem Lebensabschnitt – beispielsweise im Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nach der Erstmanifestation – ereignen sich besonders viele Suizide.<ref name="WaldenGrunze2">Jörg Walden, Heinz Grunze: ''Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung.'' Stuttgart/New York 2003, ISBN 3-13-104993-6, S. 11.</ref><ref>[http://www.lichtblick-newsletter.de/anmv_tagung03b.html lichtblick-newsletter.de]</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://de.brainexplorer.org/bipolar_disorder/Bipolar_Disorder_course.shtml |text=de.brainexplorer.org |wayback=20120118231543}}</ref> Zusätzlich gibt es 20–60 %, die zumindest einmal in ihrem Leben ein Suizid versuchten.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Dome, Zoltan Rihmer, Xenia Gonda |Titel=Suicide Risk in Bipolar Disorder: A Brief Review |Sammelwerk=Medicina |Band=55 |Nummer=8 |Datum=2019-07-24 |DOI=10.3390/medicina55080403 |PMC=6723289 |PMID=31344941 |Seiten=403 }}</ref> " --> |
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Besonders riskant sind gemischte Phasen ([[#Mischzustand|Mischzustände]]), bei denen manische und depressive Symptome zugleich auftreten. Treten in einer dysphorischen bzw. verzweifelten Stimmungslage Suizidgedanken auf, besteht ein erhöhtes Risiko, dass diese umgesetzt werden, wenn zugleich ein hohes Antriebsniveau vorliegt. Im Regelfall würde die mit der Depression verbundene Antriebslosigkeit die Gefahr der Umsetzung eher reduzieren.<ref name="juf" /> |
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=== Psychoaktive Substanzen === |
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Neben Stress und Schlafmangel wirken sich auch [[Psychotrope Substanz|psychoaktive Substanzen]] wie [[Koffein]], [[Alkoholisches Getränk|Alkohol]], [[Tabakrauch]] und andere [[Droge]]n bei bipolaren affektiven Störungen ungünstig aus. Oftmals sind zudem Wechselwirkungen mit den verordneten Medikamenten zu erwarten, weswegen ein vollständiger Verzicht darauf meist von Vorteil ist. |
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* Koffein wirkt sich ungünstig auf die Schlafdauer aus und fördert Nervosität und Unruhe; Betroffene können in besonderer Weise dafür anfällig sein und könnten eine Manie dadurch auslösen. |
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* Alkohol wirkt sich – neben der Gefahr einer Abhängigkeit – entgegen populären Ansichten negativ auf Schlaftiefe und Schlafdauer aus und wirkt enthemmend, was einer antimanischen Prophylaxe entgegensteht. Auf der anderen Seite verstärkt Alkohol Depressivität. |
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* [[Cannabis als Rauschmittel|Cannabis]] wird von einigen Betroffenen als Eigenmedikation angewandt. Trotz der möglichen positiven Wirkungen sollte nicht vergessen werden, dass gerade Zurückgezogenheit und Trägheit als depressive Merkmale sowie Verfolgungswahn ([[Paranoia]]) als manisches Merkmal um ein Vielfaches gesteigert werden können, was der Genesung wiederum entgegenwirkt. Es wird angenommen, dass insbesondere der [[psychoaktiv]]e Inhaltsstoff [[Tetrahydrocannabinol]] (THC) manische und psychotische Symptome auslöst, während die positiven Effekte dem Bestandteil [[Cannabidiol]] (CBD) zugeschrieben werden.<ref>Gary Stix: [https://www.scientificamerican.com/article/people-with-bipolar-disorder-often-use-cannabis-it-may-sometimes-help/ ''Many People with Bipolar Disorder Use Cannabis. It May Sometimes Help - Diminished risk-taking behaviors and other benefits may explain why many people with bipolar disorder keep consuming cannabis despite some dire downsides''], Scientific American, 29. November 2022</ref> Der Gebrauch von THC-haltigen Produkten führt allgemein eher zur Auslösung und Verschlimmerung von Symptomen.<ref>Maggu G, Choudhary S, Jaishy R, Chaudhury S, Saldanha D, Borasi M.: [https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10756590/ ''Cannabis use and its relationship with bipolar disorder: A systematic review and meta-analysis.''] Ind Psychiatry J. 2023 Jul-Dec;32(2):202-214. [[doi:10.4103/ipj.ipj_43_23]]. Epub 2023 Oct 4. PMID 38161465; {{PMC|10756590}}.</ref> |
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* [[Kokain]] steht ebenfalls im Verdacht, Manien auszulösen, und in der Tat gibt es Verhaltensähnlichkeiten zwischen einem Maniker und einer Person, die Kokain als Rauschdroge missbraucht. |
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* [[Amphetamin]] (Speed) kann in seinem Wirkungsverlauf sowohl manische Symptome auf dem Höhepunkt des Rausches als auch depressive Muster beim Nachlassen der Euphorie auslösen. Amphetamine verursachen oder verstärken Stimmungsschwankungen, wobei u. a. Ruhelosigkeit, Schlafmangel und eintretende Unsicherheit die wohl langfristigsten Auswirkungen auf die Psyche haben können. |
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== Ätiologie und Genetik == |
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Die Entstehung einer bipolaren Störung ist höchstwahrscheinlich multifaktoriell bedingt ([[Vulnerabilität]]). Eine relativ geringe Modulierbarkeit durch äußere Stressoren weist darauf hin, dass der genetischen Prägung dieser Erkrankung eine hohe Bedeutung zukommt, während Umweltfaktoren eine geringere Bedeutung haben.<ref name=":1">{{Internetquelle |autor=Siegfried Kasper et al. |url=http://oegpb.at/files/2014/06/Kons_Bipolar.pdf |titel=Bipolare Störungen. Konsensus-Statement – State of the art 2013 |werk=CliniCum neuropsy, Sonderausgabe November 2013, S. 4, S. 17–18. |hrsg=CliniCum neuropsy |format=PDF |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160222043002/http://oegpb.at/files/2014/06/Kons_Bipolar.pdf |archiv-datum=2016-02-22 |abruf=2016-02-02 |archiv-bot=2023-06-16 15:38:23 InternetArchiveBot}}</ref> Molekulargenetische Studien beschäftigen sich mit der Erforschung der BAS; die Ergebnisse werden teils widersprüchlich diskutiert.<ref name=":1" /> Was jedoch feststeht ist, dass ein polygenetischer Vererbungsmodus ursächlich für die genetische Prägung ist, d. h., einzelne Gendefekte sind ausgeschlossen.<ref name=":1" /> |
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Weitere Forscher haben gezeigt, dass ebenfalls eine Veränderung des zirkadianen Rhythmus ein Prädisposition für eine bipolare Störung sein kann.<ref name=":4" /> |
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Daneben dürften auch psychosoziale Auslöser eine Rolle spielen, das heißt, das Erbgut setzt einen Rahmen für die Wahrscheinlichkeit ([[Disposition (Medizin)|Prädisposition]]), und die Umfeldfaktoren beeinflussen Entstehung, Verlauf und Ende der Störung. |
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=== Erblichkeit und Genetik === |
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Aufgrund von [[Zwillingsstudie]]n wurde die [[Heritabilität]] von BAS auf 70<ref name="Mc1841">{{cite journal| doi = 10.1016/S0140-6736(20)31544-0| volume = 396| issue = 10265| pages = 1841–1856, S. 1841| last1 = McIntyre| first1 = Roger S| last2 = Berk| first2 = Michael| last3 = Brietzke| first3 = Elisa| last4 = Goldstein| first4 = Benjamin I| last5 = López-Jaramillo| first5 = Carlos| last6 = Kessing| first6 = Lars Vedel| last7 = Malhi| first7 = Gin S| last8 = Nierenberg| first8 = Andrew A| last9 = Rosenblat| first9 = Joshua D| last10 = Majeed| first10 = Amna| last11 = Vieta| first11 = Eduard| last12 = Vinberg| first12 = Maj| last13 = Young| first13 = Allan H| last14 = Mansur| first14 = Rodrigo B| title = Bipolar disorders| journal = The Lancet| access-date = 2024-07-07| date = 2020-12| url = https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0140673620315440}}</ref> /71<ref>{{cite journal| doi = 10.1016/j.jad.2007.07.001| volume = 106| issue = 3| pages = 229–240| last1 = Edvardsen| first1 = Jack| last2 = Torgersen| first2 = Svenn| last3 = Røysamb| first3 = Espen| last4 = Lygren| first4 = Sissel| last5 = Skre| first5 = Ingunn| last6 = Onstad| first6 = Sidsel| last7 = Øien| first7 = Per Anders| title = Heritability of bipolar spectrum disorders. Unity or heterogeneity?| journal = Journal of Affective Disorders| accessdate = 2023-04-08| date = 2008-03| url = https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0165032707002534 |language=en}}</ref> bis zu über 80 % geschätzt,<ref name="PMID23663951">N. Craddock, P. Sklar: ''Genetics of bipolar disorder.'' In: ''Lancet.'' Band 381, Nummer 9878, Mai 2013, S. 1654–1662, [[doi:10.1016/S0140-6736(13)60855-7]]. PMID 23663951 (Review).</ref> was außergewöhnlich hoch ist. |
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Eine Übersicht von 2015 legte dar, dass bis dato eine große Zahl von genetischen Veränderungen identifiziert werden konnte, die jedoch – jede für sich allein – nur ein geringfügig erhöhtes Risiko für die Entwicklung von BAS bedeuteten. Durchgängiges Thema sei dabei, dass nur mehrere gemeinsame Veränderungen ([[Polygenie]]) zu einem Ausbruch der Krankheit führen könnten.<ref name="PMID25544106">B. M. Neale, P. Sklar: ''Genetic analysis of schizophrenia and bipolar disorder reveals polygenicity but also suggests new directions for molecular interrogation.'' In: ''Current opinion in neurobiology.'' Band 30, Februar 2015, S. 131–138, [[doi:10.1016/j.conb.2014.12.001]]. PMID 25544106 (Review).</ref> Die Vorläufigkeit des gegenwärtigen (2015) Kenntnisstands wird unter anderem dadurch deutlich, dass die bisher gefundenen genetischen Abweichungen – trotz ihrer großen Anzahl – nur einen kleinen Prozentsatz der in Verwandtschaftsstudien festgestellten Erblichkeit erklären können. Des Weiteren sind die identifizierten genetischen Veränderungen nicht spezifisch für BAS, sondern beinhalten auch erhöhte Risiken für andere Krankheiten. Überdies sind ihre genauen funktionellen Folgen im Organismus noch weitgehend unklar. Daher sind die Voraussetzungen für sinnvolle genetische Tests an Patienten- oder Risikogruppen bislang noch in keiner Weise gegeben.<ref name="PMID24683306">B. Kerner: ''Genetics of bipolar disorder.'' In: ''The application of clinical genetics.'' Band 7, 2014, S. 33–42, [[doi:10.2147/TACG.S39297]]. PMID 24683306, {{PMC|3966627}} (Review).</ref> Gleichwohl liegen vielversprechende Ergebnisse etwa bezüglich der [[Signaltransduktion]] durch [[Calcium]]ionen (Ca<sup>2+</sup>) in [[Nervenzelle]]n vor, und es zeichnet sich ab, dass die erblichen Veränderungen in hohem Maße Regulation und Ausprägung ([[Genexpression|Expression]]) von Genen betreffen.<ref name="PMID26210959">P. J. Harrison: ''Molecular neurobiological clues to the pathogenesis of bipolar disorder.'' In: ''Current opinion in neurobiology.'' [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck] Juli 2015, [[doi:10.1016/j.conb.2015.07.002]]. PMID 26210959 (freier Volltext) (Review).</ref> |
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[[Datei:DTI-sagittal-fibers.jpg|mini|Die DT-MRI ([[Diffusions-Tensor-Bildgebung|Diffusion-Tensor-Magnetic Resonance Imaging]]) ermöglicht eine Rekonstruktion von Nervenbahnen (weiße Substanz) im Gehirn (Traktografie)]] |
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==== Neuroimaging ==== |
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Eine Übersichtsstudie von 2014 fasste die Ergebnisse [[Neuroimaging|bildgebender Verfahren des Gehirns]] folgendermaßen zusammen: Es gebe bei BAS „klare Abweichungen“ in den [[Neuronales Netz|neuronalen Netzen]], die an der Verarbeitung von Gefühlen, der Regulierung von [[Emotion]]en und am [[Mesolimbisches System|Belohnungssystem]] beteiligt sind. Die funktionalen Abweichungen wurden folgenden [[Anatomie|anatomischen]] Veränderungen zugeordnet: vermindertes Volumen der [[Graue Substanz|grauen Substanz]] im [[Präfrontaler Cortex|präfrontalen]] und [[Temporallappen|temporalen]] Cortex, im [[Hippocampus]] (Gedächtnisfunktionen) und in der [[Amygdala]] (Gefühlsreaktionen) sowie Verminderung in Volumen und Funktion der [[Weiße Substanz|weißen Substanz]], die präfrontale und [[subkortikal]]e (wie Amygdala und Hippocampus) Regionen miteinander verbindet.<ref name="PMID24626773">M. L. Phillips, H. A. Swartz: ''A critical appraisal of neuroimaging studies of bipolar disorder: toward a new conceptualization of underlying neural circuitry and a road map for future research.'' In: ''The American journal of psychiatry.'' Band 171, Nummer 8, August 2014, S. 829–843, [[doi:10.1176/appi.ajp.2014.13081008]]. PMID 24626773, {{PMC|4119497}} (Review).</ref> Eine weitere Übersichtsstudie von 2014 stellte fest, dass die Abweichungen bei der weißen Substanz auch bei Heranwachsenden mit BAS oder mit BAS-Risiko beobachtet wurden. Daraus ergebe sich möglicherweise die Perspektive, zukünftig diese Veränderung bei der [[Früherkennung von Krankheiten|Früherkennung]] und Vorbeugung ([[Krankheitsprävention|Prävention]]) von BAS zu nutzen.<ref name="PMID26237259">S. M. de Zwarte, J. A. Johnston, E. T. Cox Lippard, H. P. Blumberg: ''Frontotemporal White Matter in Adolescents with, and at-Risk for, Bipolar Disorder.'' In: ''Journal of clinical medicine.'' Band 3, Nummer 1, 2014, S. 233–254, [[doi:10.3390/jcm3010233]]. PMID 26237259, {{PMC|4449671}} (Review).</ref> |
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==== Neurochemie ==== |
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Störungen der [[Neurochemie|neurochemischen]] Signalübertragung betreffen in der Hauptsache vier der wichtigsten [[Neurotransmitter]]: die drei [[Monoamine]] [[Noradrenalin]], [[Dopamin]] und [[Serotonin]] sowie in besonderem Maße [[Glutaminsäure|Glutamat]]. Zusätzliche Abweichungen innerhalb der Nervenzellen bei den sekundären Botenstoffen ([[Second Messenger]]s) spielen eine entscheidende Rolle und sind notwendige Bestandteile der Theorien zu Entstehung und Verlauf bei BAS. Während die Kenntnisse zu Störungen bei den Neurotransmittersystemen bereits therapeutisch genutzt werden, bestehen gegenwärtig (Stand 2015) noch keine konkreten Aussichten, auch die wesentlich wichtigeren Abweichungen innerhalb der Nervenzellen therapeutisch zu beeinflussen.<ref name="PMID23998912">R. Machado-Vieira, M. G. Soeiro-De-Souza, E. M. Richards, A. L. Teixeira, C. A. Zarate: ''Multiple levels of impaired neural plasticity and cellular resilience in bipolar disorder: developing treatments using an integrated translational approach.'' In: ''The world journal of biological psychiatry : the official journal of the World Federation of Societies of Biological Psychiatry.'' Band 15, Nummer 2, Februar 2014, S. 84–95, [[doi:10.3109/15622975.2013.830775]]. PMID 23998912, {{PMC|4180367}} (Review).</ref> |
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==== Psychosoziale Faktoren ==== |
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Ebenso spielen Umwelteinflüsse und [[Persönlichkeit]]seigenschaften eine entscheidende Rolle.<ref name=":0">{{Internetquelle |url=https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/038-019l_S3_Bipolare-Stoerungen-Diagnostik-Therapie_2019-05_01.pdf |titel=S3-Leitlinie: Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. Langversion 2.0 Update vom Februar 2019 |hrsg=AWMF |seiten=24, S. 85–86 |format=PDF |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20190622231715/https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/038-019l_S3_Bipolare-Stoerungen-Diagnostik-Therapie_2019-05_01.pdf |archiv-datum=2019-06-22 |abruf=2019-06-23 |kommentar=Siehe Kapitel 5.1.2.2.1: Besonderheiten einer Psychotherapie bei Bipolaren Störungen |archiv-bot=2023-06-16 15:38:23 InternetArchiveBot}}</ref> [[Kritisches Lebensereignis|Kritische Lebensereignisse]] wie [[Trauma (Psychologie)#Traumatisierende Ereignisse|Traumata]] oder [[Stress#Psychosoziale Stress-Faktoren|psychosozialer Stress]] können Krankheitsphasen auslösen. Einzelne Mechanismen sind bekannt, lassen aber noch kein [[Ätiologie (Medizin)|integrierendes ätiopathogenetisches Modell]] ableiten.<ref>{{Literatur |Autor=S. Haack, A. Pfennig, M. Bauer |Titel=Bipolar depression – Epidemiology, etiopathogenesis, and course |Sammelwerk=Nervenarzt |Band=81 |Nummer=5 |Datum=2010 |Seiten=525–530 |DOI=10.1007/s00115-009-2849-3}}</ref> |
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Als auslösende Faktoren werden auch die Schwächung des [[Selbstwert]]gefühls, ein unregelmäßiger Tag-/Nacht-Rhythmus oder Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch diskutiert. Bis zu 75 Prozent der Betroffenen berichten im reflektierenden Rückblick, dass sie unmittelbar vor der ersten spürbaren Krankheitsepisode intensiven Stress hatten – Stress allerdings, der bei Menschen ohne [[Disposition (Medizin)|Disposition]] keine manische oder depressive Episode ausgelöst hätte. Spätere Störungs-Phasen können immer weniger mit stressenden Ereignissen erklärt werden, bzw. kann sie minimaler Stress bereits auslösen. |
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== Behandlung, Interventionen == |
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Wenn Betroffene keine Einsicht zeigen oder akut suizidgefährdet sind, muss eine Behandlung in akuten Phasen der Manien oder schweren Depressionen manchmal gegen den Willen der Patienten als [[Zwangsbehandlung]] erfolgen. Wenn manische Phasen erstmals auftreten, können Betroffene keine Einsicht haben, da sie noch keine Erfahrungen über die schweren negativen Folgen gesammelt haben. In den meisten Fällen zeigen Betroffene jedoch Einsicht und lassen sich auch wegen ihres hohen Leidensdrucks freiwillig behandeln. Bei vielen kommt die Einsicht erst nach mehreren Phasen. Sehr hilfreich für eine erfolgreiche Behandlung ist, wenn sich die Betroffenen über ihre Störung informieren und viel darüber lesen, damit sie selbst nachvollziehen können, welche Behandlung in welcher Phase am besten ist. Dies gilt auch deshalb, damit sie ein rechtzeitiges Gegensteuern, welches für eine Minderung der Belastungen notwendig ist, erlernen können. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die korrekte Diagnose. |
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In Abhängigkeit von Verlauf und Schwere kann bei leichten Fällen auch alleine mit Psychotherapie eine Stabilisierung erzielt werden. Hierbei ist das frühzeitige Erkennen der Störung ein wichtiger Faktor. Das kann bei Heranwachsenden in der Regel nur durch einen erfahrenen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder -psychiater erfolgen, da die Symptome anderen Störungen stark ähneln und darum die Gefahr von Fehldiagnosen besteht. Zusätzlich kann eine medikamentöse Behandlung erfolgen, deren Verordnung in die Hände eines psychiatrisch erfahrenen Facharztes gehört. Eine bipolare Störung tritt nicht urplötzlich bei einem vorher völlig gesunden Menschen auf, sondern entwickelt sich schleichend. Auf Grund von mangelnden Kenntnissen in der Öffentlichkeit und mitunter auch bei Ärzten sowie auch der Scheu vor dem Umgang mit psychischen Störungen wird bei vergleichsweise milden Symptomen oftmals über Jahre hinweg nicht eingegriffen – möglicherweise auch aus Angst vor Medikamenten. Dabei kann der Verlauf durch das frühzeitige Stellen einer Diagnose und mit regelmäßigen Gesprächen stark positiv beeinflusst werden. |
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=== Medikamente === |
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In den verschiedenen Episoden wird unterschiedliche Medikation verwendet. Man unterscheidet ferner zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Prophylaxe. Dabei ist die Stimmungsstabilisierung durch [[Phasenprophylaktikum|Phasenprophylaktika]] das Grundgerüst jeder medikamentösen Therapie. Diese sollte jedoch von psychotherapeutischen und psychoedukativen Maßnahmen begleitet werden.<ref name=":4" /> |
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==== Manie ==== |
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Bei akuten und starken Manien werden üblicherweise [[Neuroleptikum|Neuroleptika]] verabreicht. Typische Neuroleptika (z. B. [[Haloperidol]] oder [[Loxapin]]) wirken normalerweise recht zuverlässig, haben aber den Nachteil von Bewegungsstörungen ([[Extrapyramidalmotorisches System|extrapyramidaler]] Störungen) als Nebenwirkung. [[Atypisches Neuroleptikum|Atypische Neuroleptika]] wie [[Risperidon]], [[Quetiapin]], [[Olanzapin]], [[Aripiprazol]], [[Ziprasidon]] haben ein geringeres Risiko<ref name="PMID17705840">S. Derry, R. A. Moore: ''Atypical antipsychotics in bipolar disorder: systematic review of randomised trials.'' In: ''BMC psychiatry.'' Band 7, 2007, S. 40, [[doi:10.1186/1471-244X-7-40]]. PMID 17705840, {{PMC|2020469}} (Review).</ref> hinsichtlich extrapyramidaler Störungen und haben sich auch bei Heranwachsenden in akut manischen und gemischten Phasen bewährt.<ref name="PMID20205485">M. K. Singh, T. A. Ketter, K. D. Chang: ''Atypical antipsychotics for acute manic and mixed episodes in children and adolescents with bipolar disorder: efficacy and tolerability.'' In: ''Drugs.'' Band 70, Nummer 4, März 2010, S. 433–442, [[doi:10.2165/11534540-000000000-00000]]. PMID 20205485, {{PMC|2882025}} (Review).</ref> Die Gefahr von Nebenwirkungen bezieht sich hier eher auf [[Stoffwechselerkrankung]]en bis hin zu [[Diabetes mellitus|Diabetes]]. |
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Neuroleptika können auch verwendet werden, wenn sich eine manische Episode anbahnt, was den vollständigen Ausbruch oft verhindert. |
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==== Mischzustände ==== |
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[[#Mischzustand|Mischzustände]] sind kompliziert zu behandeln. Meist müssen mehrere Medikamente kombiniert werden. Sie können einerseits mit neueren atypischen [[Neuroleptika]] behandelt werden, andererseits muss auch die depressive Symptomatik behandelt werden. Es kann vorkommen, dass die Einnahme über einen längeren Zeitraum notwendig ist, falls psychotische Symptome beim Absetzen wiederkehren. |
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==== Depression ==== |
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[[Antidepressivum|Antidepressiva]] bieten im Vergleich zu [[Stimmungsstabilisator]]en (''Mood stabilizers''; siehe Vorbeugung) keine zusätzlichen Vorteile, sondern eher Risiken wie Destabilisierung mit Zunahme von Manien, Phasenfrequenz (''cycling'') und belastender Missgelauntheit ([[Dysphorie]]).<ref name="PMID20675968">R. S. El-Mallakh, A. Z. Elmaadawi, M. Loganathan, K. Lohano, Y. Gao: ''Bipolar disorder: an update.'' In: ''Postgraduate medicine.'' Band 122, Nummer 4, Juli 2010, S. 24–31, [[doi:10.3810/pgm.2010.07.2172]]. PMID 20675968 (Review).</ref> |
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Für die Behandlung von depressiven Notfällen ([[Suizidgefährdung]]) bei BAS hat sich in der [[Klinische Forschung|klinischen Forschung]] seit 2010 die schnelle Wirkung von [[Ketamin#Therapie der Depression|Ketamin]], einem [[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonisten]] am [[Glutaminsäure|Glutamat]]-[[NMDA-Rezeptor]]komplex, bewährt.<ref name="PMID24103187">A. C. Nugent, N. Diazgranados, P. J. Carlson, L. Ibrahim, D. A. Luckenbaugh, N. Brutsche, P. Herscovitch, W. C. Drevets, C. A. Zarate: ''Neural correlates of rapid antidepressant response to ketamine in bipolar disorder.'' In: ''Bipolar disorders.'' Band 16, Nummer 2, März 2014, S. 119–128, [[doi:10.1111/bdi.12118]]. PMID 24103187, {{PMC|3949142}}.</ref> |
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Nach vorläufigen Ergebnissen von 2013 lässt sich mit einer sehr niedrigen Dosis von ''[[Ketamin]]'' unter der Zunge ([[sublingual]]) bei BAS-Depression sowohl eine schnelle als auch – bei regelmäßiger Einnahme – eine andauernde positive Wirkung bezüglich Stimmung, Stabilität, Wahrnehmung und Schlaf erreichen.<ref name="PMID23683309">D. R. Lara, L. W. Bisol, L. R. Munari: ''Antidepressant, mood stabilizing and procognitive effects of very low dose sublingual ketamine in refractory unipolar and bipolar depression.'' In: ''The international journal of neuropsychopharmacology / official scientific journal of the Collegium Internationale Neuropsychopharmacologicum.'' Band 16, Nummer 9, Oktober 2013, S. 2111–2117, [[doi:10.1017/S1461145713000485]]. PMID 23683309.</ref> |
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Mitte 2015 berichteten die [[Pharmakologie]]-Professoren [[Lutz Hein]] (Universität Freiburg) und Roland Seifert (Medizinische Hochschule Hannover), dass Ketamin aus guten Gründen bereits [[Off-Label-Use|off-label]], d. h. ohne offizielle Zulassung durch die Arzneimittelbehörden (jedoch völlig legal), an depressive und suizidale Patienten verschrieben wird.<ref>Roland Seifert, [[Lutz Hein]]: ''{{Webarchiv |url=http://www.biospektrum.de/blatt/d_bs_pdf%26_id%3D1350536 |text=Ketamin zur Behandlung von Depression und Suizidalität |wayback=20200714025406 |archiv-bot=2023-03-21 18:16:21 InternetArchiveBot}}.'' (PDF). In: ''BIOspektrum.'' 4/2015, 21. Jahrgang, Springer-Verlag, WISSENSCHAFT AKTUELL, S. 419, abgerufen am 19. Oktober 2015.</ref> |
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==== Vorbeugung gegen Episoden ==== |
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Eine vorbeugende Behandlung ([[Prävention]]) zur Minderung der Wahrscheinlichkeit von Störungsepisoden bei BAS geschieht mit [[Stimmungsstabilisator]]en (''Mood stabilizers''; [[Phasenprophylaxe]]) wie [[Lithiumtherapie|Lithium]]<ref name="juf" /> oder [[Antikonvulsivum|Antiepileptika]] wie [[Valproinsäure]], [[Lamotrigin]] oder [[Carbamazepin]]. |
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Etwa ein Drittel der BAS-Patienten, die mit Lithium behandelt werden, sprechen hervorragend darauf an (''excellent lithium responders''). Bei ihnen verhindert es – ohne andere zusätzliche Maßnahmen ([[Monotherapie]]) – weitere Episoden vollständig, und zwar über zehn Jahre und länger. Lithium bewirkt bei BAS außerdem Schutzwirkungen im Gehirn ([[Neuroprotektion]]), unter anderem durch die Auslösung einer erhöhten Produktion des [[Wachstumsfaktor BDNF|Wachstumsfaktors BDNF]]. Sowohl dieser Schutzeffekt als auch der Vorbeugungseffekt steht in Verbindung mit einer großen Zahl bereits identifizierter Gen-Eigenschaften, die vom ''Consortium on Lithium Genetics'' (ConLiGen), unter anderem auch speziell zu den Wirkungen bei BAS, kartiert und erforscht werden.<ref name="PMID25377609">J. K. Rybakowski: ''Factors associated with lithium efficacy in bipolar disorder.'' In: ''Harvard review of psychiatry.'' Band 22, Nummer 6, November-Dezember 2014, S. 353–357, [[doi:10.1097/HRP.0000000000000006]]. PMID 25377609 (Review).</ref><ref name="PMID24625017">J. K. Rybakowski: ''Response to lithium in bipolar disorder: clinical and genetic findings.'' In: ''ACS chemical neuroscience.'' Band 5, Nummer 6, Juni 2014, S. 413–421, [[doi:10.1021/cn5000277]]. PMID 24625017, {{PMC|4063501}} (Review).</ref> |
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Unter den Antiepileptika gilt Lamotrigin als sehr wirksam gegen bipolare Depressionen, hat aber keine belegten Effekte gegen Manien. Carbamazepin und Valproinsäure wirken hingegen fast ausschließlich gegen Manien.<ref name="PMID16683963">C. L. Bowden, N. U. Karren: ''Anticonvulsants in bipolar disorder.'' In: ''The Australian and New Zealand journal of psychiatry.'' Band 40, Nummer 5, Mai 2006, S. 386–393, [[doi:10.1111/j.1440-1614.2006.01815.x]]. PMID 16683963 (Review).</ref> |
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Der Abbruch einer erfolgreichen Behandlung mit Phasenprophylaktika sollte gut überlegt werden, da ein erneutes Auftreten von depressiven und manischen Phasen den Krankheitsverlauf insgesamt negativ beeinflussen und eine erneute Behandlung erheblich erschweren kann. |
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=== Psychotherapie === |
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==== Allgemeines ==== |
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Sinnvoll ist eine auf die Störung abgestimmte [[kognitive Verhaltenstherapie]] und/oder [[Gesprächspsychotherapie]] und/oder [[Soziotherapie]] und/oder [[Psychoedukation]]. Empfehlenswert sind außerdem [[Selbsthilfegruppe]]n, wie sie sich etwa im [[Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen|Bipolar-Selbsthilfe-Netzwerk]] zusammengeschlossen haben. |
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Sinnvoll für Betroffene ist es, eigene Warnsysteme zu entwickeln, um nicht wieder in extreme Phasen zu geraten, mit [[Stressmanagement]], [[Selbstbeobachtung]], [[Selbstregulation]] und [[Selbstmanagement]]. Das Erkennen der persönlichen Frühwarnzeichen der depressiven, manischen oder gemischten Phasen und ein rechtzeitiges Gegensteuern durch entsprechendes Verhalten (z. B. antidepressive Tätigkeiten bei Gefahr einer Depression; antimanisches Verhalten wie genügend Schlaf, Beschränkung, Reizabschirmung bei der Gefahr einer Manie sowie die richtige Medikation zum richtigen Zeitpunkt) kann den Ausbruch einer neuen Episode verhindern. Ein geregeltes, stressfreies, erfülltes Leben mit ausreichend Schlaf, Bewegung (Sport) und Meditation oder Yoga kann neue Episoden verzögern oder seltener auch ganz verhindern. Voraussetzung dafür ist, dass sich Betroffene von den Folgen der letzten Episode erholt haben. |
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==== Wirksamkeit ==== |
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In einer vergleichenden Übersicht von 2011 über neuere [[randomisierte kontrollierte Studie]]n zur Wirksamkeit von Psychotherapie bei BAS wurden folgende Ergebnisse berichtet: Die Mehrheit der Studien zeigte bedeutende positive Resultate in Form von Minderung der Rückfallraten, erhöhter Lebensqualität, besserer Alltagsbewältigung oder günstigerer Entwicklung der Symptome.<ref name="PMID21918448">D. Schöttle, C. G. Huber, T. Bock, T. D. Meyer: ''Psychotherapy for bipolar disorder: a review of the most recent studies.'' In: ''Current opinion in psychiatry.'' Band 24, Nummer 6, November 2011, S. 549–555, [[doi:10.1097/YCO.0b013e32834b7c5f]]. PMID 21918448 (Review).</ref> Damit wurden die Trends zweier vergleichbarer Übersichten von 2007 und 2008<ref name="PMID18794208">D. J. Miklowitz: ''Adjunctive psychotherapy for bipolar disorder: state of the evidence.'' In: ''The American journal of psychiatry.'' Band 165, Nummer 11, November 2008, S. 1408–1419, [[doi:10.1176/appi.ajp.2008.08040488]]. PMID 18794208, {{PMC|2613162}} (Review).</ref><ref name="PMID17604972">M. Hautzinger, T. D. Meyer: ''Psychotherapie bei bipolaren affektiven Störungen: Ein systematischer Überblick kontrollierter Interventionsstudien.'' In: ''Der Nervenarzt.'' Band 78, Nummer 11, November 2007, S. 1248–1260, [[doi:10.1007/s00115-007-2306-0]]. PMID 17604972 (Review) ([http://link.springer.com/article/10.1007/s00115-007-2306-0#page-1 Leseprobe S. 1248–1249.]).</ref> bestätigt. |
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=== Psychoedukative Verfahren === |
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Die klinische Wirksamkeit von psychotherapeutischen Programmen, zu denen auch die [[Psychoedukation]] zählt, wurde im Rahmen von Studien untersucht. „Allgemein wird unter Psychoedukation die zielorientierte und strukturierte Vermittlung präventiv relevanter Informationen von Professionellen an die Betroffenen kombiniert mit den allgemeinen Wirkfaktoren einer Gruppentherapie verstanden.“<ref name=":1" /> Konkret geht es darum, Informationswissen, krankheitsbezogenes Wissen über den Rhythmus der Erkrankung, Frühzeichen, [[Bewältigungsstrategie|Copingstrategien]] sowie die Aufklärung über die Wirkung und Nebenwirkung von [[Psychopharmakon|Psychopharmaka]] zu vermitteln. Mit den Letztgenannten wird der Fokus auf die Edukation gelegt; die CBT (kognitive Verhaltenstherapie) nimmt hingegen mehr individuelle und gruppendynamische Aspekte in den Blick. Sie arbeitet auf der Klärungs- und Beziehungsperspektive. Idealerweise ergänzen sich beide Formen.<ref name=":1" /> |
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Mit [[manualisierten]] psychoedukativen Gruppeninterventionen soll bei den Patienten ein Lernprozess in Gang gesetzt werden.<ref name=":1" /> Mit dieser Form der Intervention soll erreicht werden, dass Patienten Frühwarnsignale rascher erkennen und einen Arzt aufsuchen. Die Compliance, d. h. die regelmäßige Medikamenteneinnahme sowie das Wahrnehmen von Terminen mit dem interprofessionellen Team Betreuender, sollte geschult werden. Für den Behandlungserfolg ist ferner entscheidend, dass Systemzusammenhänge erkannt werden. Darauf basiert die familienfokussierte Therapie (FFT).<ref name=":1" /> Familien mit Angehörigen, die an einer BAS leiden, sind einem hohen Stresslevel ausgesetzt. Gleichzeitig sind BAS-Patienten „highly vulnerable“,<ref>{{Internetquelle |autor=Hunsley John; Elliott Katherine; Therrien Zoé |url=http://www.cpa.ca/docs/File/Practice/TheEfficacyAndEffectivenessOfPsychologicalTreatments_web.pdf |titel=The Efficacy and Effectiveness of Psychological Treatments. |hrsg=Canadian Psychological Association, S. 12 |datum=2013-09-10 |format=PDF |sprache=en |abruf=2021-03-08}}</ref> d. h. ihre Stressbelastbarkeit ist deutlich reduziert. Ziel der FFT ist es, Stress in Familien mit BAS-Patienten zu reduzieren, um den Verlauf der Erkrankung günstig zu beeinflussen<ref name=":1" /> und die Familienangehörigen zu entlasten. Vor allem die Aufklärung von Partnern und nahen Familienangehörigen über die kontrastreichen Symptome der Erkrankung ist wichtig.<ref name=":1" /> Für Angehörige kann die Teilnahme an Selbsthilfegruppen sehr entlastend sein und zur eigenen [[Psychohygiene]] beitragen.<ref name=":1" /> |
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Der lebensweltorientierte Ansatz nach Hans Thiersch,<ref name=":2">{{Literatur |Autor=Hans Thiersch, Klaus Grunwald, Stefan Köngeter |Hrsg=Werner Thole |Titel=Lebensweltorientierte Soziale Arbeit |Sammelwerk=Werner Thole |Verlag=VS-Verlag für Sozialwissenschaften |Ort=Wiesbaden |Datum=2012 |ISBN= |Seiten=175-195}}</ref> berücksichtigt neben der Lebensumständen auch die Interaktionen mit den Angehörigen der Betroffenen. „Lebensweltorientierung verbindet die Analyse von gegenwärtig spezifischen Lebensverhältnissen mit pädagogischen Konsequenzen.“ (S. 175)<ref name=":2" /> Mit pädagogischen Mitteln<ref name=":1" /> sollen Zusammenhänge vermittelt und über die Folgen bestimmter Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten aufgeklärt werden, um möglichst eine Einstellungsänderung der Betroffenen zu bewirken. Den Angehörigen wird vermittelt, dass schädliche Verhaltensweisen nicht Ausdruck mangelnder Motivation oder Willenskraft der Betroffenen sind. Die Thematik wird unter anderem im Dokumentarfilm „Of Two Minds“ behandelt.<ref>{{Literatur |Autor=Blush, Douglas; Klein, Lisa J. (Regie) |Titel=Of Two Minds [Film] |Verlag=Docurama |Ort=U.S. Kanada |Datum=2013}}</ref> Im Rahmen der psychosozialen Beratung wird zwischen den Interessen von Betroffenen und Angehörigen vermittel, die sich gerade in (hypo-)manischen Phasen antagonistisch gegenüberstehen. Erste Symptome einer BAS manifestieren sich oft bereits im jugendlichen oder jungen Erwachsenenalter.<ref name=":3">{{Internetquelle |autor=K. Leopold et al |url=https://link.springer.com/article/10.1007/s00115-013-3834-4 |titel=Prävention bipolarer Störungen |hrsg=Nervenarzt, 84. Jahrgang, Heft 11 |datum=2013 |seiten=1310–1315 |abruf=2016-02-12}}</ref><!-- Um eine Ausrichtung auf diese Zielgruppe zu optimieren, soll u. a. auch Fachpersonal der Sozialen Arbeit entsprechend geschult werden und auf Netzwerke mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie zurückgegriffen werden.<ref name=":3" /> << Etwas zu allgemein. Welche Zielgruppe ist genau gemeint? --> |
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=== Verbreitung und Verlauf === |
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Die Wahrscheinlichkeit, während des Lebens eine bipolare affektive Störung zu entwickeln ([[Lebenszeitrisiko]]), liegt je nach Quelle und Land bei 1 bis 2 %. Es besteht kein Unterschied des Risikos zwischen Männern und Frauen. |
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Das Risiko, eine hohe Phasenfrequenz (schneller Wechsel zwischen gehobener und gedrückter Stimmung) zu entwickeln, steigt mit der Dauer der Erkrankung. Etwa 10 % der Betroffenen entwickeln Störungsformen mit vier und mehr Episoden pro Jahr. Dies geht mit einer ernsteren Prognose einher. Ersten Untersuchungen zufolge scheinen 80 % der so genannten ''Rapid Cycler'' Frauen zu sein. Etwa ein Drittel der Patienten erreichen im Rahmen ihrer Störung keine Vollremission (symptomfreies Intervall). |
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75 % der Patienten erleiden ihre erste Episode bis zum 25. Lebensjahr. 10 % bis 15 % der Betroffenen durchleben mehr als zehn Episoden in ihrem Leben. 39 % der Patienten haben eine weitere psychiatrische Diagnose. |
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=== BAS bei Kindern und Jugendlichen === |
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Bis jetzt wird die Häufigkeit des Auftretens einer manisch-depressiven Episode im Kindheits- und Jugendalter mit einem Wert von unter 0,1 % als relativ gering eingeschätzt. Es spricht allerdings einiges dafür, dass dieser Wert die tatsächliche Auftretens-Häufigkeit unterschätzt, da nach Vermutung einiger Psychiater in der kinderpsychiatrischen und psychologischen Praxis Fehlinterpretationen des Beschwerdebildes bei Hypomanie und Manie in Richtung [[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung|ADHS]] und Verhaltensstörungen vorkommen. Häufige [[Komorbidität]]en sind [[Angststörung]]en und [[Störung des Sozialverhaltens|aggressive Verhaltensstörungen]]. |
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Besonders jugendliche männliche Erkrankte weisen in 30 % der Fälle stimmungsinkongruente psychotische Merkmale auf. In Bezug auf ADHS überlappen sich viele Symptome. Hinweise auf die bipolare Störung ergeben sich vor allem aus: einem episodenhaften Verlauf, einer signifikant höheren Beeinträchtigung und – im Fall einer Manie – durch Größenideen und Selbstüberschätzung sowie rücksichtslosem Verhalten. Eine genaue Anamnese ist somit unerlässlich. |
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Fehlbehandlung durch Stimulanzien wie [[Methylphenidat]] oder [[Modafinil]] können die Symptome der Hypomanien und Manien verstärken, was zu temporär ungünstigen Zuständen bis zu physischen Schädigungen führen kann. Gegenüber rein unipolar Depressiven besteht bei Jugendlichen mit bipolarer Störung ein höheres Suizidrisiko. |
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== Epidemiologie == |
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Die lebenslange [[Prävalenz]] von BPD liegt vermutlich zwischen 0,2 und 3 %. Für die USA wurde beispielsweise eine Prävalenz von etwa 2,1 % gezeigt.<ref>{{cite journal| doi = 10.1001/archpsyc.64.5.543| volume = 64| issue = 5| pages = 543–553| last1 = Merikangas| first1 = Kathleen R.| last2 = Akiskal| first2 = Hagop S.| last3 = Angst| first3 = Jules| last4 = Greenberg| first4 = Paul E.| last5 = Hirschfeld| first5 = Robert M. A.| last6 = Petukhova| first6 = Maria| last7 = Kessler| first7 = Ronald C.| title = Lifetime and 12-Month Prevalence of Bipolar Spectrum Disorder in the National Comorbidity Survey Replication| journal = Archives of General Psychiatry| accessdate = 2022-08-07| date = 2007-05-01| url = http://archpsyc.jamanetwork.com/article.aspx?doi=10.1001/archpsyc.64.5.543 |language=en}}</ref> |
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== Forschungsgeschichte == |
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=== Antike === |
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Bipolare Störungen sind schon seit langem bekannt. Erste Schriftzeugnisse aus der [[Antike]] belegen bereits die Kenntnis der beiden Zustände, zunächst als gesonderte Krankheiten durch den berühmten Arzt [[Hippokrates von Kos]]. Bereits einige Jahrhunderte danach erkannte [[Aretaios|Aretaeus von Kappadokien]] die Zusammengehörigkeit von [[Depression]] und [[Manie]]. |
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Hippokrates von [[Kos]] beschrieb im 5. Jahrhundert v. Chr. die [[Melancholie]] (konnte der heutigen Depression entsprechen). Er nahm an, dass sie durch einen Überschuss an ''schwarzer Galle'' entstehe, die von der organisch erkrankten [[Milz]] ins Blut ausgeschieden werde, den gesamten Körper überflute, ins Gehirn eindringe und Schwermut verursache. Mit dieser Vorstellung ist das [[Griechische Sprache|griechische]] Wort ''Melancholia'' eng verzahnt (griechisch: μελαγχολια von μελας: ''melas'': „schwarz“, χολη: ''cholé'': „[[Galle]]“). Hippokrates verwendete auch bereits den Ausdruck ''Mania'' (Manie), um einen Zustand der [[Ekstase]] und Raserei zu beschreiben. Diese Bezeichnung (griech. μανία: ''manía'': Raserei) hielt sich seitdem bis heute in der Wissenschaft. Statt des griechischen Wortes ''Melancholie'' wird heute das Fachwort ''Depression'' für den anderen Extrempol dieser Erkrankung verwendet, das aus der [[lateinisch]]en Sprache stammt (lat. ''depressio'' „Niederdrücken“). |
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Der griechische Arzt [[Aretaios|Aretaeus von Kappadokien]] vermutete ähnliche körperliche Ursachen, erkannte aber bereits im 1. Jahrhundert nach Christus eine Zusammengehörigkeit der beiden extremen Zustände, die als Gegenpole so weit auseinanderliegen, und beschrieb somit als erster die bipolare Störung: ''Meiner Ansicht nach ist die Melancholie ohne Zweifel Anfang oder sogar Teil der Krankheit, die Manie genannt wird…''<ref name="WormerGeschichte">[[Eberhard J. Wormer]]: ''Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. – Ein Manual für Betroffene und Angehörige.'' München 2002, S. 47–54.</ref> Die Entwicklung einer Manie stelle eher ein Zunehmen der Krankheit dar als einen Wechsel in eine andere Krankheit. |
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=== Moderne === |
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Das Konzept des Aretaeus von Kappadokien, das im [[Mittelalter]] und der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] in Vergessenheit geraten war, wurde im 19. Jahrhundert wieder aufgegriffen: [[Jean-Pierre Falret]] beschrieb im Jahr 1851 „la folie circulaire“ (= zirkuläres Irresein) als einen Wechsel von Depressionen, Manien und einem gesunden Intervall, [[Jules Baillarger]] drei Jahre später sein Konzept der „folie à double forme“ als unterschiedliche Erscheinungsformen derselben Krankheit, wobei nicht unbedingt ein freies Intervall zwischen diesen beiden Extremzuständen liegen muss. |
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Der deutsche Psychiater [[Emil Kraepelin]] nannte 1899 diese Erkrankung des „circulären Irreseins“ auch „manisch-depressives Irresein“, wobei er auch schon Mischzustände erkannte, bei denen manische und depressive Symptome gleichzeitig vorkommen. Auch für Kraepelin waren Manien und Depressionen Ausdrucksformen ein und derselben Krankheit.<ref name="WaldenGrunze1">Jörg Walden, Heinz Grunze: ''Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung.'' Stuttgart / New York 2003, ISBN 3-13-104993-6, S. 7 f.</ref> |
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Bei der [[Zeit des Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] „[[Vernichtung lebensunwerten Lebens]]“, die von mehreren Psychiatern unterstützt – in einigen Fällen auch angestoßen – wurde, wurden Manisch-Depressive („zirkulär Irre“) als „[[Erbkrankheit|erbkrank]]“ eingestuft, [[Zwangssterilisation|zwangssterilisiert]] oder – dann mit der Diagnose „Schizophrenie“ – in den Vergasungs-Anstalten der ''[[Aktion T4]]'' ermordet. |
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Seit 1911 unterschied [[Karl Kleist (Mediziner)|Karl Kleist]] zwischen unipolaren und bipolaren Stimmungsstörungen (Affektstörungen), und 1957 verwendete [[Karl Leonhard]] dieses Konzept für die Unterscheidung von unipolarer und bipolarer Störung bei Depressionen.<ref name="PMID11869749">J. Angst, A. Marneros: ''Bipolarity from ancient to modern times: conception, birth and rebirth.'' In: ''Journal of Affective Disorders.'' Band 67, Nummer 1–3, Dezember 2001, S. 3–19. PMID 11869749 (Review), [https://s3.amazonaws.com/academia.edu.documents/45999727/s0165-0327_2801_2900429-320160527-27074-pp3otz.pdf?AWSAccessKeyId=AKIAIWOWYYGZ2Y53UL3A&Expires=1550426949&Signature=iALMmw%2Byn8DP96AuCmmfQkfz7m4%3D&response-content-disposition=inline%3B%20filename%3DBipolarity_from_ancient_to_modern_times.pdf (PDF)]</ref> |
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== Leben mit der bipolaren affektiven Störung == |
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Wie bei anderen Krankheiten gibt es leichtere oder schwerere Verläufe. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser. Mit Erkennen der Frühwarnzeichen und Gegensteuern und Medikation kann man ein erfülltes Leben führen. Bei einem großen Teil der Patienten wird die berufliche und soziale Mobilität nicht wesentlich beeinträchtigt. |
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=== Auswirkungen ungünstiger Verläufe === |
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Während einer Manie kommt es schnell zu einem seelischen Chaos. Durch die Überdrehtheit während dieser Phase richten Betroffene Schaden an und sind nicht mehr in der Lage, Vernünftiges zu leisten. Depressionen und [[#gemischte Episode|gemischte Episoden]], die bei bipolar Erkrankten besonders quälend sind, werfen Betroffene regelrecht aus der Bahn und lähmen diese. Rechtsgeschäfte, die im Kontext einer manischen Phase zum Schaden des Betroffenen von diesem getätigt worden sind, können bei festgestellter [[Geschäftsunfähigkeit]] rückgängig gemacht werden (z. B. der Abschluss mehrerer Mietverträge oder der Kauf mehrerer Kraftfahrzeuge, die nicht benötigt werden). |
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Menschen mit einer bipolaren Störung sind in ihrem Alltag starken Beeinträchtigungen und Leiden ausgesetzt. Aber auch Angehörige der Betroffenen haben stark unter einer, meistens jedoch mehrerer der angeführten Folgen zu leiden: |
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* Fremdgehen |
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* finanzieller Ruin |
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* distanzloses, ruheloses oder auffälliges Verhalten im Rahmen einer Manie |
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* Berufsunfähigkeit |
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* Wegfall partnerschaftlich-unterstützender Verhaltensweisen in Phasen der Depression sowie der zermürbenden Wiederkehr solcher Phasen |
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* [[Komorbidität]]en wie [[Alkoholkrankheit|Alkoholmissbrauch]] |
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* [[Stigmatisierung]] und Ausgrenzung |
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Wenn Betroffene eine akute Bedrohung oder Gefährdung für sich und/oder andere darstellen, können sie auch gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden, entweder im Kontext einer öffentlich-rechtlichen [[Unterbringungsverfahren|Unterbringung]] bei [[Gefahr im Verzug|Gefahr in Verzug]] oder im Zusammenhang einer betreuungsrechtlichen Unterbringung, die im Vorfeld beim [[Vormundschaftsgericht]] beantragt und von einem unabhängigen psychiatrischen Gutachter, der vom Gericht beauftragt wird, befürwortet werden muss. Der zuständige Richter des Vormundschaftsgerichtes hat im Vorfeld einer Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen die Pflicht, diesen persönlich anzuhören. Ist die Unterbringung im Wege der [[Einstweilige Anordnung|einstweiligen Anordnung]] erfolgt, ist die Anhörung kurzfristig nachzuholen. Da die Manie für Betroffene persönlich eine Hochphase der Gefühle bedeutet, weigern sie sich häufig, freiwillig Medikamente einzunehmen, die diese Hochphase bekämpfen würden. Wenn die strengen Voraussetzungen, die der Gesetzgeber an eine Zwangsunterbringung stellt, die ja eine massive Einschränkung der Freiheitsrechte bedeutet, nicht erfüllt sind, müssen oft Angehörige die Phase „aussitzen“, was mehrere Wochen dauern und von gravierenden psychosozialen Problemen begleitet sein kann. Hilfen bieten in diesem Fall [[Sozialpsychiatrischer Dienst|sozialpsychiatrische Dienste]], [[Angehörigengruppe]]n oder auch der [[Allgemeiner Sozialer Dienst|Allgemeine Sozialdienst]] des zuständigen [[Jugendamt]]es an. |
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Kinder und Jugendliche leiden beispielsweise darunter, dass Mütter oder Väter in ihren akuten Phasen ganz oder teilweise bei der Erziehung und im Haushalt ausfallen. Für Kinder kann es schwierig sein, zu verarbeiten, dass ein Elternteil während dieser Zeit nicht dem Rollenbild, das üblicherweise mit der [[Soziale Rolle|Rolle]] der Mutter oder des Vaters verknüpft ist, entspricht. Ängste, die Störung geerbt zu haben, treten häufig auf und erfordern professionelle Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit der Eigenart des Elternteils und ihrer Bedeutung im eigenen Leben. |
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Als sehr wichtig hat sich erwiesen, dass Angehörige, die häufig sehr unterstützend tätig sein müssen, nicht vergessen, immer wieder auch einmal ''an sich'' zu denken. Positiv und entlastend haben sich psychotherapeutische Schonräume erwiesen, in denen Angehörige ermutigt werden, auch negative Emotionen dem betroffenen Familienmitglied sich selbst gegenüber einzugestehen und in der therapeutischen Situation auszudrücken. |
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=== Entstigmatisierung und Kreativität === |
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Die Betroffenen haben nicht nur mit den Problemen zu kämpfen, dass sie oft die Unterstützung der Freunde und der Familienmitglieder verlieren, sondern dass sie aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Gegen die Diskriminierung kämpfen zahlreiche Prominente, die selber betroffen sind, dazu stehen und öffentlich darüber sprechen. |
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Mittlerweile gibt es Versuche, die mit der Bipolarität oft einhergehenden Kreativitätsschübe durch moderne Behandlungsmethoden als positiven Aspekt dieser Störung zu integrieren. Diverse Maßnahmen wie Medikation und verschiedene Arten von Therapien – z. B. [[kognitive Verhaltenstherapie]], [[Gestaltungstherapie]], Kreativ-Atelier, manchmal auch nur einfache Betreuung als Ausgleich für evtl. erlittene Schockerlebnisse in der Kindheit und Jugend – sollen helfen, die Kreativität zu erhalten. |
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Ein offizielles Projekt, das versuchte, das kreative Selbstvertrauen der Betroffenen zu stärken und eine größere Anerkennung in der Gesellschaft zu erreichen, war z. B. 2005 die deutsche Internetplattform [[BipolArt]] von Magdalena Maya Ben, die unter der Schirmherrschaft der bipolaren Ärztin [[Kay Redfield Jamison]] wirkte. |
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Von übertriebenen Erwartungen bezüglich manischer Kreativität ist jedoch Abstand zu nehmen. Beispielsweise sind Kay Redfield Jamisons Schätzungen von 1994, dass die Häufigkeit bipolarer Störungen bei „kreativen Persönlichkeiten“ das 10-Fache der Häufigkeit bei der Allgemeinbevölkerung betrage, mit Vorsicht aufzunehmen. Unbeweisbar und sehr wahrscheinlich stark übertrieben ist ihre Behauptung, dass „mehr als ein Drittel aller zwischen 1705 und 1805 geborenen englischen und irischen Dichter“ an bipolaren Störungen gelitten hätten und „mehr als die Hälfte an Stimmungsstörungen“.<ref>[[Eberhard J. Wormer]]: ''Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. – Ein Manual für Betroffene und Angehörige.'' München 2002, S. 131–138.</ref> |
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Schlussendlich ist es im Rahmen der Anti-Stigmaarbeit unerlässlich, eine seelische Störung oder Krankheit v. a. in der psycho-sozialen Beratung nicht als Persönlichkeitsvariable zu kommunizieren, d. h., Menschen sind nicht bipolar, sondern sie leiden unter einer BAS. |
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=== Vorsorgevollmacht === |
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Menschen mit BAS stellen während symptomfreier Phasen oft eine [[Vorsorgevollmacht]] aus, in der geklärt wird, was man im Falle einer [[Unterbringung#Selbstgefährdung|Eigen-]] oder [[Unterbringung#Fremdgefährdung|Fremdgefährdung]] wünscht. |
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== Siehe auch == |
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* [[Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen]] |
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== Literatur == |
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=== Leitlinien === |
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* {{AWMF|http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-019.html|Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen|S3|Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)|März 2019}} |
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* {{AWMF|http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-020.html|Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen|S3|Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)|Oktober 2018}} |
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=== Psychiatrie === |
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* Hans-Jörg Assion, Wolfgang Vollmoeller: ''Handbuch bipolare Störungen.'' Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-018450-4. |
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* Jörg Walden, Heinz Grunze: ''Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung.'' Thieme, Stuttgart/New York 2003, ISBN 3-13-104993-6. |
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* Michael Bauer (Hrsg.): ''Weißbuch Bipolare Störungen in Deutschland, Stand des Wissens – Defizite – Was ist zu tun?'' 2. Auflage. Norderstedt 2006, ISBN 3-8334-4781-8. |
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* Frederick K. Goodwin und Kay Refield Jamison: ''Manic depressive illness.'' Oxford University Press, 1990, ISBN 0-19-503934-3. |
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* [[Kay Redfield Jamison]]: ''Touched with fire. Manic-depressive illness and the artistic temperament.'' New York 1993, ISBN 0-684-83183-X (englisch). |
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* Heinz Grunze, Emanuel Severus: ''Bipolare Störungen erkennen. Die Kunst der korrekten Diagnose.'' In: ''Der Neurologe & Psychiater.'' Sonderheft 1/2005. |
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=== Psychotherapie === |
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* Thomas D. Meyer, [[Martin Hautzinger]]: ''Manisch-depressive Störungen.'' Beltz Psychologie Verlags Union, 2004, ISBN 3-621-27551-7. Auf die Bipolare affektive Störung abgestimmte kognitive Verhaltenstherapie. |
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* Stavros Mentzos: ''Depression und Manie. Psychodynamik und Therapie affektiver Störungen.'' Göttingen 2001, ISBN 3-525-45775-8. Ein alternativer Ansatz, mit dem der Autor affektive psychische Störungen psychodynamisch zu erklären sucht, insbesondere einen hohen Stellenwert der Art des Selbstwertgefühls postuliert. |
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* Thomas Bock, Andreas Koesler: ''Bipolare Störungen. Manie und Depression verstehen und behandeln.'' Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005, ISBN 3-88414-392-1. |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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{{Commonscat|Bipolar disorder|Bipolare Störung|audio=1|video=1}} |
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* Volker Faust: [https://www.psychosoziale-gesundheit.net/pdf/manie-internet.pdf ''Manie: Krankhafte Hochstimmung mit Folgen.''] (PDF; 486 kB). |
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* [http://www.nimh.nih.gov/health/topics/bipolar-disorder/index.shtml Informationen zur bipolaren Störung] auf der Website des National Institute of Mental Health (NIMH) der USA |
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* Jochen Paulus: [https://web.archive.org/web/20160827121327/http://www.swr.de:80/swr2/programm/sendungen/wissen/bipolare-stoerung/-/id=660374/nid=660374/did=8969586/1ofvclx/index.html ''Glück und Pein des Wahns – Die bipolare Störung und ihre Behandlung'' bei wayback.org vom 27. August 2016.] [[SWR2]]. |
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== Einzelnachweise == |
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* http://www.dgbs.de/ Deutsches Standard-Internetangebot mit vielfältigen Informationen rund um die bipolare Störung im Trialog (Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.) |
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<references /> |
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* http://manic-depressive.de/ bedeutendes Forum für bipolar Erkrankte und Angehörige, in deutscher Sprache |
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* http://www.bipol-art.de/ Bilder, Lyrik, Prosa und Musik bipolar Erkrankter. Das "Bipol-Art-Projekt" hat es sich zur Aufgabe gemacht, das ungewöhnliche große Kreativitäts-Potenzial bipolar erkrankter Menschen als einen positiven Aspekt dieser oft grausamen Krankheit herauszustellen. |
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* http://dgbs.de/adressen/selbsthilfegruppen/index.php?PHPSESSID=b6b979c86973185cded02bc89863f39c/ Verortung der Selbsthilfegruppen, Kontaktadressen |
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* http://www.bipolar-netzwerk.dgbs.de/ Netzwerk der Selbsthilfegruppen bipolar Erkrankter, teilweise mit Angehörigenbeteiligung in Deutschland |
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* http://www.bipolar-netzwerk.de/ Netzwerk der Selbsthilfegruppen, eigene Seite |
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* http://www.change-of-moods.de/ bedeutendes Internet-Angebot einer Selbsthilfegruppe |
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* http://www.verein-horizonte.de/ Unterstützung affektiv Gestörter, Beratungs-Hotline bei Depression und/oder Manie, Chatraum für affektiv Gestörte |
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* http://www.forum-humanum.ch/ Privates Internetangebot von Manfred Ferrari über bipolare Störungen, deutsche Sprache |
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* http://www.psychose-chat.de/ Chat für Menschen, die an Psychosen leiden |
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{{Gesundheitshinweis}} |
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{{Review|N}} |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4037350-2}} |
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{{SORTIERUNG:Bipolare Storung}} |
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[[Kategorie:Affektive Störung]] |
[[Kategorie:Affektive Störung]] |
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[[cs:Maniodepresivní psychóza]] |
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[[en:Bipolar disorder]] |
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[[fi:Kaksisuuntainen mielialahäiriö]] |
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[[fr:Trouble bipolaire]] |
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[[gl:Trastorno bipolar]] |
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[[he:הפרעה דו-קוטבית]] |
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[[ja:双極性障害]] |
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[[ko:조울증]] |
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[[nl:Bipolaire stoornis]] |
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[[pl:Choroba afektywna dwubiegunowa]] |
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[[pt:Distúrbio Bipolar]] |
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[[ru:Биполярное аффективное расстройство]] |
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[[sv:Manodepressivitet]] |
Aktuelle Version vom 11. Juni 2025, 15:16 Uhr
Klassifikation nach ICD-10 | |
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F31 | Bipolare affektive Störung |
F31.0 | Bipolare affektive Störung, gegenwärtig hypomanische Episode |
F31.1 | Bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische Episode ohne psychotische Symptome |
F31.2 | Bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische Episode mit psychotischen Symptomen |
F31.3 | Bipolare affektive Störung, gegenwärtig leichte oder mittelgradige depressive Episode |
F31.4 | Bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome |
F31.5 | Bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen |
F31.6 | Bipolare affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode |
F31.7 | Bipolare affektive Störung, gegenwärtig remittiert |
F31.8 | Sonstige bipolare affektive Störungen |
F31.9 | Bipolare affektive Störung, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Bipolare Störung ist die Kurzbezeichnung für bipolare affektive Störung (BAS), eine psychische Erkrankung, die zu den affektiven Störungen (Stimmungsstörungen) zählt.
Die Krankheit zeichnet sich durch extreme, zweipolige (= bipolare) Schwankungen, die Stimmung, Antrieb, Denken, Handeln und Aktivitätsgrade betreffen, aus. Diese Auslenkungen treten phasenhaft auf und reichen weit über das Normalniveau hinaus. Die Betroffenen pendeln dabei zwischen Depression und Hypomanie bzw. Manie, ohne diese Wechsel willentlich kontrollieren zu können, weswegen man die Erkrankung früher auch als manisch-depressive Erkrankung oder manische Depression bezeichnete.[1] In gemischten Phasen können Symptome beider Zustände zugleich auftreten. Die Manie umfasst ein intensives Hochgefühl sowie eine erhöhte Leistungsfähigkeit. Schlaf wird häufig als Zeitverschwendung gesehen, da er den Tatendrang unterbricht.[2] Die Depression umfasst Symptome der Antriebslosigkeit, Interessenverlust sowie gedrückte Stimmung.[3] Die Erkrankung betrifft 0,2–5 % der Weltbevölkerung.[4][5]
Zwischen den akuten Krankheitsepisoden kann es je nach Verlaufsform mehr oder weniger lange Zeitabschnitte, d. h. Tage, Monate bis Jahre geben,[2] in denen die Betroffenen keinerlei Beschwerden haben. Antrieb und Gefühlsleben unterliegen dann wieder den „normalen“ Schwankungen. BAS treten in unterschiedlichen Schweregraden auf. Mögliche negative soziale Folgen der Störung für den Betroffenen können jedoch sehr schwerwiegend sein.
In Abhängigkeit vom Verlauf kann bei frühzeitigem Erkennen der Störung durch eine Behandlung eine Stabilisierung erzielt werden. Neben dem Einsatz von Medikamenten wird als Ergänzung, jedoch nicht als Alternative, Psychotherapie empfohlen.[6]
Bipolare Störungen zählen weltweit zu den Krankheiten, die häufig mit weitreichenden, krankheitsbedingten Einschränkungen der Lebensführung (u. a. Krankheitslast, Komorbidität, erhöhtes Suizidrisiko) verbunden sind.[7][8]
Bezeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis vor einigen Jahren wurde die bipolare Störung meist manisch-depressive Erkrankung, manisch-depressive Psychose oder manisch-depressives Irresein (vom Psychiater Emil Kraepelin Ende des 19. Jahrhunderts geprägt) genannt.
Die Bezeichnungen manisch-depressive Erkrankungen oder manisch-depressive Krankheit sind als Synonyme gebräuchlich. Sie legen allerdings nahe, es handle sich um eine vorübergehende und heilbare Veränderung, was wiederum missverständlich ist. Ein unter Ärzten und Behörden oft verbreiteter Ausdruck für die bipolare Störung ist bipolare Psychose oder affektive Psychose. Das Wort Psychose wird in der Fachwelt unterschiedlich verwendet: Einige subsumieren nur Wahn darunter, andere verwenden den Begriff für alle gravierenden psychischen Störungen (zu denen bipolare Störungen sicher gehören).
Eine weitere früher genutzte Bezeichnung ist Zyklophrenie.[9]
Die Bezeichnung Bipolare Störung hat ihren Ursprung in der Unterscheidung von Karl Kleist – seit 1911 – zwischen unipolaren und bipolaren Stimmungsstörungen (Affektstörungen). „Bi-“ ist eine Vorsilbe lateinischen Ursprungs mit der Bedeutung „zwei“, unter „Pol“ versteht man eines von zwei (äußersten) Enden. Das eine Ende wird hierbei als das extreme Gegenteil des anderen betrachtet (siehe Abschnitt Forschungsgeschichte).
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die bipolare affektive Störung ist durch einen episodischen Verlauf mit depressiven, manischen, hypomanischen oder gemischten Episoden gekennzeichnet:
- Depressive Phasen zeichnen sich durch überdurchschnittlich gedrückte Stimmung und verminderten Antrieb aus. Bei starken Depressionen kann es zu Suizidgedanken kommen.
- Eine manische Episode ist durch gesteigerten Antrieb und Rastlosigkeit gekennzeichnet, was oft mit inadäquat überschwänglicher oder gereizter Stimmung einhergeht. Dabei ist die Fähigkeit zur Wahrnehmung der Realität mitunter stark eingeschränkt, und die Betroffenen können plötzlich völlig irrational agieren. Die Handlungen anderer Menschen können als Aggression wahrgenommen werden und die Betroffenen können selber aggressiv sein.[10][11]
- Unter einer Hypomanie versteht man eine nicht stark ausgeprägte Manie, typischerweise ohne gravierende soziale Konsequenzen. Eine Hypomanie liegt jedoch bereits deutlich über einem normalen Aktivitäts- und/oder Stimmungsausschlag.
- Eine gemischte Episode ist gekennzeichnet durch gleichzeitiges oder rasch wechselndes Auftreten von Symptomen der Manie und der Depression. Beispielsweise trifft ein verstärkter Antrieb mit einer gedrückten Grundstimmung zusammen.[12]
Meist beginnt eine bipolare Störung in der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter. Oftmals wird sie sowohl von Betroffenen als auch von Medizinern erst viele Jahre nach Ausbruch erkannt. Häufig hat also bereits eine lange Leidenszeit bestanden, bevor eine Behandlung beginnt.
Da die Symptome starke Auswirkungen auf Entscheidungen und Beziehungen haben, können zum Zeitpunkt der Diagnose die Lebenswege schon erheblich durch sie beeinflusst sein, zumal sie meist in jungen Jahren beginnen, in denen die Persönlichkeit noch nicht gefestigt ist. Häufig kommt es zu Problemen in der Ausbildung, im Arbeits- und Familienleben oder zu jähen Wechseln im Lebenslauf. Ist die Störung erkannt, können die Auswirkungen mit einer dementsprechenden Behandlung durch Spezialisten möglicherweise gemildert werden.
Die bipolare Störung wird oft mit Kreativität in Verbindung gebracht. Zu den Betroffenen zählen viele erfolgreiche Menschen, oft in künstlerischen Berufen. Der gesteigerte Antrieb in hypomanen sowie manischen Phasen kann für ungewöhnliche und gewagte Projekte begeistern, und Ziele werden oft mit großem Engagement verfolgt.
Weitere Symptome wie ein Gefühl der Irrealität, Hinterfragen, ob Dinge oder Personen real sind sowie soziale Probleme und Empathielosigkeit, können Betroffene in einer manischen Phase belasten. Zusätzlich können zwischenmenschliche Konflikte die Symptomatik weiter verschlechtern.[13]
Die bipolare Störung ist eine recht häufige Störung: Werden auch leichtere Fälle berücksichtigt, so sind laut einigen Untersuchungen in den Industrieländern drei bis vier Prozent der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens von ihr betroffen.
Diagnostik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hypomanien werden von Ärzten oft nicht zur Kenntnis genommen, oder sie erfahren in der Anamnese nichts davon, sodass bipolare Störungen dann nicht angemessen behandelt werden. Aber auch Depressionen werden oft nicht erkannt. Bei etwa 60 % der Patienten wird die Erkrankung nicht erkannt oder fehldiagnostiziert.[14]
Folgende Umstände erschweren eine Diagnose:[15]
- 30 % Mischzustand: Lediglich knapp die Hälfte aller Manien ist entgegen weit verbreiteter Ansicht und Darstellung durch Euphorie gekennzeichnet. Oft gehen gleichzeitig depressive Symptome damit einher, die letztlich (zu 40 %) in einen Mischzustand münden können. Wenn diese Mischsymptomatik nicht als solche erkannt wird, kommt es zu Fehldiagnosen.
- Verbreitete Beschreibungen nennen finanziellen Ruin, Bedenkenlosigkeit bei Trennungen und Wahn bei Manien als typische Elemente, sodass Manien, die diese Phänomene nicht aufweisen, nicht als solche wahrgenommen werden.
- In der Manie kommt es vielfach zu exzessivem Alkohol- oder Drogenkonsum, so dass eine bipolare Störung vorschnell als Alkohol- oder Drogenabhängigkeit eingeordnet wird.
- Wenn Suchtkrankheiten als Komorbidität vorkommen, besteht eine erhöhte Gefahr, dass die Grunderkrankung verschleiert wird.
- Depression: Eine rezidivierende unipolare Depression ist die häufigste Fehldiagnose bei bipolaren Störungen. Dies kommt daher, dass hypomane Phasen meist nicht als solche erkannt, berichtet oder erfragt werden.
- ADHS: Nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch im höheren Alter ist die Abgrenzung zum Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) manchmal schwierig.
- Schizophrenie: Psychotische Symptome, die bei schweren Manien auf deren Höhepunkt vorkommen können, führen oft zur Fehldiagnose einer Schizophrenie oder einer schizoaffektiven Störung.
- Die bipolare Störung ist mit quantitativen diagnostischen Methoden (bildgebenden Verfahren, Elektrodiagnostik, Labordiagnostik) nicht zu erkennen. Die Diagnose erfolgt qualitativ anhand subjektiver Symptome und Verhaltensweisen, was die Differentialdiagnostik erschwert und das Simulantentum begünstigt.
Heute werden bipolare Erkrankungen nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) oder der Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (DSM-5) diagnostiziert. Bei ICD-10 und DSM-5 handelt es sich um Diagnosekataloge mit genauen Kriterien, welche die Symptome und andere Bedingungen (z. B. Anhalten der Symptome über einen definierten Zeitraum) beschreiben, die für eine Diagnose erfüllt sein müssen.
Nach ICD
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der ICD-10, der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, die derzeit im deutschen Gesundheitswesen verwendet wird, werden die verschiedenen Formen der bipolaren affektiven Störung unter dem Schlüssel F31.- kodiert. Dabei wird zwischen neun verschiedenen Ausprägungen unterschieden.[16]
In der nachfolgenden ICD-11 werden Bipolare Störungen unter der Codierung ICD-11 6A6 geführt: Eine weitere Unterteilung in Bipolar-I-Störung und Bipolar-II-Störung je nach Ausprägungsgrad wurde auch in der ICD-11 beibehalten. Allein Typ-I (6A60 Bipolar-I-Störung) umfasst 17 mögliche Ausprägungen.[17]
Nach DSM-5
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die folgenden Kriterien stammen aus der vierten Version des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (einem viel verwendeten US-amerikanischen Klassifikationssystem, abgekürzt als DSM-IV).[18] Wesentliche Veränderungen im DSM-5 von 2013 sind ein eigenes separates Kapitel (Bipolare und verwandte Störungen) und die Abschaffung der Kategorie Gemischte Phase. Stattdessen können nun gemischte Merkmale (gleichzeitiges Auftreten hypomanischer, depressiver oder manischer Symptome) im Rahmen Bipolarer und Depressiver Störungen als Zusatzkodierung vergeben werden.[19]
Manische Episode
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]A. Eine ausgeprägte Periode abnormer und ständiger gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die über eine Woche dauert (oder Krankenhausaufenthalt).
B. Während der Periode der Stimmungsstörung halten drei (oder mehr) der folgenden Symptome bis zu einem bedeutsamen Grad beharrlich an:
- übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn
- verringertes Schlafbedürfnis (z. B. Erholungsgefühl nach nur drei Stunden Schlaf)
- gesprächiger als üblich oder Drang zum Reden
- Ideenflucht oder subjektives Gefühl, dass die Gedanken rasen
- Zerstreutheit (Aufmerksamkeit wird zu leicht auf unwichtige oder belanglose externe Reize gezogen)
- Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, am Arbeitsplatz oder in der Schule oder sexuell) oder psychomotorische Unruhe
- exzessive Beschäftigung mit angenehmen Tätigkeiten, die höchstwahrscheinlich negative Folgen hat (z. B. ungehemmter Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten oder unvernünftige geschäftliche Investitionen)
C. Die Symptome werden nicht besser durch die Kriterien der gemischten Episode beschrieben.
D. Die Stimmungsstörung ist hinlänglich schwer, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in beruflichen Aufgabengebieten oder unübliche soziale Aktivitäten oder Beziehungen mit anderen zu bewirken, oder sie erfordern einen Krankenhausaufenthalt, um Selbst- oder Fremdschädigung zu verhindern, oder es gibt andere psychotische Merkmale.
E. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenkonsum, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht.
Schwere depressive Episode
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]A. Fünf (oder mehr) der folgenden Symptome sind während einer Zwei-Wochen-Periode vorhanden und bedeuten eine Änderung des bisherigen Verhaltens, Gefühlslebens oder der Leistungsfähigkeit, wobei mindestens eines der Symptome eine depressive Verstimmung oder der Verlust von Interesse und Freude ist:
- depressive Stimmung fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag, angezeigt entweder durch subjektiven Bericht (fühlt sich z. B. traurig oder leer) oder durch Beobachtung anderer (erscheint z. B. weinerlich). Anmerkung: Bei Kindern und Heranwachsenden kann eine gereizte Stimmung vorliegen;
- deutlich vermindertes Interesse oder Freude bei allen oder beinahe allen Aktivitäten fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag (wird entweder durch eigenen Bericht oder Beobachtungen anderer festgestellt);
- erheblicher Gewichtsverlust ohne Diät oder aber Gewichtszunahme (z. B. eine Veränderung des Körpergewichts um mehr als fünf Prozent in einem Monat) oder Ab- oder Zunahme des Appetits beinahe jeden Tag;
- Schlaflosigkeit oder übersteigertes Schlafbedürfnis beinahe jeden Tag;
- psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung fast jeden Tag (beobachtet durch andere, nicht nur subjektive Gefühle der Ruhelosigkeit oder der Erschöpfung);
- Erschöpfung oder Verlust der Energie beinahe jeden Tag;
- Gefühl der Wertlosigkeit oder ausgeprägte und unangemessene Schuldgefühle (die auch wahnhaft sein können) beinahe jeden Tag (nicht nur Selbstvorwurf oder Schuldgefühle, weil man krank ist);
- verminderte Fähigkeit zu denken oder sich zu konzentrieren, oder Entscheidungsunfähigkeit beinahe jeden Tag (entweder durch subjektiven Bericht oder Beobachtung anderer festgestellt);
- wiederkehrende Todesgedanken (nicht nur Furcht zu sterben), wiederkehrende Suizidgedanken ohne spezifischen Plan oder ein Suizidversuch oder die konkrete Planung eines Suizids.
B. Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien für eine gemischte Episode.
C. Die Symptome verursachen klinisch bedeutsames Leiden oder eine Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Aufgabengebieten.
D. Die Symptome beruhen nicht auf einem direkten physiologischen Effekt einer Substanz (z. B. einem Drogenkonsum, einer Medikation) oder einer generellen medizinischen Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse).
E. Die Symptome werden nicht besser durch Trauer erklärt, z. B. über den Verlust einer geliebten Person. Oder: Die Symptome dauern länger als zwei Monate an oder sind gekennzeichnet durch eine ausgeprägte funktionale Beeinträchtigung, krankhafte Beschäftigung mit Wertlosigkeit, Suizidgedanken, durch psychotische Symptome oder psychomotorische Verlangsamung.
Hypomanische Episode
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]A. Eine mindestens vier Tage andauernde, ausgeprägte Periode ständig gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die eindeutig verschieden von der üblichen nichtdepressiven Stimmung ist.
B. Während der Phase der Stimmungsstörung sind drei (oder mehr) der folgenden Symptome (vier, wenn die Stimmung nur gereizt ist) bis zu einem bestimmten Grad ständig vorhanden:
- überhöhtes Selbstwertgefühl oder Größenwahn
- vermindertes Schlafbedürfnis (z. B. Erholungsgefühl nach nur drei oder weniger Stunden Schlaf)
- gesprächiger als üblich oder Rededrang
- Ideenflucht oder subjektive Erfahrung des Gedankenrasens
- Zerstreutheit (das bedeutet Fokussierung auf unwichtige oder unerhebliche externe Reize)
- Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, beruflich oder sexuell) oder psychomotorische Agitation
- Beschäftigung mit angenehmen oder lustvollen Aktivitäten, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit negative psycho-soziale oder physische Konsequenzen haben (z. B. Kaufrausch, sexuelle Indiskretionen oder leichtsinnige geschäftliche Investitionen)
C. Die Episode wird begleitet von Veränderungen der Leistungsfähigkeit oder des Verhaltens, die für die Person in symptomfreien Phasen uncharakteristisch ist.
D. Die Stimmungsstörung und der Wechsel des Auftretens werden durch Andere beobachtet.
E. Die Episode ist nicht schwer genug, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in sozialen oder beruflichen Aufgabenbereichen zu verursachen oder einen Krankenhausaufenthalt zu erfordern, und es gibt keine psychotischen Merkmale.
F. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenkonsum, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht.
Anmerkung: Hypomaniegleiche Episoden, die eindeutig durch somatische antidepressive Behandlung verursacht sind (Medikamente, Elektroschocktherapie, Lichttherapie), sollten nicht einer Diagnose Bipolare II Störung zugerechnet werden.
Begleiterscheinungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Komorbiditäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei Erwachsenen ist Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch mit 2/3 die häufigste Begleiterkrankung, gefolgt von Panikstörungen und Persönlichkeitsstörungen. Medikamentenmissbrauch tritt vor allem in postmanischen Mischzuständen und den darauf folgenden schweren Depressionen auf.
Bipolare Störungen gehen oft mit weiteren psychischen Krankheiten einher. Dabei tritt Schizophrenie häufiger mit Typ I und schwere Depressionen eher mit Typ II auf.[20]
Schilddrüsenunterfunktion, die häufig auch durch Lithiumeinnahme induziert wird, erhöht das Risiko für rapid cycling.[21]
Soziale Effekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]BAS haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das soziale Leben der Erkrankten.
Erhöhte Kreativität, beruflicher Erfolg und Führung in Organisationen gehen zwar häufig mit der Krankheit einher, jedoch leiden die meisten Betroffenen unter einer beträchtlichen krankheitsbedingten Behinderung, herabgesetzten psychosozialen Funktionen und erhöhten wirtschaftlichen Kosten.[22]
Krankheitsphasen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Manie (manische Episode)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während einer Manie konzentriert der Betroffene oft seine volle Kapazität auf meist angenehme Teilaspekte seines Lebens, wobei andere Aspekte vernachlässigt oder völlig ignoriert werden. So kann es vorkommen, dass der Betroffene seine gesamte Energie auf sein berufliches oder freiwilliges Engagement, für einen neuen Partner oder auf Sexualität fokussiert, gleichzeitig aber wichtige oder wichtigere Dinge wie z. B. seinen Haushalt oder seinen Beruf oder seine Familie völlig vernachlässigt. Die vermehrte Leistungsbereitschaft kann zunächst auch zu Erfolgen führen. So kann der Betroffene während einer Manie, mehr noch aber bei einer Hypomanie, bei vorhandener Begabung beachtliche Leistungen vollbringen. Auch die übersteigerte Geselligkeit und Schlagfertigkeit kann gut ankommen. Der Schlaf reduziert sich jedoch extrem und der Körper wird entsprechend überanstrengt.
Bei stärkeren Ausprägungen kann es zu Realitätsverlust und Wahn kommen. Dies ist in postmanischen Mischzuständen häufig der Fall. Die Selbstüberschätzung und die Grandiositätsgefühle während der Manie können in einen Größenwahn (Megalomanie oder Cäsarenwahnsinn) umschlagen. Dabei kann ein religiöser Wahn, auch religiöser Größenwahn auftreten. Auch wegen des durch die Manie hervorgerufenen teils extremen Schlafmangels können Halluzinationen hervorgerufen werden.
Hypomanie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Hypomanie ist die abgeschwächte Form der Manie. Besondere Merkmale sind die gehobene Grundstimmung und gesteigerter Antrieb, die mit gleichzeitigen Veränderungen im Denken im Sinne eines sprunghafteren, unkonzentrierteren Denkens (Ideenflucht) und einer Veränderung der Psychomotorik verbunden sein können. Durch die gehobene Stimmung kommt es zu einem größeren Selbstbewusstsein, einer erhöhten Risikofreudigkeit und zu Grenzverletzungen. Die Leistungsfähigkeit ist in diesem Zustand am höchsten.
Vielen Betroffenen fällt es schwer, einen Normalzustand oder Normalität als erstrebenswert anzusehen. Es kommt deshalb nicht selten zu einer Bevorzugung des hypomanischen Zustands, was häufig zu Compliance-Problemen bei der Phasenprophylaxe führt.
Depression (depressive Episode)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Depression verkehrt alle Aspekte der Manie ins Gegenteil und zwingt den Betroffenen zu Apathie und Lustlosigkeit. Bei dieser Erkrankungsphase höchsten Leidens erscheint sehr oft der Tod als besserer Zustand. Auch beschämen dann oft Taten aus der manischen Phase. Eine Depression wird als viel schlimmer empfunden als eine depressive Stimmung, die auch viele gesunde Menschen gelegentlich erleben. Depressive Episoden kommen im fortgeschrittenen Alter häufiger vor.
Verlaufsformen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Manische oder depressive Episoden treten häufig, aber nicht ausschließlich, nach einem belastenden Lebensereignis auf. Das erstmalige Auftreten der Störung kann in jedem Alter geschehen. Die ersten Symptome treten jedoch meist zwischen 15 und 30 Jahren auf. Die Betroffenen durchleben in den ersten 10 Jahren meist vier verschiedene Phasen. Häufigkeit und Dauer der einzelnen Phasen sind sehr unterschiedlich. Generell lässt sich jedoch sagen, dass manische Phasen in der Regel etwas kürzer dauern als depressive Episoden, dass die Intervalle zwischen den Phasen im Laufe der Zeit kürzer werden und dass mit zunehmendem Lebensalter häufiger depressive Phasen auftreten und diese länger andauern. Nach einigen Phasen der Störung können sich innere Rhythmen ausbilden, die auch unabhängig von äußeren Ereignissen wirken. Mitunter, wenn nach der ersten oder den ersten Episoden keine weiteren mehr auftreten, sie also nicht schnell genug erkannt und adäquat behandelt werden, tritt die bipolare Störung dann bei vielen als eine lebenslange, chronische Störung in Erscheinung.
Es gibt eine Rückkoppelung zwischen den Erlebnissen und dem Handeln einer Person auf der einen Seite und seiner Biochemie und Symptomatik auf der anderen Seite. Mangelnde Einsicht (in den manischen Phasen) ist ein Symptom der Störung, ohne dieses Element wäre das selbstschädigende Verhalten nicht möglich. Je mehr Zeit vergeht, bevor Einsicht erlangt wird, desto stärker werden Hirnstrukturen geprägt, was die Prognose negativ beeinflusst. Hinzu kommt der Einfluss von störungsbedingten Entscheidungen (Probleme am Arbeitsplatz und in Beziehungen, Schulden) auf die Lebensoptionen.
Gemäß den neuesten Studien erreichen bis zu 40 % nach Phasen von Manie oder Depression ihr ursprüngliches Funktionsniveau nicht mehr. 40 % der Betroffenen haben einen günstigen psychosozialen Verlauf bzw. können ihr soziales Umfeld bzw. ihre Position in der Gesellschaft erhalten. Im Fall bleibender Symptome wie Konzentrationsschwäche oder Müdigkeit spricht man von residualen Symptomen. Dauert die Störung länger mit mehreren längeren Klinikaufenthalten, besteht die Gefahr, dass der betroffenen Person vielfach der soziale Halt verloren geht, oft auch der Arbeitsplatz. Mitunter zerbricht die Familie.
Typologie
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Bipolare Störungen werden unterteilt in Bipolar I und Bipolar II.
Als Bipolar I wird eine 7 bis 14 Tage oder seltener auch länger andauernde manische Episode (Hochphase) bezeichnet, gefolgt von mindestens einer depressiven Episode. Die Bipolar-I-Störung kommt bei etwa 0,1 bis 1,7 Prozent der Bevölkerung vor.[5] Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen.
Bipolar II beinhaltet eine mindestens 14 Tage andauernde depressive Episode, gefolgt von mindestens einer Hypomanie (leichtere Form der Manie). Die Bipolar-II-Störung kommt bei rund vier Prozent der Bevölkerung vor. Bipolar-II-Störungen können mit rezidivierenden depressiven Störungen (Depressionen, die nach einem Zwischenzustand des Normalen immer wieder auftreten) verwechselt werden, wenn die hypomanen Phasen nicht erkannt werden.
Switching – Zyklothymia
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Switching (Polaritätswechsel) wird der übergangslose Wechsel zwischen Manie (oder Hypomanie) und Depression genannt.
Bei einer Zyklothymia sind die Betroffenen mindestens zwei Jahre lang leichten manischen und depressiven Schwankungen ausgesetzt, die allerdings immer noch deutlich über den normalen Stimmungsschwankungen liegen. Nach ICD-10 wird die Zyklothymia nicht zur bipolaren Störung gerechnet.
Rapid Cycling
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von Rapid Cycling wird bei mindestens vier Stimmungsumschwüngen im Jahr gesprochen. Ultra Rapid Cycling beschreibt Stimmungsumschwünge innerhalb von wenigen Tagen. Ultradian Rapid Cycling (Ultra-Ultra Rapid Cycling) weist Umschwünge innerhalb von wenigen Stunden auf. Patienten mit einem Rapid-Cycling-Verlauf werden häufig in einer Klinik behandelt. Sie benötigen eine spezielle Therapie, weil der häufige Episodenwechsel mit klassischen Medikamenten oftmals nicht ausreichend behandelbar ist und daher üblicherweise zu Stimmungsstabilisatoren gegriffen wird. Die Ursachen sind bis zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt. Das Selbsttötungs-Risiko ist bei Rapid Cycling hoch und die Prognose schlechter.
Mischzustände (dysphorische Manien)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wenn während einer bipolaren Episode depressive und manische Symptome in rascher Aufeinanderfolge auftreten, oder wenn sich depressive und manische Symptome durch gleichzeitiges Auftreten mischen, nennt man das einen manisch-depressiven Mischzustand oder eine gemischte Episode. Die betroffenen Patienten können z. B. sehr schnell denken oder sprechen, wie es für eine manische Episode typisch ist. Gleichzeitig können sie aber sehr ängstlich sein, Selbstmordgedanken haben und unter gedrückter Stimmung leiden; auch Ultra- und Ultradian Rapid Cycling lassen sich in diesen Episoden bei Patienten feststellen, die sonst nicht von dieser Art des Switchings betroffen sind. Mischzustände treten häufig in der postmanischen Phase auf und sind auch darin begründet, dass Betroffene in der manischen Phase nicht mehr fähig sind, richtig zu schlafen. Sie sind häufig und kommen mindestens so oft vor wie klassische Manien. Der erhöhte Antrieb kann verursachen, dass depressive Gedanken in die Tat umgesetzt werden, so dass das Suizidrisiko in diesen Zuständen wesentlich höher ist als in der reinen Depression, in welcher der Antrieb gelähmt ist.[10] Wie bei Rapid Cycling finden hier oft stimmungsstabilisierende Psychopharmaka Anwendung. Es handelt sich um schwere Episoden, die schwieriger zu behandeln sind als die klassischen Phasen der bipolaren Störung.
Suizidrisiko
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Betroffene Personen weisen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein 15-30fach erhöhtes Suizidrisiko auf. In 6-7 % der Fälle führt der Suizidversuch zu einem Todesfall. Hierfür zeigen sich geschlechterspezifische Unterschiede. In ca. 5 % der Todesfälle von erkrankten Frauen und in knapp 10 % der Todesfälle von erkrankten Männern ist ein vollzogener Suizid die Todesursache.[23][23][24][25]
Besonders riskant sind gemischte Phasen (Mischzustände), bei denen manische und depressive Symptome zugleich auftreten. Treten in einer dysphorischen bzw. verzweifelten Stimmungslage Suizidgedanken auf, besteht ein erhöhtes Risiko, dass diese umgesetzt werden, wenn zugleich ein hohes Antriebsniveau vorliegt. Im Regelfall würde die mit der Depression verbundene Antriebslosigkeit die Gefahr der Umsetzung eher reduzieren.[10]
Psychoaktive Substanzen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben Stress und Schlafmangel wirken sich auch psychoaktive Substanzen wie Koffein, Alkohol, Tabakrauch und andere Drogen bei bipolaren affektiven Störungen ungünstig aus. Oftmals sind zudem Wechselwirkungen mit den verordneten Medikamenten zu erwarten, weswegen ein vollständiger Verzicht darauf meist von Vorteil ist.
- Koffein wirkt sich ungünstig auf die Schlafdauer aus und fördert Nervosität und Unruhe; Betroffene können in besonderer Weise dafür anfällig sein und könnten eine Manie dadurch auslösen.
- Alkohol wirkt sich – neben der Gefahr einer Abhängigkeit – entgegen populären Ansichten negativ auf Schlaftiefe und Schlafdauer aus und wirkt enthemmend, was einer antimanischen Prophylaxe entgegensteht. Auf der anderen Seite verstärkt Alkohol Depressivität.
- Cannabis wird von einigen Betroffenen als Eigenmedikation angewandt. Trotz der möglichen positiven Wirkungen sollte nicht vergessen werden, dass gerade Zurückgezogenheit und Trägheit als depressive Merkmale sowie Verfolgungswahn (Paranoia) als manisches Merkmal um ein Vielfaches gesteigert werden können, was der Genesung wiederum entgegenwirkt. Es wird angenommen, dass insbesondere der psychoaktive Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC) manische und psychotische Symptome auslöst, während die positiven Effekte dem Bestandteil Cannabidiol (CBD) zugeschrieben werden.[26] Der Gebrauch von THC-haltigen Produkten führt allgemein eher zur Auslösung und Verschlimmerung von Symptomen.[27]
- Kokain steht ebenfalls im Verdacht, Manien auszulösen, und in der Tat gibt es Verhaltensähnlichkeiten zwischen einem Maniker und einer Person, die Kokain als Rauschdroge missbraucht.
- Amphetamin (Speed) kann in seinem Wirkungsverlauf sowohl manische Symptome auf dem Höhepunkt des Rausches als auch depressive Muster beim Nachlassen der Euphorie auslösen. Amphetamine verursachen oder verstärken Stimmungsschwankungen, wobei u. a. Ruhelosigkeit, Schlafmangel und eintretende Unsicherheit die wohl langfristigsten Auswirkungen auf die Psyche haben können.
Ätiologie und Genetik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Entstehung einer bipolaren Störung ist höchstwahrscheinlich multifaktoriell bedingt (Vulnerabilität). Eine relativ geringe Modulierbarkeit durch äußere Stressoren weist darauf hin, dass der genetischen Prägung dieser Erkrankung eine hohe Bedeutung zukommt, während Umweltfaktoren eine geringere Bedeutung haben.[28] Molekulargenetische Studien beschäftigen sich mit der Erforschung der BAS; die Ergebnisse werden teils widersprüchlich diskutiert.[28] Was jedoch feststeht ist, dass ein polygenetischer Vererbungsmodus ursächlich für die genetische Prägung ist, d. h., einzelne Gendefekte sind ausgeschlossen.[28]
Weitere Forscher haben gezeigt, dass ebenfalls eine Veränderung des zirkadianen Rhythmus ein Prädisposition für eine bipolare Störung sein kann.[2]
Daneben dürften auch psychosoziale Auslöser eine Rolle spielen, das heißt, das Erbgut setzt einen Rahmen für die Wahrscheinlichkeit (Prädisposition), und die Umfeldfaktoren beeinflussen Entstehung, Verlauf und Ende der Störung.
Erblichkeit und Genetik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufgrund von Zwillingsstudien wurde die Heritabilität von BAS auf 70[20] /71[29] bis zu über 80 % geschätzt,[30] was außergewöhnlich hoch ist.
Eine Übersicht von 2015 legte dar, dass bis dato eine große Zahl von genetischen Veränderungen identifiziert werden konnte, die jedoch – jede für sich allein – nur ein geringfügig erhöhtes Risiko für die Entwicklung von BAS bedeuteten. Durchgängiges Thema sei dabei, dass nur mehrere gemeinsame Veränderungen (Polygenie) zu einem Ausbruch der Krankheit führen könnten.[31] Die Vorläufigkeit des gegenwärtigen (2015) Kenntnisstands wird unter anderem dadurch deutlich, dass die bisher gefundenen genetischen Abweichungen – trotz ihrer großen Anzahl – nur einen kleinen Prozentsatz der in Verwandtschaftsstudien festgestellten Erblichkeit erklären können. Des Weiteren sind die identifizierten genetischen Veränderungen nicht spezifisch für BAS, sondern beinhalten auch erhöhte Risiken für andere Krankheiten. Überdies sind ihre genauen funktionellen Folgen im Organismus noch weitgehend unklar. Daher sind die Voraussetzungen für sinnvolle genetische Tests an Patienten- oder Risikogruppen bislang noch in keiner Weise gegeben.[32] Gleichwohl liegen vielversprechende Ergebnisse etwa bezüglich der Signaltransduktion durch Calciumionen (Ca2+) in Nervenzellen vor, und es zeichnet sich ab, dass die erblichen Veränderungen in hohem Maße Regulation und Ausprägung (Expression) von Genen betreffen.[33]

Neuroimaging
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Übersichtsstudie von 2014 fasste die Ergebnisse bildgebender Verfahren des Gehirns folgendermaßen zusammen: Es gebe bei BAS „klare Abweichungen“ in den neuronalen Netzen, die an der Verarbeitung von Gefühlen, der Regulierung von Emotionen und am Belohnungssystem beteiligt sind. Die funktionalen Abweichungen wurden folgenden anatomischen Veränderungen zugeordnet: vermindertes Volumen der grauen Substanz im präfrontalen und temporalen Cortex, im Hippocampus (Gedächtnisfunktionen) und in der Amygdala (Gefühlsreaktionen) sowie Verminderung in Volumen und Funktion der weißen Substanz, die präfrontale und subkortikale (wie Amygdala und Hippocampus) Regionen miteinander verbindet.[34] Eine weitere Übersichtsstudie von 2014 stellte fest, dass die Abweichungen bei der weißen Substanz auch bei Heranwachsenden mit BAS oder mit BAS-Risiko beobachtet wurden. Daraus ergebe sich möglicherweise die Perspektive, zukünftig diese Veränderung bei der Früherkennung und Vorbeugung (Prävention) von BAS zu nutzen.[35]
Neurochemie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Störungen der neurochemischen Signalübertragung betreffen in der Hauptsache vier der wichtigsten Neurotransmitter: die drei Monoamine Noradrenalin, Dopamin und Serotonin sowie in besonderem Maße Glutamat. Zusätzliche Abweichungen innerhalb der Nervenzellen bei den sekundären Botenstoffen (Second Messengers) spielen eine entscheidende Rolle und sind notwendige Bestandteile der Theorien zu Entstehung und Verlauf bei BAS. Während die Kenntnisse zu Störungen bei den Neurotransmittersystemen bereits therapeutisch genutzt werden, bestehen gegenwärtig (Stand 2015) noch keine konkreten Aussichten, auch die wesentlich wichtigeren Abweichungen innerhalb der Nervenzellen therapeutisch zu beeinflussen.[36]
Psychosoziale Faktoren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ebenso spielen Umwelteinflüsse und Persönlichkeitseigenschaften eine entscheidende Rolle.[6] Kritische Lebensereignisse wie Traumata oder psychosozialer Stress können Krankheitsphasen auslösen. Einzelne Mechanismen sind bekannt, lassen aber noch kein integrierendes ätiopathogenetisches Modell ableiten.[37]
Als auslösende Faktoren werden auch die Schwächung des Selbstwertgefühls, ein unregelmäßiger Tag-/Nacht-Rhythmus oder Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch diskutiert. Bis zu 75 Prozent der Betroffenen berichten im reflektierenden Rückblick, dass sie unmittelbar vor der ersten spürbaren Krankheitsepisode intensiven Stress hatten – Stress allerdings, der bei Menschen ohne Disposition keine manische oder depressive Episode ausgelöst hätte. Spätere Störungs-Phasen können immer weniger mit stressenden Ereignissen erklärt werden, bzw. kann sie minimaler Stress bereits auslösen.
Behandlung, Interventionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wenn Betroffene keine Einsicht zeigen oder akut suizidgefährdet sind, muss eine Behandlung in akuten Phasen der Manien oder schweren Depressionen manchmal gegen den Willen der Patienten als Zwangsbehandlung erfolgen. Wenn manische Phasen erstmals auftreten, können Betroffene keine Einsicht haben, da sie noch keine Erfahrungen über die schweren negativen Folgen gesammelt haben. In den meisten Fällen zeigen Betroffene jedoch Einsicht und lassen sich auch wegen ihres hohen Leidensdrucks freiwillig behandeln. Bei vielen kommt die Einsicht erst nach mehreren Phasen. Sehr hilfreich für eine erfolgreiche Behandlung ist, wenn sich die Betroffenen über ihre Störung informieren und viel darüber lesen, damit sie selbst nachvollziehen können, welche Behandlung in welcher Phase am besten ist. Dies gilt auch deshalb, damit sie ein rechtzeitiges Gegensteuern, welches für eine Minderung der Belastungen notwendig ist, erlernen können. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die korrekte Diagnose.
In Abhängigkeit von Verlauf und Schwere kann bei leichten Fällen auch alleine mit Psychotherapie eine Stabilisierung erzielt werden. Hierbei ist das frühzeitige Erkennen der Störung ein wichtiger Faktor. Das kann bei Heranwachsenden in der Regel nur durch einen erfahrenen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder -psychiater erfolgen, da die Symptome anderen Störungen stark ähneln und darum die Gefahr von Fehldiagnosen besteht. Zusätzlich kann eine medikamentöse Behandlung erfolgen, deren Verordnung in die Hände eines psychiatrisch erfahrenen Facharztes gehört. Eine bipolare Störung tritt nicht urplötzlich bei einem vorher völlig gesunden Menschen auf, sondern entwickelt sich schleichend. Auf Grund von mangelnden Kenntnissen in der Öffentlichkeit und mitunter auch bei Ärzten sowie auch der Scheu vor dem Umgang mit psychischen Störungen wird bei vergleichsweise milden Symptomen oftmals über Jahre hinweg nicht eingegriffen – möglicherweise auch aus Angst vor Medikamenten. Dabei kann der Verlauf durch das frühzeitige Stellen einer Diagnose und mit regelmäßigen Gesprächen stark positiv beeinflusst werden.
Medikamente
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den verschiedenen Episoden wird unterschiedliche Medikation verwendet. Man unterscheidet ferner zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Prophylaxe. Dabei ist die Stimmungsstabilisierung durch Phasenprophylaktika das Grundgerüst jeder medikamentösen Therapie. Diese sollte jedoch von psychotherapeutischen und psychoedukativen Maßnahmen begleitet werden.[2]
Manie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei akuten und starken Manien werden üblicherweise Neuroleptika verabreicht. Typische Neuroleptika (z. B. Haloperidol oder Loxapin) wirken normalerweise recht zuverlässig, haben aber den Nachteil von Bewegungsstörungen (extrapyramidaler Störungen) als Nebenwirkung. Atypische Neuroleptika wie Risperidon, Quetiapin, Olanzapin, Aripiprazol, Ziprasidon haben ein geringeres Risiko[38] hinsichtlich extrapyramidaler Störungen und haben sich auch bei Heranwachsenden in akut manischen und gemischten Phasen bewährt.[39] Die Gefahr von Nebenwirkungen bezieht sich hier eher auf Stoffwechselerkrankungen bis hin zu Diabetes.
Neuroleptika können auch verwendet werden, wenn sich eine manische Episode anbahnt, was den vollständigen Ausbruch oft verhindert.
Mischzustände
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mischzustände sind kompliziert zu behandeln. Meist müssen mehrere Medikamente kombiniert werden. Sie können einerseits mit neueren atypischen Neuroleptika behandelt werden, andererseits muss auch die depressive Symptomatik behandelt werden. Es kann vorkommen, dass die Einnahme über einen längeren Zeitraum notwendig ist, falls psychotische Symptome beim Absetzen wiederkehren.
Depression
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Antidepressiva bieten im Vergleich zu Stimmungsstabilisatoren (Mood stabilizers; siehe Vorbeugung) keine zusätzlichen Vorteile, sondern eher Risiken wie Destabilisierung mit Zunahme von Manien, Phasenfrequenz (cycling) und belastender Missgelauntheit (Dysphorie).[40]
Für die Behandlung von depressiven Notfällen (Suizidgefährdung) bei BAS hat sich in der klinischen Forschung seit 2010 die schnelle Wirkung von Ketamin, einem Antagonisten am Glutamat-NMDA-Rezeptorkomplex, bewährt.[41]
Nach vorläufigen Ergebnissen von 2013 lässt sich mit einer sehr niedrigen Dosis von Ketamin unter der Zunge (sublingual) bei BAS-Depression sowohl eine schnelle als auch – bei regelmäßiger Einnahme – eine andauernde positive Wirkung bezüglich Stimmung, Stabilität, Wahrnehmung und Schlaf erreichen.[42]
Mitte 2015 berichteten die Pharmakologie-Professoren Lutz Hein (Universität Freiburg) und Roland Seifert (Medizinische Hochschule Hannover), dass Ketamin aus guten Gründen bereits off-label, d. h. ohne offizielle Zulassung durch die Arzneimittelbehörden (jedoch völlig legal), an depressive und suizidale Patienten verschrieben wird.[43]
Vorbeugung gegen Episoden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine vorbeugende Behandlung (Prävention) zur Minderung der Wahrscheinlichkeit von Störungsepisoden bei BAS geschieht mit Stimmungsstabilisatoren (Mood stabilizers; Phasenprophylaxe) wie Lithium[10] oder Antiepileptika wie Valproinsäure, Lamotrigin oder Carbamazepin.
Etwa ein Drittel der BAS-Patienten, die mit Lithium behandelt werden, sprechen hervorragend darauf an (excellent lithium responders). Bei ihnen verhindert es – ohne andere zusätzliche Maßnahmen (Monotherapie) – weitere Episoden vollständig, und zwar über zehn Jahre und länger. Lithium bewirkt bei BAS außerdem Schutzwirkungen im Gehirn (Neuroprotektion), unter anderem durch die Auslösung einer erhöhten Produktion des Wachstumsfaktors BDNF. Sowohl dieser Schutzeffekt als auch der Vorbeugungseffekt steht in Verbindung mit einer großen Zahl bereits identifizierter Gen-Eigenschaften, die vom Consortium on Lithium Genetics (ConLiGen), unter anderem auch speziell zu den Wirkungen bei BAS, kartiert und erforscht werden.[44][45]
Unter den Antiepileptika gilt Lamotrigin als sehr wirksam gegen bipolare Depressionen, hat aber keine belegten Effekte gegen Manien. Carbamazepin und Valproinsäure wirken hingegen fast ausschließlich gegen Manien.[46]
Der Abbruch einer erfolgreichen Behandlung mit Phasenprophylaktika sollte gut überlegt werden, da ein erneutes Auftreten von depressiven und manischen Phasen den Krankheitsverlauf insgesamt negativ beeinflussen und eine erneute Behandlung erheblich erschweren kann.
Psychotherapie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Allgemeines
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sinnvoll ist eine auf die Störung abgestimmte kognitive Verhaltenstherapie und/oder Gesprächspsychotherapie und/oder Soziotherapie und/oder Psychoedukation. Empfehlenswert sind außerdem Selbsthilfegruppen, wie sie sich etwa im Bipolar-Selbsthilfe-Netzwerk zusammengeschlossen haben.
Sinnvoll für Betroffene ist es, eigene Warnsysteme zu entwickeln, um nicht wieder in extreme Phasen zu geraten, mit Stressmanagement, Selbstbeobachtung, Selbstregulation und Selbstmanagement. Das Erkennen der persönlichen Frühwarnzeichen der depressiven, manischen oder gemischten Phasen und ein rechtzeitiges Gegensteuern durch entsprechendes Verhalten (z. B. antidepressive Tätigkeiten bei Gefahr einer Depression; antimanisches Verhalten wie genügend Schlaf, Beschränkung, Reizabschirmung bei der Gefahr einer Manie sowie die richtige Medikation zum richtigen Zeitpunkt) kann den Ausbruch einer neuen Episode verhindern. Ein geregeltes, stressfreies, erfülltes Leben mit ausreichend Schlaf, Bewegung (Sport) und Meditation oder Yoga kann neue Episoden verzögern oder seltener auch ganz verhindern. Voraussetzung dafür ist, dass sich Betroffene von den Folgen der letzten Episode erholt haben.
Wirksamkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In einer vergleichenden Übersicht von 2011 über neuere randomisierte kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Psychotherapie bei BAS wurden folgende Ergebnisse berichtet: Die Mehrheit der Studien zeigte bedeutende positive Resultate in Form von Minderung der Rückfallraten, erhöhter Lebensqualität, besserer Alltagsbewältigung oder günstigerer Entwicklung der Symptome.[47] Damit wurden die Trends zweier vergleichbarer Übersichten von 2007 und 2008[48][49] bestätigt.
Psychoedukative Verfahren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die klinische Wirksamkeit von psychotherapeutischen Programmen, zu denen auch die Psychoedukation zählt, wurde im Rahmen von Studien untersucht. „Allgemein wird unter Psychoedukation die zielorientierte und strukturierte Vermittlung präventiv relevanter Informationen von Professionellen an die Betroffenen kombiniert mit den allgemeinen Wirkfaktoren einer Gruppentherapie verstanden.“[28] Konkret geht es darum, Informationswissen, krankheitsbezogenes Wissen über den Rhythmus der Erkrankung, Frühzeichen, Copingstrategien sowie die Aufklärung über die Wirkung und Nebenwirkung von Psychopharmaka zu vermitteln. Mit den Letztgenannten wird der Fokus auf die Edukation gelegt; die CBT (kognitive Verhaltenstherapie) nimmt hingegen mehr individuelle und gruppendynamische Aspekte in den Blick. Sie arbeitet auf der Klärungs- und Beziehungsperspektive. Idealerweise ergänzen sich beide Formen.[28]
Mit manualisierten psychoedukativen Gruppeninterventionen soll bei den Patienten ein Lernprozess in Gang gesetzt werden.[28] Mit dieser Form der Intervention soll erreicht werden, dass Patienten Frühwarnsignale rascher erkennen und einen Arzt aufsuchen. Die Compliance, d. h. die regelmäßige Medikamenteneinnahme sowie das Wahrnehmen von Terminen mit dem interprofessionellen Team Betreuender, sollte geschult werden. Für den Behandlungserfolg ist ferner entscheidend, dass Systemzusammenhänge erkannt werden. Darauf basiert die familienfokussierte Therapie (FFT).[28] Familien mit Angehörigen, die an einer BAS leiden, sind einem hohen Stresslevel ausgesetzt. Gleichzeitig sind BAS-Patienten „highly vulnerable“,[50] d. h. ihre Stressbelastbarkeit ist deutlich reduziert. Ziel der FFT ist es, Stress in Familien mit BAS-Patienten zu reduzieren, um den Verlauf der Erkrankung günstig zu beeinflussen[28] und die Familienangehörigen zu entlasten. Vor allem die Aufklärung von Partnern und nahen Familienangehörigen über die kontrastreichen Symptome der Erkrankung ist wichtig.[28] Für Angehörige kann die Teilnahme an Selbsthilfegruppen sehr entlastend sein und zur eigenen Psychohygiene beitragen.[28]
Der lebensweltorientierte Ansatz nach Hans Thiersch,[51] berücksichtigt neben der Lebensumständen auch die Interaktionen mit den Angehörigen der Betroffenen. „Lebensweltorientierung verbindet die Analyse von gegenwärtig spezifischen Lebensverhältnissen mit pädagogischen Konsequenzen.“ (S. 175)[51] Mit pädagogischen Mitteln[28] sollen Zusammenhänge vermittelt und über die Folgen bestimmter Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten aufgeklärt werden, um möglichst eine Einstellungsänderung der Betroffenen zu bewirken. Den Angehörigen wird vermittelt, dass schädliche Verhaltensweisen nicht Ausdruck mangelnder Motivation oder Willenskraft der Betroffenen sind. Die Thematik wird unter anderem im Dokumentarfilm „Of Two Minds“ behandelt.[52] Im Rahmen der psychosozialen Beratung wird zwischen den Interessen von Betroffenen und Angehörigen vermittel, die sich gerade in (hypo-)manischen Phasen antagonistisch gegenüberstehen. Erste Symptome einer BAS manifestieren sich oft bereits im jugendlichen oder jungen Erwachsenenalter.[53]
Verbreitung und Verlauf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Wahrscheinlichkeit, während des Lebens eine bipolare affektive Störung zu entwickeln (Lebenszeitrisiko), liegt je nach Quelle und Land bei 1 bis 2 %. Es besteht kein Unterschied des Risikos zwischen Männern und Frauen.
Das Risiko, eine hohe Phasenfrequenz (schneller Wechsel zwischen gehobener und gedrückter Stimmung) zu entwickeln, steigt mit der Dauer der Erkrankung. Etwa 10 % der Betroffenen entwickeln Störungsformen mit vier und mehr Episoden pro Jahr. Dies geht mit einer ernsteren Prognose einher. Ersten Untersuchungen zufolge scheinen 80 % der so genannten Rapid Cycler Frauen zu sein. Etwa ein Drittel der Patienten erreichen im Rahmen ihrer Störung keine Vollremission (symptomfreies Intervall).
75 % der Patienten erleiden ihre erste Episode bis zum 25. Lebensjahr. 10 % bis 15 % der Betroffenen durchleben mehr als zehn Episoden in ihrem Leben. 39 % der Patienten haben eine weitere psychiatrische Diagnose.
BAS bei Kindern und Jugendlichen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis jetzt wird die Häufigkeit des Auftretens einer manisch-depressiven Episode im Kindheits- und Jugendalter mit einem Wert von unter 0,1 % als relativ gering eingeschätzt. Es spricht allerdings einiges dafür, dass dieser Wert die tatsächliche Auftretens-Häufigkeit unterschätzt, da nach Vermutung einiger Psychiater in der kinderpsychiatrischen und psychologischen Praxis Fehlinterpretationen des Beschwerdebildes bei Hypomanie und Manie in Richtung ADHS und Verhaltensstörungen vorkommen. Häufige Komorbiditäten sind Angststörungen und aggressive Verhaltensstörungen.
Besonders jugendliche männliche Erkrankte weisen in 30 % der Fälle stimmungsinkongruente psychotische Merkmale auf. In Bezug auf ADHS überlappen sich viele Symptome. Hinweise auf die bipolare Störung ergeben sich vor allem aus: einem episodenhaften Verlauf, einer signifikant höheren Beeinträchtigung und – im Fall einer Manie – durch Größenideen und Selbstüberschätzung sowie rücksichtslosem Verhalten. Eine genaue Anamnese ist somit unerlässlich.
Fehlbehandlung durch Stimulanzien wie Methylphenidat oder Modafinil können die Symptome der Hypomanien und Manien verstärken, was zu temporär ungünstigen Zuständen bis zu physischen Schädigungen führen kann. Gegenüber rein unipolar Depressiven besteht bei Jugendlichen mit bipolarer Störung ein höheres Suizidrisiko.
Epidemiologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die lebenslange Prävalenz von BPD liegt vermutlich zwischen 0,2 und 3 %. Für die USA wurde beispielsweise eine Prävalenz von etwa 2,1 % gezeigt.[54]
Forschungsgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Antike
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bipolare Störungen sind schon seit langem bekannt. Erste Schriftzeugnisse aus der Antike belegen bereits die Kenntnis der beiden Zustände, zunächst als gesonderte Krankheiten durch den berühmten Arzt Hippokrates von Kos. Bereits einige Jahrhunderte danach erkannte Aretaeus von Kappadokien die Zusammengehörigkeit von Depression und Manie.
Hippokrates von Kos beschrieb im 5. Jahrhundert v. Chr. die Melancholie (konnte der heutigen Depression entsprechen). Er nahm an, dass sie durch einen Überschuss an schwarzer Galle entstehe, die von der organisch erkrankten Milz ins Blut ausgeschieden werde, den gesamten Körper überflute, ins Gehirn eindringe und Schwermut verursache. Mit dieser Vorstellung ist das griechische Wort Melancholia eng verzahnt (griechisch: μελαγχολια von μελας: melas: „schwarz“, χολη: cholé: „Galle“). Hippokrates verwendete auch bereits den Ausdruck Mania (Manie), um einen Zustand der Ekstase und Raserei zu beschreiben. Diese Bezeichnung (griech. μανία: manía: Raserei) hielt sich seitdem bis heute in der Wissenschaft. Statt des griechischen Wortes Melancholie wird heute das Fachwort Depression für den anderen Extrempol dieser Erkrankung verwendet, das aus der lateinischen Sprache stammt (lat. depressio „Niederdrücken“).
Der griechische Arzt Aretaeus von Kappadokien vermutete ähnliche körperliche Ursachen, erkannte aber bereits im 1. Jahrhundert nach Christus eine Zusammengehörigkeit der beiden extremen Zustände, die als Gegenpole so weit auseinanderliegen, und beschrieb somit als erster die bipolare Störung: Meiner Ansicht nach ist die Melancholie ohne Zweifel Anfang oder sogar Teil der Krankheit, die Manie genannt wird…[55] Die Entwicklung einer Manie stelle eher ein Zunehmen der Krankheit dar als einen Wechsel in eine andere Krankheit.
Moderne
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Konzept des Aretaeus von Kappadokien, das im Mittelalter und der Frühen Neuzeit in Vergessenheit geraten war, wurde im 19. Jahrhundert wieder aufgegriffen: Jean-Pierre Falret beschrieb im Jahr 1851 „la folie circulaire“ (= zirkuläres Irresein) als einen Wechsel von Depressionen, Manien und einem gesunden Intervall, Jules Baillarger drei Jahre später sein Konzept der „folie à double forme“ als unterschiedliche Erscheinungsformen derselben Krankheit, wobei nicht unbedingt ein freies Intervall zwischen diesen beiden Extremzuständen liegen muss.
Der deutsche Psychiater Emil Kraepelin nannte 1899 diese Erkrankung des „circulären Irreseins“ auch „manisch-depressives Irresein“, wobei er auch schon Mischzustände erkannte, bei denen manische und depressive Symptome gleichzeitig vorkommen. Auch für Kraepelin waren Manien und Depressionen Ausdrucksformen ein und derselben Krankheit.[56]
Bei der nationalsozialistischen „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, die von mehreren Psychiatern unterstützt – in einigen Fällen auch angestoßen – wurde, wurden Manisch-Depressive („zirkulär Irre“) als „erbkrank“ eingestuft, zwangssterilisiert oder – dann mit der Diagnose „Schizophrenie“ – in den Vergasungs-Anstalten der Aktion T4 ermordet.
Seit 1911 unterschied Karl Kleist zwischen unipolaren und bipolaren Stimmungsstörungen (Affektstörungen), und 1957 verwendete Karl Leonhard dieses Konzept für die Unterscheidung von unipolarer und bipolarer Störung bei Depressionen.[57]
Leben mit der bipolaren affektiven Störung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie bei anderen Krankheiten gibt es leichtere oder schwerere Verläufe. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser. Mit Erkennen der Frühwarnzeichen und Gegensteuern und Medikation kann man ein erfülltes Leben führen. Bei einem großen Teil der Patienten wird die berufliche und soziale Mobilität nicht wesentlich beeinträchtigt.
Auswirkungen ungünstiger Verläufe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während einer Manie kommt es schnell zu einem seelischen Chaos. Durch die Überdrehtheit während dieser Phase richten Betroffene Schaden an und sind nicht mehr in der Lage, Vernünftiges zu leisten. Depressionen und gemischte Episoden, die bei bipolar Erkrankten besonders quälend sind, werfen Betroffene regelrecht aus der Bahn und lähmen diese. Rechtsgeschäfte, die im Kontext einer manischen Phase zum Schaden des Betroffenen von diesem getätigt worden sind, können bei festgestellter Geschäftsunfähigkeit rückgängig gemacht werden (z. B. der Abschluss mehrerer Mietverträge oder der Kauf mehrerer Kraftfahrzeuge, die nicht benötigt werden).
Menschen mit einer bipolaren Störung sind in ihrem Alltag starken Beeinträchtigungen und Leiden ausgesetzt. Aber auch Angehörige der Betroffenen haben stark unter einer, meistens jedoch mehrerer der angeführten Folgen zu leiden:
- Fremdgehen
- finanzieller Ruin
- distanzloses, ruheloses oder auffälliges Verhalten im Rahmen einer Manie
- Berufsunfähigkeit
- Wegfall partnerschaftlich-unterstützender Verhaltensweisen in Phasen der Depression sowie der zermürbenden Wiederkehr solcher Phasen
- Komorbiditäten wie Alkoholmissbrauch
- Stigmatisierung und Ausgrenzung
Wenn Betroffene eine akute Bedrohung oder Gefährdung für sich und/oder andere darstellen, können sie auch gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden, entweder im Kontext einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung bei Gefahr in Verzug oder im Zusammenhang einer betreuungsrechtlichen Unterbringung, die im Vorfeld beim Vormundschaftsgericht beantragt und von einem unabhängigen psychiatrischen Gutachter, der vom Gericht beauftragt wird, befürwortet werden muss. Der zuständige Richter des Vormundschaftsgerichtes hat im Vorfeld einer Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen die Pflicht, diesen persönlich anzuhören. Ist die Unterbringung im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgt, ist die Anhörung kurzfristig nachzuholen. Da die Manie für Betroffene persönlich eine Hochphase der Gefühle bedeutet, weigern sie sich häufig, freiwillig Medikamente einzunehmen, die diese Hochphase bekämpfen würden. Wenn die strengen Voraussetzungen, die der Gesetzgeber an eine Zwangsunterbringung stellt, die ja eine massive Einschränkung der Freiheitsrechte bedeutet, nicht erfüllt sind, müssen oft Angehörige die Phase „aussitzen“, was mehrere Wochen dauern und von gravierenden psychosozialen Problemen begleitet sein kann. Hilfen bieten in diesem Fall sozialpsychiatrische Dienste, Angehörigengruppen oder auch der Allgemeine Sozialdienst des zuständigen Jugendamtes an.
Kinder und Jugendliche leiden beispielsweise darunter, dass Mütter oder Väter in ihren akuten Phasen ganz oder teilweise bei der Erziehung und im Haushalt ausfallen. Für Kinder kann es schwierig sein, zu verarbeiten, dass ein Elternteil während dieser Zeit nicht dem Rollenbild, das üblicherweise mit der Rolle der Mutter oder des Vaters verknüpft ist, entspricht. Ängste, die Störung geerbt zu haben, treten häufig auf und erfordern professionelle Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit der Eigenart des Elternteils und ihrer Bedeutung im eigenen Leben.
Als sehr wichtig hat sich erwiesen, dass Angehörige, die häufig sehr unterstützend tätig sein müssen, nicht vergessen, immer wieder auch einmal an sich zu denken. Positiv und entlastend haben sich psychotherapeutische Schonräume erwiesen, in denen Angehörige ermutigt werden, auch negative Emotionen dem betroffenen Familienmitglied sich selbst gegenüber einzugestehen und in der therapeutischen Situation auszudrücken.
Entstigmatisierung und Kreativität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Betroffenen haben nicht nur mit den Problemen zu kämpfen, dass sie oft die Unterstützung der Freunde und der Familienmitglieder verlieren, sondern dass sie aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Gegen die Diskriminierung kämpfen zahlreiche Prominente, die selber betroffen sind, dazu stehen und öffentlich darüber sprechen.
Mittlerweile gibt es Versuche, die mit der Bipolarität oft einhergehenden Kreativitätsschübe durch moderne Behandlungsmethoden als positiven Aspekt dieser Störung zu integrieren. Diverse Maßnahmen wie Medikation und verschiedene Arten von Therapien – z. B. kognitive Verhaltenstherapie, Gestaltungstherapie, Kreativ-Atelier, manchmal auch nur einfache Betreuung als Ausgleich für evtl. erlittene Schockerlebnisse in der Kindheit und Jugend – sollen helfen, die Kreativität zu erhalten.
Ein offizielles Projekt, das versuchte, das kreative Selbstvertrauen der Betroffenen zu stärken und eine größere Anerkennung in der Gesellschaft zu erreichen, war z. B. 2005 die deutsche Internetplattform BipolArt von Magdalena Maya Ben, die unter der Schirmherrschaft der bipolaren Ärztin Kay Redfield Jamison wirkte.
Von übertriebenen Erwartungen bezüglich manischer Kreativität ist jedoch Abstand zu nehmen. Beispielsweise sind Kay Redfield Jamisons Schätzungen von 1994, dass die Häufigkeit bipolarer Störungen bei „kreativen Persönlichkeiten“ das 10-Fache der Häufigkeit bei der Allgemeinbevölkerung betrage, mit Vorsicht aufzunehmen. Unbeweisbar und sehr wahrscheinlich stark übertrieben ist ihre Behauptung, dass „mehr als ein Drittel aller zwischen 1705 und 1805 geborenen englischen und irischen Dichter“ an bipolaren Störungen gelitten hätten und „mehr als die Hälfte an Stimmungsstörungen“.[58]
Schlussendlich ist es im Rahmen der Anti-Stigmaarbeit unerlässlich, eine seelische Störung oder Krankheit v. a. in der psycho-sozialen Beratung nicht als Persönlichkeitsvariable zu kommunizieren, d. h., Menschen sind nicht bipolar, sondern sie leiden unter einer BAS.
Vorsorgevollmacht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Menschen mit BAS stellen während symptomfreier Phasen oft eine Vorsorgevollmacht aus, in der geklärt wird, was man im Falle einer Eigen- oder Fremdgefährdung wünscht.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Leitlinien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). In: AWMF online (Stand März 2019)
- S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). In: AWMF online (Stand Oktober 2018)
Psychiatrie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hans-Jörg Assion, Wolfgang Vollmoeller: Handbuch bipolare Störungen. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-018450-4.
- Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung. Thieme, Stuttgart/New York 2003, ISBN 3-13-104993-6.
- Michael Bauer (Hrsg.): Weißbuch Bipolare Störungen in Deutschland, Stand des Wissens – Defizite – Was ist zu tun? 2. Auflage. Norderstedt 2006, ISBN 3-8334-4781-8.
- Frederick K. Goodwin und Kay Refield Jamison: Manic depressive illness. Oxford University Press, 1990, ISBN 0-19-503934-3.
- Kay Redfield Jamison: Touched with fire. Manic-depressive illness and the artistic temperament. New York 1993, ISBN 0-684-83183-X (englisch).
- Heinz Grunze, Emanuel Severus: Bipolare Störungen erkennen. Die Kunst der korrekten Diagnose. In: Der Neurologe & Psychiater. Sonderheft 1/2005.
Psychotherapie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Thomas D. Meyer, Martin Hautzinger: Manisch-depressive Störungen. Beltz Psychologie Verlags Union, 2004, ISBN 3-621-27551-7. Auf die Bipolare affektive Störung abgestimmte kognitive Verhaltenstherapie.
- Stavros Mentzos: Depression und Manie. Psychodynamik und Therapie affektiver Störungen. Göttingen 2001, ISBN 3-525-45775-8. Ein alternativer Ansatz, mit dem der Autor affektive psychische Störungen psychodynamisch zu erklären sucht, insbesondere einen hohen Stellenwert der Art des Selbstwertgefühls postuliert.
- Thomas Bock, Andreas Koesler: Bipolare Störungen. Manie und Depression verstehen und behandeln. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005, ISBN 3-88414-392-1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Volker Faust: Manie: Krankhafte Hochstimmung mit Folgen. (PDF; 486 kB).
- Informationen zur bipolaren Störung auf der Website des National Institute of Mental Health (NIMH) der USA
- Jochen Paulus: Glück und Pein des Wahns – Die bipolare Störung und ihre Behandlung bei wayback.org vom 27. August 2016. SWR2.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Manische Depression beeinträchtigt Gedächtnis uni-frankfurt.de
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- ↑ Franz Caspar, Irena Pjanic, Stefan Westermann: Depression und bipolare Störungen. In: Klinische Psychologie. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-531-17076-3, S. 55–63, doi:10.1007/978-3-531-93317-7_5.
- ↑ Peter Dome, Zoltan Rihmer, Xenia Gonda: Suicide Risk in Bipolar Disorder: A Brief Review. In: Medicina. Band 55, Nr. 8, 24. Juli 2019, S. 403, doi:10.3390/medicina55080403.
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- ↑ a b S3-Leitlinie: Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. Langversion 2.0 Update vom Februar 2019. (PDF) AWMF, S. 24, S. 85–86, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 22. Juni 2019; abgerufen am 23. Juni 2019 (Siehe Kapitel 5.1.2.2.1: Besonderheiten einer Psychotherapie bei Bipolaren Störungen). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Global, regional, and national burden of 12 mental disorders in 204 countries and territories, 1990–2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. In: The Lancet Psychiatry. Band 9, Nr. 2, Februar 2022, S. 137–150, doi:10.1016/S2215-0366(21)00395-3, PMID 35026139, PMC 8776563 (freier Volltext) – (elsevier.com [abgerufen am 27. Dezember 2024]).
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- ↑ Österreichische Ärztezeitung 5/2013, S. 31 – PDF, 5,9 MB
- ↑ Martin Schäfer, Cindy Eckart, Harald Scherk, Christine Reif-Leonhard, Sarah Kittel-Schneider, Andreas Reif: Moderne Therapie bipolarer Störungen. In: InFo Neurologie + Psychiatrie. Band 25, Nr. 3, März 2023, S. 40–49, doi:10.1007/s15005-023-3190-2.
- ↑ Home ■ DGBS. Abgerufen am 3. Mai 2024.
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