„Stochastischer Prozess“ – Versionsunterschied
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[[Bild:Brownsche Bruecken.png|mini|300px|Zwei Pfade eines [[Brownsche Brücke]] genannten speziellen stochastischen Prozesses]] |
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Ein '''Stochastischer Prozess''' ist die [[mathematik|mathematische]] Beschreibung von zeitlich geordneten, zufälligen Vorgängen. Die Theorie der stochastischen Prozesse stellt eine wesentliche Erweiterung der [[Wahrscheinlichkeitstheorie]] dar und bildet die Grundlage für die [[stochastische Analysis]]. Obwohl einfache stochastische Prozesse schon vor langer Zeit studiert wurden, wurde die heute gültige formale Theorie erst anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt, vor allem durch [[Paul Lévy]] und [[Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow]]. |
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Ein '''stochastischer Prozess''' (auch '''Zufallsprozess''') ist ein [[mathematisches Objekt]] zur Modellierung von zufälligen, oft zeitlich geordneten, Vorgängen. Die Theorie der stochastischen Prozesse stellt eine wesentliche Erweiterung der [[Wahrscheinlichkeitstheorie]] dar und bildet die Grundlage für die [[stochastische Analysis]]. Obwohl einfache stochastische Prozesse schon vor langer Zeit studiert wurden, wurde die heute gültige formale Theorie erst Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt, vor allem von [[Paul Lévy (Mathematiker)|Paul Lévy]] und [[Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow|Andrei Kolmogorow]]. |
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Im einfachsten Fall ist ein stochastischer Prozess das Modell einer zufälligen [[Funktion (Mathematik)|Funktion]], deren [[Realisierung (Stochastik)|Realisierungen]] gewöhnliche Funktionen, die so genannten [[Pfad (Stochastik)|Pfade]], sind. Formal erfolgt die Festlegung eines stochastischen Prozesses durch einen [[Vektor]], eine [[Folge (Mathematik)|Folge]] oder allgemeiner eine [[Familie (Mathematik)|Familie]] von [[Zufallsvariable]]n, die gemeinsam eine mehrdimensionale oder unendlich-dimensionale [[Wahrscheinlichkeitsverteilung]] besitzen. |
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Ursprünglich wurde der Begriff des stochastischen Prozesses für Fälle verwendet, bei denen das zeitliche Fortschreiten eines zufallsbestimmten Vorgangs modelliert wurde.<ref>{{Literatur |Autor=[[Joseph L. Doob]] |Titel=Stochastic Processes |Verlag=Wiley |Ort=New York |Datum=1953 |ISBN=978-0-471-52369-7|Fundstelle= S. 46}}: „From the non-mathematical point of view a stochastic process is any probability process, that is, any process running along in time and controlled by probabilistic laws. Numerical observations made as the process continues indicate its evolution. With this background to guide us ''we define as stochastic process as any family of random variables <math>\{x_t, t \in T\}</math>''. Here <math>x_t</math> is in practice the observation at time <math>t</math>, and <math>T</math> is the time range involved.“ </ref> Inzwischen hat sich die Bedeutung des Begriffs verallgemeinert und als stochastische Prozesse werden auch unendliche Familien von Zufallsvariablen bezeichnet, deren Realisierungen Funktionen sind, ohne dass ein zeitlicher Bezug vorliegt. Solche allgemeineren stochastischen Prozesse werden z. B. in der Theorie [[empirischer Prozess|empirischer Prozesse]] untersucht.<ref>{{Literatur |Autor=Galen R. Shorack, Jon A. Wellner |Titel=Empirical Processes with Applications in Statistics |Verlag=Wiley |Ort=New York |Datum=1986 |Kommentar = Unveränderter Nachdruck: SIAM, Philadelphia 2009, ISBN 978-0-89871-684-9}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=[[Aad W. van der Vaart]], Jon A. Wellner |Titel=Weak Convergence and Empirical Processes – With Applications to Statistics |Reihe= Springer Series in Statistics |Auflage=2|Verlag=Springer |Ort=Cham |Datum=2023 |ISBN=978-3-031-29038-1 |DOI=10.1007/978-3-031-29040-4}}</ref> |
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== Definition == |
== Definition == |
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Sei <math>(\Omega, \mathcal{F}, P)</math> ein [[Wahrscheinlichkeitsraum]], <math>(Z, \mathcal{Z})</math> ein mit einer [[ |
Sei <math>(\Omega, \mathcal{F}, P)</math> ein [[Wahrscheinlichkeitsraum]], <math>(Z, \mathcal{Z})</math> ein mit einer [[σ-Algebra]] <math>\mathcal{Z}</math> versehener [[Raum (Mathematik)|Raum]] (zumeist die [[Reelle Zahl|reellen Zahlen]] mit der [[Borelsche σ-Algebra|Borelschen σ-Algebra]]) und <math>T</math> eine [[Index (Mathematik)#Indexmenge|Indexmenge]], zumeist <math>T \in \{ \N_0,\R_{+} \} </math>, die in Anwendungen häufig die Menge der betrachteten Zeitpunkte darstellt. |
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:<math>X:\Omega \times T \to Z, \; (\omega ,t) \mapsto X_t(\omega)</math>, |
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Ein stochastischer Prozess <math>X</math> ist dann eine [[Familie (Mathematik)|Familie]] von [[Zufallsvariable]]n <math>X_t\colon\Omega \to Z,\;t\in T</math>, also eine Abbildung |
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sodass für alle <math> t \in T </math> die eingeschränkte Abbildung <math>X_t:\;\omega \mapsto X_t(\omega)\; \mathcal{F}-\mathcal{Z}</math>-messbar ist. |
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:<math>X\colon\Omega \times T \to Z, \; (\omega, t) \mapsto X_t(\omega)</math>, |
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Eine alternative Formulierung sieht vor, dass ''X'' eine einzige Zufallsvariable <math>\Omega \to (H, \mathcal{H}) </math> ist, wobei <math>H \subseteq Z^T </math> eine (mit einer geeigneten Sigma-Algebra versehene) Menge von Funktionen <math>f: T \to Z </math> ist. Bei geeigneter Wahl fallen diese beiden Definitionen zusammen. |
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so dass <math>X_t\colon \omega \mapsto X_t(\omega)</math> für alle <math> t \in T</math> eine <math>\mathcal{F}</math>-<math>\mathcal{Z}</math>-[[Messbare Funktion|messbare]] Abbildung ist. |
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Die Familie der Zufallsvariablen, die einen stochastischen Prozess bilden, wird auch in der Form <math>(X_t)_{t \in T}</math> notiert. |
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==Einteilung== |
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Die Menge <math> Z </math> heißt auch '''Zustandsraum''' und enthält alle von dem Prozess anzunehmenden Werte. |
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Die grundlegendste Einteilung stochastischer Prozesse in verschiedene Klassen erfolgt über die Indexmenge ''T'' und die Wertemenge ''Z'': |
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*Ist ''T'' [[Abzählbarkeit|abzählbar]] (etwa <math>T=\N_0</math>, so heißt der Prozess '''zeitdiskret''', ansonsten '''zeitstetig'''. |
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*Ist ''Z'' endlich oder abzählbar, spricht man von '''wertestetigen''' Prozessen oder '''Punktprozessen'''. |
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Eine alternative Formulierung sieht vor, dass <math>X</math> eine einzige Zufallsvariable <math>\Omega \to (H, \mathcal{H}) </math> ist, wobei <math>H \subseteq Z^T </math> ein mit einer geeigneten σ-Algebra <math>\mathcal{H}</math> versehener [[Funktionenraum]] <math>\{f \mid f\colon T \to Z \}</math> ist. Man spricht hier auch von ''Zufallsfunktionen'' (vergleiche [[Pfad (Stochastik)]]). Bei geeigneter Wahl fallen diese beiden Definitionen zusammen. |
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Darüber hinaus werden stochastische Prozesse noch nach stochastischen Eigenschaften in verschiedene Prozessklassen unterteilt. Die wichtigste Klasse ist hierbei die der [[Markov-Prozess]]e, die sich durch eine Art "Gedächtnislosigkeit" auszeichnen. Die meisten untersuchten Prozesse gehören dieser Klasse an. Innerhalb der Markov-Prozesse (im zeitstetigen Fall spricht man auch von [[Markov-Kette]]n) sind wiederum die [[Lévy-Prozess]]e von Bedeutung, die ein stochastisches Äquivalent zu den [[lineare Abbildung|linearen Abbildungen]] darstellen. Weitere Prozessklassen sind [[Martingal]]e, [[Gauß-Prozess]]e und [[Ito-Prozess]]e |
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== Anmerkungen == |
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==stochastische Prozesse versus Zeitreihen== |
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* Die Frage nach der Existenz von stochastischen Prozessen mit bestimmten Eigenschaften wird mit dem [[Satz von Daniell-Kolmogorow]] <!-- [[:en:Kolmogorov extension theorem]]--> und dem [[Satz von Ionescu-Tulcea]] (benannt nach [[Cassius Ionescu-Tulcea]]) weitgehend gelöst. |
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Neben der Theorie der stochastischen Prozesse gibt es auch die mathematische Disziplin der [[Zeitreihenanalyse]], die weitgehend unabhängig davon operiert. Definitionsgemäß sind stochastische Prozesse und Zeitreihen ein und dasselbe, dennoch weisen die Gebiete Unterschiede auf: Während die Zeitreihenanalyse sich als Teilgebiet der [[Statistik]] versteht und versucht, spezielle Modelle (wie etwa [[ARMA-Modelle]] an zeitlich geordnete Daten anzupassen, steht bei den stochastischen Prozessen die [[Stochastik]] und die spezielle Struktur der Zufallsfunktionen (etwa [[Stetigkeit]], [[Differentialrechnung|Differenzierbarkeit]] [[Variation]] oder Messbarkeit bezüglich gewisser [[Filtrierung]]en) im Vordergrund. |
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* Der Zustandsraum wird bei Verwendung in der Physik auch als [[Phasenraum]] bezeichnet.<ref>{{Literatur |Titel=Lexikon der Stochastik |Datum=1991 |Seiten=414}}</ref> |
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* Die Indexmenge <math>T</math> wird auch als ''Parametermenge'' des stochastischen Prozesses bezeichnet.<ref>{{Literatur |Titel=Lexikon der Stochastik |Datum=1991 |Seiten=415}}</ref> |
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== Einteilung == |
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Folgend sind einige Kriterien aufgeführt, nach denen stochastische Prozesse klassifiziert werden. Eine genauere Beschreibung findet sich in der [[Liste stochastischer Prozesse]]. |
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Der stochastische Prozess ist dadurch gegekennzeichnet, dass an jeder Stelle ''t'' der Zeitreihe eine Zufallsvariable vorliegt. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Münzwurf. Es sei angenommen, dass ein Spieler im Zeitpunkt ''t''=0 ein Startkapital von 10 Euro hat. Bei jedem Wurf einer Münze gewinnt er einen Euro, falls "Zahl" erscheint, oder er verliert einen Euro, falls "Kopf" erscheint. Handelt es sich bei der verwendeten Münze um eine "faire" Münze, so ist die [[Wahrscheinlichkeit]] für "Kopf" und "Zahl" gleich und zwar 0,5. Stellt man den jeweiligen "Kontostand" des Spielers nach jedem Münzwurf graphisch dar, so ergibt sich ein stochastischer Verlauf. |
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Die grundlegendste Einteilung stochastischer Prozesse in verschiedene Klassen erfolgt über die Indexmenge <math>T</math> und die Werte- oder Zustandsmenge <math>Z</math>: |
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Der sogenannte reine Zufallsprozess, auch [[Weißes Rauschen]] genannt, ist eine Folge stochastisch unabhängiger und identisch verteilter Zufallsvariablen. Ist die Variable Bernoulli-verteilt spricht man von einem [[Bernoulli-Prozess]], ist die Variable normalverteilt, von einem [[Gauss-Prozess]]. Ein weiterer stochastischer Prozess ist der [[Random Walk]]. Dieser ist ein [[diskret|diskreter]] Prozess mit [[Stationarität|stationär]] unabhängigen Zuwächsen. |
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=== Diskrete und stetige Indexmenge === |
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Weitere Typen stochastischer Prozesse: [[Wiener-Prozess]], [[Markow-Prozess]], [[lineare stochastische Prozesse]], [[Poisson-Prozess]]. |
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* Ist <math>t</math> ein Zeitindex und <math>T</math> [[Abzählbarkeit|abzählbar]] (etwa <math>T=\N_0</math>), so heißt der Prozess ein '''zeitdiskreter stochastischer Prozess''' oder etwas ungenau ''diskreter stochastischer Prozess''. |
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* Ist <math>t</math> ein Zeitindex und <math>T \subseteq \R</math> ein Teilintervall von <math>\R</math>, so heißt der heißt der Prozess ein '''zeitstetiger stochastischer Prozess'''. |
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=== Diskrete und stetige Wertemenge === |
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==Siehe auch== |
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* Ist <math>Z</math> endlich oder abzählbar, spricht man von einem '''zustandsdiskreten''' oder ''wertediskreten'' Prozess. |
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[[Zeitreihenanalyse]], [[Zählprozess]], [[Stationarität]] (AR-, MA- und [[ARMA-Modelle]]), [[Erneuerungsprozess]], [[Martingal]], [[Ergodentheorie]], [[stochastische Differentialgleichung]], [[Kiyosi Itô]] |
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* Ist <math>Z \subseteq \R</math> ein Teilintervall von <math>\R</math>, so spricht man von einem '''zustandsstetigen''' oder ''wertestetigen'' Prozess. |
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=== Reell-, komplex- und vektorwertig === |
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==Weblinks== |
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* Ist <math> Z \subseteq \R </math>, so spricht man von einem '''reellwertigen stochastischen Prozess''' oder kurz '''reellwertigen Prozess'''. |
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*http://www.et2.tu-harburg.de/lehre/Stochastik/Prozesse.pdf |
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* Ist <math> Z \subseteq \Complex </math>, so spricht man von einem '''komplexwertigen stochastischen Prozess''' oder kurz '''komplexwertigen Prozess'''. |
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*[http://ibb.gsf.de/reports/2000/statistik.pdf Skript bei GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit GmbH, 161 S.] |
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* Ist <math> Z \subseteq \R^n </math> oder <math> Z \subseteq \C^n </math>, so spricht man von einem '''n-dimensionalen''' (reellwertigen oder komplexwertigen) '''stochastischen Prozess''' oder von einem '''vektorwertigen stochastischen Prozess'''. |
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*http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/stat/node7.html |
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=== Mehrdimensionale Indexmenge === |
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[[Kategorie:Zeitreihenanalyse]] |
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* Für <math>T \subseteq \R^n</math> mit <math>n > 1</math> nennt man den stochastischen Prozess [[Zufallsfeld]] oder ''zufälliges Feld''. Häufig ist <math> T= \R^2 </math> oder <math> T= \R^3 </math>, insbesondere für Modelle der [[Geostatistik]]. |
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[[Kategorie:Statistik]] |
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[[Kategorie:statistische Physik]] |
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[[Kategorie:Stochastik]] |
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[[Kategorie:Stochastische Prozesse]] |
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=== Momente === |
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[[en:Stochastic process]] |
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Außerdem werden stochastische Prozesse noch analog zu den Zufallsvariablen danach klassifiziert, ob der Erwartungswert und die Varianz existieren oder spezielle Werte annehmen. |
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[[eo:Stokastiko]] |
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* Ein reellwertiger stochastischer Prozess heißt '''integrierbar''', wenn <math> \operatorname E (|X_t|)<\infty </math> für alle <math> t \in T </math> gilt. |
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[[es:Proceso estocástico]] |
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* Ein reellwertiger stochastischer Prozess heißt '''quadratintegrierbar''', wenn <math> \operatorname E (X_t^2)<\infty </math> für alle <math> t \in T </math> gilt. Ein quadratintegrierbarer Prozess heißt auch '''Prozess zweiter Ordnung'''.<ref>{{Literatur |Herausgeber=[[P. Heinz Müller|P. H. Müller]] |Titel=Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik |Verlag=Akademie-Verlag |Ort=Berlin |Datum=1991 |Auflage= 5 |ISBN=978-3-05-500608-1 |Fundstelle=''Prozeß zweiter Ordnung'', S. 312–313}}</ref> |
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[[fr:Processus stochastique]] |
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* Ein reellwertiger stochastischer Prozess heißt '''zentriert''', wenn <math> \operatorname E (X_t)=0 </math> für alle <math> t \in T </math> gilt. |
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[[gl:Proceso estocástico]] |
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[[it:Processo stocastico]] |
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=== Stochastische Abhängigkeiten === |
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[[pl:Proces stochastyczny]] |
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Des Weiteren werden stochastische Prozesse noch mittels der Struktur ihrer stochastischen Abhängigkeiten klassifiziert, diese werden meist über den [[Bedingter Erwartungswert|bedingten Erwartungswert]] definiert. Zu diesen Klassen gehören: |
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[[ro:Proces stocastic]] |
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; [[Markow-Prozess]]e: Ihre Wahrscheinlichkeit, einen Zustand anzunehmen, ist abhängig von dem Zustand, in dem sie sich davor befanden, aber nicht von der gesamten Vergangenheit des Prozesses. Markow-Prozesse haben somit ein „kurzes Gedächtnis“. |
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[[su:Prosés stokastik]] |
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; [[Martingal]]e sowie Sub- und Supermartingale: Martingale modellieren ein faires Spiel. Hat man zu einem Zeitpunkt bereits einen gewissen Betrag gewonnen, so ist der Erwartungswert für künftige Gewinne genau dieser bereits gewonnene Betrag. |
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[[zh:随机过程]] |
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=== Weitere Eigenschaften: Pfade und Zuwächse === |
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Des Weiteren kann man Prozesse wie folgt klassifizieren: |
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* Man kann die Eigenschaften der [[Pfad (Stochastik)|Pfade]] untersuchen und die Prozesse dementsprechend unterteilen: Prozesse mit stetigen Pfaden, Prozesse mit beschränkten Pfaden etc. Ein Beispiel für einen stochastischen Prozess mit fast sicher stetigen Pfaden ist der [[Wiener-Prozess]]. |
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* Man betrachtet die sogenannten Zuwächse des Prozesses, also Terme der Art <math> X_{t_1}- X_{t_0} </math> für Indizes <math> t_1, t_0 \in T </math>. Je nach geforderter Eigenschaft der Zuwächse erhält man dann [[Prozess mit stationären Zuwächsen|Prozesse mit stationären Zuwächsen]], [[Prozess mit unabhängigen Zuwächsen|Prozesse mit unabhängigen Zuwächsen]] oder auch Prozesse mit normalverteilten Zuwächsen. So sind beispielsweise die [[Lévy-Prozess]]e genau die stochastischen Prozesse mit unabhängigen, stationären Zuwächsen. |
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== Pfade == |
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{{Hauptartikel|Pfad (Stochastik)}} |
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Für jedes <math>\omega\in\Omega</math> erhält man eine Abbildung <math>X(\cdot,\omega)\colon T\rightarrow Z,\, t\mapsto X(t,\omega)=X_t(\omega)</math>. Diese Abbildungen nennt man die ''Pfade'' des Prozesses und wird auch mit <math>X_{\bullet}(\omega)</math> notiert. Häufig spricht man statt von den Pfaden auch von den Trajektorien oder den Realisierungen des stochastischen Prozesses. |
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Ist speziell <math>T=\R_+</math> und <math>Z \subseteq \R</math> (oder ein allgemeinerer [[topologischer Raum]]), so kann man von [[Stetige Funktion|Stetigkeit]]seigenschaften der Pfade sprechen. |
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Man nennt einen zeitstetigen stochastischen Prozess ''stetig'', ''rechtsseitig stetig'', ''linksseitig stetig'' bzw. ''[[càdlàg]]'', wenn alle Pfade des Prozesses die entsprechende Eigenschaft haben. Der [[Wiener-Prozess]] hat stetige Pfade, von denen im Bild zu den Beispielen unten zwei zu sehen sind. Der [[Poisson-Prozess]] ist ein Beispiel für einen zeitstetigen, wertdiskreten [[càdlàg-Prozess]]; er hat also rechtsseitig stetige Pfade, bei denen an jeder Stelle der linksseitige Limes existiert. |
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Ein Pfad ist somit ein zufälliger Punkt im [[Funktionenraum|Raum]] der Funktionen von <math>T\to Z</math>. |
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== Stochastische Prozesse versus Zeitreihen == |
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Während die Theorie der stochastischen Prozesse ein Teilgebiet der [[Wahrscheinlichkeitstheorie]] und damit der Mathematik ist, ist das Gebiet der [[Zeitreihenanalyse]] ein Teilgebiet der [[Statistik]]. |
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{{Hauptartikel|Zeitreihenanalyse}} |
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Die Zeitreihenanalyse geht von einer konkreten [[Zeitreihe]], d. h. einer endlichen Folge zeitlich geordneter Daten aus, und beschreibt diese einerseits mit Methoden der deskriptiven Statistik und verwendet andererseits spezielle stochastische Modelle (wie [[ARMA-Modelle|ARMA-]] oder [[ARCH-Modell]]e) zur Erklärung von Zeitreihen. Eine beobachtete Zeitreihe kann als endlicher Ausschnitt des Pfades eines zeitdiskreten oder zeitstetigen stochastischen Prozesses aufgefasst werden. Eine Aufgabe der statistischen Zeitreihenanalyse ist die Schätzung der Parameterstruktur der Verteilung eines stochastischen Prozesses aus einer vorliegenden Zeitreihe. |
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Während in der Theorie stochastischer Prozesse die mathematische Struktur der modellierten Zufallsfunktionen (etwa [[Stetige Funktion|Stetigkeit]], [[Differentialrechnung|Differenzierbarkeit]], [[Variation (Mathematik)|Variation]] oder Messbarkeit bezüglich gewisser [[Filtrierung (Wahrscheinlichkeitstheorie)|Filtrierungen]]) im Vordergrund steht, geht die Zeitreihenanalyse von den Daten aus und schlägt als statistische Teildisziplin die Brücke zwischen Empirie und Theorie. |
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== Beispiele == |
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[[Bild:Wienerprozess.png|mini|Ein Standard-Wiener-Prozess auf dem Zeitintervall [0,3], außerdem sind der Erwartungswert und die Standardabweichung eingezeichnet]] |
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* Ein einfaches Beispiel für einen zeitdiskreten [[Punktprozess]] ist die symmetrische [[Irrfahrt (Stochastik)|Irrfahrt]], hier veranschaulicht durch ein Glücksspiel: Ein Spieler beginnt zum Zeitpunkt <math>t=0</math> mit einem Startkapital von 10 Euro ein Spiel, bei dem er nacheinander immer wieder eine Münze wirft. Bei „Kopf“ gewinnt er einen Euro, bei „Zahl“ verliert er einen. Die Zufallsvariablen <math>X_t,\;t \in \N_0,</math> für den Kontostand nach <math>t</math> Spielen definieren einen stochastischen Prozess (mit deterministischer ''Startverteilung'' <math>X_0=10</math>). Genauer betrachtet handelt es sich bei <math>X</math> um einen [[Lévy-Prozess]] und um ein [[Martingal]]. |
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* Eine vielseitig verwendete Klasse stochastischer Prozesse sind [[Gauß-Prozess]]e, die viele natürliche Systeme beschreiben können und als [[Maschinelles Lernen|Maschinenlernverfahren]] Anwendung finden. |
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* Ein bedeutender stochastischer Prozess aus der Klasse der Gaußprozesse ist der [[Wiener-Prozess]] (auch „Brownsche Bewegung“ genannt). Hierbei sind die einzelnen Zustände [[Normalverteilung|normalverteilt]] mit linear anwachsender [[Varianz (Stochastik)|Varianz]]. Der Wiener-Prozess findet Anwendung in der [[stochastische Integration|stochastischen Integration]], der [[Finanzmathematik]] und der [[Physik]]. |
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* Weitere Beispiele: [[Bernoulli-Prozess]], [[Brownsche Brücke]], [[Gebrochene Brownsche Bewegung]], [[Markow-Kette]], [[Ornstein-Uhlenbeck-Prozess]], [[Poisson-Prozess]], [[Weißes Rauschen (Physik)|Weißes Rauschen]]. |
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== Weblinks == |
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* {{EoM |
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| Autor = A.M. Yaglom |
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| Titel = Stochastic Process |
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| Url = https://www.encyclopediaofmath.org/index.php/Stochastic_process |
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| id = |
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}} |
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== Literatur == |
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* {{Literatur|Autor=[[Christian Hesse (Mathematiker)|Christian Hesse]]|Titel=Angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie|Auflage=1.|Verlag=Vieweg|Ort=Wiesbaden|Jahr=2003|ISBN=3-528-03183-2 |DOI=10.1007/978-3-663-01244-3}} |
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* {{Literatur|Autor=[[Achim Klenke]]|Titel=Wahrscheinlichkeitstheorie|Auflage=3.|Verlag=Springer-Verlag|Ort=Berlin Heidelberg|Jahr=2013|ISBN=978-3-642-36017-6 |DOI=10.1007/978-3-642-36018-3}} |
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* {{Literatur|Autor=David Meintrup, [[Stefan Schäffler]]|Titel=Stochastik|TitelErg=Theorie und Anwendungen|Verlag=Springer-Verlag|Ort=Berlin Heidelberg New York|Jahr=2005|ISBN=978-3-540-21676-6|DOI=10.1007/b137972}} |
|||
* {{Literatur |Herausgeber=[[P. Heinz Müller|P. H. Müller]] |Titel=Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik |Verlag=Akademie-Verlag |Ort=Berlin |Datum=1991 |Auflage= 5 |ISBN=978-3-05-500608-1 |Fundstelle=''Stochastischer Prozess'', S. 415–419}} |
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== Einzelnachweise == |
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<references /> |
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[[Kategorie:Zeitreihenanalyse]] |
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[[Kategorie:Statistische Physik]] |
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[[Kategorie:Stochastischer Prozess| ]] |
Aktuelle Version vom 12. Februar 2025, 22:22 Uhr

Ein stochastischer Prozess (auch Zufallsprozess) ist ein mathematisches Objekt zur Modellierung von zufälligen, oft zeitlich geordneten, Vorgängen. Die Theorie der stochastischen Prozesse stellt eine wesentliche Erweiterung der Wahrscheinlichkeitstheorie dar und bildet die Grundlage für die stochastische Analysis. Obwohl einfache stochastische Prozesse schon vor langer Zeit studiert wurden, wurde die heute gültige formale Theorie erst Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt, vor allem von Paul Lévy und Andrei Kolmogorow.
Im einfachsten Fall ist ein stochastischer Prozess das Modell einer zufälligen Funktion, deren Realisierungen gewöhnliche Funktionen, die so genannten Pfade, sind. Formal erfolgt die Festlegung eines stochastischen Prozesses durch einen Vektor, eine Folge oder allgemeiner eine Familie von Zufallsvariablen, die gemeinsam eine mehrdimensionale oder unendlich-dimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzen.
Ursprünglich wurde der Begriff des stochastischen Prozesses für Fälle verwendet, bei denen das zeitliche Fortschreiten eines zufallsbestimmten Vorgangs modelliert wurde.[1] Inzwischen hat sich die Bedeutung des Begriffs verallgemeinert und als stochastische Prozesse werden auch unendliche Familien von Zufallsvariablen bezeichnet, deren Realisierungen Funktionen sind, ohne dass ein zeitlicher Bezug vorliegt. Solche allgemeineren stochastischen Prozesse werden z. B. in der Theorie empirischer Prozesse untersucht.[2][3]
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sei ein Wahrscheinlichkeitsraum, ein mit einer σ-Algebra versehener Raum (zumeist die reellen Zahlen mit der Borelschen σ-Algebra) und eine Indexmenge, zumeist , die in Anwendungen häufig die Menge der betrachteten Zeitpunkte darstellt.
Ein stochastischer Prozess ist dann eine Familie von Zufallsvariablen , also eine Abbildung
- ,
so dass für alle eine --messbare Abbildung ist.
Die Familie der Zufallsvariablen, die einen stochastischen Prozess bilden, wird auch in der Form notiert. Die Menge heißt auch Zustandsraum und enthält alle von dem Prozess anzunehmenden Werte.
Eine alternative Formulierung sieht vor, dass eine einzige Zufallsvariable ist, wobei ein mit einer geeigneten σ-Algebra versehener Funktionenraum ist. Man spricht hier auch von Zufallsfunktionen (vergleiche Pfad (Stochastik)). Bei geeigneter Wahl fallen diese beiden Definitionen zusammen.
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Frage nach der Existenz von stochastischen Prozessen mit bestimmten Eigenschaften wird mit dem Satz von Daniell-Kolmogorow und dem Satz von Ionescu-Tulcea (benannt nach Cassius Ionescu-Tulcea) weitgehend gelöst.
- Der Zustandsraum wird bei Verwendung in der Physik auch als Phasenraum bezeichnet.[4]
- Die Indexmenge wird auch als Parametermenge des stochastischen Prozesses bezeichnet.[5]
Einteilung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Folgend sind einige Kriterien aufgeführt, nach denen stochastische Prozesse klassifiziert werden. Eine genauere Beschreibung findet sich in der Liste stochastischer Prozesse.
Die grundlegendste Einteilung stochastischer Prozesse in verschiedene Klassen erfolgt über die Indexmenge und die Werte- oder Zustandsmenge :
Diskrete und stetige Indexmenge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ist ein Zeitindex und abzählbar (etwa ), so heißt der Prozess ein zeitdiskreter stochastischer Prozess oder etwas ungenau diskreter stochastischer Prozess.
- Ist ein Zeitindex und ein Teilintervall von , so heißt der heißt der Prozess ein zeitstetiger stochastischer Prozess.
Diskrete und stetige Wertemenge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ist endlich oder abzählbar, spricht man von einem zustandsdiskreten oder wertediskreten Prozess.
- Ist ein Teilintervall von , so spricht man von einem zustandsstetigen oder wertestetigen Prozess.
Reell-, komplex- und vektorwertig
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ist , so spricht man von einem reellwertigen stochastischen Prozess oder kurz reellwertigen Prozess.
- Ist , so spricht man von einem komplexwertigen stochastischen Prozess oder kurz komplexwertigen Prozess.
- Ist oder , so spricht man von einem n-dimensionalen (reellwertigen oder komplexwertigen) stochastischen Prozess oder von einem vektorwertigen stochastischen Prozess.
Mehrdimensionale Indexmenge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Für mit nennt man den stochastischen Prozess Zufallsfeld oder zufälliges Feld. Häufig ist oder , insbesondere für Modelle der Geostatistik.
Momente
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Außerdem werden stochastische Prozesse noch analog zu den Zufallsvariablen danach klassifiziert, ob der Erwartungswert und die Varianz existieren oder spezielle Werte annehmen.
- Ein reellwertiger stochastischer Prozess heißt integrierbar, wenn für alle gilt.
- Ein reellwertiger stochastischer Prozess heißt quadratintegrierbar, wenn für alle gilt. Ein quadratintegrierbarer Prozess heißt auch Prozess zweiter Ordnung.[6]
- Ein reellwertiger stochastischer Prozess heißt zentriert, wenn für alle gilt.
Stochastische Abhängigkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Des Weiteren werden stochastische Prozesse noch mittels der Struktur ihrer stochastischen Abhängigkeiten klassifiziert, diese werden meist über den bedingten Erwartungswert definiert. Zu diesen Klassen gehören:
- Markow-Prozesse
- Ihre Wahrscheinlichkeit, einen Zustand anzunehmen, ist abhängig von dem Zustand, in dem sie sich davor befanden, aber nicht von der gesamten Vergangenheit des Prozesses. Markow-Prozesse haben somit ein „kurzes Gedächtnis“.
- Martingale sowie Sub- und Supermartingale
- Martingale modellieren ein faires Spiel. Hat man zu einem Zeitpunkt bereits einen gewissen Betrag gewonnen, so ist der Erwartungswert für künftige Gewinne genau dieser bereits gewonnene Betrag.
Weitere Eigenschaften: Pfade und Zuwächse
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Des Weiteren kann man Prozesse wie folgt klassifizieren:
- Man kann die Eigenschaften der Pfade untersuchen und die Prozesse dementsprechend unterteilen: Prozesse mit stetigen Pfaden, Prozesse mit beschränkten Pfaden etc. Ein Beispiel für einen stochastischen Prozess mit fast sicher stetigen Pfaden ist der Wiener-Prozess.
- Man betrachtet die sogenannten Zuwächse des Prozesses, also Terme der Art für Indizes . Je nach geforderter Eigenschaft der Zuwächse erhält man dann Prozesse mit stationären Zuwächsen, Prozesse mit unabhängigen Zuwächsen oder auch Prozesse mit normalverteilten Zuwächsen. So sind beispielsweise die Lévy-Prozesse genau die stochastischen Prozesse mit unabhängigen, stationären Zuwächsen.
Pfade
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für jedes erhält man eine Abbildung . Diese Abbildungen nennt man die Pfade des Prozesses und wird auch mit notiert. Häufig spricht man statt von den Pfaden auch von den Trajektorien oder den Realisierungen des stochastischen Prozesses.
Ist speziell und (oder ein allgemeinerer topologischer Raum), so kann man von Stetigkeitseigenschaften der Pfade sprechen. Man nennt einen zeitstetigen stochastischen Prozess stetig, rechtsseitig stetig, linksseitig stetig bzw. càdlàg, wenn alle Pfade des Prozesses die entsprechende Eigenschaft haben. Der Wiener-Prozess hat stetige Pfade, von denen im Bild zu den Beispielen unten zwei zu sehen sind. Der Poisson-Prozess ist ein Beispiel für einen zeitstetigen, wertdiskreten càdlàg-Prozess; er hat also rechtsseitig stetige Pfade, bei denen an jeder Stelle der linksseitige Limes existiert.
Ein Pfad ist somit ein zufälliger Punkt im Raum der Funktionen von .
Stochastische Prozesse versus Zeitreihen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während die Theorie der stochastischen Prozesse ein Teilgebiet der Wahrscheinlichkeitstheorie und damit der Mathematik ist, ist das Gebiet der Zeitreihenanalyse ein Teilgebiet der Statistik.
Die Zeitreihenanalyse geht von einer konkreten Zeitreihe, d. h. einer endlichen Folge zeitlich geordneter Daten aus, und beschreibt diese einerseits mit Methoden der deskriptiven Statistik und verwendet andererseits spezielle stochastische Modelle (wie ARMA- oder ARCH-Modelle) zur Erklärung von Zeitreihen. Eine beobachtete Zeitreihe kann als endlicher Ausschnitt des Pfades eines zeitdiskreten oder zeitstetigen stochastischen Prozesses aufgefasst werden. Eine Aufgabe der statistischen Zeitreihenanalyse ist die Schätzung der Parameterstruktur der Verteilung eines stochastischen Prozesses aus einer vorliegenden Zeitreihe.
Während in der Theorie stochastischer Prozesse die mathematische Struktur der modellierten Zufallsfunktionen (etwa Stetigkeit, Differenzierbarkeit, Variation oder Messbarkeit bezüglich gewisser Filtrierungen) im Vordergrund steht, geht die Zeitreihenanalyse von den Daten aus und schlägt als statistische Teildisziplin die Brücke zwischen Empirie und Theorie.
Beispiele
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- Ein einfaches Beispiel für einen zeitdiskreten Punktprozess ist die symmetrische Irrfahrt, hier veranschaulicht durch ein Glücksspiel: Ein Spieler beginnt zum Zeitpunkt mit einem Startkapital von 10 Euro ein Spiel, bei dem er nacheinander immer wieder eine Münze wirft. Bei „Kopf“ gewinnt er einen Euro, bei „Zahl“ verliert er einen. Die Zufallsvariablen für den Kontostand nach Spielen definieren einen stochastischen Prozess (mit deterministischer Startverteilung ). Genauer betrachtet handelt es sich bei um einen Lévy-Prozess und um ein Martingal.
- Eine vielseitig verwendete Klasse stochastischer Prozesse sind Gauß-Prozesse, die viele natürliche Systeme beschreiben können und als Maschinenlernverfahren Anwendung finden.
- Ein bedeutender stochastischer Prozess aus der Klasse der Gaußprozesse ist der Wiener-Prozess (auch „Brownsche Bewegung“ genannt). Hierbei sind die einzelnen Zustände normalverteilt mit linear anwachsender Varianz. Der Wiener-Prozess findet Anwendung in der stochastischen Integration, der Finanzmathematik und der Physik.
- Weitere Beispiele: Bernoulli-Prozess, Brownsche Brücke, Gebrochene Brownsche Bewegung, Markow-Kette, Ornstein-Uhlenbeck-Prozess, Poisson-Prozess, Weißes Rauschen.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- A.M. Yaglom: Stochastic Process. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Christian Hesse: Angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie. 1. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2003, ISBN 3-528-03183-2, doi:10.1007/978-3-663-01244-3.
- Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, doi:10.1007/978-3-642-36018-3.
- David Meintrup, Stefan Schäffler: Stochastik. Theorie und Anwendungen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2005, ISBN 978-3-540-21676-6, doi:10.1007/b137972.
- P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, Stochastischer Prozess, S. 415–419.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Joseph L. Doob: Stochastic Processes. Wiley, New York 1953, ISBN 978-0-471-52369-7, S. 46. : „From the non-mathematical point of view a stochastic process is any probability process, that is, any process running along in time and controlled by probabilistic laws. Numerical observations made as the process continues indicate its evolution. With this background to guide us we define as stochastic process as any family of random variables . Here is in practice the observation at time , and is the time range involved.“
- ↑ Galen R. Shorack, Jon A. Wellner: Empirical Processes with Applications in Statistics. Wiley, New York 1986 (Unveränderter Nachdruck: SIAM, Philadelphia 2009, ISBN 978-0-89871-684-9).
- ↑ Aad W. van der Vaart, Jon A. Wellner: Weak Convergence and Empirical Processes – With Applications to Statistics (= Springer Series in Statistics). 2. Auflage. Springer, Cham 2023, ISBN 978-3-03129038-1, doi:10.1007/978-3-031-29040-4.
- ↑ Lexikon der Stochastik. 1991, S. 414.
- ↑ Lexikon der Stochastik. 1991, S. 415.
- ↑ P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, Prozeß zweiter Ordnung, S. 312–313.