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„Archimedischer Körper“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt geometrische Objekte. Für die archimedisch angeordneten Körper der Algebra siehe [[Archimedisches Axiom]].}}
Die '''archimedischen Körper''' sind eine Klasse von sehr regelmäßigen geometrischen [[Körper (Geometrie)|Körper]]n, die den [[platonischer Körper|platonischen Körpern]] ähneln. Je nach Zählweise gibt es 13 oder 15 archimedische Körper. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Ecken eines solchen Körpers nicht voneinander unterschieden werden können. Die archimedischen Körper sind nach dem griechischen Mathematiker [[Archimedes]] benannt, der alle diese Körper bereits im dritten Jahrhundert vor Christus entdeckt hatte.
[[Datei:Truncatedhexahedron.svg|mini|Beispiel eines archimedischen Körpers: der [[Hexaederstumpf]]]]
Die '''archimedischen Körper''' sind eine Klasse von regelmäßigen geometrischen [[Körper (Geometrie)|Körpern]]. Sie sind [[Konvexe Menge|konvexe]] [[Polyeder]] ''(Vielflächner)'' mit folgenden Eigenschaften:
# ihre Seitenflächen sind [[Regelmäßiges Polygon|regelmäßige Polygone]] ''(Vielecke),''
# alle Ecken des Körpers verhalten sich zueinander völlig gleich ''(Uniformität der Ecken),'' und
# sie sind weder [[Platonischer Körper|platonische Körper]] noch [[Prisma (Geometrie)|Prismen]] oder [[Antiprisma|Antiprismen]].


Je nach Zählweise gibt es 13 oder 15 solcher Körper. Sie sind nach dem griechischen Mathematiker [[Archimedes]] benannt, der sie alle vermutlich bereits im dritten Jahrhundert vor Christus entdeckte. Die Schrift des Archimedes ist nicht erhalten, es ist nur eine Zusammenfassung des [[Alexandria|alexandrinischen]] Mathematikers [[Pappos]] (4. Jahrhundert nach Christus) überliefert.<ref>{{Literatur |Autor=[[Pappos|Pappus von Alexandria]] |Titel=[[Pappos#Mathematische Sammlungen|Mathematicae collectiones]] |Band=V |Nummer=19}}</ref>
== Definition ==
=== informelle Beschreibung ===
Die archimedischen Körper sind [[konvex]]e [[Polyeder]], deren Seitenflächen regelmäßige Vielecke sind. Die charakteristische Eigenschaft der archimedischen Körper ist, dass sich alle Ecken des Körpers zueinander völlig gleich verhalten (''Uniformität der Ecken''). Dabei treten einige einfache Fälle auf, die man schon unter anderen Namen kennt, nämlich [[Prisma (Geometrie)|Prismen]], [[Antiprisma|Antiprismen]] und die fünf [[platonischer Körper|platonischen Körper]]. Diese werden nicht als archimedische Körper bezeichnet.


== Definition ==
Die exakte Definition der Uniformität der Ecken bereitet einige Mühe und war in der Vergangenheit nicht immer einheitlich.
Die exakte Definition der Uniformität der Ecken bereitet einige Mühe und ist nicht immer einheitlich.<ref name="Grünbaum">{{Literatur| Autor = Branko Grünbaum| DOI = 10.4171/EM/120 | Nummer = 3| Sammelwerk = Elemente der Mathematik | Seiten = 89–101| Titel = An enduring error | Online = https://digital.lib.washington.edu/dspace/bitstream/handle/1773/4592/An_enduring_error.pdf | Band = 64 | Datum = 2009}}, Nachgedruckt in {{Literatur |Hrsg=Mircea Pitici |Titel=The Best Writing on Mathematics 2010 |Verlag=Princeton University Press |Datum=2011 |ISBN=978-0-691-14841-0 |Seiten=18–31}}</ref>


Zunächst betrachtet man alle [[Konvexe Menge|konvexen]] [[Polyeder]], deren Seitenflächen regelmäßige [[Polygon]]e sind und die die ''globale Uniformität der Ecken'' erfüllen:
=== exakte Definition ===
: Die [[Symmetriegruppe]] des Polyeders [[Gruppenoperation|operiert]] [[Gruppenoperation#Bahn|transitiv]] auf seinen Ecken.
Zunächst betrachtet man alle [[konvex]]en [[Polyeder]], deren Seitenflächen regelmäßige [[Polygone]] sind, und die die ''globale Uniformität der Ecken'' erfüllen:
:Die [[Drehgruppe]] des Polyeders [[Gruppenoperation|operiert]] [[transitiv]] auf seinen Ecken.


Das bedeutet anschaulich:
Das bedeutet anschaulich:
:Zu jedem Paar <math>(a,b)</math> von Ecken des Polyeders ist es möglich, das Polyeder so zu drehen, dass die Ecke <math>a</math> dort zu liegen kommt, wo zuvor die Ecke <math>b</math> war, und die beiden Positionen des Polyeders vor und nach der Drehung nicht zu unterscheiden sind.
:Zu jedem Paar <math>(a,b)</math> von Ecken des Polyeders ist es möglich, das Polyeder so zu drehen und zu spiegeln, dass die Ecke <math>a</math> dort zu liegen kommt, wo zuvor die Ecke <math>b</math> war, und die beiden Positionen des Polyeders vor und nach der Drehung nicht zu unterscheiden sind.


Es gibt mehrere einfache Klassen von konvexen Polyedern, die alle diese Eigenschaften erfüllen:
Es gibt mehrere einfache Klassen von konvexen Polyedern, die alle diese Eigenschaften erfüllen:
* Die fünf [[platonischer Körper|platonischen Körper]].
* Die fünf [[Platonischer Körper|platonischen Körper]].
* Alle [[Prisma (Geometrie)|Prismen]], die genau aus zwei kongruenten regelmäßigen ''n''-Ecken und ''n'' Quadraten bestehen. Zu jeder natürlichen Zahl ''n'' größergleich drei existiert ein solches Prisma. An einer Ecke treffen stets ein ''n''-Eck und zwei Quadrate zusammen. Im Fall <math>n=4</math> ergibt sich ein [[Würfel (Geometrie)|Würfel]], also ein platonischer Körper.
* Alle [[Prisma (Geometrie)|Prismen]], die aus genau zwei kongruenten regelmäßigen ''n''-Ecken und ''n'' Quadraten bestehen. Zu jeder natürlichen Zahl <math>n \ge 3</math> existiert ein solches Prisma. An einer Ecke treffen stets ein ''n''-Eck und zwei Quadrate zusammen. Im Fall <math>n=4</math> ergibt sich ein [[Würfel (Geometrie)|Würfel]], also ein platonischer Körper.
* Alle [[Antiprisma|Antiprismen]], die genau aus zwei kongruenten ''n''-Ecken und 2''n'' Dreiecken bestehen. Zu jeder natürlichen Zahl ''n'' größergleich drei existiert ein solches Antiprisma. An einer Ecke treffen stets ein ''n''-Eck und drei Dreiecke zusammen. Im Fall <math>n=3</math> ergibt sich ein [[Oktaeder]], also ein platonischer Körper.
* Alle [[Antiprisma|Antiprismen]], die aus genau zwei kongruenten ''n''-Ecken und 2''n'' gleichseitigen Dreiecken bestehen. Zu jeder natürlichen Zahl <math>n \ge 3</math> existiert ein solches Antiprisma. An einer Ecke treffen stets ein ''n''-Eck und drei Dreiecke zusammen. Im Fall <math>n=3</math> ergibt sich ein [[Oktaeder]], also ein platonischer Körper.


Die archimedischen Körper sind nun definiert als alle konvexen Polyeder mit regelmäßigen Seitenflächen, die die globale Uniformität der Ecken erfüllen und ''nicht'' in eine dieser drei genannten Klassen fallen.
Die archimedischen Körper sind nun definiert als alle konvexen Polyeder mit regelmäßigen Seitenflächen, die die globale Uniformität der Ecken erfüllen und ''nicht'' in eine dieser drei genannten Klassen fallen.


== Eigenschaften ==
== Eigenschaften ==
* Unterscheidet man nicht zwischen [[Ähnlichkeit (Mathematik)|ähnlich]]en Körpern, so existieren genau 13 archimedische Körper. Von zwei dieser Körper existieren je zwei spiegelbildlich entgegengesetzte Varianten, welche nicht durch Drehung ineinander übergeführt werden können. Diese werden gelegentlich doppelt gezählt, so dass sich nach dieser Zählweise dann insgesamt 15 archimedische Körper ergeben.
* Unterscheidet man nicht zwischen [[Ähnlichkeit (Geometrie)|ähnlichen]] Körpern, so existieren genau 13 archimedische Körper. Von zweien dieser Körper – dem [[Abgeschrägtes Hexaeder|abgeschrägten Hexaeder]] und dem [[Abgeschrägtes Dodekaeder|abgeschrägten Dodekaeder]] – existieren je zwei spiegelbildlich entgegengesetzte Varianten, welche nicht durch Drehung ineinander übergeführt werden können. Diese werden gelegentlich doppelt gezählt, so dass sich nach dieser Zählweise dann insgesamt 15 archimedische Körper ergeben.
* Weil die Seitenflächen regelmäßige Polygone sind, gilt: Alle Kanten eines archimedischen Körpers haben die gleiche Länge.
* Weil die Seitenflächen regelmäßige Polygone sind, gilt: Alle Kanten eines archimedischen Körpers haben die gleiche Länge.
* Aus der globalen Uniformität der Ecken folgt die ''lokale Uniformität der Ecken'':
* Aus der globalen Uniformität der Ecken folgt die ''lokale Uniformität der Ecken'':
::An jeder Ecke treffen im Uhrzeigersinn abgelesen die selben Typen von Polygonen zusammen.
:: An jeder Ecke treffen im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn abgelesen dieselben Typen von Polygonen zusammen.
* Aus der lokalen Uniformität der Ecken folgt jedoch im Allgemeinen nicht die globale Uniformität. Ein Gegenbeispiel liefert [[#Das Pseudo-Rhombenkuboktaeder|das Pseudo-Rhombenkuboktaeder]].
* Aus der lokalen Uniformität der Ecken folgt jedoch im Allgemeinen nicht die globale Uniformität. Ein Gegenbeispiel liefert [[#Das Pseudo-Rhombenkuboktaeder|das Pseudo-Rhombenkuboktaeder]].
* Die Flächenfolge an einer Ecke charakterisiert jeden archimedischen (sowie auch platonischen) Körper eindeutig.
* Jeder archimedische Körper kann durch Abstumpfen aus einem platonischen Körper erzeugt werden. Bei vielen archimedischen Körpern deutet auch der Name darauf hin. Mit Abstumpfen eines Körpers ist hier gemeint, dass dem Körper beliebige Stücke weggeschnitten werden, dabei aber die Flächen des Körpers — in aller Regel verkleinert — als Flächen des abgestumpften Körpers erhalten bleiben.
* Die zu den archimedischen Körpern [[Dualer Polyeder|dualen Polyeder]] sind die [[Catalanischer Körper|catalanischen Körper]]. Die charakteristische Eigenschaft dieser Körper ist die ''Uniformität der Flächen'', welche sich aus der Uniformität der Ecken der archimedischen Körper ergibt.
* Jeder archimedische Körper kann durch Abstumpfen aus einem platonischen Körper erzeugt werden. Bei vielen archimedischen Körpern deutet auch der Name darauf hin. Mit Abstumpfen eines Körpers ist hier gemeint, dass dem Körper beliebige Stücke weggeschnitten werden, dabei aber die Flächen des Körpers – in aller Regel verkleinert – als Flächen des abgestumpften Körpers erhalten bleiben.
* Wenn ein archimedischer Körper durch Abstumpfen aus einem platonischen Körper erzeugt werden kann, dann kann er auch aus dem dazu dualen platonischen Körper durch Abstumpfen erzeugt werden.
* Wenn ein archimedischer Körper durch Abstumpfen aus einem platonischen Körper erzeugt werden kann, dann kann er auch aus dem dazu dualen platonischen Körper durch Abstumpfen erzeugt werden.
* Jeder archimedische Körper besitzt eine [[Umkugel]] (eine Kugel durch die Ecken) und eine [[Kantenkugel]] (eine Kugel durch die Mittelpunkte der Kanten). Dagegen existiert keine [[Inkugel]], da die Mittelpunkte verschiedenartiger Flächen nicht den gleichen Abstand vom Mittelpunkt des Körpers haben.


== Ableitungen aus den platonischen Körpern ==
== Die einzelnen archimedischen Körper ==
Die meisten archimedischen Körper lassen sich auf anschauliche Weise aus den [[Platonischer Körper|platonischen Körpern]] ableiten. Die einfachste Operation ist das Abstumpfen, die Rektifikation, das Doppelabstumpfen und die Doppelrektifikation. Dabei handelt es sich um verschieden starke Varianten des Abstumpfens. Die Abstumpfungsebenen (Schnittebenen) werden dabei [[konzentrisch]] so weit in Richtung [[Mittelpunkt]] des vorliegenden platonischen Körpers geschoben, bis sich [[Seitenfläche]]n des platonischen Körpers oder diese Schnittebenen in einem [[Punkt (Geometrie)|Punkt]] treffen oder Schnittkanten dieser Seitenflächen oder Schnittebenen dieselbe Länge haben wie die verbleibenden Restkanten des ursprünglichen platonischen Körpers. Etwas anspruchsvoller sind die Kantellation, das Abschrägen und die Kantitrunkation. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die entstehenden Körper:
{| cellspacing="0" cellpadding="2" border="1"
{| class="wikitable" style="text-align:center"
![[Symmetriegruppe]]
![[Tetraedergruppe]]
[[Datei:Disdyakis 6 spherical.png|rahmenlos|120x120px]]
! colspan="2"|[[Oktaedergruppe]]
[[Datei:Disdyakis 12 spherical.png|rahmenlos|120x120px]]
! colspan="2"|[[Ikosaedergruppe]]
[[Datei:Disdyakis 30 spherical.png|rahmenlos|120x120px]]
|-
|-
! Operation
! Name und Bild || Flächen || Kanten || Ecken || Flächen, die in einer Ecke zusammentreffen || Symmetriegruppe
![[Tetraeder]]
![[Würfel (Geometrie)|Hexaeder]]|| [[Oktaeder]] || [[Dodekaeder]] || [[Ikosaeder]]
|-
|-
| class="hintergrundfarbe5" |'''Abstumpfen'''
| [[Kuboktaeder]]<br/>[[Bild:164px-Cuboctahedron.jpg]]
|[[Tetraederstumpf]]
| 14 (8 Dreiecke, 6 Quadrate)
|[[Hexaederstumpf]]
| 24
| [[Oktaederstumpf]]
| 12
| [[Dodekaederstumpf]]
| Dreieck-Quadrat-Dreieck-Quadrat
| [[Ikosaederstumpf]]
| O<sub>h</sub>
|-
|-
| class="hintergrundfarbe5" |'''Rektifikation'''
| Ikosidodekaeder<br/>[[Bild:168px-Icosidodecahedron.jpg]]
|[[Oktaeder]]
| 32 (20 Dreiecke, 12 Fünfecke)
| colspan="2" |[[Kuboktaeder]]
| 60
| colspan="2" |[[Ikosidodekaeder]]
| 30
|-
| Dreieck-Fünfeck-Dreieck-Fünfeck
| class="hintergrundfarbe5" |'''Doppelabstumpfen'''
| I<sub>h</sub>
|[[Tetraederstumpf]]
|[[Oktaederstumpf]]
|[[Hexaederstumpf]]
|[[Ikosaederstumpf]]
|[[Dodekaederstumpf]]
|-
| class="hintergrundfarbe5" |'''Doppelrektifikation'''
|[[Tetraeder]]
|[[Oktaeder]]
|[[Würfel (Geometrie)|Hexaeder]]
|[[Ikosaeder]]
|[[Dodekaeder]]
|-
| class="hintergrundfarbe5" |'''Kantellation'''
|[[Datei:P1-A3-P1.gif|rahmenlos|120x120px]]
[[Kuboktaeder]]
| colspan="2" |[[Datei:P2-A5-P3.gif|rahmenlos|120x120px]]
[[Rhombenkuboktaeder]]
| colspan="2" |[[Datei:P4-A11-P5.gif|rahmenlos|120x120px]]
[[Rhombenikosidodekaeder]]
|-
| class="hintergrundfarbe5" |'''Abschrägen'''
|[[Datei:P1-P5.gif|rahmenlos|120x120px]]
[[Ikosaeder]]
| colspan="2" |[[Datei:P2-A7.gif|rahmenlos|120x120px]]
[[Abgeschrägtes Hexaeder]]
| colspan="2" |[[Datei:P4-A13.gif|rahmenlos|120x120px]]
[[Abgeschrägtes Dodekaeder]]
|-
| class="hintergrundfarbe5" |'''Kantitrunkation'''
|[[Oktaederstumpf]]
| colspan="2" |[[Großes Rhombenkuboktaeder]]
| colspan="2" |[[Großes Rhombenikosidodekaeder]]
|}
Im Fall des [[Tetraeder]]s sind nicht alle entstehenden [[Polyeder]] archimedische Körper. Durch Doppelabstumpfen entsteht das [[Oktaeder]] und durch Abschrägen entsteht das [[Ikosaeder]].

== Die einzelnen archimedischen Körper ==
{| class="wikitable sortable" style="text-align:center"
|-
|-
! Name || colspan="2" class="unsortable"| Bilder || colspan="2"| Flächen || Kanten || Ecken || Flächenfolge<br />an den Ecken || Symmetrie-<br />gruppe
| [[Abgestumpftes Tetraeder]]<br/>[[Bild:173px-Truncatedtetrahedron.jpg]]
!Dualer Körper
| 8 (4 Dreiecke, 4 Sechsecke)
|- style="text-align:center"
| [[Tetraederstumpf]]
| [[Datei:Truncatedtetrahedron.svg|120px]]
| [[Datei:Polyhedron truncated 4a max.png|120px]]
| 8
| 4 Dreiecke<br />4 Sechsecke
| 18
| 18
| 12
| 12
| 3, 6, 6<br />[[Datei:Polyhedron truncated 4a vertfig.png|90px]]
| Dreieck-Sechseck-Sechseck
| T<sub>d</sub>
| T<sub>d</sub>
|[[Triakistetraeder]]
|-
|-
| [[Kuboktaeder]]
| [[Abgestumpftes Hexaeder]]<br/>[[Bild:164px-Truncatedhexahedron.jpg]]
| [[Datei:Cuboctahedron.svg|120px]]
| 14 (8 Dreiecke, 6 Achtecke)
| [[Datei:Polyhedron 6-8 max.png|120px]]
| 14
| 8 Dreiecke<br />6 Quadrate
| 24
| 12
| 3, 4, 3, 4<br />[[Datei:Polyhedron 6-8 vertfig.png|90px]]
| O<sub>h</sub>
|[[Rhombendodekaeder]]
|-
| [[Hexaederstumpf]]
| [[Datei:Truncatedhexahedron.svg|120px]]
| [[Datei:Polyhedron truncated 6 max.png|120px]]
| 14
| 8 Dreiecke<br />6 Achtecke
| 36
| 36
| 24
| 24
| 3, 8, 8<br />[[Datei:Polyhedron truncated 6 vertfig.png|90px]]
| Dreieck-Achteck-Achteck
| O<sub>h</sub>
| O<sub>h</sub>
|[[Triakisoktaeder]]
|-
|-
| [[Oktaederstumpf]]
| [[Abgestumpftes Oktaeder]]<br/>[[Bild:171px-Truncatedoctahedron.jpg]]
| [[Datei:Truncatedoctahedron.svg|120px]]
| 14 (6 Quadrate, 8 Sechsecke)
| [[Datei:Polyhedron truncated 8 max.png|120px]]
| 14
| 6 Quadrate<br />8 Sechsecke
| 36
| 36
| 24
| 24
| 4, 6, 6<br />[[Datei:Polyhedron truncated 8 vertfig.png|90px]]
| Quadrat-Sechseck-Sechseck
| O<sub>h</sub>
| O<sub>h</sub>
|[[Tetrakishexaeder]]
|-
|-
|[[Rhombenkuboktaeder]]
| [[Abgestumpftes Dodekaeder]]<br/>[[Bild:175px-Truncateddodecahedron.jpg]]
| [[Datei:Rhombicuboctahedron.jpg|120px]]
| 32 (20 Dreiecke, 12 Zehnecke)
| [[Datei:Polyhedron small rhombi 6-8 max.png|120px]]
| 90
| 60
| 26
| 8 Dreiecke<br />18 Quadrate
| Dreieck-Zehneck-Zehneck
| I<sub>h</sub>
|-
| Abgestumpftes Ikosaeder oder Fußballkörper<br/>[[Bild:176px-Truncatedicosahedron.jpg]]
| 32 (12 Fünfecke, 20 Sechsecke)
| 90
| 60
| Fünfeck-Sechseck-Sechseck
| I<sub>h</sub>
|-
| Kleines Rhombenkuboktaeder<br/>[[Bild:165px-Rhombicuboctahedron.jpg]]
| 26 (8 Dreiecke, 18 Quadrate)
| 48
| 48
| 24
| 24
| 3, 4, 4, 4<br />[[Datei:Polyhedron small rhombi 6-8 vertfig.png|90px]]
| Dreieck-Quadrat-Quadrat-Quadrat
| O<sub>h</sub>
| O<sub>h</sub>
|[[Deltoidalikositetraeder]]
|-
|-
| Großes Rhombenkuboktaeder<br/>[[Bild:171px-Truncatedcuboctahedron.jpg]]
| [[Großes Rhombenkuboktaeder]]<br /> oder ''Kuboktaederstumpf''
| [[Datei:Truncatedcuboctahedron.jpg|120px]]
| 26 (12 Quadrate, 8 Sechsecke, 6 Achtecke)
| [[Datei:Polyhedron great rhombi 6-8 max.png|120px]]
| 26
| 12 Quadrate<br />8 Sechsecke<br />6 Achtecke
| 72
| 72
| 48
| 48
| 4, 6, 8<br />[[Datei:Polyhedron great rhombi 6-8 vertfig light.png|90px]]
| Quadrat-Sechseck-Achteck
| O<sub>h</sub>
| O<sub>h</sub>
|[[Hexakisoktaeder]]
|-
|-
| [[Abgeschrägtes Hexaeder]]<br />oder ''Cubus simus''
| Kleines Rhombenikosidodekaeder<br/>[[Bild:172px-Rhombicosidodecahedron.jpg]]
| [[Datei:Snubhexahedroncw.jpg|120px]]
| 62 (20 Dreiecke, 30 Quadrate, 12 Fünfecke)
| [[Datei:Polyhedron snub 6-8 left max.png|120px]]
| 38
| 32 Dreiecke<br />6 Quadrate
| 60
| 24
| 3, 3, 3, 3, 4<br />[[Datei:Polyhedron snub 6-8 left vertfig.png|90px]]
| O
|[[Pentagonikositetraeder]]
|-
| [[Ikosidodekaeder]]
| [[Datei:Icosidodecahedron.svg|120px]]
| [[Datei:Polyhedron 12-20 max.png|120px]]
| 32
| 20 Dreiecke<br />12 Fünfecke
| 60
| 30
| 3, 5, 3, 5<br />[[Datei:Polyhedron 12-20 vertfig.png|90px]]
| I<sub>h</sub>
|[[Rhombentriakontaeder]]
|-
| [[Dodekaederstumpf]]
| [[Datei:Truncateddodecahedron.jpg|120px]]
| [[Datei:Polyhedron truncated 12 max.png|120px]]
| 32
| 20 Dreiecke<br />12 Zehnecke
| 90
| 60
| 3, 10, 10<br />[[Datei:Polyhedron truncated 12 vertfig.png|90px]]
| I<sub>h</sub>
|[[Triakisikosaeder]]
|-
| [[Ikosaederstumpf]]<br /> oder ''Fußballkörper''
| [[Datei:Truncatedicosahedron.svg|120px]]
| [[Datei:Polyhedron truncated 20 max.png|120px]]
| 32
| 12 Fünfecke<br />20 Sechsecke
| 90
| 60
| 5, 6, 6<br />[[Datei:Polyhedron truncated 20 vertfig.png|90px]]
| I<sub>h</sub>
|[[Pentakisdodekaeder]]
|-
|[[Rhombenikosidodekaeder]]
| [[Datei:Rhombicosidodecahedron.jpg|120px]]
| [[Datei:Polyhedron small rhombi 12-20 max.png|120px]]
| 62
| 20 Dreiecke<br />30 Quadrate<br />12 Fünfecke
| 120
| 120
| 60
| 60
| 3, 4, 5, 4<br />[[Datei:Polyhedron small rhombi 12-20 vertfig.png|90px]]
| Dreieck-Quadrat-Fünfeck-Quadrat
| I<sub>h</sub>
| I<sub>h</sub>
|[[Deltoidalhexakontaeder]]
|-
|-
| Großes Rhombenikosidodekaeder<br/>[[Bild:174px-Truncatedicosidodecahedron.jpg]]
| [[Großes Rhombenikosidodekaeder]]<br />oder ''Ikosidodekaederstumpf''
| [[Datei:Truncatedicosidodecahedron.jpg|120px]]
| 62 (30 Quadrate, 20 Sechsecke, 12 Zehnecke)
| [[Datei:Polyhedron great rhombi 12-20 max.png|120px]]
| 62
| 30 Quadrate<br />20 Sechsecke<br />12 Zehnecke
| 180
| 180
| 120
| 120
| 4, 6, 10<br />[[Datei:Polyhedron great rhombi 12-20 vertfig light.png|90px]]
| Quadrat-Sechseck-Zehneck
| I<sub>h</sub>
| I<sub>h</sub>
|[[Hexakisikosaeder]]
|-
|-
| [[Abgeschrägtes Dodekaeder]]<br />oder ''Dodecaedron simum''
| [[Abgeschrägtes Hexaeder]] (zwei spiegelbildlich entgegengesetzte Varianten)<br/>[[Bild:167px-Snubhexahedronccw.jpg]]<br/>[[Bild:169px-Snubhexahedroncw.jpg]]
| [[Datei:Snubdodecahedroncw.jpg|120px]]
| 38 (32 Dreiecke, 6 Quadrate)
| [[Datei:Polyhedron snub 12-20 left max.png|120px]]
| 60
| 24
| 92
| 80 Dreiecke<br />12 Fünfecke
| Dreieck-Dreieck-Dreieck-Dreieck-Quadrat
| O
|-
| [[Abgeschrägtes Dodekaeder]] (zwei spiegelbildlich entgegengesetzte Varianten)<br/>[[Bild:171px-Snubdodecahedronccw.jpg]]<br/>[[Bild:174px-Snubdodecahedroncw.jpg]]
| 92 (80 Dreiecke, 12 Fünfecke)
| 150
| 150
| 60
| 60
| 3, 3, 3, 3, 5<br />[[Datei:Polyhedron snub 12-20 left vertfig.png|90px]]
| Dreieck-Dreieck-Dreieck-Dreieck-Fünfeck
| I
| I
|[[Pentagonhexakontaeder]]
|}
|}

== Raumfüllungen mit archimedischen Körpern ==
Der [[Dreidimensional|dreidimensionale]] [[Euklidischer Raum|euklidische Raum]] kann lückenlos mit [[Platonischer Körper|platonischen Körpern]] oder archimedischen Körpern gleicher Kantenlänge ausgefüllt werden. Solche dreidimensionalen [[Parkettierung]]en werden ''[[Raumfüllung]]'' genannt. Die folgenden Raumfüllungen enthalten einen oder mehrere Typen von archimedischen Körpern:
<gallery>
HC-A4.png|Raumfüllung, die nur aus [[Oktaederstumpf|Oktaeder&shy;stümpfen]] besteht
HC A1-P1.png|[[Raumfüllung]] mit [[Tetraederstumpf]] und [[Tetraeder]]
HC A3-P3.png|[[Raumfüllung]] mit [[Kuboktaeder]] und [[Oktaeder]]
HC A2-P3.png|[[Raumfüllung]] mit [[Hexaederstumpf]] und [[Oktaeder]]
HC A5-P2-P1.png|[[Raumfüllung]] mit [[Rhombenkuboktaeder|Rhombenkubokta&shy;eder]], [[Würfel (Geometrie)|Würfel]] und [[Tetraeder]]
HC A5-A3-P2.png|[[Raumfüllung]] mit [[Rhombenkuboktaeder|Rhombenkubokta&shy;eder]], [[Kuboktaeder|Kub&shy;oktaeder]] und [[Würfel (Geometrie)|Würfel]]
HC A5-A2-P2-Pr8.png|[[Raumfüllung]] mit [[Hexaederstumpf]], [[Rhombenkuboktaeder|Rhombenkubokta&shy;eder]], [[Prisma (Geometrie)|Achteckprisma]] und [[Würfel (Geometrie)|Würfel]]
HC A1-A3-A4.png|[[Raumfüllung]] mit [[Oktaederstumpf]], [[Tetraederstumpf]] und [[Kuboktaeder]]
HC A6-Pr8.png|[[Raumfüllung]] mit [[Großes Rhombenkuboktaeder|Großem Rhomben&shy;kuboktaeder]] und [[Prisma (Geometrie)|Achteckprisma]]
HC A6-A4-P2.png|[[Raumfüllung]] mit [[Großes Rhombenkuboktaeder|Großem Rhomben&shy;kubokta&shy;eder]], [[Oktaederstumpf|Okta&shy;ederstumpf]] und [[Würfel (Geometrie)|Würfel]]
HC A6-A2-A1.png|[[Raumfüllung]] mit [[Großes Rhombenkuboktaeder|Großem Rhomben&shy;kuboktaeder]], [[Hexaederstumpf|Hexa&shy;ederstumpf]] und [[Tetraederstumpf]]
</gallery>Der [[Dreidimensional|dreidimensionale]] [[Euklidischer Raum|euklidische Raum]] kann mit [[Oktaederstumpf|Oktaederstümpfen]] lückenlos parkettiert werden. Das ist der einzige archimedischen Körper, mit dem das möglich ist.


== Das Pseudo-Rhombenkuboktaeder ==
== Das Pseudo-Rhombenkuboktaeder ==
[[Bild:Elongated square gyrobicupola.png|thumb|Pseudo-Rhombenkuboktaeder]]
{{Doppeltes Bild|rechts|Elongated square gyrobicupola.svg|200|Rhombicuboctahedron.jpg|190|Pseudo-Rhombenkuboktaeder (links) und Rhombenkuboktaeder}}
[[Datei:J37 elongated square gyrobicupola wireframe.stl|mini|[[Drahtgittermodell]] eines Pseudo-Rhombenkuboktaeders]]
Lange Zeit benutzte man für die Definition der archimedischen Körper nicht die globale, sondern die anschaulichere lokale Uniformität der Ecken. Erst im Jahr 1930 stellte der britische Mathematiker J. C. P. Miller fest, dass ein konvexes Polyeder mit regelmäßigen Seitenflächen existiert, welches die lokale Uniformität der Ecken erfüllt, aber bisher nicht als archimedischer Körper erkannt worden war. Dieses Polyeder entsteht, wenn man beim Rhombenkuboktaeder eine Kappe um 45 Grad verdreht. Es wird als ''Pseudo-Rhombenkuboktaeder'', als ''Miller's solid'' oder als ''[[Johnson-Körper]]'' <math>J_{37}</math> bezeichnet.
Lange Zeit benutzte man für die Definition der archimedischen Körper nicht die globale, sondern die anschaulichere lokale Uniformität der Ecken. Erst im Jahr 1930 stellte der britische Mathematiker [[Jeffrey Charles Percy Miller|J. C. P. Miller]] fest, dass ein konvexes Polyeder mit regelmäßigen Seitenflächen existiert, welches die lokale Uniformität der Ecken erfüllt, aber bisher nicht als archimedischer Körper erkannt worden war. Dieses Polyeder entsteht, wenn man beim [[Rhombenkuboktaeder]] eine Kappe um 45 Grad verdreht. Es wird als ''Pseudo-Rhombenkuboktaeder'', als ''Miller’s solid'' oder als ''[[Johnson-Körper]]'' <math>J_{37}</math> bezeichnet.


In jeder Ecke dieses Körpers stoßen wie beim Rhombenkuboktaeder drei Quadrate und ein Dreieck zusammen, die lokale Uniformität der Ecken ist also gegeben. Im Gegensatz zu den klassischen archimedischen Körpern können trotzdem zwei verschiedene Typen von Ecken unterschieden werden. Dazu ist es aber notwendig, nicht nur die direkten Nachbarflächen der Ecke zu betrachten, sondern zur Unterscheidung auch die weiter entfernten Nachbarflächen der Ecke mit einzubeziehen.
In jeder Ecke dieses Körpers stoßen wie beim Rhombenkuboktaeder drei Quadrate und ein Dreieck zusammen, die lokale Uniformität der Ecken ist also gegeben. Im Gegensatz zu den klassischen archimedischen Körpern können trotzdem zwei verschiedene Typen von Ecken unterschieden werden. Dazu ist es aber notwendig, nicht nur die direkten Nachbarflächen der Ecke zu betrachten, sondern zur Unterscheidung auch die weiter entfernten Nachbarflächen der Ecke mit einzubeziehen.


Gelegentlich klassifiziert man das Pseudo-Rhombenkuboktaeder als 14. archimedischen Körper. In der Regel herrscht aber die Meinung vor, dass es aufgrund der unterschiedlichen Typen von Ecken nicht als archimedischer Körper angesehen werden sollte. Die Forderung der starken Uniformität der Ecken sorgt dann dafür, dass das Pseudo-Rhombenkuboktaeder aus der Definition ausgeschlossen wird.
Gelegentlich klassifiziert man das Pseudo-Rhombenkuboktaeder als 14. archimedischen Körper. In der Regel herrscht aber die Meinung vor, dass es aufgrund der unterschiedlichen Typen von Ecken nicht als archimedischer Körper angesehen werden sollte. Die Forderung der starken Uniformität der Ecken sorgt dann dafür, dass das Pseudo-Rhombenkuboktaeder aus der Definition ausgeschlossen wird.

== Geschichtlicher Hintergrund ==

Die archimedischen Körper sind benannt nach dem [[Antike|antiken]] griechischen Mathematiker [[Archimedes]], der sie in einem heute nicht mehr erhaltenen Werk diskutierte. Obwohl sie ursprünglich nicht Archimedes zugeschrieben wurden, erwähnte [[Pappos|Pappus von Alexandria]] im fünften Buch seiner ''Mathematischen Sammlungen'' (''Synagoge'', lat. ''Mathematicae collectiones''), dass Archimedes 13 Polyeder auflistete, jeweils mit kurzen Angaben zur Zahl der Flächen verschiedener Art.<ref name="Cromwell">{{Literatur |Autor=Peter R. Cromwell |Titel=Polyhedra |Datum=1997 |Seiten=156 | Verlag=[[Cambridge University Press]] |ISBN=0-521-55432-2 |Fundstelle=S. 156 |Online={{Google Buch |BuchID=OJowej1QWpoC |Seite=156 |Hervorhebung="possible that Kepler found"}} |Abruf=2016-12-28 |Sprache=en}}</ref><ref name="Grünbaum" /><ref name="Field">{{Literatur |Autor=Judith V. Field |Titel=Rediscovering the Archimedean polyhedra: Piero della Francesca, Luca Pacioli, Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Daniele Barbaro, and Johannes Kepler |Sammelwerk=Archive for History of Exact Sciences |Seiten=241-289 |Datum=1997 |JSTOR=41134110 |Sprache=en}}</ref>

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Piero della Francesca - Libellus de quinque corporibus regularibus - p52b (cropped).jpg|Abgestumpftes Ikosaeder in ''De quinque corporibus regularibus''
De divina proportione - Vigintisex Basium Planum Vacuum.jpg|Rhombenkuboktaeder, Zeichnung von Leonardo da Vinci
Perspectiva Corporum Regularium 17b.jpg|Kuboktaeder in ''Perspectiva Corporum Regularium''
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Während der [[Renaissance]] schätzten Künstler und Mathematiker reine Formen von hoher Symmetrie. Einige der archimedischen Körper erschienen in dem Werk ''De quinque corporibus regularibus'' von [[Piero della Francesca]], der die Schriften von Archimedes studierte und zu kopieren suchte und diese zitierte.<ref>{{Literatur |Autor=James R. Banker |Titel=A manuscript of the works of Archimedes in the hand of Piero della Francesca |Sammelwerk=The Burlington Magazine |JSTOR=20073883 |Seiten=165–169 |Datum=2005 |Sprache=en}}</ref> Jedoch wurden die Körper nicht Archimedes zugeschrieben; sie erschienen eher als unabhängige Neuentdeckung.<ref name="Field" /> Des Weiteren kamen die archimedischen Körper in ''Perspectiva Corporum Regularium'' von [[Wenzel Jamnitzer]] vor, außerdem in ''Summa de arithmetica'' und ''Divina proportione'' von [[Luca Pacioli]], mit Zeichnungen von [[Leonardo da Vinci]].<ref name="Cromwell" /><ref name="Field" /> [[Netz (Geometrie)|Netze]] archimedischer Körper erschienen in [[Albrecht Dürer]]s ''Underweysung der Messung'', kopiert aus Paciolis Werk. Etwa um 1620 vervollständigte [[Johannes Kepler]] in seinen ''[[Harmonices Mundi]]'' die Wiederentdeckung der 13 Polyeder. Er definierte dabei auch [[Prisma (Geometrie)|Prismen]], [[Antiprisma|Antiprismen]] und die nicht-konvexen Körper, die heute als [[Kepler-Poinsot-Körper]] bekannt sind.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Schreiber, Gisela Fischer, Maria Luise Sternath |Titel=New light on the rediscovery of the Archimedean solids during the renaissance |Seiten=457-467 |Datum=2008 |JSTOR=41134285 |Sprache=en}}</ref>

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Polyhedron small rhombi 6-8, davinci.png|Rhombenkuboktaeder
Elongated square gyrobicupola, davinci.png|Pseudo-Rhombenkuboktaeder
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Es ist möglich, dass Kepler auch das [[#Das Pseudo-Rhombenkuboktaeder|Pseudo-Rhombenkuboktaeder]] entdeckte. Kepler spricht an einer Stelle von 14 archimedischen Körpern, während die veröffentlichte Liste nur 13 solche Polyeder umfasst. Die erste eindeutige Aussage über die Existenz dieses Körpers stammt von [[Duncan Sommerville]] aus dem Jahr 1905.<ref name="Grünbaum" /> Dieser Körper tauchte auf, als einige Mathematiker das [[Rhombenkuboktaeder]] auf falsche Weise konstruierten, nämlich durch Hinzufügung zweier Quadratkuppeln zu einem Achtecksprisma, wobei diese Kuppeln um <math>45^\circ</math> gegeneinander verdreht sind.<ref name="Cromwell" /><ref>{{Literatur |Autor=Martin Bermann |Titel=Regular-faced convex polyhedra |Sammelwerk=Journal of the Franklin Institute |Seiten=329-352 |Datum=1971}}</ref>
Die 13 archimedischen Körper haben die Eigenschaft, ''ecken-transitiv'' zu sein. Das bedeutet, dass zu zwei beliebigen Ecken ein Element der Symmetriegruppe existiert, das die eine Ecke auf die andere abbildet. Für das Pseudo-Rhombenkuboktaeder trifft das nicht zu. Grünbaum beobachtete, dass es eine schwächere Definition von archimedischen Körpern erfüllt, in der „identische Ecken“ nur bedeutet, dass die Teile des Polyeders in der Nähe der zwei Ecken gleich aussehen (gleiche Arten von Vielecken in der gleichen Reihenfolge mit gleichen Winkeln dazwischen). Er wies auf einen häufigen Fehler hin, bei dem Autoren die archimedischen Körper lokal definieren, aber den 14.&nbsp;Körper weglassen. Wenn nur 13 Körper aufgezählt werden, muss die Definition globale Symmetrien statt lokaler Eigenschaften berücksichtigen. Seit dieser Erkenntnis wird das Pseudo-Rhombenkuboktaeder nicht mehr zu den archimedischen Körpern gezählt, sondern zu den [[Johnson-Körper]]n, also konvexen Polyedern, bei denen alle Flächen regelmäßige Vielecke sind.<ref name="Grünbaum" />

== Siehe auch ==
* [[Platonischer Körper]]
* [[Catalanischer Körper]]
* [[Johnson-Körper]]


== Literatur ==
== Literatur ==
*Paul Adam/Arnold Wyss: Platonische und Archimedische Körper, ihre Sternformen und polaren Gebilde, ISBN 3-77250965-7
* Paul Adam, Arnold Wyss: ''Platonische und Archimedische Körper, ihre Sternformen und polaren Gebilde.'' Verlag Freies Geistesleben u.&nbsp;a., Stuttgart 1984, ISBN 3-7725-0965-7 (2. Auflage. Haupt u.&nbsp;a., Bern 1994).
* Peter Cromwell: ''Polyhedra.'' Cambridge UP 1997
* [[Harold Scott MacDonald Coxeter|H. S. M. Coxeter]]: ''Regular Polytopes'', London 1948, 2. Auflage 1963, 3. Auflage Dover 1983
* [[László Fejes Tóth]]: ''Reguläre Figuren.'' Verlag der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest 1965 (Englisch: ''Regular Figures'', Springer 1964)

== Einzelnachweise ==
<references />


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Archimedean solids|Archimedische Körper}}
* [http://www.polytope.de/arch4.html Vierdimensionale Archimedische Polychora]
{{Wiktionary|archimedischer Körper}}
* {{DNB-Portal|4122830-3|TEXT=Literatur zum Thema}}
* [https://www.mathematische-basteleien.de/archimedes.htm Mathematische Basteleien]
* [http://www.math.uni-bremen.de/didaktik/ma/ralbers/Materialien/ArchKoerper/index.html Bastelbögen zu allen Archimedischen Körpern]
* [https://www.youtube.com/watch?v=rSnMVr3Rwhw Animationsfilm zu den Archimedischen Körpern]


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Aktuelle Version vom 18. Juni 2025, 19:42 Uhr

Beispiel eines archimedischen Körpers: der Hexaederstumpf

Die archimedischen Körper sind eine Klasse von regelmäßigen geometrischen Körpern. Sie sind konvexe Polyeder (Vielflächner) mit folgenden Eigenschaften:

  1. ihre Seitenflächen sind regelmäßige Polygone (Vielecke),
  2. alle Ecken des Körpers verhalten sich zueinander völlig gleich (Uniformität der Ecken), und
  3. sie sind weder platonische Körper noch Prismen oder Antiprismen.

Je nach Zählweise gibt es 13 oder 15 solcher Körper. Sie sind nach dem griechischen Mathematiker Archimedes benannt, der sie alle vermutlich bereits im dritten Jahrhundert vor Christus entdeckte. Die Schrift des Archimedes ist nicht erhalten, es ist nur eine Zusammenfassung des alexandrinischen Mathematikers Pappos (4. Jahrhundert nach Christus) überliefert.[1]

Die exakte Definition der Uniformität der Ecken bereitet einige Mühe und ist nicht immer einheitlich.[2]

Zunächst betrachtet man alle konvexen Polyeder, deren Seitenflächen regelmäßige Polygone sind und die die globale Uniformität der Ecken erfüllen:

Die Symmetriegruppe des Polyeders operiert transitiv auf seinen Ecken.

Das bedeutet anschaulich:

Zu jedem Paar von Ecken des Polyeders ist es möglich, das Polyeder so zu drehen und zu spiegeln, dass die Ecke dort zu liegen kommt, wo zuvor die Ecke war, und die beiden Positionen des Polyeders vor und nach der Drehung nicht zu unterscheiden sind.

Es gibt mehrere einfache Klassen von konvexen Polyedern, die alle diese Eigenschaften erfüllen:

  • Die fünf platonischen Körper.
  • Alle Prismen, die aus genau zwei kongruenten regelmäßigen n-Ecken und n Quadraten bestehen. Zu jeder natürlichen Zahl existiert ein solches Prisma. An einer Ecke treffen stets ein n-Eck und zwei Quadrate zusammen. Im Fall ergibt sich ein Würfel, also ein platonischer Körper.
  • Alle Antiprismen, die aus genau zwei kongruenten n-Ecken und 2n gleichseitigen Dreiecken bestehen. Zu jeder natürlichen Zahl existiert ein solches Antiprisma. An einer Ecke treffen stets ein n-Eck und drei Dreiecke zusammen. Im Fall ergibt sich ein Oktaeder, also ein platonischer Körper.

Die archimedischen Körper sind nun definiert als alle konvexen Polyeder mit regelmäßigen Seitenflächen, die die globale Uniformität der Ecken erfüllen und nicht in eine dieser drei genannten Klassen fallen.

  • Unterscheidet man nicht zwischen ähnlichen Körpern, so existieren genau 13 archimedische Körper. Von zweien dieser Körper – dem abgeschrägten Hexaeder und dem abgeschrägten Dodekaeder – existieren je zwei spiegelbildlich entgegengesetzte Varianten, welche nicht durch Drehung ineinander übergeführt werden können. Diese werden gelegentlich doppelt gezählt, so dass sich nach dieser Zählweise dann insgesamt 15 archimedische Körper ergeben.
  • Weil die Seitenflächen regelmäßige Polygone sind, gilt: Alle Kanten eines archimedischen Körpers haben die gleiche Länge.
  • Aus der globalen Uniformität der Ecken folgt die lokale Uniformität der Ecken:
An jeder Ecke treffen im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn abgelesen dieselben Typen von Polygonen zusammen.
  • Aus der lokalen Uniformität der Ecken folgt jedoch im Allgemeinen nicht die globale Uniformität. Ein Gegenbeispiel liefert das Pseudo-Rhombenkuboktaeder.
  • Die Flächenfolge an einer Ecke charakterisiert jeden archimedischen (sowie auch platonischen) Körper eindeutig.
  • Die zu den archimedischen Körpern dualen Polyeder sind die catalanischen Körper. Die charakteristische Eigenschaft dieser Körper ist die Uniformität der Flächen, welche sich aus der Uniformität der Ecken der archimedischen Körper ergibt.
  • Jeder archimedische Körper kann durch Abstumpfen aus einem platonischen Körper erzeugt werden. Bei vielen archimedischen Körpern deutet auch der Name darauf hin. Mit Abstumpfen eines Körpers ist hier gemeint, dass dem Körper beliebige Stücke weggeschnitten werden, dabei aber die Flächen des Körpers – in aller Regel verkleinert – als Flächen des abgestumpften Körpers erhalten bleiben.
  • Wenn ein archimedischer Körper durch Abstumpfen aus einem platonischen Körper erzeugt werden kann, dann kann er auch aus dem dazu dualen platonischen Körper durch Abstumpfen erzeugt werden.
  • Jeder archimedische Körper besitzt eine Umkugel (eine Kugel durch die Ecken) und eine Kantenkugel (eine Kugel durch die Mittelpunkte der Kanten). Dagegen existiert keine Inkugel, da die Mittelpunkte verschiedenartiger Flächen nicht den gleichen Abstand vom Mittelpunkt des Körpers haben.

Ableitungen aus den platonischen Körpern

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Die meisten archimedischen Körper lassen sich auf anschauliche Weise aus den platonischen Körpern ableiten. Die einfachste Operation ist das Abstumpfen, die Rektifikation, das Doppelabstumpfen und die Doppelrektifikation. Dabei handelt es sich um verschieden starke Varianten des Abstumpfens. Die Abstumpfungsebenen (Schnittebenen) werden dabei konzentrisch so weit in Richtung Mittelpunkt des vorliegenden platonischen Körpers geschoben, bis sich Seitenflächen des platonischen Körpers oder diese Schnittebenen in einem Punkt treffen oder Schnittkanten dieser Seitenflächen oder Schnittebenen dieselbe Länge haben wie die verbleibenden Restkanten des ursprünglichen platonischen Körpers. Etwas anspruchsvoller sind die Kantellation, das Abschrägen und die Kantitrunkation. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die entstehenden Körper:

Symmetriegruppe Tetraedergruppe

Oktaedergruppe

Ikosaedergruppe

Operation Tetraeder Hexaeder Oktaeder Dodekaeder Ikosaeder
Abstumpfen Tetraederstumpf Hexaederstumpf Oktaederstumpf Dodekaederstumpf Ikosaederstumpf
Rektifikation Oktaeder Kuboktaeder Ikosidodekaeder
Doppelabstumpfen Tetraederstumpf Oktaederstumpf Hexaederstumpf Ikosaederstumpf Dodekaederstumpf
Doppelrektifikation Tetraeder Oktaeder Hexaeder Ikosaeder Dodekaeder
Kantellation

Kuboktaeder

Rhombenkuboktaeder

Rhombenikosidodekaeder

Abschrägen

Ikosaeder

Abgeschrägtes Hexaeder

Abgeschrägtes Dodekaeder

Kantitrunkation Oktaederstumpf Großes Rhombenkuboktaeder Großes Rhombenikosidodekaeder

Im Fall des Tetraeders sind nicht alle entstehenden Polyeder archimedische Körper. Durch Doppelabstumpfen entsteht das Oktaeder und durch Abschrägen entsteht das Ikosaeder.

Die einzelnen archimedischen Körper

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Name Bilder Flächen Kanten Ecken Flächenfolge
an den Ecken
Symmetrie-
gruppe
Dualer Körper
Tetraederstumpf 8 4 Dreiecke
4 Sechsecke
18 12 3, 6, 6
Td Triakistetraeder
Kuboktaeder 14 8 Dreiecke
6 Quadrate
24 12 3, 4, 3, 4
Oh Rhombendodekaeder
Hexaederstumpf 14 8 Dreiecke
6 Achtecke
36 24 3, 8, 8
Oh Triakisoktaeder
Oktaederstumpf 14 6 Quadrate
8 Sechsecke
36 24 4, 6, 6
Oh Tetrakishexaeder
Rhombenkuboktaeder 26 8 Dreiecke
18 Quadrate
48 24 3, 4, 4, 4
Oh Deltoidalikositetraeder
Großes Rhombenkuboktaeder
oder Kuboktaederstumpf
26 12 Quadrate
8 Sechsecke
6 Achtecke
72 48 4, 6, 8
Oh Hexakisoktaeder
Abgeschrägtes Hexaeder
oder Cubus simus
38 32 Dreiecke
6 Quadrate
60 24 3, 3, 3, 3, 4
O Pentagonikositetraeder
Ikosidodekaeder 32 20 Dreiecke
12 Fünfecke
60 30 3, 5, 3, 5
Ih Rhombentriakontaeder
Dodekaederstumpf 32 20 Dreiecke
12 Zehnecke
90 60 3, 10, 10
Ih Triakisikosaeder
Ikosaederstumpf
oder Fußballkörper
32 12 Fünfecke
20 Sechsecke
90 60 5, 6, 6
Ih Pentakisdodekaeder
Rhombenikosidodekaeder 62 20 Dreiecke
30 Quadrate
12 Fünfecke
120 60 3, 4, 5, 4
Ih Deltoidalhexakontaeder
Großes Rhombenikosidodekaeder
oder Ikosidodekaederstumpf
62 30 Quadrate
20 Sechsecke
12 Zehnecke
180 120 4, 6, 10
Ih Hexakisikosaeder
Abgeschrägtes Dodekaeder
oder Dodecaedron simum
92 80 Dreiecke
12 Fünfecke
150 60 3, 3, 3, 3, 5
I Pentagonhexakontaeder

Raumfüllungen mit archimedischen Körpern

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Der dreidimensionale euklidische Raum kann lückenlos mit platonischen Körpern oder archimedischen Körpern gleicher Kantenlänge ausgefüllt werden. Solche dreidimensionalen Parkettierungen werden Raumfüllung genannt. Die folgenden Raumfüllungen enthalten einen oder mehrere Typen von archimedischen Körpern:

Der dreidimensionale euklidische Raum kann mit Oktaederstümpfen lückenlos parkettiert werden. Das ist der einzige archimedischen Körper, mit dem das möglich ist.

Das Pseudo-Rhombenkuboktaeder

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Pseudo-Rhombenkuboktaeder (links) und Rhombenkuboktaeder
Pseudo-Rhombenkuboktaeder (links) und Rhombenkuboktaeder
Pseudo-Rhombenkuboktaeder (links) und Rhombenkuboktaeder
Drahtgittermodell eines Pseudo-Rhombenkuboktaeders

Lange Zeit benutzte man für die Definition der archimedischen Körper nicht die globale, sondern die anschaulichere lokale Uniformität der Ecken. Erst im Jahr 1930 stellte der britische Mathematiker J. C. P. Miller fest, dass ein konvexes Polyeder mit regelmäßigen Seitenflächen existiert, welches die lokale Uniformität der Ecken erfüllt, aber bisher nicht als archimedischer Körper erkannt worden war. Dieses Polyeder entsteht, wenn man beim Rhombenkuboktaeder eine Kappe um 45 Grad verdreht. Es wird als Pseudo-Rhombenkuboktaeder, als Miller’s solid oder als Johnson-Körper bezeichnet.

In jeder Ecke dieses Körpers stoßen wie beim Rhombenkuboktaeder drei Quadrate und ein Dreieck zusammen, die lokale Uniformität der Ecken ist also gegeben. Im Gegensatz zu den klassischen archimedischen Körpern können trotzdem zwei verschiedene Typen von Ecken unterschieden werden. Dazu ist es aber notwendig, nicht nur die direkten Nachbarflächen der Ecke zu betrachten, sondern zur Unterscheidung auch die weiter entfernten Nachbarflächen der Ecke mit einzubeziehen.

Gelegentlich klassifiziert man das Pseudo-Rhombenkuboktaeder als 14. archimedischen Körper. In der Regel herrscht aber die Meinung vor, dass es aufgrund der unterschiedlichen Typen von Ecken nicht als archimedischer Körper angesehen werden sollte. Die Forderung der starken Uniformität der Ecken sorgt dann dafür, dass das Pseudo-Rhombenkuboktaeder aus der Definition ausgeschlossen wird.

Geschichtlicher Hintergrund

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Die archimedischen Körper sind benannt nach dem antiken griechischen Mathematiker Archimedes, der sie in einem heute nicht mehr erhaltenen Werk diskutierte. Obwohl sie ursprünglich nicht Archimedes zugeschrieben wurden, erwähnte Pappus von Alexandria im fünften Buch seiner Mathematischen Sammlungen (Synagoge, lat. Mathematicae collectiones), dass Archimedes 13 Polyeder auflistete, jeweils mit kurzen Angaben zur Zahl der Flächen verschiedener Art.[3][2][4]

Während der Renaissance schätzten Künstler und Mathematiker reine Formen von hoher Symmetrie. Einige der archimedischen Körper erschienen in dem Werk De quinque corporibus regularibus von Piero della Francesca, der die Schriften von Archimedes studierte und zu kopieren suchte und diese zitierte.[5] Jedoch wurden die Körper nicht Archimedes zugeschrieben; sie erschienen eher als unabhängige Neuentdeckung.[4] Des Weiteren kamen die archimedischen Körper in Perspectiva Corporum Regularium von Wenzel Jamnitzer vor, außerdem in Summa de arithmetica und Divina proportione von Luca Pacioli, mit Zeichnungen von Leonardo da Vinci.[3][4] Netze archimedischer Körper erschienen in Albrecht Dürers Underweysung der Messung, kopiert aus Paciolis Werk. Etwa um 1620 vervollständigte Johannes Kepler in seinen Harmonices Mundi die Wiederentdeckung der 13 Polyeder. Er definierte dabei auch Prismen, Antiprismen und die nicht-konvexen Körper, die heute als Kepler-Poinsot-Körper bekannt sind.[6]

Es ist möglich, dass Kepler auch das Pseudo-Rhombenkuboktaeder entdeckte. Kepler spricht an einer Stelle von 14 archimedischen Körpern, während die veröffentlichte Liste nur 13 solche Polyeder umfasst. Die erste eindeutige Aussage über die Existenz dieses Körpers stammt von Duncan Sommerville aus dem Jahr 1905.[2] Dieser Körper tauchte auf, als einige Mathematiker das Rhombenkuboktaeder auf falsche Weise konstruierten, nämlich durch Hinzufügung zweier Quadratkuppeln zu einem Achtecksprisma, wobei diese Kuppeln um gegeneinander verdreht sind.[3][7] Die 13 archimedischen Körper haben die Eigenschaft, ecken-transitiv zu sein. Das bedeutet, dass zu zwei beliebigen Ecken ein Element der Symmetriegruppe existiert, das die eine Ecke auf die andere abbildet. Für das Pseudo-Rhombenkuboktaeder trifft das nicht zu. Grünbaum beobachtete, dass es eine schwächere Definition von archimedischen Körpern erfüllt, in der „identische Ecken“ nur bedeutet, dass die Teile des Polyeders in der Nähe der zwei Ecken gleich aussehen (gleiche Arten von Vielecken in der gleichen Reihenfolge mit gleichen Winkeln dazwischen). Er wies auf einen häufigen Fehler hin, bei dem Autoren die archimedischen Körper lokal definieren, aber den 14. Körper weglassen. Wenn nur 13 Körper aufgezählt werden, muss die Definition globale Symmetrien statt lokaler Eigenschaften berücksichtigen. Seit dieser Erkenntnis wird das Pseudo-Rhombenkuboktaeder nicht mehr zu den archimedischen Körpern gezählt, sondern zu den Johnson-Körpern, also konvexen Polyedern, bei denen alle Flächen regelmäßige Vielecke sind.[2]

  • Paul Adam, Arnold Wyss: Platonische und Archimedische Körper, ihre Sternformen und polaren Gebilde. Verlag Freies Geistesleben u. a., Stuttgart 1984, ISBN 3-7725-0965-7 (2. Auflage. Haupt u. a., Bern 1994).
  • Peter Cromwell: Polyhedra. Cambridge UP 1997
  • H. S. M. Coxeter: Regular Polytopes, London 1948, 2. Auflage 1963, 3. Auflage Dover 1983
  • László Fejes Tóth: Reguläre Figuren. Verlag der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest 1965 (Englisch: Regular Figures, Springer 1964)

Einzelnachweise

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  1. Pappus von Alexandria: Mathematicae collectiones. Band V, Nr. 19.
  2. a b c d Branko Grünbaum: An enduring error. In: Elemente der Mathematik. Band 64, Nr. 3, 2009, S. 89–101, doi:10.4171/EM/120 (washington.edu [PDF])., Nachgedruckt in Mircea Pitici (Hrsg.): The Best Writing on Mathematics 2010. Princeton University Press, 2011, ISBN 978-0-691-14841-0, S. 18–31.
  3. a b c Peter R. Cromwell: Polyhedra. Cambridge University Press, 1997, ISBN 0-521-55432-2, S. 156, S. 156 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 28. Dezember 2016]).
  4. a b c Judith V. Field: Rediscovering the Archimedean polyhedra: Piero della Francesca, Luca Pacioli, Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Daniele Barbaro, and Johannes Kepler. In: Archive for History of Exact Sciences. 1997, S. 241–289, JSTOR:41134110 (englisch).
  5. James R. Banker: A manuscript of the works of Archimedes in the hand of Piero della Francesca. In: The Burlington Magazine. 2005, S. 165–169, JSTOR:20073883 (englisch).
  6. Peter Schreiber, Gisela Fischer, Maria Luise Sternath: New light on the rediscovery of the Archimedean solids during the renaissance. 2008, S. 457–467, JSTOR:41134285 (englisch).
  7. Martin Bermann: Regular-faced convex polyhedra. In: Journal of the Franklin Institute. 1971, S. 329–352.
Commons: Archimedische Körper – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: archimedischer Körper – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen