Quelltext der Seite Vaterschaftsanfechtung

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Die '''Vaterschaftsanfechtung''' bezeichnet ein gerichtliches Verfahren mit dem Ziel der Feststellung, dass der bisherige rechtliche Vater nicht der biologische Vater ist und der daraus resultierenden Folge, dass die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen bisherigem rechtlichen Vater und dem Kind rückwirkend entfallen.

== Deutschland ==
Im [[Familienrecht]] ist die Vaterschaftsanfechtung eine [[Gestaltungsklage]]: Mit dem Antrag auf Vaterschaftsanfechtung begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass der bis dahin als juristischer Vater geltende Mann nicht Vater des Kindes sei. Sachlich [[Zuständigkeit|zuständig]] für das Verfahren sind die [[Familiengericht]]e.

Das Gericht kann ein [[Abstammungsgutachten]] anordnen, dessen Ergebnis im weiteren Verfahrensverlauf als [[Beweismittel|Beweis]] verwertbar ist.

=== Rechtsgrundlage ===
Die Vaterschaftsanfechtung ist gesetzlich im Abschnitt „Abstammung“ des [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] ({{§|1600-1600e|bgb|buzer|text=§§ 1600 ff.}}), im ab 1. April 2008 neu eingefügten {{§|1598a|bgb|juris}} BGB und im Abschnitt „Verfahren in [[Abstammungssache]]n“ des [[Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit|Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)]] ({{§|169-185|famfg|buzer|text=§§ 169 ff.}}) geregelt.

Aus dem Blickwinkel des Gesetzes ({{§|1592|bgb|juris}} BGB) ist die Vaterschaft nicht biologisch definiert.

=== Anfechtungsberechtigte ===
Die Vaterschaft können gemäß {{§|1600|bgb|juris}} BGB anfechten:
* der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist
* der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat (vgl. [[Vaterschaftsanerkennung]])
* der Mann, der [[Eidesstattliche Versicherung|an Eides statt]] versichert, der Mutter des Kindes während der [[Empfängniszeit]] beigewohnt zu haben (Voraussetzung für eine Anfechtung ist hier aber, dass der Anfechtende der leibliche Vater ist und keine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater besteht.)
* die Mutter des Kindes
* das Kind (im Fall der [[Minderjährigkeit]] durch seinen [[gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreter]]; dies kann z.&nbsp;B. ein [[Vormundschaft|Vormund]] oder [[Ergänzungspflegschaft|Ergänzungspfleger]] sein, vgl. {{§|1600a|bgb|juris}} Abs. 3 BGB)

§ 1600 BGB sah zudem vor, dass die zuständige Behörde in Fällen der Vaterschaftsanerkennung ({{§|1592|bgb|juris}} Nr.&nbsp;2 BGB) anfechtungsberechtigt ist,<ref name="vatag">Gültig seit 1. Juni 2008 durch das {{§§|Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft|buzer|text=Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft}} vom 13. März 2008 ({{BGBl|2008n I S. 313}})</ref> womit Missbrauch durch zweckwidrige Vaterschaftsanerkennung verhindert werden sollte. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Regelung jedoch mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 für verfassungswidrig<ref>[http://www.juwiss.de/19-2014/ Remus, Juana, Behördliche Vaterschaftsanfechtungen: Die Rechte und Abhängigkeiten des Kindes in den Blick]</ref> und [[Unwirksamkeit|nichtig]].<ref>[http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20131217_1bvl000610.html BVerfG, 1 BvL 6/10 vom 17. Dezember 2013]</ref>

=== Anfechtungsgründe ===
Für den Anfechtungsantrag reicht es regelmäßig nicht aus, wenn der rechtliche Vater behauptet, er sei nicht der biologische Vater. Es müssen vielmehr nachprüfbare Umstände vorgetragen werden, die an der biologischen [[Abstammung]] erhebliche Zweifel wecken.

Dies können sein:
* Zweifel an der ehelichen Abstammung eines Kindes ([[Empfängnis]] oder Geburt außerhalb der Ehe)
* konkrete Möglichkeit der Abstammung von einem anderen [[Mann]]
* Unmöglichkeit der Vaterschaft wegen fehlendem sexuellen Verkehr mit der Mutter oder
* Unfruchtbarkeit des Mannes im [[Empfängniszeit]]raum
* ein im Einverständnis mit Kind und Mutter durchgeführtes [[Abstammungsgutachten (DNA-Analyse)]], wobei auf ein solches Einverständnis in der Regel ein Anspruch besteht, {{§|1598a|bgb|juris}} BGB

=== Anfechtungsfrist ===
Es ist dabei zu beachten, dass die Anfechtung innerhalb von 2 Jahren ab Kenntnis der zur Anfechtung berechtigenden Umstände beim zuständigen Familiengericht beantragt werden muss.

=== Ausschluss der Anfechtung ===
* Äußerliche Merkmale kommen in der Regel nicht als Verdachtsmomente in Betracht. Wenn keine auffälligen Ähnlichkeiten mit einem anderen, für eigen gehaltenen Kind bestehen, ist dies kein zuverlässiger Hinweis gegen eine biologische [[Verwandtschaft]].
* Ein ''ohne Zustimmung des Kindes und/oder der gesetzlichen Vertreter eingeholten'' [[Abstammungsgutachten (DNA-Analyse)]] ist für alle Gerichtsverfahren unverwertbar (heimlicher DNA-Test).<ref>[http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=069b8d4a01f792315321eff8631e1f88&client=3&nr=31523&pos=11&anz=12&Blank=1.pdf BGH, Urteile vom 12. Januar 2005] (PDF; 34&nbsp;kB), Az. XII ZR 60/03, Volltext und [http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=069b8d4a01f792315321eff8631e1f88&client=3&nr=31521&pos=10&anz=12&Blank=1.pdf Az. XII ZR 227/03] (PDF; 42&nbsp;kB).</ref>
* Ist das Kind mit [[Zustimmung|Einwilligung]] des Mannes und der Mutter durch [[künstliche Befruchtung]] mittels [[Samenspende]] eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann und die Mutter ausgeschlossen ({{§|1600|bgb|juris}} Abs.&nbsp;4 BGB, früher §&nbsp;1600 Abs.&nbsp;2 BGB).
* Die Vaterschaft kann nur binnen zwei Jahren angefochten werden. Die [[Frist]] beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen ({{§|1600b|bgb|juris}} BGB mit weiteren Sonderregelungen zum Fristlauf), dies gilt auch bei bewusst wahrheitswidriger [[Vaterschaftsanerkennung]].<ref>[http://www.ihranwalt24.de/urteile/urteilzeigen.php?u_id=50733 OLG Köln, Urteil am 25. Oktober 2001]{{Toter Link|url=http://www.ihranwalt24.de/urteile/urteilzeigen.php?u_id=50733 |date=2019-05 }}, Az. 14 UF 106/01, Volltext, (abgerufen am 27. Januar 2008).</ref>

=== Geschichte der diesbezüglichen Rechtsprechung in Deutschland ===
{{Überarbeiten|2=Dieser Abschnitt ist ein wenig durcheinander, stellt veraltetes Recht kursiv heraus und}}
Am 13. Februar 2007 entschied das [[Bundesverfassungsgericht]]<ref>[http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20070213_1bvr042105.html BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007], Az. 1 BvR 421/05, Volltext.</ref>, dass heimliche DNA-Vaterschaftsanalysen weder als [[Beweis (Rechtswesen)|Beweis]] vor Gericht zulässig seien, noch als berechtigter Zweifel für ein Vaterschaftsanfechtungs-Verfahren dienen können, denn derartige Tests verletzten das [[Persönlichkeitsrecht]] des Kindes.<ref>[http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=31523&pos=0&anz=1 BGH, Urteile vom 12. Januar 2005], Az. XII ZR 60/03 und Az. XII ZR 227/03, Volltext.</ref> Damit der Test gerichtlich verwertbar ist, bedürfe er der Zustimmung entweder des Kindes selbst oder bei [[Minderjährigkeit]] seines [[gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreters]]. Diese Zustimmung kann nur durch eine gerichtliche Anordnung ersetzt werden; eine solche kann nur im Rahmen eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens und nur bei begründetem Verdacht erfolgen. Mit seiner Rechtsprechung bestätigte der Bundesgerichtshof die bisher geltende Praxis.

''Dieses Problem stellt sich nur bei Fällen, in denen die Vaterschaft durch das Gesetz [[Vaterschaftsvermutung|vermutet]] wird (weil die Eltern miteinander verheiratet sind) oder vom Vater anerkannt wurde. Männer, die „nur“ Gewissheit haben wollen, sind von vornherein nicht klagebefugt und ausgeschlossen.''

Diese ständige Rechtsprechung wurde vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls bestätigt, jedoch mit der Maßgabe, dass darüber hinaus der Gesetzgeber eine autonome Klärungsmöglichkeit für die biologische Vaterschaft (→ [[Genitor]]) regeln muss, ohne dabei die bisherige Regelung der rechtlichen Vaterschaft notwendigerweise zu ändern.<ref>[http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg07-018.html BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007], Az. 1 BvR 421/05, Volltext.</ref> Hierzu wurde dem Gesetzgeber eine Frist bis 31. März 2008 gesetzt, welcher mit dem „Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren“ vom 31. März 2008.<ref>{{§§|Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren|buzer|text=Text und Änderungen des Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren}}</ref> entsprochen wurde. Das Gesetz trat zum 1. April 2008 in Kraft. Es beinhaltet im Wesentlichen den neu eingefügten {{§|1598a|bgb|juris}} BGB.

Am 9. April 2024 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der gesetzliche Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater, wenn zum rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Bindung des Kindes besteht, gegen das Elternrecht des biologischen Vaters verstößt. Die bisherige Vorschrift bleibt bis zu einer Neuregelung, längstens bis zum 30. Juni 2025 anwendbar.<ref>BVerfG, Urteil vom 9. April 2024, AZ 1 BvR 2017/21, [https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/bvg24-035.html Pressemitteilung]</ref>

==== Weiteres Geschichtliches ====
* Bei Verfahrensfehlern durch [[Ausforschungsbeweis]] siehe BGH-Urteil.<ref>[http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2006-3-1&Sort=3&nr=35485&pos=5&anz=7&Blank=1.pdf BGH, Urteil vom 1. März 2006] (PDF; 93&nbsp;kB), Az. XII ZR 210/04, Volltext.</ref>
* Von 1938 bis 1961 hatte der [[Staatsanwalt]] das Recht der damals Ehelichkeitsanfechtung genannten Anfechtung.
* Jedenfalls bei Anfechtung durch den Mann ist es verfassungskonform, keine Kindeswohlprüfung vorzunehmen.<ref>{{Webarchiv|url=http://typo3.lsvd.de/211.0.html#c1602 |wayback=20080116204737 |text=Anerkennung der Vaterschaft }} (abgerufen am 27. Januar 2008).</ref>

=== Rechtsfolgen der Feststellung der Nichtvaterschaft ===
{{Hauptartikel|Vater#Rechtsfolgen der Vaterschaft|titel1=„Rechtsfolgen der Vaterschaft“ im Artikel Vater}}

Die Feststellung, dass ein Kind nicht von dem bisher als Vater vermuteten Mann abstammt, führt zu zahlreichen Rechtsfolgen. Dies sind die jeweiligen Umkehrungen der Rechtsfolgen der Vaterschaft.

=== Zuständigkeit ===
Zuständig für [[Vaterschaftsfeststellung]]s- und Vaterschaftsanfechtungsanträge ist grundsätzlich das [[Amtsgericht]] ([[Familiengericht]]) am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes ({{§|170|FamFG|juris}} FamFG).

=== Kosten ===
Die Kosten einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung sind zwischen den Beteiligten gegeneinander aufzuheben, wobei das betroffene minderjährige Kind an den Gerichtskosten nicht beteiligt wird, {{§|183|famfg|juris}} FamFG. Das bedeutet, dass jeder Beteiligte seine eigenen Kosten selbst trägt (inkl. eines ggf. beauftragten Anwalts) und die Gerichts- bzw. Verfahrenskosten (inkl. Gutachterkosten) nach Kopfanteilen unter den beteiligten Erwachsenen aufgeteilt werden.<ref>[http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/bs/10/page/sammlung.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE090035878%3Ajuris-r02&documentnumber=15&numberofresults=193&showdoccase=1&doc.part=L&paramfromHL=true OLG Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2009], Az. 9 UF 151/08, Volltext.</ref><ref name=olgstuttgart1172008>[http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=10445 OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Juli 2008], Az. 8 WF 102/08, Volltext.</ref> Dem minderjährigen Kind können Gerichts- und Gutachterkosten jedoch nicht auferlegt werden, auch wenn es selbst die Vaterschaft anficht ({{§|81|famfg|juris}} Abs.&nbsp;3 [[Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit|FamFG]]). Der Verfahrenswert ist gesetzlich auf 2.000 € festgelegt ({{§|47|famgkg|juris}} [[Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen|FamGKG]]). Die typischen Kosten für die Anwälte jeder Partei und das Gericht belaufen sich auf insgesamt etwa 1.000 € (bei 2.000 € Verfahrenswert: 2 Mal 2,5 Anwaltsgebühren plus Auslagen plus Mehrwertsteuer plus 2,0 Gerichtsgebühren. Im August 2007 kostete ein im Rahmen eines Prozesses durchgeführtes [[Abstammungsgutachten (DNA-Analyse)]] zusätzlich etwa 1.000 €.<ref name=olgstuttgart1172008/>)

== Siehe auch ==
* [[Beistandschaft]]
* [[Kindschaftssache]]

== Literatur ==
* [[Dieter Henrich (Jurist)|Dieter Henrich]]: ''Zum Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft.'' [[FamRZ]] 2006, 977.
* Sonja Orel: ''Heimliche Vaterschaftstests. Perspektiven für eine Reform der Vaterschaftsuntersuchungsmöglichkeiten.'' Herbert Utz Verlag, München 2007, ISBN 3-8316-0698-6.

== Weblinks ==
* [http://dejure.org/gesetze/BGB/1600.html Rechtsgrundlagen (§§ 1600 ff. BGB)]
* [http://www.rechtsportal.de/familienrecht/home/?ps_portlet_news_singleeditorschoice_1_actionOverride=%2Fportlets%2Fwk%2Fnews_wksingleeditorschoice%2Fcontent%2FshowDetailsList&ps_portlet_news_singleeditorschoice_1channel=903&ps_portlet_news_singleeditorschoice_1id=79422 Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren] (Stand: 21. Februar 2008)

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Rechtshinweis}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4242354-5}}

[[Kategorie:Abstammungsrecht (Deutschland)]]
[[Kategorie:Rechtsmedizin]]
[[Kategorie:Vaterschaft]]