Ötzi
Ötzi ist die populäre Bezeichnung einer Gletschermumie aus der ausgehenden Jungsteinzeit (Neolithikum) bzw. der Kupferzeit (Eneolithikum, Chalkolithikum), die am 19. September 1991 in Südtirol (Italien) beim Tisenjoch nahe dem Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen oberhalb des Niederjochferner in 3210 m Höhe gefunden wurde. Die wissenschaftlich anerkannte Bezeichnung ist Mann vom Hauslabjoch, manchmal wird er auch als Eismann oder scherzhaft "Homo tyrolensis" bezeichnet; in den USA herrscht die Bezeichnung "Frozen Fritz" vor; das Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen verwendet die Bezeichnung "Der Mann aus dem Eis".
Da Ötzi in der Grenzregion von Österreich nach Italien gefunden wurde, erhoben beide Staaten Anspruch auf die Leiche. Um Klarheit zu schaffen, wurde der Verlauf der Grenze vermessen. Es stellte sich heraus, dass der Fundort 92,55 Meter von der Grenze entfernt auf italienischem Gebiet liegt und Ötzi somit Eigentum Italiens ist.
Seit März 1998 ist Ötzi im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen ausgestellt. Für die Präsentation mussten vollkommen neue Kühltechniken entwickelt werden. Die erste wissenschaftliche Publikation fand durch Konrad Spindler von der Universität Innsbruck statt.
Forschungs- und Entdeckungsgeschichte


Die Entdeckung Ötzis durch die beiden deutschen Bergwanderer Helmut und Erika Simon (und Bestätigung durch den gleichzeitig anwesenden Reinhold Messner) im Jahr 1991 war eine Sensation, da der Mann vom Hauslabjoch die bislang am besten erhaltene und auf natürlichem Wege konservierte Leiche aus der Zeit um 3300 v. Chr in Mitteleuropa ist.
Körperlicher Befund
Bis auf einen Bandscheibenverschleiß der Lendenwirbelsäule und eine wahrscheinlich tödliche Verletzung durch einen Pfeilschuss in die linke Schulter ist der Körper des ca. 45 Jahre alten und ungefähr 1,60 m großen Mannes nahezu unversehrt und vollständig.
In den Haaren wurden hohe Konzentrationen von Metallen nachgewiesen, daher vermutet man, dass er mit Kupferbearbeitung beschäftigt war.
Am Körper fanden sich Tätowierungen, die wahrscheinlich medizinischen Zwecken dienten. Dieses sogenannte "Brennen", bei dem Heilkräuter mit Nadeln unter die Haut gebracht ,werden ist auch von anderen Völkern bekannt.
Die Zähne waren stark abgenutzt, dem Mineralienstatus der Zähne nach zu schliessen kam er aus dem Eisacktal.
Kleidung und Ausrüstung
Neben der Leiche wurden außer der Bekleidung auch zahlreiche Alltags- und Gebrauchsgegenstände aus dieser Epoche gefunden:
Die Jacke ist aus Ziegenfell angefertigt worden.
Die Hosen ähnelten den Leggins der nordamerikanischen Indianer, bestanden auch aus Ziegenfell und waren an einem Gürtel aus Kalbsleder befestigt. Der Lendenschurz reichte etwa bis zur Kniehöhe.
Bei den Schuhen war die Sohle aus Braunbärenleder, das Oberteil aus Hirschleder. In den Schuhen diente eine Grasschicht der Wärmedämmung und Polsterung.
Als Kopfbedeckung trug Ötzi eine Bärenfellmütze.
Außerdem wurde noch ein etwa 25 cm² großer Grasfetzen aus geflochtenem Pfeifengras gefunden, den man als Teil eines Umhanges oder einer Liegematte vermutet.
Das mitgeführte Kupferbeil ist vollständig erhalten uns weltweit einzigartig. Mit diesem Beil war es möglich, Bäume zu fällen.
Mit dem Beil ist auch der noch nicht vollständig hergestellte Bogen aus Eibenholz bearbeitet worden. Er ist 1,80 lang. Die Schäfte der Pfeile sind aus Wolligem Schneeball gefertigt. Als Spitzen dienten Feuersteine; sie wurden mit Pfanzenfasern und Birkenteer befestigt. Wie Experimente mit nachgebauten Bögen und Pfeilen ergaben, hatten diese als tödliche Waffe eine Rechweite von 30 – 50 Metern.
Ein Dolch mit einer Feuersteinspitze und einem Griff aus Eschenholz gehörten ebenso zur Ausrüstung.
Weiterhin fanden sich die Reste einer Kraxe und eines Gefäßes aus Birkenrinde, das wohl als Glutbehälter gedient hatte. Ferner entdeckte man in einer kleinen Ledertasche neben einer Ahle auch Feuersteinklingen und einen Retuschierstift zu deren Schärfung. Die Feuersteine stammen vom Monte Lessini. Der ebenfalls enthaltene Zunder und Spuren von Pyrit weisen auf deren Gebrauch als Feuerzeug hin.
Die mitgeführten Birkenporlinge haben vermutlich als Heilmittel gedient. Unklar ist die Funktion einer gelochten Steinscheibe, die vielleicht als Amulett diente.
Rezeption
Der Ötzi dürfte einer der wenigen prähistorischen Menschen sein, über den Witze erzählt werden (z.B. über die Nationalität des Eismannes: "Ein Italiener war er nicht, denn er hatte Werkzeug bei sich. Er kann auch kein Österreicher gewesen sein, denn man hat Hirnreste gefunden. Vielleicht war es ein Schweizer (Berner), schließlich wurde er vom Gletscher überholt. Aber vermutlich war er ein Deutscher, denn wer geht schon mit Sandalen ins Hochgebirge?"). Sehr schnell nahmen sich die Boulevardblätter des Fundes an, inzwischen wird sogar über den "Fluch des Ötzi" fabuliert. Bisher starben 6 Menschen, die mit der Leiche zu tun hatten. Es existieren Filme über sein Leben, und ein Freilichtmuseum in Umhausen ([1]) versucht, seine Umwelt zu rekonstruieren.
Literatur
- Der Gletschermann Ein Steinzeit-Krimi ISBN: 3-8000-2075-0[2]
- Die Gletschermumie aus der Kupferzeit. Neue Forschungsergebnisse zum Mann aus dem Eis = La mummia dell' età del rame 1. Schriften des Südtiroler Archäologiemuseums 1. Bozen [u. a.]: Folio-Verl., 1999. ISBN 3852560969.
- Fleckinger, Angelika: Die Gletschermumie aus der Kupferzeit. Neue Forschungsergebnisse zum Mann aus dem Eis = La mummia dell' età del rame 2. Schriften des Südtiroler Archäologiemuseums 3. Bozen [u. a.]: Folio-Verl., 2003.
- Konrad Spindler, E. Rastbichler-Zissernig, H. Wilfing, D. zur Nedden, H. Nothdurfter: Der Mann im Eis. Neue Funde und Ergebnisse. The man in the ice 2. Veröffentlichungen des Forschungsinstituts für Alpine Vorzeit der Universität Innsbruck 2, Wien [u. a.]: Springer, 1995, ISBN 3211826262.
- Frank Höpfel, Werner Platzer, Konrad Spindler (Hrsg.): Der Mann im Eis. Bd. 1. Bericht über das internationale Symposium 1992 in Innsbruck. Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 187. 2., durchges. Aufl. Innsbruck: Univ., 1992, ISBN 390124901X.
- Die Gletschermumie vom Ende der Steinzeit aus den Ötztaler Alpen. Sonderdruck aus Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 39, 1992. Mainz: Römisch-Germanisches Zentralmuseum, 1993 [Als eigenständige Publikation erhältlich.]
- Mark-Steffen Buchele: Der Ötzi - ein Medienereignis. Wirklichkeitsvermittlung im Spannungsfeld von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus. Leipziger Forschungen zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie 6., Leipzig: Professur für Ur- und Frühgeschichte der Univ., 2004, ISBN 3936394121n. CD-ROM
- Tillmann Scholl: Ötzi - Der Mann aus dem Eis. SPIEGEL TV Dokumenation über die Forschungen am Eismann, 94 Minuten, DVD, deutsch und italienisch, Fassung von 1998
- Ausführliches Literaturverzeichnis dazu
Weblinks
- Die Fundgeschichte im Detail
- Ötzi-Homepage des archäologischen Musems in Bozen
- Der Mann aus dem Eis - Forschungsprojekt zur alpinen Vorzeit (Universität Innsbruck)
- Unfall oder Mord? Neueste Untersuchungen bringen Licht ins Dunkel
- Ötzis Abstammung am Eckzahn geklärt
- Archeoparc Schnals
- Kartenausschnitt von den Ötztaler Alpen: Die Fundstelle von Ötzi
- Ein Foto der Fundstelle
- Pfeil und Bogen - Ötzis Jagdausrüstung (Landschaftsmuseum Obermain Kulmbach)