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Auslegungsstörfall

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Ein Auslegungsstörfall eines Kernkraftwerks, nach der Definition des Bundesamts für Strahlenschutz auch größter anzunehmender Unfall (GAU) bezeichnet, ist der größte Unfall, "für den die Sicherheitssysteme noch ausgelegt sein müssen. Die Sicherheitssysteme müssen in einem solchen Fall gewährleisten, dass die Strahlenbelastung außerhalb der Anlage die nach der Strahlenschutzverordnung geltenden Störfallgrenzwerte nicht überschreitet."[1]

Es ist somit der größte Unfall, der bei der Planung einer kerntechnischen Anlage anzunehmen ist und dessen Beherrschbarkeit im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nachzuweisen ist.

Der Begriff Auslegungsstörfall wird von staatlichen Stellen und Kraftwerksbetreibern der älteren und bekannteren Bezeichnung GAU vorgezogen. Er weist darauf hin, dass es sich um Störfälle handelt, die bereits durch Analysen in der Planungsphase berücksichtigt wurden und gegen die Kraftwerke redundant ausgelegt sind.

GAU

Bei der Planung einer kerntechnischen Anlage müssen unterschiedliche Szenarien berücksichtigt werden. Es sind verschiedene Störfälle denkbar, die zur Freisetzung von strahlendem Material führen würden, wenn die Anlage nicht gegen einen solchen Unfall ausgelegt wäre. Bei deutschen Kernkraftwerken mit Druckwasserreaktor wäre ein GAU beispielsweise ein Bruch der Hauptkühlmittelleitung mit massivem Kühlmittelverlust.

Da mit der Zeit neue Erkenntnisse über mögliche Unfallabläufe gewonnen werden, kann es notwendig sein, dass die Definition des GAU für ein bestimmtes Kernkraftwerk verändert wird. Der GAU ist also keine Konstante, sondern muss immer wieder neu bewertet werden. Das kann beispielsweise das Nachrüsten von zusätzlichen Sicherheitseinrichtungen erforderlich machen oder gegebenenfalls bis zum Entzug der Betriebsgenehmigung führen.

Ein Beispiel dafür sind die Folgerungen aus dem Unfall in Three Mile Island im Jahr 1979. Dort entstanden durch eine chemische Reaktion von Wasser mit dem heißen Material des geschmolzenen Reaktorkerns innerhalb weniger Stunden etwa tausend Tonnen Wasserstoffgas. Diese Gasentwicklung war in der Auslegung der Kernkraftwerke bis dahin nicht berücksichtigt worden. Einige Jahre nach dem Unfall wurden die Betreiber deutscher Kernkraftwerke verpflichtet, Vorkehrungen gegen diese Gefahr zu treffen. Das geschah durch die Nachrüstung der Anlagen mit im Notfall zu betätigenden Ventilen (Wallmann-Ventil) und Rekombinatoren.

Super-GAU

Als Super-GAU wird ein Unfall bezeichnet, bei dem stärkere Belastungen auftreten als beim oben definierten Auslegungsstörfall.[1][2][3]

Mit „Super“ wird angedeutet, dass die Folgen des GAU übertroffen werden. Dabei wird die Vorsilbe super- in der ursprünglichen lateinischen Bedeutung ‚über‘, ‚darüber hinaus‘ verwendet. In Fach- und Verwaltungssprache wird dafür der Begriff Auslegungsüberschreitender Störfall verwendet.

Eine Bedingung für die Genehmigung von kerntechnischen Anlagen ist der Nachweis, dass selbst im Falle des größten anzunehmenden Unfalls (GAU) kein radioaktives Material der Anlage in die Umwelt gelangt. Bei einer Freisetzung von Radioaktivität jenseits der gesetzlich festgelegten Grenzwerte ist daher nach Definition der Rahmen des GAU überschritten und ein Super-GAU eingetreten. Streng genommen erfüllt ein Unfall ab der INES-Stufe 5 diese Bedingung. Es ist jedoch üblich, erst schwere und katastrophale Unfälle mit Super-GAU zu bezeichnen (INES 6 und INES 7). Bekanntestes Beispiel für einen Super-GAU ist die Katastrophe von Tschernobyl.

Umgangssprachliche Verwendungen von „GAU“ und „Super-GAU“

Umgangssprachlich werden die Begriffe auch in anderen Zusammenhängen benutzt.

Beispielsweise werden sie – wie bei den kerntechnischen Anlagen – für einen Unfall verwendet, bei dem vorher geplante Sicherheitsmaßnahmen entweder nicht ausreichen oder versagen und ein besonders großer, katastrophaler Schaden eintritt. Noch allgemeiner stehen beide für den größten denkbaren Unfall, der eintreten kann. Umgangssprachlich wird dabei zwischen „GAU“ und „Super-GAU“ kaum unterschieden.

Ein synonymer Anglizismus für den GAU lautet Worst-Case-Szenario.

Besonders im ostdeutschen Sprachraum werden technische Unfälle, einschließlich kerntechnischer Unfälle mit katastrophalen Folgen, als Havarie bezeichnet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Bundesamt für Strahlenschutz: Was ist ein GAU?
  2. Hansjörg Seiler: Recht und technische Risiken: Grundzüge des technischen Sicherheitsrechts. vdf Hochschulverlag AG, 1997, ISBN 3728124427, Seite 214.
  3. Dietrich Schwarz: 3.3 Moderne Kernspaltungskraftwerke. In: Eckhard Rebhan (Hrsg.): Energiehandbuch. Gewinnung, Wandlung und Nutzung von Energie. Springer, Berlin, Heidelberg 2002, ISBN 3-540-41259-X, 260.
Wiktionary: GAU – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks: Kernkraftnutzung - Für und Wider – Lern- und Lehrmaterialien