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Norbert von Xanten

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Der hl. Augustinus überreicht Norbert von Xanten seine Ordensregel, aus einer Abschrift der Norbertsvita (um 1140)

Norbert von Xanten (* 1080/1085 in Gennep oder Xanten; † 6. Juni 1134 in Magdeburg) war der Stifter des Prämonstratenserordens und von 1126 bis 1134 Erzbischof von Magdeburg. Er wird von der katholischen Kirche seit 1582 als Heiliger verehrt.

Leben als Kanoniker und Hofkaplan

Der Sohn des Heribert von Gennep und dessen Gattin Hedwig trat schon als Kind in das Stift St. Viktor in Xanten ein. Ihn erwartete ein angenehmes Leben auf einer üppigen Pfründe. Den Kölner Erzbischof Friedrich I. (1100-1131) begleitend, kam der Kanoniker, der als Subdiakon kein Priester war, an den Königshof. Norbert nahm als Hofkaplan Kaiser Heinrichs V. am Romzug teil, auf dem der Salier 1111 zum Kaiser gekrönt wurde. Da Nobert eher der päpstlichen Partei zuneigte, lehnte er das ihm 1113 angebotene Bistum Cambrai ab. Im Jahre 1115 soll sich, so die wohl in der Mitte des 12. Jahrhunderts entstandenen Heiligenlegenden (Vita A und Vita B), ein Bekehrungserlebnis abgespielt haben: Ein Blitzschlag habe ihn auf einem Ritt zum Frauenstift Vreden zu Boden gerissen.

Leben als Eremit und Wanderprediger, Gründung des Prämonstratenserordens

Der Karrierekleriker wandte sich von seinem bisherigen verweltlichten Leben ab und beschloß, Priester zu werden. Er vertauschte seine seidene Kleidung mit einem härenen Gewand. Inspiriert von den Ideen der Kloster- und Kanonikerreform und im engen Kontakt mit den reformstrengen Benediktinern von Siegburg und den asketischen Regularkanonikern von Klosterrath bei Maastricht versuchte Norbert vergeblich, sein Heimatstift Xanten zu reformieren. Radikal wählte er die Lebensform eines Eremiten, seine Einsiedelei befand sich auf dem Fürstenberg bei Xanten, zog aber auch als Wanderprediger umher. Seine charismatischen Reform- und Bußpredigten erregten den Argwohn der Amtskirche - Norbert lief damit Gefahr, als Ketzer zu enden. Auf einer Synode in Fritzlar 1118 kam es nicht zur Versöhnung. Daher beschloss Norbert, seine Xantener Pfründe aufzugeben und die Heimat zu verlassen.

In Südfrankreich traf er auf Papst Gelasius II., der ihm die Erlaubnis erteilte, auf der Wanderschaft zu predigen. Norbert predigte einige Zeit in Nord- und Westfrankreich. Auf dem Konzil von Reims trat er im Jahre 1129 auf. Die Amtskirche versuchte, die viele Menschen, Männer und Frauen, faszinierende, für die Kirche aber unbequeme Persönlichkeit einzubinden: In Laon sollte Norbert das Stift St. Martin reformieren, aber wie in Xanten waren die Kanoniker reformunwillig.

Papst Calixt II. beauftragte den Bischo von Laon, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Norbert ein Kloster gründen und leiten konnte. Norbert sträubte sich zunächst, schließlich wählte er das abgelegene Waldtal Prémontré aus: ein "Klostergründer wider Willen" (Weinfurter 1989, S. 71).

Die Gemeinschaft aus Laien und Geistlichen wurde zur Keimzelle des Prämonstratenserordens, der sich an die Augustinusregel hielt und eremitischen Idealen verpflichtet war. 1126 bestätigte Papst Honorius II. die Chorherren des heiligen Augustinus nach den Gebräuchen der Kirche von Prémontré. Bis 1137/40 war auch ein Frauenkonvent in Prémontré angegliedert. Prémontré war also wie viele Prämonstratenserklöster ein Doppelkloster.

Im Rahmen der Kanonikerreform vertrat Norbert ein Rechts-Modell, das Stefan Weinfurter als libertas Norbertina bezeichnet hat (1989, S. 73). Er ließ sich als Eigenkirchenherr die Eigentumsrechte der jeweiligen Klöster übertragen, übernahm selbst die Leitung und strebte eine Art "bischofsfreie Zone" an (ebenda, S. 72). Für seine auf viele Stifte verteilte Reformgruppe war er Vater, Abt und Bischof zugleich. Seine Gemeinschaft war ganz auf ihn zugeschnitten, lebte nach seinem Vorbild ohne von Norbert vorgegebene schriftliche Normen. Der gleich zu nennende Weggang nach Magdeburg liess sie in eine Krise geraten, auf die Norberts Schüler Hugo von Fosses (1128-1161) mit der Institutionalisierung des Prämonstratenser-Ordens und der Abkehr von der Zentrierung auf eine Person antwortete.

Erzbischof von Magdeburg

Im Winter 1125 reiste Norbert nach Rom und wurde ehrenvoll vom Papst empfangen. Nach dem Tod Erzbischof Ruotgers von Magdeburg kam es zur zweiten großen Wende in Norberts Leben. Der charismatische Stifter einer sich rasch ausbreitenden religiösen Gemeinschaft ließ sich zum Befremden seiner Mitbrüder von Papst Honorius II. und König Lothar III. in die Pflicht nehmen und wurde auf einem Hoftag in Speyer zum Erzbischof von Magdeburg bestimmt. Am 18. Juli 1126 zog er dort ein, wobei die Legenden berichten, er sei barfuß und in ärmlicher Kleidung eingetroffen. Nun profilierte er sich als unnachgiebiger Reformer, der sich bei den adeligen Chorherren der Bischofskirche ebenso unbeliebt machte wie bei den einfachen Priestern, die den Zölibat einhalten mußten. Im Jahre 1129 ersetzte er die Kanoniker des Stifts Unser Lieben Frauen in Magdeburg durch Prämonstratenser. Es soll zwei Anschläge auf sein Leben gegeben haben, und auch die Bürger rebellierten gegen den Erzbischof, der aus der Stadt fliehen mußte. Mit dem Interdikt zwang er sie zur Unterwerfung.

Kaum erfolgreich war Norbert bei der Heidenmission östlich der Elbe, und auch der Plan, die erzbischöflichen Rechte auf Polen auszudehnen, konnte nie realisiert werden. Diese nur spärlich bezeugten Aktivitäten scheiterten wohl an Norberts undiplomatischem Vorgehen.

Außer dem Stift Unser Lieben Frauen gelang es Norbert auch das Kloster Pöhlde in eine Prämonstratenserniederlassung umzuwandeln. Ein neues Kloster Gottesgnaden wurde bei Calbe an der Saale gegründet. (Üblicherweise spricht man auch bei den Prämonstratensern von Klöstern, obwohl es sich um Regularkanoniker-Stifte handelt.)

Norbert zählte zu den Vertrauten Lothars III. und begleitete diesen 1132/33 nach Italien, wo Lothar zum Kaiser gekrönt wurde. Er fungierte, da der Erzbischof von Köln abwesend war, vorübergehend sogar als Erzkanzler für Italien. Nach der Rückkehr aus Italien blieb Norbert am Hof des Königs. Seit Anfang 1134 wieder in Magdeburg, erlag er am 6. Juni 1134 möglicherweise einer Malariaerkrankung.

Aus dem asketischen Wanderprediger und dem Vaterabt seiner Reformgemeinschaft war ein Reichsfürst und Hofmann geworden, der sich weltlichen Belangen wieder weit geöffnet hatte. In der Lebensbeschreibung des Grafen Gottfried von Cappenberg, der sein Vermögen Norbert geschenkt hatte und selbst dem Orden beigetreten war, wird berichtet, dass Gottfried bei einem Besuch in Magdeburg von der Pracht der Hofhaltung Norberts so abgestoßen wurde, dass er sofort wieder abreiste.

Reformer

Norbert von Xanten hat keine Schriften hinterlassen (auch wenn man ihm sehr viel später solche zuschrieb). Seine Reformgesinnung war praktisch orientiert. Die alte Ordnung nach apostolischem Vorbild sollte wiederhergestellt werden. Er wollte, schreibt Stefan Weinfurter über die Zeit als Wanderprediger, nicht nur sich selbst retten, sondern die Gesamtkirche erreichen, in apostolischer Nachfolge möglichst viele Menschen durch das Wort der Predigt ansprechen und zur Nachahmung der Lebensweise der Urkirche überzeugen (1989, S. 70).

Tod, Grabstätte, Heiligsprechung und Kult

Aus dem Missale Praemonstratense, Straßburg um 1502/04

Norbert starb am 6. Juni 1134 in Magdeburg. Am 11. Juni fand die feierliche Beisetzung durch die Bischöfe Godebold von Meißen, Ludolf von Brandenburg und Anselm von Havelberg in der Kirche des Klosters Unser Lieben Frauen statt. Den Viten ist zu entnehmen, dass der Erzbischof zunächst bei seinen Vorgängern am Kreuzaltar bestattet worden war, um dann einige Jahre später in den Chor der Kirche überführt zu werden. Im Jahre 1215 wurde Norbert selig gesprochen. 1582 folgte die Heiligsprechung durch Papst Gregor XIII.. 1982 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Patron des Magdeburger Landes erhoben.

Durch die Bemühungen des Abtes Kaspar von Questenberg aus Prag gelangte das Liebfrauenkloster im Zuge der Gegenreformation noch einmal in den Besitz der Prämonstratenser. Dieser Abt ließ 1626 die Gebeine des Ordensgründers Norbert in das Prämonstratenserkloster Strahov nach Prag überführen, wo sie noch heute ruhen. Von den zeitgenössischen Quellen zur Erhebung der Gebeine und zur Überführung nach Prag ist sicher die wichtigste die Narratio translati e Saxonia in Boemiam sacri corporis ... Norberti ... (Prag 1627).

In einer Jenaer Dissertation von 1709, dem sogenannten Pseudonorbertus ex narratione Pragensi translati e Saxonia in Boioemiam corporis Norberti, versuchte ein Franz Büttner zu beweisen, dass der Strahover Abt Kaspar von Questenberg und seine Begleiter am 3. Dezember 1626 das falsche Grab öffnen ließen. Angeblich hätten die für die Exhumierung Verantwortlichen in Magdeburg den Strahover Abt bewußt irreführen wollen. Nachdem man den kaiserlichen Befehl zur Translozierung der Norbert-Reliquien schon nicht mehr habe abwenden oder hinauszögern können, griff man angeblich zu einer List. Noch vor Ankunft des Abtes seien alle Gebeine aus dem wirklichen Norbertgrab entnommen und heimlich innerhalb der Kirche im Erdboden bestattet worden. Der Abt von Strahov habe die Gebeine des Magdeburger Erzbischofs Heinrich (†1107) irrtümlich für die Gebeine Norberts gehalten und in sein Kloster überführt, so dass man in Prag seit 1627 einen Pseudo-Norbert verehre, die wirklichen Gebeine aber in Magdeburg ruhten.

Bei archäologischen Ausgrabungen wurde ab 1975 die Grabanlage Norberts unter der Vierung der Magdeburger Liebfrauenkirche freigelegt. Der mit Renaissancepilastern ausgeschmückte Raum war wahrscheinlich aus Anlaß seiner Heiligsprechung 1582 errichtet worden. Mit der Überführung der Gebeine Norberts nach Prag im 17. Jahrhundert verlor er seine Bedeutung und wurde überbaut. Eine weiße Marmorplatte mit Inschrift an der Westwand des nördlichen Querschiffs entstand vermutlich ebenfalls erst im Zusammenhang mit der Heiligsprechung.

Die Verehrung Norberts beschränkte sich bis zur Gegenwart im wesentlichen auf den Prämonstratenserorden, auch wenn es eine ganze Reihe von Pfarreien gibt, die ihn als Patron verehren. Ein "Volksheiliger" ist er bis heute nicht. Seine üblichen Attribute auf bildlichen Darstellungen sind der Kelch (manchmal mit Spinne) und die Monstranz. Die Spinne bezieht sich auf die legendarische Erzählung, Norbert sei einmal eine giftige Spinne in dem Meßkelch gefallen. Im Vertrauen auf die heilige Kommunion habe er sie verschluckt und die Spinne sei zur Nase wieder herausgekommen.

Lateinische Viten

Lange kannte man nur die Vita B, bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Handschrift der Berliner Staatsbibliothek Ms. theol. lat. 79 aus dem 14. Jahrhundert entdeckt wurde. Diese Vita A wurde 1856 in Band 12 der MGH Scriptores (in folio) ediert. 1972 endeckte man noch eine zweite Überlieferung, das Hamburger Fragment Scrin. 17, Fragment 21 (ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert). Dagegen sind von der sehr viel ausführlicheren und erbaulicheren Vita B mindestens 25 Handschriften überliefert. Lange stritt man sich über die Priorität von A oder B. Neuerdings nimmt man an, A sei älter. Beide Viten wurden ungefähr in der Mitte des 12. Jahrhunderts verfasst.

Würdigung in der Gegenwart

Lange hat man das verklärende Bild des „Heiligen“, wie es die beiden Viten entwarfen, für bare Münze genommen. Diese erbaulichen Lebensbeschreibungen mussten versuchen, den Ordensgründer Norbert, den man ja nicht verleugnen konnte, gegen seine Kritiker zu verteidigen, die ihm seine Rückkehr in die Welt übel nahmen.

Erst in neuerer Zeit zeichnet sich eine differenzierende Sichtweise ab. So schreibt St. Pätzoldt:

Dem begnadeten Prediger mit seiner überragenden Ausstrahlungskraft und dem Ordensstifter kann man Bewunderung nicht versagen, der Erzbischof und Missionar hingegen trägt unsympathische Züge. (S. 247)

Gedenktage

Quellen und Literatur

Quellen

  • Vita Norberti archiepiscopi Magdeburgensis. Leben des heiligen Norbert, Erzbischofs von Magdeburg. Übers. von Gustav Hertel. Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit 64. 2., unveränd. Aufl. Leipzig : Lorentz [u.a.], 1941.
  • Narratio translati e Saxonia in Boëmiam sacri corporis beatissimi viri, Norberti, Parthenopolitani olim archiepiscopi, Germaniae primatis, conditoris et patriarchae ordinis Praemonstratensis, cui compendiosa vitae rerumque ipsius s. Norberti historia, commentariolus item de transferendis sanctorum reliquiis, praemittuntur. Referentibus fratribus monasterii Strahoviensis, ejusdem ordinis, in superiore Praga siti... Pragae : Sessius, 1627.

Literatur

  • Dietmar Salewsky: Norbert von Xanten/Magdeburg - eine vielschichtige Persönlichkeit des Mittelalters. In: Matthias Puhle, Renate Hagedorn (Hrsg.): Prémontré des Ostens. Das Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg vom 11. bis 17. Jahrhundert. Oschersleben: Ziethen, 1996. S. 29-42. ISBN 3932090055.
  • Ludger Horstkötter: Norbert von Xanten (†1134), erst Ordensmann, dann Erzbischof von Magdeburg. In: Matthias Puhle, Renate Hagedorn (Hrsg.): Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg. Stift, Pädagogium, Museum. Oschersleben: Ziethen, 1995. S. 43-49. ISBN 3928703773.
  • Kaspar Elm: Norbertus triumphans. In: ebd. S. 57-66.
  • Stefan Weinfurter, Norbert von Xanten und die Entstehung des Prämonstratenserordens, in: Barbarossa und die Prämonstratenser, Göppingen 1989, S. 67-100
  • Stefan Weinfurter: Norbert von Xanten im Urteil seiner Zeitgenossen. (Xantener Vorträge zur Geschichte des Niederrheins 5), Duisburg: Universität, 1992.
  • Ludger Horstkötter, Norbert von Xanten. In: Lexikon für Theologie und Kirche 7 (1998) Sp. 903-905

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