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Revolution in Ägypten 2011

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Datei:25th Demonstration Against The Government in Cairo in Tahrir square.png
Demonstration auf dem Al-Tahrir-Platz in Kairo, 25. Januar 2011

Die Unruhen in Ägypten 2011 (oder auch arabisch يوم الغضبTag des Zorns‘) sind ein durch die Revolution in Tunesien 2010/2011 inspiriertes Aufbegehren weiter Teile der Bevölkerung Ägyptens. Die Proteste breiten sich seit dem 25. Januar 2011 aus.

Hintergrund

Die Massenproteste richten sich vor allem gegen Präsident Muhammad Husni Mubarak, der seit Oktober 1981 regiert.

Diese arabische Karikatur zeigt die Erwartungen des 25. Januar 2011
Spezialeinheiten der ägyptischen Polizei
Demonstranten mit ihren Forderungen am Al-Tahrir-Platz

Die Demonstranten beklagen sich vor allem über

  • Armut,
  • Arbeitslosigkeit,
  • den Sicherheitsapparat,
  • ein schlechtes Bildungssystem – ein Drittel der Einwohner kann nicht lesen und schreiben[1],
  • steigende Preise für Lebensmittel und andere Produkte,

sowie über

  • Korruption und Raffgier in Justiz, Verwaltung und Teilen der Wirtschaft.

Die drei Präsidenten Nasser, Sadat und Mubarak des modernen Ägyptens hätten eine innenpolitische Wüste hinterlassen. Ihre Apparate haben sechzig Jahre lang das politische Geschehen monopolisiert. Oppositionsparteien haben nur drei Prozent der Mandate im Parlament. Einzig die Muslimbruderschaft verfügt über eine gut organisierte Mitgliederbasis, hält sich aber bei den Protesten auffällig abseits.[1]

Chronologie

25. Januar 2011

Proteste am 25. Januar 2011 in Kairo

Die Massenproteste begannen in der Hauptstadt Kairo nahe des Obersten Gerichts und zogen weiter zum Parlament. Die Polizei- und Sicherheitskräfte mit bis zu 30.000 Mann setzten Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Demonstranten zu vertreiben. [2] Es gab etwa 500 Festnahmen in Kairo und weitere etwa 350 Festnahmen im übrigen Land. [3] Auch in den Städten Alexandria, Mansura und Ismailija sowie in Assuan, Assiut und El Mahdia gab es Demonstrationen.

Nach Angaben aus Kreisen des Innenministeriums soll es 500 Festnahmen gegeben haben. Aus Sicherheitskreisen verlautete, innerhalb von zwei Tagen seien landesweit sogar 860 Demonstranten festgenommen worden.

Bei Massenprotesten in der ägyptischen Hafenstadt Sues eröffnete die Polizei das Feuer auf Demonstranten. Dabei wurden zwei Demonstranten getötet. Ein weiterer 45-jähriger Demonstrant wurde mit Gummigeschossen am Bauch getroffen und starb an inneren Blutungen in einer Klinik. Ein Polizist erlag seinen Verletzungen. [4]

26. Januar 2011

Nachdem sich tausende junger Demonstranten offenbar über das soziale Netzwerk Facebook und das Mikroblogging-Netzwerk Twitter verabredet hatten, wurden beide Dienste in Ägypten gesperrt. [5] Bei Massenprotesten in der Hafenstadt Suez wurden 55 Demonstranten und 15 Polizisten durch Steinwürfe verletzt. Die wütende Menge zündete auch eine Polizeistation und weitere staatliche Gebäude an. [6][7] Auch ein Gebäude der Regierungspartei National-Demokratische Partei (NDP) in Sues wurde angezündet. [7]

In einem in der Newsweek am erschienen Artikel machte Mohammed el-Baradei US-Aussenministerin Hillary Clinton schwere Vorwürfe wegen deren zu zurückhaltender Kritik am Verlauf der ägyptischen Parlamentswahlen Ende 2010[8].

27. Januar 2011

Nachdem die Aktienkurse an der Ägyptischen Börse innerhalb von 15 Minuten um 6,25 Prozent gefallen waren, wurde der Handel ausgesetzt. [6] Der Börsenindex fiel mit 5.916,74 Punkten auf ein 6-Monatstief. Seit Jahresanfang verlor er über 17 Prozent. [9]

Die Regierung ließ über die staatliche Rundfunkgesellschaft Egyptian Radio and Television Union (ERTU) verbreiten, dass sich die Ägyptische Volksversammlung am Sonntag mit der Armutsbekämpfung, dem Gesundheitssystem und einer Anhebung des staatlichen Mindestlohns beschäftigen wolle. [9]

Das Auswärtige Amt gab eine Reisewarnung heraus, nach der Reisende Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig meiden [...] und die örtliche Medienberichterstattung aufmerksam verfolgen sollten. [10]

Am Abend traf der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und Träger des Friedensnobelpreises Mohammed el-Baradei in Kairo ein, dessen Kandidatur für das Amt des ägyptischen Präsidenten durch die von Mubarak geänderte Verfassung faktisch aussichtslos geworden war. El-Baradei bot sich als Anführer eines friedlichen Wechsels an.[11]

Nach der Auffassung des israelischen Journalisten Gil Yaron hält Israel Ägyptens Diktator die Treue; eine ägyptische Revolution werde aus Angst vor einer möglichen Machtübernahme durch islamisch motivierte Politiker für unmöglich erklärt. Dies isoliere den demokratischen israelischen Staat, während Medien in Europa die Proteste in Ägypten bejubelten. [12]

28. Januar 2011

Die ägyptische Regierung hat die Internet- und SMS-Kommunikation im Land praktisch komplett abgeschaltet und an diversen Stellen die Freitagsgebete verboten, um so die Organisation weiterer Proteste zu erschweren.[13] Der Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei wurde unter Hausarrest gesetzt.[14] Nach den vorhergehenden gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten verhängte die ägyptische Regierung eine nächtliche Ausgangssperre für Kairo, Alexandria und Suez,[15] die aber von den Protestierenden weitgehend ignoriert wird. Am frühen Abend wurde die Parteizentrale der Nationaldemokratische Partei (NDP) in Kairo in Brand gesetzt.[16]

Siehe auch

Commons: Tag des Zorns – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Arabiens Zentrum will den Wandel - Mubaraks Tage im Amt sind gezählt. Was danach kommt, ist unklar. Der Volksaufstand braucht einen Hoffnungsträger, das könnte ElBaradei sein.] (Tagesspiegel, 27. Januar 2011)
  2. spiegel.de - Krawalle in Kairo - Tausende Ägypter marschieren gegen Mubarak vom 25. Januar 2011
  3. Tagesschau - Proteste und Zusammenstöße in Ägypten - Tausende trotzen dem Demonstrationsverbot vom 25. Januar 2011
  4. spiegel.de - Ägyptens Regierung will Proteste ersticken vom 26.Januar 2011
  5. AFP - Erneut Proteste und gewaltsame Zusammenstöße in Ägypten vom 26. Januar 2011
  6. a b bild.de - Ägypten neue Proteste gegen Mubarak - Chaos in Kairo geht weiter vom 27. Januar 2011
  7. a b spiegel.de - Unruhen in Ägypten - Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht vom 27. Januar 2011
  8. Mohamed ElBaradei: The Return of the Challenger
  9. a b spiegel.de - Aufstand gegen Mubarak-Diktatur - Ägyptens Proteststurm lässt Börsenkurse abstürzen vom 27. Januar 2011
  10. Auswärtiges Amt - Sicherheitshinweise zu Ägypten vom 27. Januar 2011
  11. Yassin Musharbash: Mubaraks Widersacher mischt sich ein. (HTML) Spiegel Online, abgerufen am 27. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
  12. Gil Yaron, Jerusalem: Israel hält Ägyptens Diktator die Treue. (HTML) Spiegel Online, abgerufen am 27. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
  13. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Aegypten-ist-offline-1179102.html
  14. Friedensnobelpreisträger El Baradei unter Hausarrest gesetzt. (HTML) Focus, abgerufen am 28. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
  15. Ägyptische Regierung verhängt Ausgangssperre. (HTML) Süddeutsche Zeitung, abgerufen am 28. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
  16. Der Standard: Proteste eskalieren, Ausgangssperre verhängt, 28. Januar 2011