Arztbrief
Der Arztbrief, oft synonym als Epikrise, Entlassungsbrief, Patientenbrief oder Befundbericht bezeichnet, ist eine Form der Information für den Arzt oder Zahnarzt, der eine Krankenhauseinweisung oder im ambulanten Bereich eine Überweisung veranlasst hat bzw. die weitere Behandlung übernimmt. Er gibt einen zusammenfassenden Rückblick über den Verlauf der Erkrankung, die veranlasste Therapie, eine Interpretation des Krankengeschehens und Empfehlungen zur Fortführung der Therapie.
Ziele
Durch den Arztbrief soll die Kontinuität einer Behandlung des Patienten sichergestellt werden. Zu diesem Zweck werden häufig zuerst handschriftliche Kurz-Arztbriefe mit wenigen wesentlichen Daten dem Patienten zur Weitergabe an den behandelnden Arzt am Entlassungstag ausgehändigt. Der ausführliche Arztbrief wird oft erst später zugesandt. Diese können, wenngleich für diese oft schwer verständlich, auch als Information für den Patienten dienen. Außerdem dienen Arztbriefe häufig als erste Informationsquelle zur Beurteilung der Krankenhausbehandlung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Deutschland oder Ärzte der Sozialversicherungs- und Privatversicherungsträger und von Landesfonds in Österreich.
Inhalt
Inhalt und Umfang eines Arztbriefes können sich je nach Fachrichtung erheblich unterscheiden und beispielsweise bei Rehabilitationseinrichtungen auch Angaben zum sozialen Umfeld enthalten. Prinzipiell gilt jedoch, dass Arztbriefe möglichst kurz und prägnant sein sollten.[1]
Adressiert ist der Arztbrief an erster Stelle an den zuweisenden Arzt. Zusätzlich kann er nachrichtlich an weitere mitbehandelnde Ärzte sowie den Patienten selbst adressiert sein.
Neben persönlichen Angaben zum Patienten (Vor- und Familienname, Geburtsdatum sowie die Wohnadresse) und Angaben zur Dauer der Behandlung enthält ein Arztbrief im ersten Teil eine Liste der aktuellen Diagnosen und Nebendiagnosen, möglichst mit der passenden ICD 10-Klassifizierung, sowie der durchgeführten Behandlungen und wichtiger Befunde, wie feingeweblicher Untersuchungen.
In der dann folgenden Einleitung wird auf den Grund der Behandlung eingegangen. Diese aktuelle Krankengeschichte umfasst Beschwerden und geplante Untersuchungen.
Meist wird dann der aktuelle Befund der körperlichen Untersuchung zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus geschildert. Hierin können Angaben zu Alter und Geschlecht des Patienten, Allgemeinzustand (gut/leicht/mäßig/stark reduziert) und Ernährungszustand (normal/adipös/kachektisch), biometrischen Merkmalen (Körpergröße und -gewicht, Body Mass Index), Bewusstseinslage (wach/somnolent/sopöros/komatös), Orientierung (zu Zeit, Ort, Situation, Person), Vitalzeichen (Pulsfrequenz, Blutdruck, Körpertemperatur, Atemfrequenz), Inspektion der Haut (Ikterus? Zyanose? Exanthem?), Auskultationsbefunde des Herzens (Herztöne, pathologische Herzgeräusche), der Lungen (Atemgeräusche, Atemnebengeräusche) sowie der Darmgeräusche (lebhaft/reduziert/„Totenstille“), Palpations- und Perkussionsbefunde von Leber, Milz und Nieren, Lokalisation von Schmerzen, festgestellte Ödeme, der erhobene Pulsstatus und Reflexstatus, die Beweglichkeit der Extremitäten (Arme und Beine) nach der Neutral-Null-Methode sowie weiterer untersuchter Körperteile enthalten sein.
Wurden weiterführende diagnostische Maßnahmen, wie Labordiagnostik (Hämatologie, Klinische Chemie, Serologie usw.), bildgebende (Sonographie, Röntgen, CT, MRT usw.) oder funktionelle (z. B. Spirometrie, Belastungs-EKG, Kipptischuntersuchung) apparative Untersuchungen durchgeführt, werden deren Ergebnisse mitgeteilt. Bei erfolgten operativen Eingriffen wird deren Verlauf als kurze Zusammenfassung des Operationsberichts dargestellt.
In der eigentlichen Epikrise wird der Verlauf der gesamten Behandlungen in der Rückschau interpretiert und zusammengefasst.
Angaben zur Medikation bei Entlassung dienen dem weiterbehandelnden Arzt als Empfehlung zur weiteren Verordnung von Arzneimitteln. Hierbei sind nach § 115c (1) SGB V der Wirkstoffname und falls zutreffend preisgünstigere Alternativen mit anzugeben. Gegebenenfalls folgen weitere Empfehlungen zur Weiterbehandlung, wie Antibiose, Fadenzug, Krankengymnastik, Nachsorgeuntersuchungen, oder gewünschte Wiedervorstellungen.
Bei stationären Behandlungen in einer Klinik wird der Arztbrief in der Regel vom Chefarzt, zuständigen Oberarzt sowie dem betreuenden Stationsarzt abgezeichnet.
Form
Papierform
Derzeit werden Arztbriefe üblicherweise in Papierform versandt. Dazu werden Briefbögen genutzt, die neben Namen und Adresse der Klinik, das Logo, die Bankverbindung und in Deutschland das Institutionskennzeichen enthalten. Häufig finden sich noch weitere Kontaktdaten der jeweiligen Krankenhausabteilung, wie Spezialsprechstunden und dafür Verantwortliche. Die Gestaltung der Arztbriefe sollte sich an den Regelungen der DIN 5008 und DIN 676 des Deutschen Instituts für Normung bzw. der ONR 112203 Medizinische Informatik - Patientenbrief und Arztbrief des Austrian Standards Institute orientieren.
Kurz-Arztbriefe werden meist handschriftlich auf vorgedruckten Formularen verfasst.[2] Sie können jedoch auch ein erster Entwurf des späteren ausführlichen Berichts sein, der jedoch noch nicht von allen Unterzeichnern gelesen und ggf. korrigiert wurde.
Elektronischer Arztbrief
Bei der elektronischen Variante des Arztbriefs wird dieser papierlos an die weiterbehandelnden Ärzte übermittelt. Hierzu ist eine Kommunikation zwischen Praxis-Software/Arztsoftware und Krankenhausinformationssystem erforderlich.[3][4][5]
Erstellung
Während Arztbriefe früher einer Sekretärin direkt oder per Diktiergerät diktiert wurden, kommen heute auch die Erstellung mit einer Spracherkennungssoftware oder die Übernahme der Daten aus dem Krankenhausinformationssystem oder der Elektronischen Patientenakte zum Einsatz. Die Erstellung der Briefe setzt voraus, dass alle Befunde von eingeleiteten Untersuchungen bereits vorliegen. Dies kann im Falle von feingeweblichen und mikrobiologischen Untersuchungen zuweilen einen längeren Zeitraum einnehmen, als heute die Krankenhausbehandlung dauert. Da jeder Arztbrief im Krankenhaus von allen Unterzeichnern (Chefarzt, zuständiger Oberarzt und betreuender Stationsarzt) im Sinne eines Mehr-Augen-Prinzips gelesen und ggf. korrigiert wird, kommt es oft zu Verzögerungen in der Übermittlung der Entlassungsberichte. Diese liegen oft erst Wochen nach Abschluss einer Krankenhausbehandlung in ihrer endgültigen Form beim weiterbehandelnden Arzt vor.[6]
Rechtliche Stellung
Der Arztbrief ist Teil der Patientenakte und damit nach stationären Behandlungen in Deutschland und Österreich 30 Jahre zu archivieren. Für Krankenakten ambulanter Patienten gilt eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren.[7][8] Die Datenübermittlungen an den weiterbehandelnden Arzt richten sich in Deutschland nach § 73 SGB V. In Österreich sind sie in den Landes-Krankenanstaltengesetzen der neun Bundesländer verankert.
Literatur
- K.-W. Jauch: Der Arztbrief. in: Jauch,Mutschler, Wichmann: Chirurgie Basisweiterbildung. Springer, 2007. ISBN 978-3-540-34004-1
- Carsten Müller, Jörg Braun: Klinikleitfaden für alle Stationen. Basisleitfaden Famulatur & PJ. Elsevier, Urban & Fischer Verlag, 2008, ISBN 3-437-41562-X. in der Google-Buchsuche
- Karin Bock, Axel Valet, Kay Goerke, Joachim Steller, Karin Bock: Klinikleitfaden Gynäkologie, Geburtshilfe. Elsevier, Urban & Fischer Verlag, 2003, ISBN 3-437-22211-2. in der Google-Buchsuche
- Norbert Schwenzer, Arzu Agildere, Thomas Becker: Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde. 1. Allgemeine Chirurgie. Georg Thieme Verlag, 2000, ISBN 3-13-593403-9. in der Google-Buchsuche
- Wolfgang Frank: Psychiatrie. Elsevier, Urban & Fischer Verlag, 2007, ISBN 3-437-42601-X. in der Google-Buchsuche
- Reiner W. Heckl: Der Arztbrief: Eine Anleitung zum klinischen Denken. Thieme Verlag, 1990. ISBN 3-136-40002-X
- W Doeschel: Nutzen des Arztbriefes für die Weiterbehandlung des Patienten. Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 1980
- Ingo Richter: Zur Geschichte des Arztbriefes. Dt. Ges.-wesen 1969; 44: 2106-2108, PMID 4916203
Einzelnachweise
- ↑ »Der Arztbrief sollte kurz sein und das Wesentliche enthalten.« MHH Info Juni/Juli 2006
- ↑ Beispiel eines kurzen Entlassungsberichts
- ↑ Arztbrief auf Basis der HL7 Clinical Document Architecture Release 2 für das deutsche Gesundheitswesen.
- ↑ http://ehealth.gvg-koeln.de/xpage/objects/arztbrief/docs/1/files/atg-managementpapier_el-arztbrief_stand_09-05-2001-print_copy.pdf Management-Papier „Elektronischer Arztbrief“.]
- ↑ Elektronischer Arztbrief: Standards erleichtern den Austausch
- ↑ Jörg Burkowitz: Effektivität ärztlicher Kooperationsbeziehungen - Aus den Augen, aus dem Sinn ...? Empirische Analyse auf der Basis von Patientendaten. Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 1999, online
- ↑ Martin Dinges: Klinik-Archiv-Empfehlungen: Hilfestellung für die Verwaltung von Akten. Dtsch Arztebl 1996; 93(43): A-2762 online
- ↑ Gesetzliche Grundlagen der Dokumentation. in Maria Strutzmann: Pflegeprozess und Pflegedokumentation auf Intesivstationen. Klagenfurt, 2004