Zum Inhalt springen

Eugen Werner Velte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Juli 2005 um 01:04 Uhr durch 84.163.232.252 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Eugen Werner Velte, geb. 1923 in Karlsruhe, gest. 1984 ebda, schon als Kind musikalisch frühbegabt, studierte 1942-49 Musiktheorie in Karlsruhe bei Heinrich Casimir und Gerhard Nestler und begann sich schon bald eigenen kompositorischen Studien zuzuwenden. Bevor er 1957 seinen ersten Lehrauftrag an der Badischen Hochschule für Musik erhielt, die schon bald in eine ordentliche Professur für Musiktheorie und Komposition umgewandelt wurde und deren Rektorat er nach ihrer Neugründung als Staatliche Hochschule für Musik Karlsruhe ab 1971 übernahm, verdiente er lange Zeit seinen Lebensunterhalt als freier Komponist und Musikkritiker (ein Fach, das er später auch unterrichtete) für Funk und Presse, zeitweise auch als Jazzpianist in amerikanischen Bars. Gezeichnet von einem ungewöhnlichen hellen Geist, einem immensen musiktheoretischen, musikwissenschaftlichen und philosophischen Fachwissen und einer höflichen und hilfbereiten menschlichen Art wurde er Zeit seines Lebens von Kollegen und Stundenten gleichermaßen fachlich wie menschlich bewundert und hochgeschätzt. Als die Badische Hochschule keine staatliche finanzielle Unterstützung mehr erhielt, gründete er bis zu ihrer Wiedereröffnung als Staatliche Hochschule mithilfe von Privatinitiativen einen noch heute in abgewandelter Funktion bestehenden Freundeskreis, um den Studenten nach wie vor ein kostenloses Studium zu ermöglichen. Außerdem war er wesentlich am Ausbau der Hochschule beteiligt, so ist der Einzug in das Schloß Gottesaue, das heute einen nach ihm benannten Konzertsaal beinhaltet, auf seinen unermüdlichen persönlichen Einsatz zum Wohle der Studenten zurückzuführen. Velte selbst hat die Neuröffnung des Schlosses nicht mehr miterlebt.

Seine Spezialgebiete betrafen das Gesamtwerk von Carlo Gesualdo, Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Anton von Webern und die Musik des 20. Jahrhunderts, eine Mischung, die auf seinen eigenen, sehr persönlichen Kompositionsstil Schlüsse zulässt, als dessen Wesensmerkmale, anders als es vielleicht die gelegentlich neoklassischen Werktitel vermuten lassen, musikalischer Expressionismus, ein intensiver, gesanglich-deklamatorischer lyrischer Grundton und politisches Denken, gelegentlich in Form von politischer Musik (ohne jemals in Systemgläubigkeit abzugleiten, eine Eigenschaft, die ihm auch sonst zutiefst zuwider war) angesehen werden können. Sein Schüler Wolfgang Rihm beschreibt seine Musik mit den folgenden Worten: Gespanntheit, Stille, Ausbruch, Versunkenheit - das waren die Haupteindrücke, die von ihr ausgingen, als ich als 15-jähriger dieser Musik [...] mehr und mehr begegnete. [...] Nichts an dieser Musik ist "gängig". Alles scheint äußerst persönlicher Mitteilung zu entstammen, eine Intimität, die aber nirgends indiskret sich ausstellt. In ihrer charakteristischen Mischung aus Introversion und ausfahrender Gestik entspricht Veltes Musik dem Denken und Wesen ihres Autors, so, wie er in Erinnerung bleibt. Die Musik wirkt wie das forgtesetzte Gespräch. Velte war ein Meister des Gesprächs, und er konnte so beredt zuhören, daß der Partner wirklich zu sich kommen konnte. Er war auch ein Meister der Abschweifung, der oft paradoxen Dialektik, so daß kein gesicherter Aufenthalt, kein gemütliches Einrichten in die erreichte Position aufbauen half: Alles blieb in Bewegung, im Fluß.

Eugen Werner Velte war Zeit seines Lebens Humanist, Philosoph und Freigeist aufgeklärter chritlich-marxistischer Gesinnung. Im Zentrum seines ästhetischen Denkens stand immer das Individuum und seine Freiheit. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Gründung seiner berühmten Gruppe kreative Musik, einer fachübergreifende Hochschulveranstaltung für experimentelle Gruppen-Improvisation, die auf das musikalische Denken ihrer Teilnehmer, Studenten von Instrumental- und Theoriefächern sowie externe Mitglieder (wie Schauspieler und bildende Künstler) weitestgehende Auswirkungen hatte. Die von und in dieser offenen Gruppe entwickelten Performances, Spielweisen von Instrumenten sowie formal-dramaturgischen Konzepte gingen über alles hinaus, was zuvor und zeitgleich von vergleichbaren Hochschulen angeboten wurde. Velte selbst spielte bei diesen abends stattfindenden Veranstaltungen die Rolle des zurückhaltenden, scharfsinnigen Kritikers, was in der dialektischen Wechselwirkung Aktion -> Analyse oder Analyse -> Aktion zu einer spanndenden Neuerfahrung von und einem neuen Denken über Musik überhaupt führte, mithin ein Grund für die große Bedeutung dieser Gruppe.

Als Dozent war Eugen Werner Velte außerdem erfolgreich. Zu seinen international bekanntgewordenen Kompositionsschülern zählen u.a. Wolfgang Rihm, Volker Heyn, Sabine Schäfer, Joachim Krebs, Helmut Bieler-Wendt, Ursula Euteneuer-Rohrer und Andreas Raseghi.



Diskographie und Schriften (Auszug)

Eugen Werner Velte und seine Schüler (2 CD), Hoefpner Classics in der Antes Edition (Bella Musica Tonträger), ca. 1995 Eugen Werner Velte, Gedenkschrift der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruje, 1994 Jazz - modern und pessimistisch, Kritik zum Konzert des Miles-Davis-Quintett im Großen Saal der Stadthalle Karlsruhe, 1968


Werkverzeichnis (Auszug)

Streichtrio, 1974

Sonate für Violine und Klavier, 1963

Streichquartett, 1966

Nachtstück I für Klavier solo (1969)

Nachtstück II für Klavier solo (1970)

Nachtstück III für Klavier solo (1971)

Notturno für Streichquuartett, 1974

Vision I für Solovioline, Klavier, Streicher und Bläser, 1975

Super fluvius Babylonis, Motette für gemischten Chor zu vier Stimmen a cappella, 1975

Zum Andenken und zur Erinnerung... Grave II für Kammerorchester, 1977

Arietta II für Flöte solo, 1978 (rev. 1981)

Nachtstück IV für Klavier solo (1981)

Musik und Stille für Streichtrio (1982)

Studie I für 2 Klaviere, 1983