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Bürgerministerium

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Das Bürgerministerium war die Regierung der österreichischen Reichshälfte des Österreich-Ungarns von 1862 bis 1870. Es war die erste Regierung nach dem Erlass der Dezemberverfassung. Die Mitglieder kamen zu einem großen Teil aus der deutschliberalen Verfassungspartei. Das Ministerium betrieb eine dezidiert liberale Politik.

Mitglieder

Fürst Karl Wilhelm Philipp von Auersperg

Am 30. Dezember 1867 wurde Fürst Karl von Auersperg Ministerpräsident. Nach Konflikten im Kabinett um die Frage, wie viel Zugeständnisse den einzelnen Volksgruppen im Vielvölkerstaat Österreich durch Elemente des Föderalismus gemacht werden sollten, trat er am 24. September 1868 unter Protest zurück.[1] Ihm folgte Eduard Taaffe als Ministerpräsident. Der dritte Ministerpräsident, dessen Regierung zum Bürgerministerium gezählt wird, war Ignaz von Plener, der von Januar bis April 1870 amtierte.

Wichtige Minister im Bürgerministerium waren

Hintergrund

Mit dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich wandelte sich das Kaisertum Österreich in zwei Staaten, die getrennte Regierungen, aber mit dem Kaiser ein gemeinsames Staatsoberhaupt hatten. In Cisleithanien war das Bürgerministerium die erste Regierung nach dieser Umwälzung. Während die Außenpolitik, die Armee und Finanzierung der Armee in einem gemeinsamen Ministerrat der österreichisch-ungarischen Monarchie behandelt wurden, lagen alle anderen Themen im Verantwortungsbereich der neuen Cisleithanischen Regierung. Auch wenn der ungarische Teil über eine eigene Regierung verfügte, war Cisleithanien genauso wie Transleithanien weiterhin ein Vielvölkerstaat, der neben der relativen deutschsprachigen Mehrheit, starke Minderheiten (insbesondere in Galizien und in Böhmen und Mähren) besaß.

Politische Schwerpunkte

Föderalismus: Zentraler Konfliktpunkt war das Verhältnis der Deutschen und der nationalen Minderheiten. Während die Zentralisten eine starke (deutsche) Zentralregierung anstrebten, war der Wunsch der nicht-deutschen Kronländer eine deutlich föderal geprägte Ordnung.

Kirchenpolitik: Im Kaisertum Österreich war die Vorrangstellung der römisch-katholischen Kirche verfassungsrechtlich verankert. Diese Stellung der Kirche spiegelte sich auch im Konkordat von 1855 wider. Das Bürgerministerium strebte an, diese Vorrangstellung zu beseitigen und die Neutralität des Staates in Glaubensfragen sichergestellt werden. Das Konkordat selbst wurde zwar nicht gekündigt, die Vorrechte der Kirche aber in einer Reihe von Einzelgesetzen vermindert. Auch wenn diese Auseinandersetzung weniger heftig waren, als der Kulturkampf in Preußen, regte sich dennoch erheblicher Widerstand konservativ-klerikaler Kräften gegen diese Maßnahmen.

Daneben wurden eine Reihe von Forderungen des Bürgertums in der Kultur-, Wirtschafts- und Innenpolitik umgesetzt. Finanzminister Rudolf Brestel gelang eine Verringerung des Staatsdefizites.

Einzelnachweise

  1. Pieter M. Judson: Exclusive revolutionaries. Liberal politics, social experience, and national identity in the Austrian Empire, 1848–1914. The University of Michigan Press, Ann Arbor 1996, ISBN 0-472-10740-2, S. 135ff.