Funktionsweise des Fotoapparats
Ein Fotoapparat ist ein Instrument zur Erstellung von Lichtbildern mittels eines Objektivs und eines lichtempfindlichen Trägers, des Films, der meist außerhalb der Kamera entwickelt wird. In der Digitalkamera übernimmt ein lichtempfindlicher Chip die Funktion des Films.
Funktionsweise
Jenseits einer konkreten Bauweise arbeitet der "allgemeine Fotoapparat" (kurz: AF) wie folgt:
Drei Ebenen bilden das Grundsystem des allgemeinen Fotoapparats, die (F) Film-, (O) Objektiv- und die (S) Schärfeebene. Die beiden Kameraebenen F und O sind im AF lichtdicht und dreh- und verschiebbar verbunden.
Unter der Vorgabe, dass Parallelen sich im Unendlichen treffen, haben stets alle drei einen gemeinsamen Schnittpunkt im Raum, der von den Lagen von F und O bestimmt wird und - je nach Neigungswinkel zueinander - mehr oder weniger weit vom AF entfernt liegt.
Die Ebene S entspringt im Schnittpunkt F-O und verläuft über den scharfgestellen Punkt des Objektivs auf der Objektivachse (nicht senkrecht zur Schärfeebene S).
Bei der Distanz Unendlich (∞) zwischen dem Schnittpunkt der beiden Kameraebenen und dem AF tritt der Sonderfall ein, der die drei Ebenen parallel zueinander ausrichtet (heutige und historische "Normalkamera").
Um den AF mechanisch praktikabel zu machen, bedarf es der Möglichkeit, F und O so einzustellen, dass aus dem Schnitt-Punkt der beiden Kameraebenen eine Linie analog eines Scharniers generiert wird (durch gemeinsame horizontale oder vertikale Ausrichtung beispielsweise). Nach dieser Ausgangseinstellung können die Ebenen sich während des weiteren Einstellens wieder nur in einem Punkt statt in einer Linie treffen.
Die Schärfeebene S entsteht durch die genaue Projektion eines Punktes im Motiv durch das Objektiv hindurch auf einen Punkt in der Filmebene. Vom Objektiv aus gesehen entsteht in der Kamera ein Strahlenkegel, dessen Spitze sich mit dem Film trifft.
Praktisch entsteht dabei ein Schärfe-Körper; das ist der Schärfebereich (auch: Tiefenschärfe, Schärfentiefe). Beim Enden des Strahlenkegels kurz vor oder hinter der Filmebene werden auf ihm Zerstreuungskreise (Z) abgebildet, die vom Auge noch als scharf akzeptiert werden und eine Tiefe der Schärfe bilden.
Mit der im Objektiv angeordneten Blende, die die Durchlassöffnung für das Licht durch das Objektiv steuert, wird die Größe der Zerstreuungskreise bestimmt: die kleinere Blendenöffnung erzeugt Strahlenkegel mit kleineren Radien und spitzeren Winkeln, die auf den Film fallen, und damit kleinere Zerstreuungskreise, die entsprechend schärfer erscheinen.
Der Schärfekörper ist beim AF ein Keil; er beginnt auf der Schärfeebene im Abstand des Kamerauszuges (Abstand F zu O) parallel zur Filmebene. Im Keil reicht die Schärfe bis Unendlich. Im Sonderfall - F und O sind parallel - ergibt sich der Schärfebereich als Schärfequader (weil technisch durch den AF begrenzt).
Der Schärfe-Keil ist in seinem Schnitt (Seitenansicht) durch seinen Nullpunkt, den Nahpunkt N und den Fernpunkt F der Schärfe auf der Objektivachse definiert; N und F ergeben sich dabei aus der nominellen Entfernungseinstellung der Schärfeebene S und der bestimmten Brennweite des Objektivs.
Mit den Werten für N, S und F, dem Abstand des Nullpunkts zur Objektivachse (D) und der genormten Größe Z (Zerstreuungskreis je Filmformat) ist der Keil zu berechnen (dazu N, S, F z. B. aus Interaktiver Schärfentieferechner; Z für Kleinbildformat 0,03 mm, für Mittelformat ca. 6 x 7 cm 0,05 mm, für Planfilm 9 x 12 cm 0,09 mm und mehr je Bildformat).
Wird der Schärfekeil in zwei Hälften gedacht, einmal der Teil vor und einmal der Teil hinter der Schärfeebene, können sich gering abweichende Winkel ergeben. Näherungsweise beträgt der Winkel des Keils vor der Schärfeebene, vom Nahpunkt zur Scharfstellung:
- Winkel Altgrad = [ (90 - arctan D/(S - A)) - (90 - arctan D/(N - A)) ],
wobei D = Distanz der Objektivachse zum Keilbeginn; S = Schärfeeinstellung auf Objektivachse; A = Kameraauszug; N = Nahpunkt der bestimmten Brennweite auf der Objektivachse.
Vereinfacht kann dieser Winkel für den ganzen Schärfekeil verdoppelt werden.
Die Distanz auf der Objektivachse vom Nahpunkt des Schärfebereichs zur Schärfeebene ist bei sehr dichter Entfernungseinstellung vor der Kamera etwa so groß wie die von der Schärfeebene zum Fernpunkt, wobei die Verhältnisse sich mit der jeweils länger eingestellten Entfernung ändern - der Abstand der Schärfeebene zum Fernpunkt wächst dann kontinuierlich gegenüber der Entfernung zum Nahpunkt an.
Objektive sind Linsensysteme, die mit einer Blende (und oft einem Verschluss) kombiniert sind. Vom gleichen Standort aus, auf der gleichen optischen Achse zeichnen sie alle das gleiche Bild vom Motiv, zeichnen also gleiche Flächen und Winkel - wie beim Zoom-Objektiv, bei dem verschiedene Brennweiten fliessend miteinander verbunden werden.
Normalobjektive haben ungefähr die Bilddiagonale als Brennweite. Objektive mit weiterem Betrachtungswinkel (Weitwinkel; siehe Weitwinkelobjektiv) zeichnen mehr von Motiv kleiner auf. Objektive mit kleinerem Betrachtungswinkel zeichnen weniger vom Motiv größer auf. Entsprechend werden die Zerstreuungskreise bei letzteren vergrößert und der Schärfebereich wird kleiner (besonders klein bei Makroaufnahmen).
Fernobjektive - mit kleinem Betrachtungswinkel - unterscheiden sich von Teleobjektiven dadurch, dass letztere innerhalb des Linsensystems ein Vergrößerungssystem (Tele-Konverter) enthalten - sie sind deshalb in ihrer Baulänge kürzer als ihre Brennweite.
Bei der Unendlicheinstellung (∞) eines – in seinen Ebenen beweglichen – AF ist nominell der Abstand von F zu O gleich der Brennweite. Dieses Anlagemaß von F zu O ist bei Teleobjektiven kürzer und bei einigen Weitwinkeln etwa länger als die Brennweite. Für Berechnungen, z. B. des Abbildungsmaßstabes, gelten die nominellen Brennweiten.
Dichtere Entfernungen zum Motiv als Unendlich scharfzustellen erfordert längere Auszüge der Kamera (für den Maßstab 1:1 ist die doppelte Brennweite nötig).
Bei der Aufnahme des Motivs mit gleichem Maßstab kann bis zur Abbildungsgröße m 1:1 in der Praxis näherungsweise bei allen Objektiven bei gleicher Blendenöffnung von gleichen Schärfebereichen ausgegangen werden; bei größeren Maßstäben in den Makrobereich hinein gilt das nicht mehr. Zu berücksichtigen sind dabei die normierten Zerstreuungskreise für die verschiedenen Bildformate (Z).
Da der AF keine Skalen für die eingestellte Entfernung hat, sind Abbildungsmaßstäbe, Auszugslängen (F zu O) und weitere Werte mehr in der Praxis zu berechnen.
Die sog. Linsengleichung lautet:
- 1/f = 1/a´ + 1/ a,
dabei ist f = Brennweite; a´ = Kameraauszug; a = Entfernung Motiv zu Objektiv; daraus ergibt sich beispielsweise der Abbildungsmaßstab:
- m = Auszugsverlängerung : Brennweite
dabei ist die Auszugsverlängerung die Verlängerung des Balgens gegenüber dem Anlagemaß (= Auszug real für Unendlich); Brennweite = nomineller Wert für f.
Geschichte und Entwicklung
Historisch verlief die Entwicklung des Fotoapparates aus der Kenntnis des Sonderfalls der Parallelität von F und O und entsprechend auch S, der bis heute als Normalkamera gilt. Die flexible Kamerakonstruktion (Balgen) diente zuerst nur der Entfernungseinstellung.
Erst um die Wende zum 20. Jahrhunderts entdeckte Theodor Scheimpflug (1865-1911) das Prinzip der um eine Achse drehenden Ebenen. Der "Scheimpflug", wie heute eine damit arbeitende Einstellung allgemein genannt wird, bedarf mindestens einer schwenkbaren Kameraebene. Die sogenannte Fachkamera, die für die Kameraebenen F und O vielfältige Verstellmöglichkeiten bietet, kam als Massenkamera erst Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem in Fotostudios in Gebrauch.
Sind mit einem Apparat gleichzeitige Verstellungen um eine horizontale wie um eine vertikale Achse möglich, ist mit einem sogenannten "doppelten Scheimpflug" der Schärfebereich auch diagonal ins Bild zu legen (die drei Ebenen F, O und S schneiden sich dann wieder nur in einem Punkt).
War es der Grundgedanke des "Scheimpflugs", eine aufzunehmende Motiv-Ebene in den Schärfekeil zu legen und dann für den Schärfebereich nicht mehr die Blende für einen Schärfebereich von vorn bis hinten einstellen zu müssen (Tiefe des Objekts), sondern senkrecht zur Schärfeebene von oben nach unten (Höhe des Objekts), so sind mit dem sog. "doppelten Scheimpflug" auch quer zum Motiv von oben, unten oder seitlich kommende und dabei diagonal im dreidimensionalen Raum stehende Schärfekeile darstellbar (primär Kunstfotografie).
Literatur
- Ansel Adams: Die Kamera, München 2000 (Christian)
- Peter Bauernschmid (Hrsg.), Linhof Präzisions - Systemtechnik GmbH: Image Circle - Ein Lehr- und Bilderbuch für kreative Fachfotografie (München 2002); darin besonders die Texte von Walter E. Schön
Weblinks
- Tom Striewisch, Alexander Kluge: Interaktiver Schärfentieferechner
- Lars Hennings: Photoschule Großformat - Einführung in die traditionelle Photographie und in die Balgenkamera - dort auch Schärfentieferechner und Matrix zur Berechnung des Schärfekeils.