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Todesstrafe

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Weltkarte des Todesstrafen-Status aller Länder
Blau: Todesstrafe vollständig abgeschafft
Hellblau: Todesstrafe im Ausnahmerecht
Khaki: Hinrichtungsstop
Orange: Todesstrafe gegen Erwachsene
Rot: Todesstrafe auch gegen zur Tatzeit Minderjährige

Die Todesstrafe ist die Tötung eines Menschen als gesetzlich vorgesehene Strafe für ein Verbrechen, dessen er für schuldig befunden wurde. Ihr geht in der Regel ein Todesurteil nach einem Gerichtsverfahren voraus, das mit der Hinrichtung des Verurteilten vollstreckt wird.

Seit Jahrtausenden wird als besonders schwer definierte Kriminalität mit dem Hinrichten der Täter geahndet. Im 18. Jahrhundert in Europa stellten Humanisten das Recht der Machthaber dazu in Frage; einige Staaten schafften die Todesstrafe ab. Ihre allgemeine Abschaffung wurde erstmals 1795 in Frankreich gefordert. Nach den Weltkriegen, verstärkt seit 1970 und 1990, haben immer mehr Staaten sie abgeschafft: darunter Deutschland mit Art. 102 des Grundgesetzes, die Schweiz mit Artikel 10 Absatz 1 der Bundesverfassung und Österreich mit Artikel 85 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Heute ist die Todesstrafe im Strafrecht international ethisch, rechtlich und praktisch umstritten; sie gilt vielfach als unvereinbar mit den Menschenrechten. Viele Nichtregierungsorganisationen setzen sich für ihre weltweite Abschaffung ein. Als Schritt dorthin fordert die Generalversammlung der Vereinten Nationen seit 2007 ein weltweites Moratorium für Hinrichtungen.[1]

Definition

Eine Todesstrafe setzt Gesetze voraus, die Straftatbestände definieren, für die Todesstrafen vorgesehen sind, sowie die gesetzmäßige Inhaftierung, Überführung und Verurteilung des Täters. Das gesamte Verfahren kann, sofern es als legal gelten soll, nur durch hierzu beauftragte Vertreter eines Staates vollzogen werden. In Staatsgesetzen verankerte und danach vollzogene Todesstrafen setzen ihrerseits ein funktionierendes, im Bereich dieses Staates gültiges Rechtssystem voraus. Dieses ist an die Bildung von Ordnungs- und Herrschaftsstrukturen gekoppelt, die über ein Gewaltmonopol verfügen oder dieses anstreben. Dieses bedarf einer irgendwie gearteten Legitimation seiner Legislative und Exekutive, die sich die meisten Staaten − unabhängig von ihrer tatsächlichen Verwirklichung von Demokratie − durch den Bezug auf den Volkswillen geben.

Vom Töten als Strafe unterscheidet das Staatsrecht in der Regel Tötungen zur Abwehr von Gefahren, etwa Notwehr- und Notstandshandlungen. Dazu sind gezielte Tötungen von Menschen, die nicht in einem vorherigen Rechtsverfahren zum Tod verurteilt wurden, in den meisten Staaten unter bestimmten Umständen gesetzlich erlaubt, so auch völkerrechtlich legitimiertes Töten im Krieg. Extralegale Hinrichtungen, etwa durch Lynchjustiz, gelten in Rechtsstaaten nicht als Todesstrafe, sondern als Mord, und zwar auch dann, wenn sie aufgrund der tatsächlichen oder vermuteten Beteiligung des Getöteten an einem Verbrechen erfolgen.

Die Realität kennt jedoch auch Hinrichtungen durch Gruppen und Instanzen, die dazu nicht staatlich legitimiert sind (auch wenn sie dies für sich in Anspruch nehmen), sowie von Staatsvertretern durchgeführte Hinrichtungen, deren Rechtsgrundlage und Legitimation fraglich oder nicht vorhanden ist. Fehlende oder instabile Regierungen stellen die Legalität von Hinrichtungen in vielen Gemeinwesen, die sich Staaten nennen, in Frage. Aber auch Staaten, in denen die Todesstrafe per Gesetz verboten ist und die die UN-Charta unterzeichnet haben, greifen unter Umständen zu extralegalen Tötungen und lassen vermeintliche oder tatsächliche Regimegegner, Terroristen oder Kriminelle ohne Gerichtsverfahren und Justizurteil hinrichten. Militär-, Polizei- oder Geheimdienstvertreter handeln dabei oft eigenmächtig, etwa unter Berufung auf eine angebliche Notwehrsituation. Dies kann mit staatlicher Deckung oder Anordnung erfolgen oder weil bestehende Gesetze von einer Regierung nicht durchsetzbar sind. Solche Maßnahmen werden nicht selten nachträglich staatlich abgesegnet und sind dann wie Justizmorde zu werten. In diesen Zusammenhängen spricht man auch von außerrechtlichen, summarischen und willkürlichen Hinrichtungen. Diese Schwierigkeiten, legale Todesurteile von Tötungen auf ungesicherter Rechtsgrundlage zu unterscheiden, sind Teil der ethischen und rechtlichen Gesamtproblematik der Todesstrafe.

Straftatbestände

Die im gewöhnlichen Strafrecht verankerte Todesstrafe wird meist für Mord verhängt. In manchen Staaten werden auch weitere direkte und indirekte Verbrechen gegen Leib und Leben von Personen mit dem Tod bestraft:

Wirtschaftliche Vergehen:

Manche Diktaturen bestrafen mit dem Tod:

  • öffentliche Beleidigung des Präsidenten (Irak bis 2003)
  • doppelte Mitgliedschaft in politischen Parteien (Irak bis 2003).

Als todeswürdige sittliche und sexuelle Vergehen gelten in manchen Staaten:

Nach einem bestimmten Verständnis der Scharia betrachten einige islamische Staaten als todeswürdige religiöse Vergehen:

Im Kriegsrecht werden in vielen Staaten Tatbestände mit dem Tod bestraft wie:

Internationale Rechtslage

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (Artikel 6 Absatz 2) gestattet die Verhängung der Todesstrafe nur für schwerste Verbrechen, nur aufgrund von Gesetzen, die zur Tatzeit in Kraft waren und nur, wenn diese den Bestimmungen des Paktes zur Verhütung und Bestrafung von Völkermord nicht widersprechen. Sie darf nur aufgrund eines rechtskräftigen Urteils eines zuständigen Gericht vollstreckt werden.

Das Zweite Fakultativprotokoll zu diesem Pakt vom 15. Dezember 1989 bestimmt in Artikel 1:[3]

„1. Niemand, der der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaats dieses Fakultativprotokolls untersteht, darf hingerichtet werden.
2. Jeder Vertragsstaat ergreift alle erforderlichen Massnahmen, um die Todesstrafe in seinem Hoheitsbereich abzuschaffen.“

Die Kinderrechtskonvention der UNO bestimmt in Artikel 37:

„Für Straftaten, die von Personen vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs begangen worden sind, darf weder die Todesstrafe noch lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verhängt werden.“

Fast alle Mitgliedstaaten der UNO haben diese Konvention unterzeichnet. Einige lassen dennoch zur Tatzeit Minderjährige hinrichten: Volksrepublik China, Demokratische Republik Kongo, Iran, Jemen, Nigeria, Pakistan und Saudi-Arabien. In Somalia werden Jugendliche durch nichtstaatliche Schariagerichte hingerichtet. Dem treten die UN-Menschenrechtskommission und Staatengruppen entgegen, die internationale Rechtsnormen auch gegen nationale Souveränität durchzusetzen versuchen.

Die Europäische Menschenrechtskonvention hat die Todesstrafe seit 1. Mai 1983 im gewöhnlichen Strafrecht, seit 3. Mai 2002 auch im Kriegsrecht abgeschafft. Die meisten europäischen Staaten haben das dahingehende 13. Zusatzprotokoll von 2002 ratifiziert.

Verbreitung

Aktuelle Gesamtsituation

Nach ständig aktualisierten Angaben von Amnesty International[4] haben derzeit 95 Staaten und Gebiete die Todesstrafe ganz - per Gesetz und praktisch - abgeschafft (Stand: 26. November 2009). Neun Staaten sehen die Todesstrafe nur noch in Ausnahmefällen, zum Beispiel im Kriegsrecht, vor. 35 Staaten sehen die Todesstrafe zwar im Gesetz vor und verhängen zum Teil auch Todesurteile, haben diese jedoch seit mindestens zehn Jahren nicht mehr vollstreckt und/oder sich international dazu verpflichtet, keine Todesurteile mehr zu vollstrecken. 58 Staaten haben die Todesstrafe noch im Gesetz, aber nur 25 davon haben sie in den letzten Jahren angewandt, und nur fünf davon tun dies jedes Jahr.

1976 hatten erst 16 Staaten die Todesstrafe vollständig abgeschafft. Seitdem kamen im Durchschnitt jährlich drei Länder dazu, die sie de jure oder de facto abschafften. Seit 1990 haben über 40 Staaten die Todesstrafe aus ihrem Gesetz gestrichen. 2005 kamen Mexiko und Liberia, 2006 die Philippinen, 2007 Albanien, Ruanda und Kirgisistan, 2008 Argentinien, Burundi und Togo hinzu. Seit 1985 haben zwei Staaten, Gambia und Papua-Neuguinea, die Todesstrafe nach vorübergehender Abschaffung wieder eingeführt, jedoch seither nicht wieder angewandt. Der Gesamttrend ist ungebrochen: In den letzten 20 Jahren haben gut die Hälfte aller Staaten, die die Todesstrafe noch anwandten, davon Abstand genommen.

Im Jahr 2008 wurden mindestens 2.390 (vgl. 2004: 3.797) Hinrichtungen in 25 Ländern registriert sowie 8.864 Todesurteile (2004: 7.395) in 52 (2004: 64) Ländern. In einigen Ländern gibt es eine hohe Dunkelziffer weiterer Todesurteile und Hinichtungen. Weltweit warten zwischen 19.000 und 24.000 Menschen in Todeszellen auf ihre Hinrichtung.

Etwa 97 Prozent aller bekannt gewordenen Exekutionen entfielen im Jahr 2008 auf fünf Staaten:

  • Volksrepublik China: mindestens 1.780 (~ 75%)
  • Iran: mindestens 346 (~ 15%)
  • Saudi Arabien: mindestens 102 (~ 4.2%)
  • USA: 37 (~ 1.5%)
  • Pakistan: mindestens 36 (~ 1.5%)

Staaten mit Todesstrafe

58 Staaten und Territorien haben zur Zeit eine Todesstrafe im Gesetz und ließen Verurteilte in den letzten zehn Jahren hinrichten, wenn auch nur wenige davon regelmäßig:

Staaten mit Todesstrafe im Ausnahmerecht

Die Todesstrafe im Militär- oder Ausnahmerecht haben neun Staaten (Jahr der Abschaffung im Zivilrecht angegeben):

Bolivien 1997
Brasilien 1891 (1979)[5]
Chile 2001
El Salvador 1983
Fidschi 1979
Israel 1954
Kasachstan 2007
Lettland 1999
Peru 1979

Staaten mit erklärtem oder faktischem Hinrichtungsstop

Die im Gesetz vorhandene Todesstrafe seit mindestens zehn Jahren nicht mehr vollstreckt oder einen Hinrichtungsstop verfügt haben 35 Staaten (Jahr der letzten Hinrichtung in Klammern):

Staaten ohne Todesstrafe

Die Todesstrafe im Zivil- und Militärstrafrecht abgeschafft haben 95 Staaten und Territorien (alphabetisch geordnet, bei Doppeldaten zivil/militärisch, vorherige Abschaffung in Klammern):

Albanien 2000/2007
Andorra 1990
Angola 1992
Argentinien 1984/2008
Armenien 2003
Aserbaidschan 1998
Australien 1984/1985
Belgien 1996
Bhutan 2004
Bosnien und Herzegowina 1997/2001
Bulgarien 1998
Burundi 2009
Cookinseln 2007
Costa Rica 1877
Elfenbeinküste 2000
Dänemark 1933/1978
Deutschland 1949 (West) 1987 (Ost)
Dominikanische Republik 1966
Dschibuti 1995
Ecuador 1906
Elfenbeinküste 2000
Estland 1998
Finnland 1949/1972
Frankreich 1981
Georgien 1997
Griechenland 1993/2004
Guinea-Bissau 1993
Haiti 1987
Honduras 1956
Island 1928
Irland 1990
Italien 1947/1994
Kambodscha 1989
Kanada 1976/1998
Kap Verde 1981
Kirgisistan 2007
Kiribati 1979
Kolumbien 1910
Kroatien 1990
Liechtenstein 1987
Litauen 1998
Luxemburg 1979
Mazedonien 1991
Malta 2000
Marshallinseln 1986
Mauritius 1995
Mexiko 2005
Mikronesien 1986
Moldawien 1995
Monaco 1962
Montenegro 2002
Mosambik 1990
Namibia 1990
Nepal 1990/1997
Niederlande 1870/1982
Neuseeland 1961/1989
Nicaragua 1979
Niue 2004
Norwegen 1905/1979
Österreich 1950/1968
Osttimor 1999
Palau 1994
Panama 1922
Paraguay 1992
Philippinen 2006 (1987)
Polen 1997
Portugal 1867/1976
Ruanda 2007
Rumänien 1989
Salomonen 1966/1978
Samoa 2004
San Marino 1848/1865
São Tomé und Príncipe 1990
Schweden 1921/1972
Schweiz 1942/1992
Senegal 2004
Serbien 2002
Seychellen 1993
Slowakei 1990
Slowenien 1989
Spanien 1978/1995
Südafrika 1995/1997
Togo 2009[6]
Tschechien 1990
Türkei 2002/2004
Turkmenistan 1999
Tuvalu 1978
Ukraine 1999
Ungarn 1990
Uruguay 1907
Usbekistan 2008
Vanuatu 1980
Vatikanstadt 1969
Venezuela 1863
Vereinigtes Königreich 1973/1998
Zypern 1983/2002

Begründungen

Die Todesstrafe wird stets mit einigen ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Argumenten begründet, die oft miteinander kombiniert werden. Sie sei notwendig und unaufgebbar:

  • als gerechte Vergeltung für die schwersten Verbrechen,
  • zum Schutz der Allgemeinheit vor dem Täter (Spezialprävention)
  • zur Abschreckung möglicher anderer Verbrecher (Generalprävention),
  • als Ausdruck eines Mehrheitswillens der Bevölkerung. Hierzu gehört auch das manchmal vertretene, empirisch überprüfbare Kostenargument, die Todesstrafe sei billiger als Freiheitsstrafen.

Als notwendige Vergeltung und Abschreckung ist die Todesstrafe nur im Rahmen einer Strafzwecktheorie begründbar, die den Strafzweck nicht an Resozialisierung, sondern an Sühne orientiert.[7]

Vergeltung

Das Auslöschen von Menschenleben soll den Mörder sein Leben kosten: Dies empfinden viele Menschen als einzig akzeptable Vergeltung. Diese verlangen sie allerdings meist nur bei Mord, oft zusätzlich begrenzt auf besonders schwere Fälle (Kindes-, Sexual-, Raub- und/oder Massenmord). Das Berauben von Räubern, Vergewaltigen von Vergewaltigern usw. wird kaum gefordert, da eine gleichartige Schadenszufügung auch in Staaten mit einer gesetzlichen Todesstrafe in der Regel als Unrecht gilt.[8]

Dahinter steht das alte Ius talionis, das eine Gleichwertigkeit von Tat und Strafe nahelegt und so die wahllose Blutrache auf das legitime Töten des Einzeltäters begrenzen sollte. Es war in fast allen Kulturen und Religionen des Altertums mit dem Gedanken einer Sühne verbunden, der das Strafrecht auch in modernen Staaten bestimmt.

Dass die Todesstrafe bei Mord zur Rechtswahrung notwendig sei, führte Immanuel Kant aus (Die Metaphysik der Sitten, Teil E: „Vom Straf- und Begnadigungsrecht“, I.):

„Hat er aber gemordet so muß er sterben. Es gibt hier kein Surrogat zur Befriedigung der Gerechtigkeit. Es ist keine Gleichartigkeit zwischen einem noch so kummervollen Leben und dem Tode, also auch keine Gleichheit des Verbrechens und der Wiedervergeltung, als durch den am Täter gerichtlich vollzogenen, doch von aller Misshandlung, welche die Menschheit in der leidenden Person zum Scheusal machen könnte, befreieten Tod.“

Nur der Tod des Mörders könne also eine „qualitativ bestimmte“, der Tat angemessene Gerechtigkeit wiederherstellen. Dabei fragte Kant ebenso wenig wie frühere Rechtsphilosophen nach Kriterien für die individuelle Schuld des Täters. So sah er die Tötung von unehelichen Kindern nicht als Mord an, da sie als unrechtmäßig gezeugte Personen keinen Rechtsschutz genössen.[9]

Ihre Befürworter sehen in der Todesstrafe vielfach den Ausweis dafür, dass der Staat Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person durchzusetzen habe. Nur so könne er die Allgemeingültigkeit der Rechtsordnung dauerhaft schützen, die jeder Mord in Frage stelle. Daher müsse der Täter eben nicht nur mit seiner Freiheit, sondern auch mit seinem Leben für das Zerstören von Leben anderer haften. Dies sei auch die einzig angemessene Form der Wiedergutmachung für die Opferangehörigen. Nur so könnten sie mit dem Verbrechen innerlich abschließen.

Gegner der Todesstrafe argumentieren: Gerade weil der Tod im Unterschied zu anderen Strafen eine endgültige Qualität habe, scheide er aus den zulässigen Strafarten aus. Weil im Rechtsstaat das Leben und Zusammenleben Aller als höchster Wert gelten und zu schützen seien, dürften seine Vertreter keine unrechtmäßige Tötung wiederholen, um sich nicht mit dem Verbrecher auf eine Stufe zu stellen, der diese Werte missachte. Staaten seien von fehlbaren Menschen geschaffen, die sich nicht anmaßen dürften, perfekte „Gerechtigkeit“ herzustellen. Die Todesstrafe sei ein archaisches Relikt vergangener Rechtsauffassungen, die gesellschaftliche Rachebedürfnisse befolge und diese zugleich verschleiere. Sie stelle die Rechtsstaatlichkeit und ihre Wertgrundlagen insgesamt in Frage.

Sowohl Befürworter wie Gegner der Todesstrafe gehen also von einer nicht empirisch begründbaren Gerechtigkeitsidee aus. So sind alle Debatten zur Todesstrafe von sozialpsychologischen Aspekten mitbestimmt. Befragungen von Opferangehörigen in den USA, die der Hinrichtung des Täters zusahen, stellen jedoch in Frage, dass dies ihr Gerechtigkeitsgefühl befriedigt. Manche Vereine von Mordopferangehörigen lehnen die Todesstrafe ab und versuchen die Tat auf andere Weise zu verarbeiten (siehe Weblinks).

Schutz vor dem Täter

Manche Befürworter der Todesstrafe argumentieren, dass diese die Gesellschaft besonders wirkungsvoll, da unwiderruflich, vor weiteren Verbrechen des Täters schütze. Da bei Haftstrafen Ausbrüche oder verfrühte Haftentlassungen durch Fehlgutachten möglich seien, hindere nur die Hinrichtung die Täter wirksam an weiteren Straftaten. - Gegner verweisen darauf, dass inhaftierte Kapitalverbrecher während ihres Verfahrens bis zur Hinrichtung die gleichen Ausbruchsmöglichkeiten haben wie Täter, die eine Haftstrafe verbüßen. Auch sei der Sicherheitsstandard vieler Haftanstalten inzwischen so hoch, dass eine lebenslange Freiheitsstrafe die Gesellschaft ebenso gut vor Wiederholungstätern schütze. Gerade Mörder würden sehr selten erneut straffällig.[10]

Oft wird eine schnell ausgeführte Todesstrafe, etwa durch ein Standgericht, als staatliche Notwehr gerechtfertigt und mit polizeilichen Sonderrechten wie dem „finalen Rettungsschuss“ verglichen. Dies gilt heute besonders für Fälle von Terrorismus: Auch bereits inhaftierte Täter bedrohten den Staat, da andere sie freizupressen versuchen könnten und ihre Gewalt dabei eskalieren könne. Erfolgreich freigepresste Täter könnten neue Verbrechen begehen und immer mehr Anhänger dazu gewinnen. Dagegen sei ein „kurzer Prozess“ der beste Schutz.

Viele Juristen, nicht nur Gegner der Todesstrafe, bestreiten, dass der Täter nach seiner Festnahme die Rechtsordnung noch derart akut gefährde, dass nur seine Tötung diese schütze. Sie bewerten so gerechtfertigte Todesstrafen als Justizmorde: Denn wer die Gesellschaft durch Beseitigen der Mörder schützen wolle, könne dies dann auch für andere Verbrecher verlangen und hebe damit jeden Unterschied zwischen Recht und Unrecht auf. Bestrafung von möglichen, aber noch nicht eingetretenen Folgen sei eine Abkehr von wesentlichen Rechtsstaatsprinzipien zugunsten eines unerklärten Krieges gegen Kriminelle, in dem nicht mehr zwischen Mördern, Richtern und Henkern unterschieden werden könne. Damit werde der vorgebliche Zweck der Prävention verfehlt, weil die fehlende Aussicht auf ein faires Gerichtsverfahren andere darin bestärke, Mord als zum Selbstschutz mögliches Mittel zu betrachten und so die allgemeine Rechtsunsicherheit vermehre.[11]

Abschreckung

Befürworter argumentieren oft, erst die Hinrichtung überführter Täter wirke mittelbar abschreckend auf mögliche andere Täter und halte sie wirksamer von Straftaten ab als angedrohte Freiheitsstrafen. Einige sehen darin den einzigen Weg, einer allgemeinen Zunahme von Gewaltverbrechen und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu begegnen. Fehle die schwerstmögliche Strafe in der Palette der Strafandrohungen, stelle dies die Wirkung und Glaubwürdigkeit des staatlichen Rechtsschutzes insgesamt in Frage.

Gegner weisen zum einen auf empirische Untersuchungen hin, wonach Morde in vielen Staaten, die die Todesstrafe abschafften, danach statistisch nicht merklich zugenommen, oft sogar abgenommen haben und anteilig vergleichsweise niedriger liegen als in Staaten mit Todesstrafe. Ferner verweisen sie darauf, dass die weitaus meisten Morde im Zustand eines emotionalen Affektes begangen werden, bei dem ruhiges Überlegen und Bedenken der Tatfolgen ausgeschaltet ist. In diesen Zustand könne grundsätzlich jeder Mensch geraten. Nicht bestimmte Tätereigenschaften, sondern Gewalt fördernde Umstände und ihre Verkettung seien meist dafür verantwortlich. Würden diese im Strafrecht angemessen berücksichtigt, entfiele das Abschreckungsargument, da dann viel eher die Reduktion gesellschaftlicher Gewaltursachen in den Vordergrund rücken müsse. Gerade kühl und intelligent planende Mörder dagegen glaubten oft, nicht gefasst werden zu können, und seien unter Umständen eher bereit, weitere Straftaten zu begehen – etwa Zeugen zu ermorden –, da sie nichts mehr zu verlieren hätten.

Um größtmögliche Abschreckung zu erreichen, so ein weiteres Gegenargument, müssten die Befürworter für öffentliches, von modernen Massenmedien übertragenes Hinrichten von Tätern eintreten. Dies ist jedoch in Rechtsstaaten verboten, da es schädliche Einflüsse auf das Publikum und Opferangehörigen nicht ausschließe und die Menschenwürde der Beteiligten angreife. Das gelte dann aber auch für heimliche oder nur den Opferangehörigen bekanntgegebene Hinrichtungen. Diese Inkonsequenz zeige, dass das Abschreckungsargument großenteils vorgeschoben sei.[12]

Auch wenn eine Abschreckungswirkung der Todesstrafe sich beweisen ließe, ändere dies nichts daran, dass ein Rechtsstaat nicht alles tun dürfe, um Verbrechen zu verhüten. Er dürfe vor allem niemand töten, um andere vom Morden abzuhalten. Damit würde er die Menschenwürde als Basis allen Rechts verletzen und sich selbst zum Unrechtsstaat machen.[13]

Schutz des Rechtssystems

Rechtsordnungen legitimieren sich stets mit einer übergeordneten Gerechtigkeitsidee, ohne die menschliches Zusammenleben nicht funktionieren könne. Darauf beziehen sich auch Befürworter und Gegner der Todesstrafe. Sie verlangen in der Regel vom Staat, gerechte Verhältnisse herzustellen, entsprechende Gesetze zu geben, zu schützen und zu vollstrecken. Die Befürworter glauben, dass einem Staatswesen dies im Idealfall fehlerlos gelingen könne. Die Gegner verweisen demgegenüber auf die grundsätzliche Fehlerhaftigkeit aller vom Menschen geschaffenen Rechtssysteme. Staaten seien künstliche Gebilde, die nie fehlerfrei funktionierten, um damit den Tod von Menschen verantworten zu können. Manche lehnen daher alle Staatsformen ab (siehe Anarchismus), andere streben Strafrechtsreformen auf dem Boden der bestehenden Rechtsordnung an.

Staaten mit einer Todesstrafe nehmen unvermeidbar die Hinrichtung von Unschuldigen in Kauf. Weder Polizei noch Justiz arbeiten fehlerfrei, so dass es auch im Rechtsstaat nachweislich immer wieder zu Justizirrtümern und Fehlurteilen kommt. Da eine vollstreckte Todesstrafe endgültig ist, lässt sie sich nicht nachträglich wiedergutmachen. Dies beschädigt zugleich unwiderruflich die Glaubwürdigkeit des Rechtssystems für alle Bürger dieses Staates. Diese Tatsache ist ein Hauptargument gegen die Todesstrafe.[14]

Viele Staaten legen zudem unklare Kriterien zur rechtlichen Würdigung von Straftaten fest: Als todeswürdig gilt eine Gewalttat etwa dann, wenn sie aus „niederen Beweggründen“ heraus begangen wurde. Kritische Wissenschaft verweist darauf, dass deren Definition ständig veränderlichen gesellschaftlichen Werturteilen unterliege. Damit werde das Bild, das sich ein Richter oder eine Jury vom Angeklagten macht, oft entscheidend für das Urteil über sein Leben oder Sterben.

In Kapitalverfahren geben oft subjektive Eindrücke von Strafverfolgern, Anklägern, Beisitzern, Richtern und Geschworenen den Ausschlag für ein Urteil. Solche Strafprozesse sind zudem oft stark emotionalisiert: Die Angehörigen der Opfer und der oder die Täter und ihre Angehörigen stehen einander gegenüber. Die Öffentlichkeit ist ebenfalls beteiligt und wird durch die Massenmedien zusätzlich beeinflusst. Auf den Entscheidungsträgern − nicht immer Berufsrichter, sondern oft Laien − lastet also ein erheblicher öffentlicher Druck. Das kann dazu führen, dass sie den Wünschen einer Mehrheit nachgeben und diese durch ein hartes oder mildes Vorgehen zu überzeugen suchen. Diese Situation ist eine häufige Ursache für Fehlurteile.

Ferner wird die Todesstrafe sehr oft als unzumutbare unmenschliche Grausamkeit empfunden. Bei allen bisherigen Hinrichtungsmethoden gab es unvorhergesehene Fehler, die Nebenwirkungen und Qualen für den Betroffenen verursachten. Doch rücken Todesstrafengegner dieses Argument nicht in den Vordergrund, da keine noch so „humane“ Hinrichtungsart die ethische Verwerflichkeit dieser Strafe aufhebe.

Für den Bundesgerichtshof ist die staatliche Organisation gesetzmäßiger Hinrichtungen daher „gemessen am Ideal der Menschenwürde ein schlechterdings unzumutbares und unerträgliches Unterfangen“.[15]

Kosten

Befürworter der Todesstrafe begründen diese auch mit den finanziellen Kosten einer lebenslangen Freiheitsstrafe als üblicher Alternative zu Hinrichtungen. Sie weisen zudem darauf hin, dass diese Kosten für die Allgemeinheit auch von den Opferangehörigen mitgetragen werden müssten und diese Versorgung der Täter eine unzumutbare Belastung für sie bedeute.

In Staaten wie den USA, deren Verfassung ein rechtsstaatliches Verfahren auch bei Kapitalvergehen garantiert, sind die realen Kosten eines Todesstrafenprozesses jedoch nachweislich im Durchschnitt höher als die einer lebenslangen Haft.[16] Hauptgrund sind die Dauer des Verfahrens und die Prozesskosten bei erfolgreicher Verteidigung von Kapitalverbrechern. So werden bei Strafanträgen auf eine Todesstrafe die polizeilichen Ermittlungsergebnisse besonders sorgfältig geprüft. Oft sind zudem mehrere Revisionsinstanzen und Wiederaufnahmemöglichkeiten vorgesehen, um Fehlurteile zu vermeiden.

Todesstrafengegner betonen, dass ökonomische Argumente in einer Frage, die das Grundrecht aller Menschen auf Leben berührt, keine Rolle spielen dürften. Andernfalls werde die Rechtsstaatlichkeit überhaupt aufs Spiel gesetzt, da aus Kostengründen dann auch andere rechtsstaatliche Verfahren „eingespart“ werden könnten. Das Lebensrecht, das auch Schwerstverbrechern zustehe, könne in auf Menschenrechte verpflichteten demokratischen Staaten nicht als reiner Kostenfaktor betrachtet werden.

Geschichte

zur Geschichte der Hinrichtungsmethoden siehe Hinrichtung

Altertum

Die Todesstrafe entwickelte sich aus der „Blutrache“. Diese war ein ungeschriebenes Sippenrecht in vorstaatlichen Gesellschaften, das von einem Angehörigen des Getöteten - meist dessen ältestem Sohn - verlangte, einen beliebigen Angehörigen der Sippe oder des Stammes, zu dem der Täter gehörte, zu töten. Dies sollte ursprünglich vom Töten einzelner Angehöriger fremder Sippen abschrecken, führte aber in Folgegenerationen oft zu endlosen Fehden und bis zur gegenseitigen Ausrottung ganzer Sippenverbände.[17]

Je mehr Nomadengruppen sesshaft wurden, desto mehr wurden verbindliche und einheitliche Schadensregelungen notwendig. Man entwickelte allmählich öffentliche Beweis-, Gerichts- und Strafverfahren, deren Todesurteile weiterhin ein von der Sippe ausgewählter „Bluträcher“ ausführen durfte. Die Todesstrafe war also anfangs nur eine Form der Rache des Kollektivs: Dieses delegierte deren Ausführung an eine allseits anerkannte Zentralgewalt, an der sich niemand rächen durfte und konnte.

Die Todesstrafe ist die früheste kodifizierte Strafart. Bereits die älteste bekannte Rechtssammlung, der Codex Ur-Nammu (ca. 2100 v. Chr.), sah sie für Mord und Ehebruch vor. Im Codex Hammurapi (ca. 1700 v. Chr.) wird sie auf weitere Vergehen ausgedehnt, wobei das Talionsprinzip für Körper- und Todesstrafen angewandt wurde. Das begrenzte die Blutrache auf das Töten des Täters, nicht beliebiger anderer Personen.

Bibel

Die biblische Tora zeigt die Entwicklung von der Blutrache zu geordneten Rechtsverfahren. Gen 9,6 EU verlangt Vergeltung für Tötungsfälle, ohne Totschlag und Mord zu unterscheiden und die Ausführenden festzulegen: Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht. Wer eine zum Ebenbild Gottes geschaffene Person tötet, greift demnach Gottes Alleinrecht an, Leben zu beenden. Dann erfordere Gottes Gerechtigkeit, auch sein Leben zu nehmen. Das Talionsrecht begrenzte dieses Prinzip, indem es einen der Tat angemessenen Schadensausgleich verlangt (Ex 21,23 EU): Entsteht dauerhafter Schaden, so gib ein Leben für ein Leben … ein Auge für ein Auge...“ Das forderte nicht die Opferangehörigen zur Vergeltung, sondern die Täterangehörigen zum Schadensersatz auf. Dessen Maß wurde von einem Gericht ermittelt und festgelegt. Es wurde denkbar, ein getötetes Leben auch auf andere Weise als durch Töten des Täters zu ersetzen.

Zauberei, Zoophilie und Inzest wurden schon im Animismus als Bedrohung der Gemeinschaft tabuisiert. Die Tora fordert die Todesstrafe zudem für Tatbestände, die die kultisch-religiöse Identität der Israeliten bedrohten (Fremdgötter-Verehrung, Blasphemie, Falschprophetie) oder als Merkmal fremder Völker galten (Menschenopfer, Menschenraub, Beschwörung von Geistern, Geschlechtsverkehr zwischen Männern), für bestimmte sexuelle (Ehebruch, Geschlechtsverkehr während der Menstruation) und soziale Tatbestände (Schlagen oder Verfluchen der Eltern). Jüngere Rechtkorpora der Tora unterschieden vorsätzliche, fahrlässige und unbeabsichtigte Tötungen, Körperverletzung mit Todesfolge und Notwehr immer genauer. Ein öffentliches Gerichtsverfahren zur Feststellung von Straftat und Strafmaß, zwei unabhängige Augenzeugen und die gründliche Prüfung ihrer Aussagen durch unbestechliche Richter für ein gültiges Todesurteil wurden verlangt. Zu Unrecht als Mördern verfolgten Totschlägern wurde Asylrecht in einer dafür vorgesehenen Zufluchtsstadt gewährt.[18] Die im Talmud gesammelte jüdische Rechtstradition arbeitete die Gerichtsverfahren immer genauer aus und erschwerte Todesurteile immer mehr bis zur völligen Aufhebung der Todesstrafe. So wurde z. B. ein Tätergeständnis nicht mehr als Urteilsgrund zugelassen.

Im Neuen Testament wurde die Todesstrafe als allgemeine Tatsache vorausgesetzt und nicht diskutiert. Jesus von Nazaret ordnete das Vergeltungsgebot (Gen 9,6) dem Bewahrungswillen Gottes (Gen 8,21f EU) unter und begründete damit sein Gebot der Feindesliebe (Mt 5,44 EU): Diese sei die Gottes geduldiger Gnade gemäße Form der Vergeltung. Demgemäß entkräftete er nach Joh 8,7 EU die in der Tora vorgesehene Todesstrafe für Ehebruch mit dem Hinweis: Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.

Antike

Viele antike Reiche kannten neben der Todesstrafe nur Geldstrafen und Versklavung, aber keine Freiheitsstrafen, da sichere Inhaftierung technisch kaum möglich war. Oft wurden Verurteilte öffentlich hingerichtet, um Zuschauer zu unterhalten und zugleich abzuschrecken. Besonders Sklaven wurden oft durch Folter − z. B. die Geißelung − verhört und vor der Hinrichtung gequält. Es gab aber auch Gegentendenzen: Besonders im antiken Athen prägte sich seit 600 v. Chr. ein Rechtsverfahren aus, das allerdings weiterhin zwischen freien Vollbürgern, Zugezogenen und Sklaven unterschied.

Im Römischen Reich wurden römische Bürger nur für besonders schwere Vergehen wie Verwandtenmord, Verhöhnung der Götter und Landesverrat mit dem Tod bestraft. In der Kaiserzeit wurde die Kreuzigung zur Abwehr gegen Staatsfeinde, Sklaven und Nichtrömer öfter angewandt, um das Imperium Romanum in eroberten Gebieten durchzusetzen und Aufstände zu unterdrücken.

Christen lehnten tötende Gewaltausübung wegen der Gebotsauslegungen Jesu anfangs meist ab. Die Kirchenväter stellten das Recht des römischen Staates zum Töten zusammen mit dem Kaiserkult oft in Frage. Nach der Konstantinischen Wende (313) gestand die Kirche dem Staat jedoch ein Vergeltungsrecht zu und legitimierte damit die Todesstrafe. Christen sollten sich jedoch weiterhin daran nicht beteiligen und mäßigend auf Staatsvertreter einwirken; auch Gnadengesuche von Bischöfen für zum Tod Verurteilte, Kritik an besonders grausamen Hinrichtungsarten und Urteilsgründen wurde üblich.[19] Nachdem das Christentum 380 zur Staatsreligion geworden war, nahmen staatliche Exekutionen jedoch nicht ab, sondern eher zu. Die Kirche war nun aktiv daran beteiligt: Augustinus von Hippo erlaubte getauften Staatsvertretern 420 mit Staatsämtern auch den Kriegsdienst und das Hinrichten.

Mittelalter

Die Römisch-Katholische Kirche rechtfertigte die Todesstrafe an „Heiden“ im Zuge gewaltsamer Christianisierung. Die Orthodoxe Kirche dagegen sah sie als Hindernis für die Mission. Das Byzantinische Reich reduzierte Hinrichtungen seit dem 8. Jahrhundert und ersetzte sie durch das Abschneiden von Nasen oder Ohren, um so einen pädagogischen Einfluss auf die Bevölkerung auszuüben. Dort wurde unter dem Kaiser Johannes II. Komnenus (1118-1142) in einer Phase innen- und außenpolitischer Stabilität kein Todesurteil vollstreckt.

Im 13. Jahrhundert setzte Papst Innozenz III. Hinrichtungen von „Ketzern“ durch. Bischöfe und Kardinäle verhängten Todesurteile, die von den staatlichen Behörden ausgeführt wurden. Die Regel Ecclesia non sitit sanguinem („die Kirche dürstet nicht nach Blut“) galt nur bedingt, da Kirchenvertreter auch politische Ämter innehatten und im eigenen Herrschaftsbereich hinrichten ließen.

Im Spätmittelalter, als das Machtmonopol von Papst- und Kaisertum, Klerus und Adel zunehmend bedroht war, nahmen Zahl und Grausamkeit der Hinrichtungen wie auch die Vergehen, die damit bestraft wurden, ständig zu. Kirchliche Inquisition sowie regionale und staatliche Hexenverfolgung trugen maßgeblich dazu bei.

Frühe Neuzeit

Die Reformation weckte anfangs große Hoffnungen auf Humanisierung von Kirche und Politik: Martin Luther rückte Gottes ultimatives Gnadenurteil für alle Menschen in das Zentrum des christlichen Glaubens und trennte geistliche und weltliche Macht (siehe Zwei-Reiche-Lehre). Es wurde denkbar, auch das staatliche Strafrecht dem Evangelium gemäß zu reformieren.

Doch das Glaubensbekenntnis der lutherischen Reichsstände, die Confessio Augustana von 1530, erlaubte Christen in Ausübung staatlicher Macht in Artikel XVI die Todesstrafe.[20] Das Landesherrliche Kirchenregiment stärkte die Eigenmacht der Fürsten. Diese reagierten auf Bauernaufstände, Raubrittertum − Ausdruck der Verelendung der Bevölkerung − sowie auf das Anwachsen von Städten mit größerer Einwohnerzahl und Kriminalität mit immer mehr Gewalt. In der Frühen Neuzeit zwischen 1525 und 1648 stieg die Zahl der Hinrichtungen daher ständig an. Die Methoden dazu wurden immer grausamer und vielfältiger. Mit Richtschwert, Galgen, Rad, Holzstoß usw. wurden immer geringere Vergehen, sogar kleinste Diebstähle, bestraft.

Zeitalter der Aufklärung

Der Westfälische Friede bestätigte 1648 die bisherige Festlegung der Religion durch die jeweiligen Landesfürsten (cuius regio, eius religio), die schon der Augsburger Religionsfrieden von 1555 provisorisch erlaubt hatte, verbot aber weitere Änderungen und sicherte den noch bestehenden Minderheiten den Schutz ihres status quo zu. Das begünstigte die Entstehung von Nationalstaaten und deren autonome Definition von Recht und zweckmäßigem Strafvollzug.

Im Zeitalter der Aufklärung entstand um 1740 in einem Teil der damaligen Bildungseliten erstmals eine Opposition gegen ein mit dem Sühnegedanken begründetes Strafrecht, so auch gegen die Todesstrafe. 1741 gelobte Kaiserin Elisabeth von Russland bei ihrer Krönung, kein Todesurteil vollstrecken zu lassen. Sie wiederholte dies 1753 mit zwei Erlassen, so dass die Todesstrafe während ihrer Regentschaft bis 1761 ausgesetzt war. Da die Verbrechen entgegen allgemeiner Auffassung in ihrem Reich nicht zunahmen, ließen auch ihre Nachfolger nur selten jemand hinrichten. Katharina II. entwarf 1766 eine Gesetzgebungsreform, die festlegte, dass „im gewöhnlichen Zustand der Gesellschaft der Tod eines Bürgers weder nützlich noch notwendig sei.“[21]

1744 schrieb Johann Gottlieb Gonne einen kurzen Zeitungsartikel, der Rache als Endzweck von Strafen als unvereinbar mit einer auf Verträgen basierenden bürgerlichen „Republik“ verwarf und nur Abschreckung und Besserung der Täter nach gleichen Strafmaßen als sinnvolle Strafzwecke gelten ließ. Der Franzose Francois Toussaint (1748), der Sizilianer Tomaso Natale (1759), der Österreicher Joseph von Sonnenfels (1765) und der Sachse Karl Ferdinand Hommel (1765) verfassten ähnliche Kritiken des geltenden Strafrechts in ihren Fürstentümern. Das Recht der Regenten zum Bestrafen von Verbrechern beruhe nicht auf Gottes Gesetz, so Hommel, sondern auf menschlichen und daher an ihrem gesellschaftlichen Nutzen zu messenden Gesetzen.[22]

Wie sie ging der Italiener Cesare Beccaria 1764 in seiner an die Fürsten gerichteten Schrift Dei delitti e delle pense („Über Verbrechen und Strafen“) von einer naturrechtlich begründeten fiktiven Vertragstheorie aus und folgerte daraus eine rationale Kritik des Sühnestrafrechts:[23]

„Ihr wollt den Verbrechen vorbeugen? Dann sorget dafür, daß die Gesetze klar und einfach sind, die ganze Macht der Nation sich auf ihre Verteidigung konzentriert und kein Teil dieser Macht auf ihre Zerstörung verwendet wird. Sorget dafür, daß die Gesetze weniger die Klassen der Menschen begünstigen als die Menschen schlechthin. Sorget dafür, daß die Menschen die Gesetze, und sie allein, fürchten. Die Furcht vor dem Gesetz ist heilsam, doch verhängnisvoll und trächtig von Verbrechen ist die Furcht von Mensch zu Mensch. Geknechtete Menschen sind genußsüchtiger, ausschweifender, grausamer denn freie Menschen. […] Ihr wollt den Verbrechen vorbeugen? Dann sorget dafür, daß die Aufklärung mit der Freiheit Hand in Hand gehe.“

Beccaria forderte also allgemeingültige eindeutige Gesetze, Rechtsstaatlichkeit und Befreiung von Klassenherrschaft, um Verbrechen zu verringern. Ferner argumentierte er:

„Aus der einfachen Betrachtung der bisher auseinandergesetzten Wahrheiten geht deutlich hervor, daß die Strafe weder den Zweck hat, ein empfindendes Wesen zu quälen und zu betrüben, noch ein bereits begangenes Verbrechen ungeschehen zu machen. Kann einer politischen Körperschaft, die, weit entfernt, aus Leidenschaft zu handeln, vielmehr die ruhige Leiterin der Leidenschaften der einzelnen ist, jene unnütze Grausamkeit, das Werkzeug der Wut, des Fanatismus oder schwacher Tyrannen innewohnen? Können die Klagerufe eines Unglücklichen von der nimmer zurückkehrenden Zeit die vollbrachten Taten zurückfordern? Der Zweck ist also kein anderer, als den Verbrecher daran zu hindern, seinen Mitbürgern neuen Schaden zuzufügen und die anderen von gleichen Handlungen abzuhalten. Es verdienen also die Strafen und die Art ihrer Auferlegung den Vorzug, die unter Wahrung der Angemessenheit den lebhaftesten und nachhaltigsten Eindruck auf die Gemüter der Menschen machen und dabei dem Schuldigen möglichst geringes körperliches Leid zufügen.“

Er lehnte damit den Sühnegedanken strikt ab zugunsten eines auf Rechtsschutz, Verbrechensbekämpfung und nachhaltige Humanisierung ausgerichteten Strafrechts: Nur ein vorbildlicher Rechtsstaat könne wirksam von Verbrechen abschrecken.

Beccarias Schrift wurde bis 1770 in zwanzig Sprachen übersetzt und in ganz Europa und Nordamerika rezipiert; er beeinflusste etwa Thomas Jefferson. Seine Argumente und Nützlichkeitserwägungen bewogen einige Regenten in Europa dazu, die Todesstrafe in ihrem Herrschaftsbereich abzuschaffen. 1786 hob Leopold II. im Herzogtum Toskana als erstem Staat der Welt die Todesstrafe auf. 1787 folgte ihm sein Bruder Joseph II. (HRR) für die Länder der Habsburgermonarchie. unter den Aufklärern eher die Ausnahme: Nur Gotthold Ephraim Lessing, der Dichter und Philosoph der aufgeklärten Toleranz, lehnte wie er die Todesstrafe ab. John Locke, Montesquieu, Voltaire und Rousseau befürworteten sie wie Kant. Hegel und Schopenhauer folgten ihm im 19. Jahrhundert. Durch die Jakobinerherrschaft im Gefolge der Französischen Revolution wurde dieser aufklärerische Trend jedoch beendet, und die Zahl der Hinrichtungen stieg europaweit erneut an. Ein letzter Beschluss der französischen Nationalversammlung vom 26. Oktober 1795, die Todesstrafe „am Tag des allgemeinen Friedens“ abzuschaffen, blieb unerfüllt.

19. und 20. Jahrhundert bis 1945

Im Gefolge der Märzrevolutionen von 1848 forderten die französische Nationalversammlung, die Frankfurter Nationalversammlung und die Preußische Nationalversammlung erneut die Abschaffung der Todesstrafe und nahmen diese in ihre Verfassungsentwürfe auf. Nur in San Marino wurde diese Forderung damals erfüllt. 1865 schaffte mit Rumänien der erste europäische Flächenstaat die Todesstafe zeitweise - bis 1939 - ab.[24]

Europäische Nationalstaaten ließen die Todesstrafe besonders während Nationalkriegen und in ihren Kolonien oft vollstrecken, um Machtinteressen abzusichern. Vertreter der Demokratiebewegung und der Arbeiterbewegung forderten zusammen mit Bürger- und Menschenrechten dagegen ihre generelle Abschaffung. Rosa Luxemburg etwa forderte zu Beginn der Novemberrevolution 1918 in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „Die Rote Fahne“ eine Aufhebung der Todesstrafe als notwendigen Anfang einer grundlegenden Justiz- und Gesellschaftsreform zur Überwindung von Klassenherrschaft.

Im ersten Strafgesetzbuch von 1922 der nach dem Russischen Bürgerkrieg (1917-1922) gegründeten Sowjetunion fehlte die Todesstrafe unter den als zulässig genannten Strafarten. 1927 hob eine Verordnung sie für alle Vergehen außer für Hochverrat und bewaffneten Raub auf. Praktisch blieb sie jedoch im Stalinismus in Kraft, um vermutete und tatsächliche Oppositionelle zu vernichten, besonders während der „Säuberungen“ von 1936/37. 1947 bis 1950 war die Todesstrafe in der SU erneut abgeschafft; jedoch durfte die Geheimpolizei weiterhin wie unter den Zaren ohne Gerichtsverfahren mutmaßliche Regimegegner töten.[25]

Vor allem im Nationalsozialismus kam es von 1933 bis 1945 zu massenhaften Justizmorden. Im Zweiten Weltkrieg führten auch einige kriegführende Staaten die Todesstrafe wieder ein, die sie schon einmal abgeschafft hatten. Sie erwies sich damit vollends als von wechselnden historischen Umständen und Machtverhältnissen abhängiges, nahezu beliebig missbrauchbares Herrschaftsinstrument.

Entwicklungen nach 1945

Seit diesen Erfahrungen gewann die Abschaffung der Todesstrafe in vielen westlichen Gesellschaften mehr und mehr Rückhalt.

Einsatz von Intellektuellen und Kirchen

Eine Reihe namhafter Autoren engagierte sich besonders seit 1945 stark für die Abschaffung: etwa der existentialistische Dichter Albert Camus, der Philosoph Jean-Paul Sartre oder der Arzt und Historiker Albert Schweitzer. Seine „Ehrfurcht vor dem Leben“ vertrat eine neue ökologische Ethik, die das Prinzip der mörderischen Selbstbehauptung durch die Einsicht in die Bedingtheit, Vernetzung und Solidarität allen Lebens ersetzt.

Im Protestantismus des 19. Jahrhunderts war Schleiermacher aus sittlichen Gründen gegen die Todesstrafe, ohne ihre kirchliche Legitimation und staatliche Anwendung zu bekämpfen. Nur Johann Ulrich Wirth trat diesen entgegen. Lutheraner sahen staatliches Tötungsrecht mit Berufung auf Röm 13,4f. EU meist als göttliche Anordnung, so dass man darauf nicht verzichten könne, ohne Gottes Autorität zu untergraben. Christliche Biblizisten und Fundamentalisten, besonders in den USA, teilen diese Argumentation und sehen die Todesstrafe vielfach weiterhin als göttliche Anordnung und unaufgebbares Staatsrecht.

Erst seit 1945 stellten einige Theologen diese Begründungen in Frage. Karl Barth begründete den Ausschluss der Todesstrafe 1951 mit dem Kreuzestod Jesu Christi, der alle Vergeltung auf sich genommen und damit erübrigt habe. Von da aus sei ein Staatsrecht zum Strafen durch den Tod eine mit christlichem Glauben und Rechtsstaatlichkeit unvereinbare Anmaßung.

Die Großkirchen haben einen allmählichen Kurswandel vollzogen und befürworten heute aktiv die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. Seit 1968 lehnte der Vatikan diese zunehmend ab und erklärte sie für unvereinbar mit der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen. Papst Paul VI. ließ sie 1969 aus der Verfassung des Vatikanstaats streichen; die offizielle katholische Ethik legitimiert sie nur für seltene Ausnahmefälle.[26] Die Evangelische Kirche in Deutschland lehnt die Todesstrafe als unvereinbar mit der Menschenwürde ab: Weil alles Leben von Gott geschaffen sei, bleibe auch der Täter Gottes Ebenbild. Kein Verbrechen könne seine Würde und sein Lebensrecht aufheben. Eine Symmetrie zwischen Tat und Strafe sei daher weder möglich noch erstrebenswert. Um die Menschenwürde aller zu achten und zu schützen, müsse der Rechtsstaat das Tötungsverbot als Grenze gewaltsamer Rechtsdurchsetzung anerkennen und auf die Todesstrafe - ebenso wie auf Folter und Körperstrafen - verzichten. Damit stehe und falle er.[27]

Abschaffung der Todesstrafe in Europa

Alle Mitgliedsstaaten des Europarats haben bis 1997 die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet und damit die Todesstrafe in Friedenszeiten abgeschafft. Seitdem hat es auf dem Gebiet des Europarats keine Hinrichtung mehr gegeben.

Dem ging ein Gesinnungswandel breiter Gesellschaftsschichten voraus, der das Verhalten der europäischen Regierungen erst allmählich veränderte. Artikel 2 der EMRK rechtfertigte die Todesstrafe zunächst noch bedingt. Doch nach und nach wurde der Europarat unter dem Druck der öffentlichen Meinung ein entschiedener Kämpfer gegen die Todesstrafe. 1983 legte er deshalb das 6. Fakultativprotokoll zur ihrer Abschaffung in Friedenszeiten auf. Alle 46 Mitgliedsstaaten sind diesem Protokoll beigetreten; Deutschland tat dies 1989. Auch Russland unterzeichnete die EMRK 1997, hat sie aber noch nicht ratifiziert und behält die Todesstrafe im Kriegsrecht bei. Das russische Verfassungsgericht setzte 1999 jedoch alle Todesurteile aus und verbot weitere.

Das 13. Fakultativprotokoll der EMRK erklärte 2002 schließlich auch die Todesstrafe in Kriegszeiten als abgeschafft. Deutschland hat es im Juli 2004 ratifiziert. Die am 29. Oktober 2004 unterzeichnete, aber nicht in Kraft getretene EU-Verfassung sah ein Verbot der Todesstrafe vor. Die Europäische Union (EU) hat die vollständige Abschaffung zu einem Teil ihres Wertekanons erhoben und zur Aufnahmebedingung für neue Mitgliedsstaaten gemacht. Sie hat damit die Diskussion und Situation in möglichen Beitrittsländern beeinflusst. So hat seit 2004 auch die Türkei die Todesstrafe gesetzlich abgeschafft. Illegale Tötungen durch Polizei und Militär, sei es bei Festnahmen oder durch Folter in Haft oder im Kampf gegen Kurden, geschehen dort weiterhin.[28]

Nur Weißrussland und der Vatikan sind in Europa keine Mitgliedstaaten des Europarats. Das letzte Todesurteil wurde im Kirchenstaat 1870 vollstreckt. 1969 schaffte die Vatikanstadt die Todesstrafe per Gesetz ab; 2001 strich man sie endgültig auch aus der Verfassung. In Weißrussland wird die Todesstrafe dagegen weiterhin praktiziert; 1996 befürworteten 80 Prozent der Weißrussen ihre Beibehaltung. Bis 2003 konnte sie für zwölf Straftatbestände verhängt werden, seither nur noch bei schweren Mordfällen. 134 Weißrussen sollen zwischen Dezember 1996 und Mai 2001 gesetzlich erschossen worden sein. Seitdem nehmen die Hinrichtungen ab; genaue Zahlen gibt der Staat jedoch nicht bekannt.

Auch in den EU-Staaten fordern Teile der Bevölkerungs öfter die Wiedereinführung der Todesstrafe, vor allem im Zusammenhang mit Sexualverbrechen, Terroranschlägen oder politischen Morden. In Polen lehnte das Parlament am 22. Oktober 2004 einen entsprechenden gemeinsamen Gesetzesentwurf einer Gruppe rechtskonservativer und rechtsextremer Parteien nur mit knapper Mehrheit ab. Nach Umfragen sind derzeit 77 Prozent der Polen für die Todesstrafe für Völkermord und besonders grausamen Mord. Zu den Befürwortern gehören auch der Präsident Lech Kaczyński sowie sein Bruder Jarosław Kaczyński, ehemaliger Premierminister. Allerdings hindert die Mitgliedschaft in der EU sowie die Polnische Verfassung (Art. 38 u. 40) Polens Regierung daran, die Todesstrafe wiedereinzuführen.[29]

In den Niederlanden wird seit den Morden an Pim Fortuyn und Theo van Gogh wieder öffentlich die Todesstrafe verlangt. Der liberale Parteipolitiker Patrick van Schie möchte den Grundgesetzartikel 114, der sie dort verbietet, aufheben, um sie zur Abschreckung islamistischer Terroristen zuzulassen. Nach Umfragen unterstützen derzeit rund 50 Prozent der Bevölkerung diesen Vorstoß. Er fände im Parlament aber keine Mehrheit, da er dort als unvereinbar mit europäischen Werten und rechtsstaatlichen Grundsätzen gilt.

UNO-Kampagnen

In ihrer Resolution 32/61 vom 8. Dezember 1977 erklärte die UN-Generalversammlung, die Todesstrafe abzuschaffen sei wünschenswert. Dafür setzt sich die UN-Menschenrechtskommission aufgrund ihrer Resolution 2004/67 vom 21. April 2004 ein und entwickelt wirksame Mechanismen zu deren Durchsetzung und Überprüfung. Sie fordert eine weltweite Aussetzung für Hinrichtungen.

Am 1. November 2007 legten 72 Staaten, darunter alle Mitglieder der Europäischen Union, einen neuen Resolutionsentwurf bei der UNO vor. Er fordert zunächst ein Moratorium für die Vollstreckung bereits gefällter Todesurteile mit dem Ziel, die Todesstrafe langfristig abzuschaffen, da sie die Menschenrechte untergrabe.[30] Nach der Billigung durch das Social, Humanitarian and Cultural Affairs Committee (Third Committee) stimmte die UN-Generalversammlung dem Antrag am 18. Dezember 2007 mit 104 Ja-Stimmen zu. Das Hinrichtungsmoratorium ist jedoch für die UN-Mitgliedsstaaten nicht rechtlich bindend.

Weiterhin verzichten jedes Jahr einige Staaten unter öffentlichem Druck auf die Todesstrafe und verankern ihre Abschaffung gesetzlich. Andererseits behalten viele UN-Mitgliedsstaaten sie bei. Willkürliche Hinrichtungen und tödliche Formen von Staatsgewalt nehmen zu. In vielen Staaten herrschen diktatorische Regime ohne rechtsstaatliche Kontrolle und Aufklärung über Art und Ausmaß von individuellen und staatlichen Verbrechen. Die kulturell verschiedene Auslegung der Menschenrechte und andere Faktoren erschweren die Durchsetzung internationaler Rechtsstandards.

Einsatz von Nichtregierungsorganisationen

Eine Vielzahl von Initiativen, Organisationen und gesellschaftlichen Verbänden engagiert sich heute weltweit gegen die Todesstrafe. Dies begrüßen auch manche ihrer Befürworter als unerlässlichen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit. Gegner betonen darüber hinaus, dass die Abschaffung der Todesstrafe zur allgemeinen Geltung aller Menschenrechte beitragen würde. Um deren Achtung unumkehrbar zu machen, bedürfe es eines ständigen zivilisierenden Engagements.

Dieses Thema war ein Hauptmotiv zur Gründung von Amnesty International (AI), einer der ersten und weltweit anerkannten Menschenrechtsorganisationen, der zahlreiche Gruppen mit ähnlichen Zielsetzungen gefolgt sind. Mit der Gründung der Weltkoalition gegen die Todesstrafe (World Coalition Against the Death Penalty) im Juni 2001 in Straßburg haben sich zunächst 38 solcher nichtstaatlichen Organisationen (NGOs), Anwaltsverbände, Kommunen und Länder, Gewerkschaften und Kirchen aus der ganzen Welt eine gemeinsame Plattform gegeben. Sie führen seit dem 10. Oktober 2003 jährlich einen „Aktionstag gegen die Todesstrafe“ durch und starten wirksame Initiativen zur Durchsetzung internationaler Rechtsstandards, z. B. indem sie prominente Persönlichkeiten und einflussreiche Politiker zu Hinrichtungsterminen oder parlamentarischen Abstimmungen zur Todesstrafe entsenden.

Am 30. November 2004 beteiligten sich 267 Städte weltweit − darunter 25 Hauptstädte − an der Aktion Cities for Life („Städte für das Leben“), indem sie ein Wahrzeichen ihrer Stadt grün anstrahlten. Die Gemeinschaft Sant'Egidio initiierte diese Aktion 2002. Das Datum wurde gewählt, weil das Großherzogtum Toskana 1786 an diesem Tag als erstes Land der Welt die Todesstrafe abschaffte. Im Rahmen der Kampagne „Nein zur Todesstrafe“ haben AI, die Gemeinschaft Sant’Egidio und Moratorium 2000 seit 1998 fünf Millionen Unterschriften gegen die Todesstrafe gesammelt und den Vereinten Nationen übergeben.

Auf Initiative mehrerer Menschenrechtsorganisationen dient das Kolosseum in Rom seit 1999 als Monument gegen die Todesstrafe. Es wird immer, wenn ein Todesurteil ausgesetzt wird oder ein Staat dieser Welt die Todesstrafe abschafft, 48 Stunden lang in bunten Farben angestrahlt.

Abschaffungsprozesse in Einzelstaaten

Deutschland

Kaiserreich

Die badische Guillotine (Nachbau, Städtisches Museum im Schloss Bruchsal)

Einige deutsche Länder (Bremen, Oldenburg, Sachsen) hatten die Todestrafe nach der Märzrevolution von 1848/49 abgeschafft. 1870 verabschiedete der Norddeutsche Bund ein allgemeines Strafrecht: Deshalb wurde im Reichstag erstmals über die Todesstrafe debattiert. Vor allem Wilhelm Liebknecht sprach sich gegen sie aus; nach seiner Rede stimmte in zweiter Lesung eine Mehrheit von 118 zu 81 Abgeordneten der Abschaffung zu. Otto von Bismarck erreichte jedoch einen Umschwung, indem er die Einheit der Nation beschwor: Einige deutsche Länder würden dem Strafrechtsentwurf nur zustimmen, wenn die Todesstrafe darin beibehalten werde. Dafür stimmten in dritter Lesung 127 zu 119 Abgeordnete.[31]

Im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 war die Todesstrafe daher als Strafe für vollendeten Mord (§ 211) und für Mordversuch an Kaiser oder Landesherrn (§ 80) vorgesehen. Todesurteile fällte eine Laienjury. Ein einmaliges Berufungsverfahren war möglich, danach Verurteilte konnten ein Gnadengesuch an den Kaiser richten. Wilhelm II. ließ jedes Jahr mehrere Todesurteile vollstrecken. Sie wurden von mehreren dutzend Scharfrichtern an verschiedenen Orten im ganzen Reich durch Enthaupten ausgeführt. Dabei waren bis 1877 Zuschauer erlaubt, danach nur noch die vorgeschriebenen Blutzeugen.

Die Gesamtzahl der Hinrichtungen bis 1914 ist aufgrund verlorener Akten unbekannt. Sie geht aber in die Tausende, da schon ein einziger Scharfrichter 123 Urteile vollstreckte. Auch eine hohe Zahl von Fehlurteilen gilt als wahrscheinlich.[32]

Weimarer Republik

Bei der Debatte über die Weimarer Verfassung verfehlten die Gegner der Todesstrafe - SPD, USPD und einzelne Abgeordnete anderer Parteien - nur knapp die notwendige Mehrheit für ihre Abschaffung. In der Folgezeit wurden politisch motivierte Morde von linksgerichteten Tätern weit öfter mit dem Tod bestraft als von rechtsgerichteten Tätern: Darauf wies unter anderem 1921 der Publizist Emil Julius Gumbel hin. Die Zahl der Hinrichtungen sank fortan stetig und beschränkte sich meist auf die Ahndung spektakulärer Verbrechen wie die der Serienmörder Fritz Haarmann (1925) und Peter Kürten (1931). Ein Antrag der SPD, die Todesstrafe abzuschaffen, scheiterte im November 1927 im Ausschuss für Strafrechtsreform des Reichstages.

Zeit des Nationalsozialismus

Kurz nach Beginn ihrer Regierungszeit erließen die Nationalsozialisten am 29. März 1933 das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe“. Es sah vor, dass die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 auch rückwirkend für Taten gelten sollte, die in der Zeit zwischen dem 31. Januar und dem 28. Februar 1933 begangen worden waren. Großes Aufsehen erregte daher die Hinrichtung des angeblichen Reichstagsbrandstifters Marinus van der Lubbe auf Basis dieses Gesetzes am 10. Januar 1934: Da auf Brandstiftung zum Tatzeitpunkt noch gar nicht die Todesstrafe stand, die man nur für seinen Fall rückwirkend eingeführt hatte, verstieß das Urteil gegen den Rechtsgrundsatz nulla poena sine lege (lat.: „keine Strafe ohne Gesetz“). Das Gesetz wird aus diesem Grund auch oft als Lex van der Lubbe bezeichnet. Der Reichskommissar für Justiz Hans Frank stellte auf dem Reichsparteitag im September 1934 den „rücksichtslosen Vollzug der Todesstrafe“ als besondere Errungenschaft des NS-Rechtssystems dar.

In der Folgezeit wurde durch zahlreiche Verordnungen, unter anderem die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5. September 1939, die Zahl der mit der Todesstrafe zu ahndenden Straftaten immer weiter erhöht. 1941 wurde im Strafgesetzbuch die „Reinigungstodesstrafe“ für „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ und „Sittlichkeitsverbrecher“ eingeführt.[33] Nach dem Gesetzeswortlaut war für deren Verhängung alternativ der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne ausreichend. In der zeitgenössischen Rechtsprechung und Literatur wurde diese Regelung dahingehend verstanden, dass neben die Strafzwecke Vergeltung und Prävention nun zusätzlich auch die „Minderwertigkeit“ des Täters für die Verhängung der Todesstrafe ausreichte. Der anerkannte Strafrechtler Georg Dahm begründete dies mit einem „sittlichen und biologischen Reinigungsbedürfnis der Gemeinschaft“.[34] Vom 28. Februar 1933 bis zum 16. April 1945 wurde die Todesstrafe – über den Mordtatbestand hinaus – für 46 weitere Straftatbestände als Regelstrafe eingeführt, die als juristisches Mittel zur Herrschaftssicherung dienten. Eine detaillierte Aufzählung enthält das Begleitheft des Niedersächsischen Justizministeriums von 2001 zur Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus“ über insgesamt 77 neu eingeführte Todesstrafen. Ab 1944 konnte die Todesstrafe darüber hinaus für jedes beliebige Delikt verhängt werden, als Maßstab galt nur noch das „gesunde Volksempfinden“. Bezeichnend ist ein Zitat Adolf Hitlers von 1942: Nach 10 Jahren Zuchthaus ist der Mensch sowieso für die Volksgemeinschaft verloren. Solchen Kerl steckt man entweder in ein Konzentrationslager oder tötet ihn. In letzter Zeit ist das letztere wichtiger, um der Abschreckung willen.[35]

Nach der amtlichen Statistik wurden zwischen 1933 und 1945 16.560 Todesurteile gefällt, davon wurden etwa 12.000 vollstreckt. 664 Todesurteile erfolgten vor Kriegsbeginn, 15.896 während des Zweiten Weltkriegs. Allein der Volksgerichtshof verhängte 5.243 Todesurteile. Außerdem wurden zusätzlich etwa 20.000 Todesurteile von Kriegsgerichten ausgesprochen. Der Rechtshistoriker Ingo Müller schätzte 1989 die Zahl der während des 2. Weltkriegs von der NS-Kriegsgerichtsbarkeit verhängten Todesurteile auf 33.000, von denen 89 % auch vollstreckt worden seien. Demgegenüber wurden im Ersten Weltkrieg im Kaiserreich nur 150 Todesurteile gefällt, von denen 48 vollstreckt wurden.

Hitler machte in Mein Kampf diese nach seiner Ansicht zu milde Militärgerichtsbarkeit des Kaiserreichs für die Niederlage im 1. Weltkrieg verantwortlich: Dass man im Kriege aber praktisch die Todesstrafe ausschaltete, die Kriegsartikel also in Wirklichkeit außer Kurs setzte, hat sich entsetzlich gerächt.[36]

Die meisten Urteile wurden durch das Fallbeil vollstreckt. Aber auch Erhängen war üblich, insbesondere bei Landesverrat und bei Massenhinrichtungen. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 wurden viele Todesurteile ausgesprochen und auf besonders grausame Weise durch Erhängen an Fleischerhaken mit Schlingen aus Klaviersaiten vollstreckt. Dies geschah auf Befehl Hitlers, der die Exekutionen auch filmen und fotografieren ließ. Bis zu 142 Hinrichtungen pro Tag fanden im Strafgefängnis Plötzensee statt. Der bekannteste und meistbeschäftigte Scharfrichter im Dritten Reich war Johann Reichhart.

Mit einer Entschließung vom 25. Januar 1985 stellte der Deutsche Bundestag fest, dass der Volksgerichtshof ein Terrorinstrument zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Willkürherrschaft gewesen sei und seinen Entscheidungen daher nach Überzeugung des Deutschen Bundestages keine Rechtswirksamkeit zukomme.[37] Mit dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. August 1998 wurden die Urteile des Volksgerichtshofs und der Standgerichte auch formell aufgehoben (siehe Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen).

Sowjetische Besatzungszone und DDR

In der SBZ gab es von 1945 bis zur Gründung der DDR 1949 121 Todesurteile durch deutsche Behörden, von denen 47 vollstreckt wurden. In einem Fall ist die Vollstreckung noch nicht geklärt. Wie viele Todesurteile die sowjetische Besatzungsmacht in den 1940er und 1950er Jahren fällte und durch Erschießen vollstreckte, ist unbekannt. Man schätzt, dass es einige Hundert Fälle waren. Von 1947 bis Januar 1950 war die Todesstrafe in der UdSSR jedoch abgeschafft, so dass in diesen Jahren erlassene Todesurteile auch in der SBZ in lebenslängliche oder 25-jährige Haft umgewandelt wurden.

Seit 1949 gab es in der DDR 227 rechtskräftige Todesurteile, davon wurden 166 vollstreckt.[38] Sie konnten bei Mord und Kriegsverbrechen, aber auch bei Spionage, Sabotage und etwa 15 weiteren Delikten verhängt werden. Sie wurden zunächst durch Enthauptung mit der Guillotine, ab 1966 durch einen „unerwarteten Nahschuss“ in das Genick vollstreckt.

Bis 1960 fanden die Hinrichtungen zum überwiegenden Teil in Dresden, aber auch im Zuchthaus Brandenburg und in Frankfurt (Oder) statt. Das Dresdner Fallbeil war im Dritten Reich im Innenhof des Landgerichts am Münchner Platz zum Einsatz gekommen, dann kurz vor Kriegsende in einem vollgelaufenen Steinbruch in der Nähe von Kamenz in der Westlausitz versenkt, nach Kriegsende geborgen und wieder hergerichtet worden. Bis 1956 wurden dort Hinrichtungen vorgenommen, ab 1957 übernahm die TU Dresden das Gebäude. Heute steht dort eine Gedenkstätte, die auf die Hinrichtungen hinweist. Seit 1960 fanden alle Hinrichtungen zentral in Leipzig im Gefängnis in der Alfred-Kästner-Straße statt.

Ab 1970 wurde die Todesstrafe nur noch selten verhängt, und zwar fast ausschließlich in Spionagefällen. Das letzte Todesurteil wurde am 26. Juni 1981 am MfS-Offizier Dr. Werner Teske vollstreckt,[39] die letzte zivile Todesstrafe an dem Kindermörder Erwin Hagedorn aus Eberswalde am 15. September 1972.

Am 17. Juli 1987 verkündete der Staatsrat der DDR die rechtliche Abschaffung der Todesstrafe im Rahmen einer umfassenden Amnestie, u. a. für Wirtschaftskriminalität und Republikflucht. Im Dezember verabschiedete die Volkskammer ein Gesetz dazu. Diese Maßnahmen entsprachen westlichen Forderungen und hingen mit dem damaligen Staatsbesuch von Erich Honecker in Bonn zusammen.

Auffällig ist die strikte Geheimhaltung aller Hinrichtungen von 1949 bis zum Ende der DDR 1990. Selbst bei offen verkündeten Todesurteilen in Schauprozessen wurde die Vollstreckung stets vollständig geheim gehalten. Selbst in den Totenscheinen der Hingerichteten erschien als Todesursache meist nur „Herzversagen“. Zahl und Art der Hinrichtungen wurden erst nach der Wende in der DDR bekannt.

Westalliierte Besatzungszonen

Zwischen 1945 und 1951 wurden die letzten Todesstrafen im Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland vollstreckt, meist im Rahmen der Nürnberger Prozesse gegen ehemalige Größen des nationalsozialistischen Regimes wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Holocaust). Außerdem gab es mehrere Todesurteile und Hinrichtungen anderer Straftäter. In Gefängnissen der US-Armee auf westdeutschem Boden wurden bis 1951 806 Personen zum Tod verurteilt; etwa 300 davon wurden hingerichtet, davon 284 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg.

Die Länder Baden, Bayern, Bremen und Hessen gaben sich 1946/47 noch vor dem Grundgesetz eigene Verfassungen. Sie ließen die Todesstrafe noch zu, verhängten sie aber bis 1949 nicht mehr. Rheinland-Pfalz verhängte noch Todesurteile, die aber nicht mehr vollstreckt wurden: Die neu erbaute Guillotine wurde erst am 11. Mai 1949 einsatzbereit gemeldet. Drei Tage zuvor hatte der Parlamentarische Rat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verabschiedet.

Als Letzten haben deutsche Behörden in Westdeutschland den 28-jährigen Mörder Richard Schuh am 18. Februar 1949 in Tübingen hingerichtet, nachdem der damalige Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern, Gebhard Müller, eine Begnadigung abgelehnt hatte.

West-Berlin war wegen des Vier-Mächte-Status bis 1990 nicht in den Geltungsbereich des Grundgesetzes einbezogen. Dort trat das „Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe“ am 20. Januar 1951 in Kraft. In Berlin wurde zuletzt am 12. Mai 1949 der 24-jährige Raubmörder Berthold Wehmeyer durch das Fallbeil hingerichtet. Das Besatzungsstatut sah in West-Berlin für „strafbare Handlungen gegen die Interessen der Besatzungsmächte“ weiterhin die Todesstrafe als Höchststrafe vor. Davon wurde aber nie Gebrauch gemacht.

Bundesrepublik Deutschland

Bei Beratungen zum Grundgesetz im Parlamentarischen Rat schlug Hans-Christoph Seebohm, Vertreter der rechtsgerichteten Deutschen Partei, am 6. Dezember 1948 überraschend ein Verbot der Todesstrafe vor. Er wollte damit auch Todesurteile für NS-Kriegsverbrecher aussetzen lassen.[40] Abgeordnete der SPD und CDU schlossen sich dem Antrag an. Friedrich Wilhelm Wagner (SPD) beantragte erfolgreich, die Abschaffung der Todesstrafe in das Grundgesetz aufzunehmen.

Dieses trat mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 als übergeordnetes Bundesrecht in Kraft. Artikel 102 lautet schlicht: Die Todesstrafe ist abgeschafft. Fortan durfte sie in der Bundesrepublik weder angeordnet noch vollstreckt werden. Direkt danach suchten Konrad Adenauer (CDU) und Kurt Schumacher (SPD) den Hohen Kommissar für Deutschland auf und protestierten mit Hinweis auf die neue bundesdeutsche Rechtslage gegen die Hinrichtung von zum Tod verurteilten Kriegsverbrechern. John J. McCloy setzte daraufhin einige anstehende Hinrichtungen aus. Dennoch wurden in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am 7. Juni 1951 letztmals sieben deutsche Kriegsverbrecher erhängt.

Im Strafgesetzbuch blieb die Todesstrafe etwa für Mord bis 1953 vorgesehen und wurde erst mit dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz (BGBl. I S. 735) jeweils durch lebenslange Zuchthausstrafe ersetzt. Einzelne Landesverfassungen ließen die Todesstrafe theoretisch noch zu: Nach Art. 47, Abs. 4 der Bayerischen Verfassung musste die Staatsregierung deren Vollzug bestätigen.[41] Erst nach einem Volksentscheid vom 8. Februar 1998 wurde dieser Passus gestrichen. Auch in der Verfassung des Saarlands, das der Bundesrepublik 1957 beitrat, stand bis 1956 eine ähnliche Vorschrift.[42] In Art. 21, Abs. 1 der Verfassung des Landes Hessen ist bis heute die gegenstandslose Einschränkung enthalten, dass ein richterliches Todesurteil nur auf Grund eines Strafgesetzes und nur bei besonders schweren Verbrechen erlaubt sei.[43]

Am 27. März 1950 befasste sich der Bundestag mit einem ersten Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Todesstrafe, den Hermann Etzel für die rechtskonservative Bayernpartei wie folgt begründete:[44]

„Wie kann eine Gesellschaft solchen Untieren gegenüber von der Todesstrafe absehen? Hier ist der Verzicht auf sie die Äußerung einer falsch verstandenen Humanität.“

Gemeint waren am Holocaust beteiligte Nationalsozialisten, deren Verbrechen mit dem Tod vergolten werden sollten. Dafür fand sich damals weder eine einfache noch die erforderliche verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit.

1952 beantragte die damals an der Regierung beteiligte Deutsche Partei erneut die Wiedereinführung der Todesstrafe. Auch Bundeskanzler Adenauer und der spätere Justizminister Richard Jaeger (CSU) plädierten in einzelnen Wahlkampfreden dafür. FDP-Justizminister Thomas Dehler sprach das Hauptargument der Gegner aus:[44]

„Hat man sich grundsätzlich für die Todesstrafe entschlossen, dann ist die entscheidende Schwelle überschritten.“

Nach Meinungsumfragen von 1960 befürworteten über 70 Prozent der Bevölkerung die Todesstrafe für Schwerverbrecher. Auch für die Verbrechen der RAF in den 1970er Jahren forderten erhebliche Teile der Bevölkerung ihre Wiedereinführung. Diese wurde im Bundestag aber nie wieder thematisiert. Sie wäre wegen der uneingeschränkten Abschaffung nach Art. 102 GG verfassungswidrig.

Das deutsche Strafrecht unterscheidet den Begriff „Strafe“ als „Repressalie“ bzw. „Übelzufügung“ streng von einer „Maßregel“ zur Sicherung der Gesellschaft, mit der die Tötung von Verbrechern meist begründet wird. Daher wurde der Geltungsbereich von Art. 102 verfassungsrechtlich diskutiert. Er schließt nach herrschender Auffassung auch alle als Reaktionen auf Delikte und alle präventiv begründeten staatlichen Tötungen aus. Umstritten blieb, ob er in Verbindung mit Art. 2, Abs. 2 (Recht auf Leben) alle planmäßigen Tötungen namentlich bekannter Personen durch Staatsorgane ausschließt.[45]

Rechtswissenschaftler diskutieren auch, ob Art. 102 gemäß Art. 79 GG mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat geändert oder gestrichen werden könnte. Nach herrschender Meinung würde die Todesstrafe in jedem Fall die unantastbare Menschenwürde verletzen, also gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßen. Da dieser durch die Ewigkeitsklausel gegen Änderungen geschützt ist, sei Art. 102 GG streng genommen überflüssig und habe nur klarstellende Funktion.[46] - Einigen Verfassungsrechtler zufolge lässt sich weder rechtshistorisch noch zukünftig belegen, dass die Todesstrafe immer und ausnahmslos mit Menschenwürde unvereinbar ist. Der Verfassungsgeber habe daher darauf verzichtet, Art. 102 ausdrücklich an der Ewigkeitsgarantie teilhaben zu lassen, so dass dieser Artikel unter den nach Art. 79 Abs. 3 unveränderlichen Grundrechten nicht genannt werde. Es blieben also Kapitalverbrechen denkbar, für die ausnahmsweise die Todesstrafe angedroht werden könne. Art. 102 würde dann als übergeordnetes Recht in Kraft bleiben, um den Ausnahmecharakter dieser Androhung zu gewährleisten.[47] Zudem sei auch eine Auslieferung von Schwerverbrechern in ein Land, in dem die Todesstrafe drohe, nicht in jedem Einzelfall unberechtigt.

Österreich

Schon seit dem 16. Jahrhundert gab es in Österreich Vorstöße, die Todesstrafe einzuschränken oder abzuschaffen. Sie hatten im 18. Jahrhundert erste Erfolge, als mit der „verschärften Todesstrafe“ besonders grausame Formen wie das Rädern abgeschafft wurden. Als Joseph II. nach dem Tod seiner Mutter 1780 die Regentschaft übernahm, verfügte er die Todesstrafe nach 1781 nur in einem einzigen aufsehenerregenden Fall. Im Jahre 1787 wurde mit dem Josephinischen Strafgesetz die Todesstrafe im ordentlichen Strafprozess abgeschafft und blieb nur im Standrecht erhalten. Aus wirtschaftlichen Gründen und weil es abschreckender und empfindlicher sein sollte, setzte man die Sträflinge stattdessen zur Zwangsarbeit ein, bei der aber letztendlich durch die Behandlung viele starben. Jedoch wurde die Todesstrafe 1795 für Hochverrat und 1803 auch für andere schwere Verbrechen wieder eingeführt. An Frauen wurde ab 1809 kein Todesurteil mehr ausgesprochen. Erst im Jahr 1900, nach 91 Jahren, wurde mit der Kindesmörderin Juliana Hummel wieder eine Frau zum Tode verurteilt.

Die Strafrechtsreform von 1871 sah die Todesstrafe nur noch für Mord vor. Während des 1. Weltkriegs führte die Regierung jedoch ein Notverordnungsrecht ein, das wieder weitere Delikte mit dem Tod bestrafte. Es wurde bis 1919 angewandt; dann schaffte die 1. österreichische Republik die Todesstrafe für ordentliche Verfahren ab. Die Diktatur unter Engelbert Dollfuß (Christlich-soziale Partei) griff 1934 infolge der Februarkämpfe auf das nie formell abgeschaffte Notverordnungsrecht zurück und führte die Todesstrafe für zahlreiche Delikte wieder ein. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 ähnelte die Rechtslage der des Dritten Reichs.

In der 2. Republik war die Todesstrafe für schwere Delikte zunächst noch vorgesehen, wurde 1950 jedoch für ordentliche, am 7. Februar 1968 auch für standrechtliche Verfahren abgeschafft. Rechtsgrundlage für die Abschaffung der Todesstrafe sind Artikel 85 Bundes-Verfassungsgesetz, das 6. Zusatzprotokoll zur EMRK und − insbesondere − das 13. Zusatzprotokoll zur EMRK.[48] Die letzten beiden Hinrichtungen fanden durch Erhängen statt: nach österreichischem Recht am 24. März 1950 im Straflandesgericht Wien, nach alliiertem Recht in der US-amerikanischen Besatzungszone im Februar 1955.

Schweiz

Im zivilen Strafrecht der Schweiz war seit der frühen Neuzeit die Enthauptung durch das Schwert die übliche Hinrichtungsmethode für zum Tod Verurteilte. Seit 1835 kam die Guillotine dazu, wobei einzelne Kantone den Verurteilten die Wahl zwischen ihr und dem Schwert gewährten. Der letzte zum Tod verurteilte, der mit dem Schwert enthauptet wurde, war Niklaus Emmenegger (6. Juli 1867 in Luzern).

Bereits 1848 war die Todesstrafe für politische Vergehen in der Bundesverfassung abgeschafft worden. In der Verfassungsrevision von 1874 wurde sie schließlich generell verboten (damals Art. 65 BV). Wegen einer deutlichen Zunahme der Kriminalität, die wohl auch auf eine damalige Rezession zurückzuführen war, wurde das Verbot der Todesstrafe aber bereits in der Volksabstimmung vom 18. Mai 1879 mit 52,5 % ja-Stimmen und 15 zu 7 Ständen wieder aus der Verfassung gestrichen.[49]

1898 erhielt der Bund die Kompetenz, das Schweizer Strafrecht zu vereinheitlichen, das bisher kantonal geregelt war. Aber erst am 21. Dezember 1937 verabschiedete das Parlament nach heftigen Debatten ein eidgenössisches Strafgesetzbuch, das die Todesstrafe definitiv ausschloss. Gegen diese Vereinheitlichung wurde erfolgreich das Referendum ergriffen, so dass es am 3. Juli 1938 zur Volksabstimmung kam. Die Vorlage wurde mit 53,5 % ja-Stimmen angenommen[49] und trat am 1. Januar 1942 endgültig in Kraft, womit die zivile Todesstrafe in der Schweiz abgeschafft war.

Die zivile Todesstrafe wurde in der Schweiz seit 1848 nur selten vollzogen und war in vielen kantonalen Strafgesetzbüchern auch nach der Wiedereinführung 1879 nicht mehr vorgesehen. Nach 1879 wurden noch neun zivile Hinrichtungen vollzogen, die abgesehen vom Fall Chatton 1902 allesamt in der Innerschweiz durchgeführt wurden. Als Letzter nach einem zivilen Strafprozess wurde der 32-jährige dreifache Mörder Hans Vollenweider aus Zürich am 18. Oktober 1940 in Sarnen im Kanton Obwalden hingerichtet. Da die Abschaffung der Todesstrafe zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen, aber noch nicht in Kraft war, löste die Ablehnung des Gnadengesuchs durch das Obwaldner Kantonsparlament eine zum Teil heftig geführte Debatte aus.[50]

Das Schweizer Militärstrafrecht sah die Todesstrafe weiterhin für Landesverrat in Kriegszeiten vor. Auf dieser Basis wurden im 2. Weltkrieg 30 Schweizer Soldaten zum Tod verurteilt; 17 davon wurden bis zum Kriegsende erschossen.[51] Am 20. März 1992 wurde dieses Gesetz nach einer parlamentarischen Initiative von Nationalrat Massimo Pini von der Freisinnig-Demokratischen Partei (Tessin) von der Bundesversammlung abgeschafft.

Heute lautet Artikel 10, Absatz 1 der Schweizer Bundesverfassung:

„Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.“

Frankreich

Im Verlauf der Französischen Revolution wurde in Frankreich erstmals die Abschaffung der Todesstrafe gefordert. Am 3. Mai 1791 wurde jedoch ein Gesetzentwurf von Joseph Ignace Guillotin angenommen, der zwar das Rädern und die Folter abschaffte, aber die Enthauptung als für alle Bürger gleichartige Todesstrafe beibehielt. Dazu konstruierte im Jahr 1792 der Klavierbauer Tobias Schmidt, ein gebürtiger Deutscher, die Guillotine, die besonders unter der Terrorherrschaft der Jakobiner häufig verwendet wurde.

Im Revolutionsjahr von 1848 forderten Republikaner wie Victor Hugo erneut die Abschaffung der Todesstrafe. Obwohl sie sich nicht durchsetzen konnten, blieb die Forderung fortan in der Diskussion. 1939 fand die letzte öffentliche Enthauptung in Versailles statt. Im und nach dem 2. Weltkrieg nahmen Hinrichtungen nochmals enorm zu. Nach der Besatzungszeit sollen allein 8348 Personen ohne Gerichtsverfahren hingerichtet worden sein.

Im Juni 1972 unterlag der Rechtsanwalt Robert Badinter als Verteidiger in einem Todesstrafenfall vor Gericht und wurde Zeuge der Hinrichtung seines Klienten Roger Bontemps. Dieser wurde gemeinsam mit seinem Komplizen Claude Buffet für die Ermordung von zwei Geiseln anlässlich eines Ausbruchsversuches aus dem Gefängnis verurteilt, obwohl erwiesen war, dass er den Mord nicht verübt hatte. Dies machte Badinter von einem Kritiker zu einem vehementen Gegner der Todesstrafe. Von nun an verteidigte er oft Angeklagte, denen die Todesstrafe drohte, und erhielt deshalb den Spitznamen Monsieur Abolition. Danach gab es drei Jahre lang kein Todesurteil. Am 28. Juli 1976 wurde der Kindesmörder Christian Ranucci hingerichtet. Im Juni 1977 erwirkte Badinter durch ein denkwürdiges Plädoyer gegen die Todesstrafe gegen den öffentlichen Druck die Abwendung der Todesstrafe für den Kindesmörder Patrick Henri, der zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde.

Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing, ein erklärter Gegner der Todesstrafe, setzte deren Abschaffung noch nicht auf die politische Tagesordnung, machte jedoch in Einzelfällen von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch. Zwischen dem Fall Patrick Henri und der Abschaffung der Todesstrafe im Jahr 1981 wurden drei Todesurteile vollstreckt. Am 10. September 1977 wurde Hamida Djandoubi in Marseille als letzter Mensch in Frankreich hingerichtet. Letzter Scharfrichter der französischen Republik war Marcel Chevalier. Noch 1978 kritisierte Amnesty International die Praxis der Todesstrafe in Frankreich,[52] die bis 1981 mit dem Fallbeil vollzogen werden konnte.

François Mitterrand versprach im Wahlkampf 1981 die Abschaffung der Todesstrafe und machte nach seinem Wahlsieg Robert Badinter, der ihn in seinen beiden Wahlkampagnen (1974 und 1981) unterstützt hatte, zum Justizminister. Dieser erreichte im September 1981 mit einer engagierten Rede in der Nationalversammlung eine Dreiviertelmehrheit für die Untersagung der Todesstrafe. Neben den Sozialisten stimmten auch bürgerliche Abgeordnete, darunter Jacques Chirac und Philippe Séguin, für seine Gesetzesvorlage, der der Senat am 30. September 1981 offiziell zustimmte. Am 17. Februar 1986 ratifizierte Frankreich zudem das sechste Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Am 19. Februar 2007 wurde das Verbot der Todesstrafe in die französische Verfassung aufgenommen. Die im Kongress versammelten Abgeordneten von Nationalversammlung und Senat beschlossen die Änderung mit 828 zu 26 Stimmen. Nun heißt es darin: Niemand darf zum Tode verurteilt werden.

Heute fordert in Frankreich nur noch der Front National unter Jean-Marie Le Pen die Wiedereinführung der Todesstrafe. Zum 25. Jahrestag ihrer Abschaffung erwägt die französische Zentralbank die Ausgabe einer Zwei-Euro-Gedächtnismünze.[53]

Nach einer Umfrage vom September 2006 befürworteten 42 Prozent der Franzosen die Wiedereinführung der Todesstrafe, darunter rund 44 Prozent der Männer und 48 Prozent aller Bürger im Alter zwischen 35 und 49 bzw. über 65 Jahren. Bei Franzosen zwischen 25 und 34 Jahren liegt der Anteil bei 32 Prozent.

Vereinigtes Königreich

Im 18. Jahrhundert konnten in Großbritannien etwa 200 verschiedene Delikte mit dem Tod bestraft werden. Allerdings war die Rechtsanwendung sehr uneinheitlich. Zudem lag es im Ermessen des Richters, ob Gnadengesuche des Verurteilten zugelassen wurden. Ab 1861 wurde die Todesstrafe nur noch für Mord, Hochverrat, Piraterie und schwere Brandstiftung verhängt. Außerdem wurde ab 1868 nicht mehr öffentlich hingerichtet, weil es dabei zuvor häufig zu Gewalt und Diebstählen unter den Zuschauern gekommen war.

1949 setzte die Regierung eine Kommission ein, die 1953 einen Bericht über das Für und Wider der Todesstrafe veröffentlichte. Aufgrund ihrer Empfehlungen wurde die Todesstrafe ab 1957 nur noch für besonders schwere Fälle von Mord verhängt, zum Beispiel an Polizeibeamten in Ausübung des Dienstes. Zu einer Kontroverse über die Todesstrafe führte der Fall des jungen Derek Bentley, der 1953 für einen Mord gehängt wurde, den er nicht begangen hatte. Als letzte Frau wurde 1955 Ruth Ellis hingerichtet; die beiden Raubmörder Peter Anthony Allen und Gwynne Owen Evans wurden als letzte Männer am 13. August 1964 gehängt. Bereits zu Beginn der 1960er Jahre wurde in der britischen Öffentlichkeit, nach den stark umstrittenen Hinrichtungen in den Fällen Evans († 1950), Bentley († 1953), Ellis († 1955) und Hanratty († 1962) eine kontroverse Debatte über die Abschaffung der Todesstrafe geführt.

1965 wurde das Gesetz Murder (Abolition of Death Penalty) Act verabschiedet, das die Todesstrafe für Mord für die nächsten fünf Jahre aussetzte. 1969, also schon ein Jahr vor Fristablauf, wurde beschlossen, das Gesetz unbefristet zu verlängern. Danach war ein Todesurteil nur noch für Hochverrat oder Piraterie möglich, wurde aber dafür nie vollstreckt.

In Nordirland war die Todesstrafe formell noch bis 1973 erlaubt. Seit 1962 fanden aber keine Hinrichtungen mehr statt. Im Oktober 1998 wurde die Todesstrafe in Großbritannien und Nordirland auch im Militärbereich abgeschafft. Dort war bereits seit 1964 niemand mehr hingerichtet worden. Zwei parlamentarische Initiativen zur Wiedereinführung scheiterten. Im Dezember 1999 ratifizierte Großbritannien das Zweite Fakultativprotokoll des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte, das die Abschaffung völkerrechtlich verbindlich festschreibt.

Schweden

Die letzte Hinrichtung in Schweden wurde in Stockholm am 23. Dezember 1910 an dem Raubmörder Alfred Ander vollzogen. Nach diesem Datum ausgesprochene Todesstrafen wurden nicht mehr ausgeführt. 1921 wurde die Todesstrafe in Friedenszeiten abgeschafft. Im Zuge der Verfassungsreform 1973 wurde die Todesstrafe dann endgültig abgeschafft.

Todesstrafenpraxis in Einzelstaaten

Irak

Im Irak wurde die Todesstrafe nach dem Sturz Saddam Husseins zunächst abgeschafft, jedoch im August 2004 wieder eingeführt. Zwischen diesem Zeitpunkt und April 2007 wurden nach Angaben von Amnesty International mindestens 270 Menschen zum Tode verurteilt und 100 hingerichtet. Einen starken Anstieg der Exekutionen gab es 2006, als innerhalb eines Jahres 65 Menschen exekutiert wurden. Damit lag das Land 2006 noch vor den Vereinigten Staaten weltweit an vierter Stelle bei der Zahl der Hinrichtungen. Viele Todesurteile kamen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation nach unfairen Prozessen zustande, wobei Vorwürfen, dass Geständnisse unter Folter abgelegt worden seien, in der Regel nicht nachgegangen werde.[54][55]

Im Irak wird die Todesstrafe durch Erhängen vollstreckt.

Iran

Iran gehört seit langem zu den fünf Ländern mit den meisten Hinrichtungen pro Jahr. Sie werden oft öffentlich vollstreckt, zumeist durch Erhängen ohne langen Fall, so dass der Tod nicht sofort eintritt. Besonders bei sexuellen Vergehen ist auch die Steinigung möglich. Neben Mord gehören Ehebruch und Drogenhandel zu den todeswürdigen Verbrechen; auch ein Todesurteil für wiederholten Alkoholkonsum ist bekannt. Häufig wurden zur Tatzeit Minderjährige zum Tode verurteilt und hingerichtet.[56] Selbst Vergewaltigungsopfer, die ihren Vergewaltiger in Notwehr getötet hatten, wurden bereits zum Tode verurteilt.[57] Am 9. September 2008 verabschiedete das iranische Parlament ein Gesetz, das die Abkehr vom Islam unter Androhung der Todesstrafe verbietet. Dies verschärft die Verfolgung religiöser Minderheiten, besonders die Verfolgung der Bahai, der größten religiösen Minderheit im Iran.[58]

Israel

1954 wurde die Todesstrafe in Israel im Zivilstrafrecht abgeschafft, im Militärstrafrecht aber beibehalten. Für NS-Verbrechen bestanden seit 1950 Ausnahmegesetze. Diese wurden im Fall Adolf Eichmanns 1962 zum bisher einzigen Mal angewandt.

Nach einem Regierungsbeschluss führte Israel am 29. April 1979 die Todesstrafe für Terroristen ein, die besonders grausame Anschläge verübt haben. Die Entscheidung in solchen Fällen wird den Staatsanwälten überlassen. Bisher wurde noch niemand als Terrorist zum Tode verurteilt.

Unabhängig von der Todesstrafe legitimieren manche israelischen Regierungen die Tötung von Staatsfeinden ohne gerichtliche Schuldfeststellung. So erhielt der Auslandsgeheimdienst Mossad nach der Geiselnahme von München 1972 den Auftrag, ausgewiesene Staatsfeinde weltweit aufzuspüren und zu töten. Die gezielte Tötung von Anführern der Hamas, die Selbstmordattentate in Auftrag gaben, gilt in Israel als militärische Selbstverteidigung.

Japan

Todesstrafen werden in Japan durch Erhängen ohne langen Fall vollstreckt. Dies kann geschehen, sobald der Rechtsweg ausgeschöpft ist und der Justizminister die Hinrichtung schriftlich angeordnet hat. Für das weitere Verfahren gibt es keine gesetzlichen Richtlinien. Oft müssen Todeskandidaten mehrere Jahrzehnte auf die Hinrichtung warten. In dieser Zeit müssen sie jederzeit damit rechnen hingerichtet zu werden. Ihr Kontakt zur Außenwelt ist weitgehend eingeschränkt. Sie werden in einer wenige Quadratmeter kleinen Zelle rund um die Uhr überwacht. Weder ihre Angehörigen noch ihre Rechtsbeistände werden vorher vom Zeitpunkt der Hinrichtung informiert; auch die Verurteilten selbst erfahren erst unmittelbar vorher davon. Weder ein Gnadengesuch noch ein Antrag auf ein Wiederaufnahmeverfahren garantieren den Aufschub der Vollstreckung. Ein System, wonach einige Verurteilte hingerichtet werden, während anderen Aufschub gewährt wird, ist nicht erkennbar.[59] Gesetzlich vorgesehen ist eine Vollstreckung der Todesstrafe innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft des Urteils; die Anordnung der Vollstreckung liegt aber in jedem Einzelfall im Ermessen des Justizministers, der sich nicht immer an die Sechsmonatsfrist hält.[60]

Die Angehörigen werden auch oft nicht informiert, ob der Verurteilte noch lebt oder bereits exekutiert wurde.[61] Selbst die Leichen der Hingerichteten werden ihnen nicht immer übergeben. Bei dem 1997 hingerichteten Norio Nagayama verweigerte die Gefängnisverwaltung die Herausgabe des Leichnams und ließ ihn eigenmächtig einäschern. Man vermutet, dass die Verantwortlichen in solchen Fällen die besonders deutlichen Spuren des Todeskampfes vor den Angehörigen verheimlichen wollen.[62] Todesurteile können in Japan auch über Personen verhängt werden, die zur Tatzeit noch nicht volljährig (nach japanischem Recht 20 Jahre alt) waren.

Libyen

Staatschef Muammar al-Gaddafi hat bereits mehrfach angekündigt, dass Libyen die Todesstrafe abschaffen wolle. Bisher ist dies allerdings noch nicht geschehen, so dass die Todesstrafe in Libyen weiterhin für eine Vielzahl von Delikten verhängt werden kann, unter anderem für Drogen- und Alkoholhandel. Hinrichtungen werden bei Zivilisten durch Erhängen, bei Militärangehörigen durch Erschießung vollstreckt. Einige Exekutionen wurden im Fernsehen übertragen, die meisten finden jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Genaue Zahlen sind nicht bekannt.

Internationales Aufsehen erregten Todesurteile vom Mai 2004 gegen mehrere bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt im sogenannten HIV-Prozess in Libyen. Nachdem die international auf breiter Front abgelehnten Urteile im Dezember 2005 aufgehoben worden waren, wurden sie im Dezember 2006 und schließlich am 11. Juli 2007 vom obersten Gerichtshof bestätigt. Am 17. Juli 2007 wurde das Todesurteil vom libyschen Justizrat in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Auf maßgebliche Vermittlung des erst einen Monat zuvor gewählten französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy wurden die insgesamt sechs Personen eine Woche später freigelassen und nach Bulgarien ausgeflogen.[63]

Saudi-Arabien

Siehe auch: Rechtssystem Saudi-Arabiens

Saudi-Arabien betrachtet sich als Gottesstaat und hat die islamische Scharia fest in der Verfassung verankert. Das islamische Rechtssystem ist nicht kodifiziert, da die Rechtsprechung nicht nur von Koran und Sunna, sondern auch vom Meinungs- oder Handlungskonsens der Gelehrten (Idschma) abhängt. In Saudi-Arabien folgen die Richter der konservativen und dogmatischen Richtung der Wahhabiten bzw. Salafiyya.

Unklar definierte Straftatbestände lassen Richtern daher großen Ermessensspielraum. Todesurteile werden für eine Reihe religiöser Vergehen (hudud) ausgesprochen, die zugleich als Angriff auf die staatliche Ordnung gelten: Koranschändung, Gotteslästerung, Abfall vom Islam. Diese sogenannte Apostasie wird nur bei Männern mit dem Tod, bei Frauen mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestraft. Hinzu kommen eine Reihe sozialer und sexueller Vergehen (qisas): Mord, Ehebruch, Homosexualität, Vergewaltigung fremder Frauen oder der eigenen Ehefrau, sexueller Missbrauch von Frauen oder Kindern und Prostitution. Schon die sexuelle Belästigung von Frauen − ein unscharf definierter Straftatbestand − kann ein Todesurteil begründen. Die Todesstrafe kann auch für Drogenhandel, Raubüberfall in Verbindung mit Schwerverletzten oder Toten sowie Genuss und Handel bzw. Schmuggel von Alkohol verhängt werden.

Ein Richterspruch (Fatwa) von 1988 sieht die Todesstrafe für „Sabotage“ und „Verderbtheit (Korruption) auf Erden“ vor. Weil sie „die Korruption im Land gefördert und die Sicherheit gefährdet“ hätten, wurden z. B. am 4. April 2005 sechs Somalier enthauptet, die Autodiebstahl und Bedrohung von Taxifahrern begangen haben sollen.[64]

Todesstrafen werden durch Enthauptung mit dem Schwert vollstreckt, üblicherweise in den Vormittagsstunden auf einem öffentlich zugänglichen Platz. Da zum Tode Verurteilte begnadigt werden können, wenn alle Mitglieder einer Opferfamilie ihnen verziehen haben, warten sie oft jahrzehntelang im Gefängnis, bis zur Tatzeit minderjährige Opferangehörige volljährig sind und entscheiden können. Die Verurteilten, ihre Anwälte und Angehörigen erfahren oft den Hinrichtungstermin nicht. Letzte Gnadeninstanz ist der König.[65]

Zwar hat die saudische Staatsverfassung die Menschenrechte seit 1992 anerkannt und internationale Rechtsstandards unterzeichnet, hat aber nur wenige ratifiziert und befolgt diese in der Praxis unzureichend. So werden nach Angaben von Amnesty International auch zur Tatzeit Minderjährige zum Tod verurteilt sowie Foltergeständnisse, Prozesse ohne Rechtsbeistand und ohne Dolmetscher für Ausländer zugelassen. Nach dem Jahresbericht von AI wurden in Saudi-Arabien im Jahr 2005 mindestens 86 Menschen (2004: 35) hingerichtet, darunter viele Ausländer.

Singapur

Das Strafrecht Singapurs unterscheidet die zwingende (mandatory) Todesstrafe, bei der der Richter nach Feststellung der Schuld keinen Ermessensspielraum über das Strafmaß hat, von nichtzwingenden Todesstrafen, wo es in seinem Ermessen liegt, Strafminderungsgründe wie Tatumstände, Hintergründe des Täters wie schwere Kindheit, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit usw. zu berücksichtigen.

Zwingend vorgeschrieben ist das Todesurteil bei Mord, Mordauftrag, illegalem Schusswaffengebrauch, Landesverrat und Drogenhandel. Als Mörder gilt, wer einen oder mehrere Menschen mit der Absicht tötet, aus dessen oder deren Tod einen Vorteil (z. B. Erbschaft, Raub, Schweigen oder Befriedigung eines Triebes) zu ziehen. Wer ohne Erlaubnis eine Schusswaffe wissentlich in dem Sinne abfeuert, dass ein Projektil aus der Mündung der Waffe austritt, ist des illegalen Schusswaffengebrauchs schuldig. Ein Opfer muss es bei diesem Delikt nicht geben. Wer die innere und/oder äußere Sicherheit Singapurs wissentlich gefährdet, ist des Landesverrats schuldig. Als Drogenhändler gelten Personen, die bei ihrer Festnahme mehr als 15 Gramm (g) Heroin oder 30 g Kokain, 30 g Morphin, 200 g Cannabis-Harz (Haschisch), 250 g Methamphetamin, 500 g Cannabiskraut (Marihuana) oder 1200 g Opium besitzen bzw. bei sich tragen. Der Besitzer muss nicht der Eigentümer sein.

Singapurs Justiz bedient sich hier der Prima facie-Regelung, des sog. Anscheinsbeweises, der eine Beweislastumkehr zur Folge hat. Dies gilt auch für ausländische Staatsangehörige. Bekannte Fälle von Ausländern waren:

  • Johannes van Damme aus den Niederlanden: 1994 wegen Drogenhandels hingerichtet.
  • Flor Contemplacion aus den Philippinen: 1995 wegen Doppelmordes hingerichtet.
  • John Martin Scripps aus Großbritannien: 1996 wegen Mordes hingerichtet.
  • Van Tuong Nguyen aus Australien: 2005 wegen Drogenhandels hingerichtet.
  • Iwuchukwu Amara Tochi aus Nigeria: 2007 wegen Drogenhandels hingerichtet.
  • Eine junge Frau aus Deutschland (damals 23 Jahre alt) entging im März 2002 nur knapp dem Todesurteil, weil die bei ihr gefundene Menge von 687 g Cannabis nach einer Laboranalyse tatsächlich nur aus 280 g reinem Cannabis bestand und damit unter der Grenze von 500 g lag.[66]

Delikte ohne zwingende Todesstrafe sind Meuterei, Piraterie, Entführung, Falschaussage, die zur Hinrichtung eines Unschuldigen führte, Raub, bei dem mindestens ein Opfer verletzt wurde, und Initiative und Verabredung zur Ermordung des Präsidenten.

Singapur ist, gemessen an der Bevölkerungszahl, das Land mit der höchsten Hinrichtungsrate der Welt. Seit 1991 wurden mindestens 420 Menschen hingerichtet, im Durchschnitt alle 14 Tage eine Person, 85 bis 90 % davon wegen Drogenhandels. Die Hinrichtungen werden durch Erhängen mit dem Strang vollzogen. Dabei wird der „lange Fall“ benutzt, der sicherstellt, dass dem Todeskandidaten das Genick gebrochen wird, ohne dass er enthauptet wird. Henker in Singapur ist Darshan Singh, der mittlerweile über 850 Exekutionen durchgeführt hat. Hinrichtungen finden im Changi Prison am Freitagmorgen zum Sonnenaufgang statt. Nur sehr selten wird ein zum Tod Verurteilter begnadigt.

Obwohl in Singapur noch immer wenig öffentlich über die Todesstrafe diskutiert wird, sind in den letzten Jahren einige Menschenrechtsverbände dagegen entstanden. Die Regierung Singapurs toleriert diese Gruppen. Ein besonders kritischer Punkt ist die zwingende Todesstrafe. Ihre Gegner argumentieren, dass sie die Autorität der Richterschaft unterminiere. Auch einige ehemalige Richter haben diese Rechtslage kritisiert.

Vereinigte Staaten

Hauptartikel: Todesstrafe in den Vereinigten Staaten

In den Vereinigten Staaten wird über die Todesstrafe innenpolitisch, juristisch und ethisch seit langem diskutiert. Einige Bundesstaaten wie Wisconsin, Michigan, Minnesota haben sie schon im 19. Jahrhundert abgeschafft. Andere dagegen haben die Todesstrafe immer praktiziert; Vorstöße zur Abschaffung oder Aussetzung hatten etwa in Oklahoma, South Carolina, Texas und Virginia nie eine Chance.

In den letzten 30 Jahren waren 99 % aller in den USA Hingerichteten Männer, 1 % Frauen. Afroamerikaner, die 12 % an der Gesamtbevölkerung ausmachen, werden laut dem Death Penalty Information Center relativ öfter (1976: 38 %) hingerichtet. Sie gehören aber auch anteilsmäßig häufiger zur ärmeren Bevölkerungsschicht, und ihre Kapitalvergehen werden öfter aufgedeckt und strafverfolgt als bei anderen Tätergruppen. Daher ist umstritten, ob fortwirkender Rassismus oder das Armutsgefälle diese Statistiken erklären. Manche Spezialisten sprechen von „Diskriminierung aufgrund der Geografie“: Wer in einem Bundesstaat oder Kreis mit hoher Exekutionsquote verurteilt werde, erhalte für das gleiche Verbrechen doppelt so oft die Todesstrafe wie in liberaleren Gegenden.

Der Oberste Gerichtshof erklärte die Todesstrafe 1972 für verfassungswidrig, so dass sie bundesweit abgeschafft wurde, ließ sie 1976 jedoch erneut zu. Ihm obliegt die letztinstanzliche Prüfung einzelner Kapitalverfahren mit Relevanz für das Bundesrecht. Der US-Präsident kann neue Bundesrichter nominieren, die im Falle ihrer Bestätigung durch den Senat oft lebenslang im Amt bleiben.

George W. Bush hatte als Gouverneur von Texas Begnadigungsgesuche fast durchgehend abgelehnt. Nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten nominierte er zwei Bundesrichter, die die Todesstrafe befürworten: John Roberts und Samuel Alito. Roberts wollte die Möglichkeiten, in Todesstrafenfällen an den Obersten Gerichtshof zu appellieren, einschränken.[67] Alito ersetzte eine Vorgängerin, deren Stimme früher gelegentlich den Ausschlag gegen Todesstrafen gab.[68] Liberale Juristen fürchten daher Mehrheitsentscheidungen des Gerichts für von ihm zu entscheidende Hinrichtungen in den nächsten Jahrzehnten.[69][70]

Seit 1976 wurden über 1000 Todeskandidaten hingerichtet, über 3000 warten darauf. 176 Verurteilte wurden wegen erwiesener Unschuld oder gravierender Verfahrensfehler entlassen. Man schätzt, dass es seit 1976 bis zu 100 Fehlurteile, Justizirrtümer und Hinrichtungen Unschuldiger gab. Wo begründete Zweifel und Gnadengesuche nicht berücksichtigt wurden, sprechen Kritiker von Justizmorden. Nachdem unabhängige Prüfer in Illinois zahlreiche Fehlurteile und Verfahrensmängel nachgewiesen hatten, setzte Gouverneur George Ryan die Hinrichtungen dort 1999 aus und begnadigte 167 Todeskandidaten am 12. Januar 2003 zu lebenslanger Haft.

In den USA sind sowohl Befürworter wie Gegner der Todesstrafe stark organisiert. Auch wegen der Initiativen und Proteste zahlreicher NGOs und Juristenverbände untersagte der Oberste Gerichtshof am 1. März 2005 die Todesstrafe für zur Tatzeit unter 18-jährige, da sie dem 8. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten widerspreche, der grausame und ungewöhnliche Bestrafungsarten verbietet. Daraufhin wurden zunächst 122 Todesurteile in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt.

Kein Präsidentschaftskandidat bisher nahm die Abschaffung der Todesstrafe in sein Programm auf. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 befürworteten über 50 % der US-Bürger die Todesstrafe auch dann, falls es eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Begnadigungsmöglichkeit als Alternative gäbe. 2006 sank die Zustimmungsrate.[71]

Volksrepublik China

In der Volksrepublik China werden weltweit die meisten Menschen pro Jahr hingerichtet, so 2004 nach Angaben von Amnesty International mindestens 3400 Menschen. Nach inoffiziellen Angaben einzelner Abgeordneter des Volkskongresses lag die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen 2004 jedoch bei knapp 10.000.

Todesurteile werden in China für 68 verschiedene Delikte verhängt, darunter Bestechung, Geld- und Scheckfälschung, Steuerhinterziehung, verschiedene Diebstahlsdelikte und Zuhälterei.[72] Zur Tatzeit Minderjährige werden seit 1997 offiziell nicht mehr zum Tod verurteilt; dennoch geschah dies nach Angaben von Amnesty International 2003 und 2004 je einmal.[73]

Zum Tod Verurteilte werden in der Regel innerhalb einer Woche nach der endgültigen Urteilsbestätigung hingerichtet. In der Provinz Yunnan geschah dies bislang mit Giftspritzen in sogenannten „Gerichtsbussen“, in anderen Provinzen durch Erschießen des auf dem Boden knieenden Delinquenten per Genickschuss eines Polizisten[74] oder bei Massenhinrichtungen nach öffentlicher Urteilsverkündigung. Diese werden oft vor wichtigen Feiertagen angesetzt, von zehntausenden Zuschauern beobachtet und im Lokalfernsehen übertragen. Dies kritisieren Menschenrechtsorganisationen und andere Staaten als demütigende Behandlung der Verurteilten und Verstoß gegen deren Menschenwürde.[75] Vielfach sollen Organe Hingerichteter für Transplantationen verwendet und auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden, obwohl Organhandel in China offiziell verboten ist.[76]

Seit 2006 dürfen Todesstrafen nur noch nach Zustimmung des höchsten chinesischen Gerichts vollstreckt werden, seit 2008 nur noch mittels Giftspritze.[77]

Die Hinrichtung des Briten Akmal Shaikh wegen Drogenschmuggels am 29. Dezember 2009 löste internationale Proteste und erneute Debatten um Chinas Todesstrafenpraxis aus. Die chinesischen Justizbehörden hatten zuvor über 50 Jahre lange keinen Europäer mehr hinrichten lassen. Bemühungen um Strafmilderung wegen einer psychischen Erkrankung Shaiks blieben vergeblich. Ausländische Prozessbeobachter und Verwandtenbesuche wurden nicht zugelassen.[78]

Siehe auch

Literatur

Begründungen

  • Karl Barth: Die Kirchliche Dogmatik III /4 (Die Lehre von der Schöpfung/ Das Gebot Gottes des Schöpfers), §55 Freiheit zum Leben. (1. Auflage 1951)
Gebundene Ausgabe (3. Auflage Zürich 1969, S. 513–580), ISBN 3-290-11013-3
Studienausgabe Band 20, Zürich 1993, ISBN 3-290-11620-4
  • Paul Althaus: Die Todesstrafe als Problem der christlichen Ethik. Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1955, ASIN B0000BFRZA
  • Arthur Koestler, Albert Camus, E. Müller-Meinigen, Jr. Und F. Nowakowski: Die Rache ist mein. Theorie und Praxis der Todesstrafe. Ernst Battenberg Verlag, Stuttgart 1961
  • Albert Camus: Die Guillotine. Betrachtungen zur Todesstrafe. In: Fragen der Zeit. Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-22195-0
  • Frank Müller: Streitfall Todesstrafe. Patmos, Düsseldorf 1998, ISBN 3-491-72380-9
  • Robert Badinter: L’abolition. Fayard, Paris 2000
  • Hans J. Pieper (Hrsg.): Hat er aber gemordet, so muss er sterben. Klassiker der Philosophie zur Todesstrafe. Dr. Günter Seubold, Alfter 2003, ISBN 3-935404-11-5

Geschichte

Einzelstaaten
  • Richard J. Evans: Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532–1987. Kindler-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-463-40400-1
  • Friedrich Küppersbusch, Oliver Becker: Lebenslänglich Todesstrafe. Konkret, Hamburg 2002, ISBN 3-89458-187-5
  • Stefan Suter: Guillotine oder Zuchthaus. Die Abschaffung der Todesstrafe in der Schweiz. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1997, ISBN 3-7190-1659-5

Statistik

  • Michael Kahr: Todesstrafe 2004. Jahrbuch, Kahr Media, Fürstenfeldbruck 2004, ISBN 3-935678-04-5

Erfahrungsberichte

Aktualität

  • Christan Boulanger (Hrsg.): Zur Aktualität der Todesstrafe, interdisziplinäre und globale Perspektiven. Berlin-Verlag, 2. Auflage, Berlin 2002, ISBN 3-8305-0277-X
  • Silke Porath: Auge um Auge – Todesstrafe heute. Gipfelbuch-Verlag, 2006, ISBN 3-937591-31-1

Filme

Wiktionary: Todesstrafe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Begründungen

Geschichte

Aktuelle Daten und Fakten zur Todesstrafe

Argumente pro und contra

Initiativen (Auswahl)

Weiterführende Links mit Literatur

Einzelbelege

  1. Resolution A/RES/62/149: Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe
  2. SWR Schulfernsehen: Wissenspool Todesstrafe
  3. Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe Art. 1 (pdf, S. 1)
  4. Amnesty international.org: Abolitionist and retentionist countries
  5. Verfassung Brasiliens von 1891: Artikel 72, § 21. Während Diktaturzeiten war die Todesstrafe 1938-1945 und 1969-1978 ausnahmerechtlich noch einmal vorhanden; es kam aber zu keinen Hinrichtungen
  6. BBC News, 24. Juni 2009: Togo abolishes the death penalty
  7. Claus Roxin: Todesstrafe. I. Rechtlich A. Strafrechtlich, in: Evangelisches Staatslexikon, Band 2, Kreuz Verlag, 3. Auflage, Stuttgart 1987, Sp. 3612f.
  8. Oliver Michael Timothy O'<Donovan: Todesstrafe, in: Theologische Realenzyklopädie Band 33, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2002, S. 642
  9. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. München 1986, S. 250
  10. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. München 1986, S. 256
  11. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. München 1986, S. 257f.
  12. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. München 1986, S. 254f.
  13. Wolfgang Huber: Das Tötungsverbot als Grenze des Rechts, in: Wolfgang Huber: Recht und Gerechtigkeit, S. 220
  14. Hugo Adam Bedau: Miscarriages of justice in potentially capital cases [and] The myth of infallibility: A reply to Markman and Cassell. USA 1988 (englisch)
  15. BGH, Urteil vom 16. November 1995, Az. 5 StR 747/94; BGHSt 41, 317–347
  16. Deathrow.USA: Fakten über die Todesstrafe in den USA (12. August 2005, pdf)
  17. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. dtv, München 1986, S. 35f.
  18. Thomas Hieke: Das Alte Testament und die Todesstrafe (pdf)
  19. Oliver Michael Timothy O'<Donovan: Todesstrafe, in: Theologische Realenzyklopädie Band 33/2002, S. 639
  20. Confessio Augustana - Das Augsburgische Bekenntnis (1530), Lateinischer Text, Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (1930), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 50-137. Deutscher Text nach BSLK
  21. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. dtv, München 1986, S. 235 und 237f.
  22. Jürgen Martschukat: Inszeniertes Töten. Eine Geschichte der Todesstrafe vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 58 und Anmerkung 16, S. 266
  23. Cesare Beccaria: Über Verbrechen und Strafen. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-458-33866-7, S. 149ff.
  24. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. dtv, München 1986, S. 239
  25. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. dtv, München 1986, S. 242
  26. Katechismus der katholischen Kirche, Oldenbourg Verlag, München u.a. 1993, Ziffer 2266, S. 576
  27. Wolfgang Huber: Das Tötungsverbot als Grenze des Rechts, in: Wolfgang Huber: Recht und Gerechtigkeit, Christian Kaiser Verlag, ISBN 3-579-02025-0, S. 220
  28. Amnesty Deutschland: Jahresbericht 2008 Türkei: Tötungen unter umstrittenen Umständen; Dr. Tarik Ziya Ekinci: Politische Morde an Kurden. Eine Analyse der extralegalen Hinrichtungen in der Türkei
  29. ZEIT-Artikel zur Todesstrafe-Diskussion in Polen
  30. Die Presse, 2. November 2007: 72 Staaten protestieren bei der UNO gegen die Todesstrafe
  31. Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. dtv, München 1986, S. 243
  32. http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/5916/zum_henker_mit_ihm.html Stefan Appelius (Der Spiegel, Januar 2010): Todesstrafe in Deutschland: Zum Henker mit ihm!]
  33. § 1 des Gesetzes zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941
  34. Georg Dahm, Sühne, Schutz und Reinigung im neuen deutschen Strafrecht, in: Deutsches Recht 1944, S. 3.
  35. zitiert nach: Richard J. Evans, Rituale der Vergeltung, Berlin 2001, S. 828.
  36. Adolf Hitler: Mein Kampf, München 1940, S. 588
  37. Vgl. BT-Drs. 10/2368, S. 2
  38. Hans Michael Kloth: Der Henker kam von hinten. In: Der Spiegel vom 13. Juli 2007.
  39. MDR Figaro: Vor 25 Jahren, letzte Hinrichtung in der DDR
  40. Charles Lane (The Washington Post, 4. Juni 2005): The Paradoxes of a Death Penalty Stance
  41. Bayerische Verfassung Art. 47, Abs. 4
  42. Artikel 95 Abs. 1 Saarländische Landesverfassung Art. 95 Abs. 1
  43. Hessische Verfassung Paragraf 21
  44. a b WDR.de, 27. März 2005: Vor 55 Jahren: Bundestag diskutiert über Wiedereinführung der Todesstrafe. Wieder köpfen und hängen?
  45. Roman Herzog: Todesstrafe I. Rechtlich B. Verfassungsrechtlich, in: Evangelisches Staatslexikon Band 2, Stuttgart 1987, Sp. 3614
  46. BGH NJW 1996, 858, Jarass/Pieroth Art. 102 Rdnr. 1
  47. Roman Herzog: Todesstrafe I. Rechtlich B. Verfassungsrechtlich, in: Evangelisches Staatslexikon Band 2, Stuttgart 1987, Sp. 3615
  48. Vgl Siegfried Morscher, Verbot der Todesstrafe: vom Grundsatz zum Grundrecht, Juristische Blätter 2007,Seite 82–89.
  49. a b Liste eidgenössischer Volksabstimmungen
  50. [1]
  51. Niklaus Meienberg: Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S. Zürich 1977. ISBN 3-85791-201-4
  52. ai: Kritik an französischer Todesstrafenpraxis
  53. Gedenkmünze Frankreich
  54. amnesty international: Iraq Unjust and unfair: The death penalty in Iraq, 20. April 2007, überprüft am 17. Mai 2007
  55. Irak: mindestens 100 Hinrichtungen seit Wiedereinführung der Todesstrafe 2004, Presseerklärung von amnesty international, deutsche Sektion, 20. April 2007, überprüft am 17. Mai 2007
  56. Todesstrafe im Iran, überprüft am 17. Mai 2007
  57. Anna Reimann: Der SPIEGEL, 14. Januar 2006: Iran will Vergewaltigungsopfer hinrichten
  58. Karl Pfeifer: Iranisches Majlis (Parlament) überlegt neue Gesetze: Hinrichtung von "Apostaten" und "Hexen"
  59. ai: The Death Penalty in JAPAN: Summary of Concerns
  60. Karl-Friedrich Lenz: Rechtsverständnis, Gerichtsorganisation und Strafvollzug. in: Mayer/Pohl(Hrsg.), BpB, Bonn 1998: Länderbericht Japan. ISBN 3-89331-337-0
  61. FIDH: The Death Penalty in Japan: A Practice Unworthy of a Democracy (pdf)
  62. Hidden Death Penalty in Japan
  63. Libyen hebt Todesurteile gegen Bulgarinnen auf, SPIEGEL Online, 17. Juli 2007 und 24. Juli 2007, überprüft am 17. Juli 2007
  64. Initiative gegen die Todesstrafe: Nachrichten April 2005
  65. AI: Rechtspraxis in Saudi-Arabien
  66. Stern 15. Juli 2005: Julia Bohl ist frei - Reifeprüfung in Singapur
  67. CNN Law Center Justice: ‚Serious flaws‘ in death penalty, August 7, 2005
  68. Amnesty International USA: Alito's death penalty rulings could impact Court, 31. Oktober 2005, abgerufen am 28. Februar 2009
  69. Talk Left: John G. Roberts and the Death Penalty
  70. Michael K. Fauntroy, August 10, 2005: John Roberts and the Death Penalty
  71. EPD, 17. Dezember 2006: Skepsis in USA gegen Todesstrafe wächst
  72. Heise-online über Todesstrafe in China
  73. Amnesty.org: Crying out for clemency: The case of Alexander Williams, mentally ill child offender facing execution – Killing child offenders: Unacceptable US exceptionalism; Amnesty.org: Executions of child offenders since 1990
  74. Amnesty International: People's Republic of China: Executed „according to law“? (März 2004)
  75. Deutsche Welle, 2. August 2006: Todesstrafe als Massenspektakel
  76. N24: 8.000 Exekutionen in China: Fehlurteile und makabres Geschäft; Flensburg Online: Erschreckendes aus China; dw-world: Organhandel in China: Hinrichtung auf Bestellung?
  77. Focus: Todesstrafe. China richtet nur noch mit Giftspritze hin
  78. Tagesschau.de, 29. Dezember 2009: Brite in China hingerichtet