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Alexanderplatz-Demonstration

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Demonstranten auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989
Am Mikrofon: Johanna Schall und Ulrich Mühe

Mit Alexanderplatz-Demonstration wird die größte nicht staatlich gelenkte Demonstration in der Geschichte der DDR bezeichnet, die am 4. November 1989 in Ost-Berlin stattfand. Sie gilt als Meilenstein der friedlichen Revolution in der DDR. Die Demonstration und Abschlusskundgebung auf dem Alexanderplatz richtete sich „gegen Gewalt und für verfassungsmäßige Rechte; Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit“.

Vorbereitung

Dies war die erste offiziell genehmigte Demonstration in der DDR, die nicht durch den Machtapparat der DDR, sondern durch das Volk ausgerichtet wurde. Die Initiative zur Demonstration ging ab Mitte Oktober von Schauspielern und Mitarbeitern an Ost-Berliner Theatern aus. Unter dem Eindruck der Übergriffe von Volkspolizei und Stasi gegen Demonstranten während der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR fand am 15. Oktober 1989 eine Versammlung von 800 Theaterleuten in Berlin statt, auf der als erste Jutta Wachowiak den Vorschlag einer Demonstration für eine demokratische DDR machte. Wachowiaks Vorschlag war auf Anregung des Neuen Forums entstanden. Am 17. Oktober 1989 stellte eine Gruppe von Theaterleuten den Antrag auf Zulassung der Demonstration, der am 26. Oktober 1989 genehmigt wurde.[1] Als offizielle Veranstalter fungierten letztlich die Künstler der Berliner Theater, der Verband der Bildenden Künstler, der Verband der Film- und Fernsehschaffenden und das Komitee für Unterhaltungskunst.

Ablauf

Rund eine halbe Million Menschen folgten den Plakataufrufen und versammelten sich um 10 Uhr vor dem ADN-Gebäude an der Mollstraße Ecke Prenzlauer Allee, von wo der Demonstrationszug über die Karl-Liebknecht-Straße bis zum Palast der Republik ging, den Palast über den Schloßplatz umrundete, bevor er über die Rathausstraße zum Alexanderplatz führte – dem Ort der Abschlusskundgebung, die über drei Stunden andauerte.

Unter den 26 Rednern waren unter anderem Politiker wie Gregor Gysi, Manfred Gerlach und Günter Schabowski, Stasi-Generaloberst a. D. Markus Wolf, Schriftsteller Christoph Hein, Stefan Heym und Christa Wolf, als Vertreter des Neuen Forums Jens Reich; Marianne Birthler für die Initiative Frieden und Menschenrechte sowie die Schauspieler Steffie Spira, Ulrich Mühe, Jan Josef Liefers und der Dramaturg Heiner Müller. Die offiziellen „Vertreter der etablierten Ordnung“ (Lothar Bisky, Gerlach, Gysi, Schabowski, und besonders Wolf, der als langjähriger Leiter der HVA besonders mit der Stasi identifiziert wurde) wurden – ungeachtet ihrer Selbstdarstellung als Reformer – immer wieder von Sprechchören und Pfeifkonzerten unterbrochen.[2]

„Als ich sah, daß seine Hände zitterten, weil die Leute gepfiffen haben, da sagte ich zu Jens Reich: So, jetzt können wir gehen, jetzt ist alles gelaufen. Die Revolution ist unumkehrbar.“

Bärbel Bohley, die in der Nähe von Markus Wolf stand, über den 4. November 1989.[3]

„Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen! Nach all' den Jahren der Stagnation – der geistigen, wirtschaftlichen, politischen; – den Jahren von Dumpfheit und Mief, von Phrasengewäsch und bürokratischer Willkür, von amtlicher Blindheit und Taubheit. […] Einer schrieb mir – und der Mann hat recht: Wir haben in diesen letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit überwunden und sind jetzt dabei, den aufrechten Gang zu erlernen!“

Stefan Heym auf der Demonstration am 4. November 1989.

Unter den Anwesenden war der damals noch weitgehend unbekannte DDR-Devisenbeschaffer Staatssekretär Alexander Schalck-Golodkowski. Zahlreiche Teilnehmer trugen selbst gemalte Transparente mit Losungen wie „Wir sind keine Fans von Egon Krenz“, „Volksentscheid zum Führungsanspruch der SED“, „Freie Wahlen statt falscher Zahlen“ und „Rücktritt ist Fortschritt“. Die Demonstration wurde, ohne vorherige Ankündigung, live im DDR-Fernsehen übertragen. Beamte der Volkspolizei waren kaum sichtbar; als freiwillige Ordner fungierten Künstler, die für diese Funktion mit farbigen Schärpen gekennzeichnet waren. Die Ost-Berliner Grenztruppen waren jedoch in erhöhter Alarmbereitschaft, da die DDR-Führung einen Durchbruch der Demonstranten zur Berliner Mauer befürchtete.

Wirkung und Rezeption

Zum zehnjährigen Jubiläum der Alexanderplatz-Demonstration fanden in Berlin im November 1999 unter dem Motto „Wir waren das Volk.“ Ausstellungen, Diskussionen und künstlerische Aktionen statt. Unter anderem wurde das Haus des Lehrers mit einem acht Stockwerke hohen Transparent mit dem Motto versehen.[4]

Literatur

  • Annegret Hahn, Gisela Pucher, Henning Schaller, Lothar Scharsich (Hrsg.): 4. November 89. Der Protest. Die Menschen. Die Reden. Frankfurt/Main und Berlin 1990. (Ostberliner Ausgabe erschienen bei Henschel, Berlin 1990, ISBN 3-362-00473-3.)
  • In guter Verfassung – 4. November 1989, Berlin-Alexanderplatz. In: „Magazin – Mitteilungen des Deutschen Historischen Museums“, Heft 11, Jahrgang 4, Berlin 1994. ISSN 1430-6913
  • Karsten Timmer: Vom Aufbruch zum Umbruch – die Bürgerbewegung in der DDR 1989. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-35925-X.
Commons: Alexanderplatz-Demonstration – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karsten Timmer: Vom Aufbruch zum Umbruch – die Bürgerbewegung in der DDR 1989. Göttingen 2000, S. 277.
  2. Karsten Timmer: Vom Aufbruch zum Umbruch – die Bürgerbewegung in der DDR 1989. Göttingen 2000, S. 276–280.
  3. Gabor Steingart und Ulrich Schwarz: [Wir waren abgedriftet. In: Der Spiegel. (online). „Wir waren abgedriftet“] – Spiegelgespräch mit Lothar Bisky, Bärbel Bohley, Manfred Gerlach, Jens Reich, Steffie Spira, und Markus Wolf. In: „Der SPIEGEL“, Nr. 45/1994 vom 7. November 1994, Seite 40. Siehe dazu auch Karsten Timmer: Vom Aufbruch zum Umbruch: die Bürgerbewegung in der DDR 1989, Vandenhoeck & Ruprecht, 2000, S. 278–279.
  4. Programm „Wir waren das Volk.“ vom 4. November 1999 beim Bezirksamt Mitte von Berlin. (Abgerufen am 6. November 2009.)