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Achilles und die Schildkröte

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Achilles und die Schildkröte bezeichnet ein Paradoxon von Zenon von Elea. Achilles der unbesiegbare griechische Held misst sich im Wettrennen mit einer Schildkröte.

Weil die Geschwindigkeit der Schildkröte um so vieles langsamer ist, beispielsweise weniger als die Bewegungsgröße Achilles' ,

gibt Achilles ihr einen großen Vorsprung; beispielsweise 90 m bei einer Gesamtstrecke von 100 m. Beide starten. Achilles läuft 10 mal so schnell. Nachdem er 90 m gelaufen ist, ist die Schildkröte 9 m gelaufen und liegt vorn. Nach weiteren 9 Metern ist sie noch immer vorn, diesmal um 90 cm. Nach weiteren 90 cm liegt ihr Vorsprung bei 9 cm. Solange Achilles läuft, läuft auch die Schildkröte weiter und wird immer vorne liegen, auch wenn ihr Vorsprung dabei immer kleiner wird. Egal welche Strecke Achilles auch läuft, die Schildkröte ist während seiner Laufzeit um seiner Laufstrecke vorgerückt. Achilles holt die Schildkröte also niemals ein (grafische Darstellung).

Bedeutung

Zenon verteidigt die Philosophie des Parmenides, nach der es nichts gibt als das Eine (die Einheit) und Vielheit, Wechsel und Bewegung bloße Illusionen sind. Zenon beweist das nicht positiv, sondern er versucht zu zeigen, dass aus der Annahme der Existenz von Vielheit und Bewegung genauso seltsame Konsequenzen folgen wie aus ihrer Verneinung. Dafür hat er mehrere Paradoxien erarbeitet. Achilles und die Schildkröte ist die bekannteste und am klarsten und präzisesten formulierte. Es gibt noch eine Form dieser Paradoxie, wonach Achilles gar nicht mit dem Lauf beginnen kann. Bevor er die erste Strecke zurücklegen kann, muss er die Hälfte zurücklegen und davor ein Viertel usw. und so kommt er nicht zum Loslaufen. Wahrscheinlich erhielt Zenon seinen Impuls zur Erfindung der Paradoxien nicht aus der Mathematik, sondern von den Spekulationen des Parmenides.

Es gibt eine weiteres Paradoxon, wonach sich ein fliegender Pfeil nicht bewegen kann, denn zu einem gegeben Zeitpunkt nimmt er einen Ort ein, der seiner Gestalt gleicht, und er kann weder einen größeren Ort einnehmen noch an zwei Orten zugleich sein. Weil der Pfeil sich aber nicht in einem Augenblick bewegen kann, bleibt er überhaupt stehen.

Das Paradox von der fallenden Hirse kann gelöst werden: Wenn ein fallendes Fuder Hirse ein Geräusch macht, so auch ein einzelnes Korn. Wenn nämlich das Korn kein Geräusch macht, dann auch das Fuder nicht. Hier liegt die Lösung in der Begrenzung der Wahrnehmung.

Ein anderes ist das Paradox der sich bewegenden Blöcke, das hier aber nicht erörtert wird, obwohl es lösbar ist.

Aristoteles versucht die Argumente zu widerlegen, indem er darauf hinweist, dass nicht nur der Raum sondern auch die Zeit unbegrenzt dividierbar seien. Den unendlich vielen Raumteilen stehen unendlich viele Zeitteile mit endlicher Summe gegenüber. Dieses Argument ist auf den ersten Blick überzeugend, bis der Abstand zur Schildkröte ganz klein geworden ist.

Ein anderes Argument von Aristoteles ist, dass der Augenblick kein Teil der Zeit ist, obwohl er Vergangenheit von Gegenwart scheidet. Denn Zeit ist ausgedehnt und damit auch ihre Teile und sie ist nicht aus Augenblicken zusammengesetzt.

Zweifel an den mathematischen Grundlagen im 19. Jahrhundert führen zu einer erneuten Auseinandersetzung mit diesem Thema. kritische Mathematik. Bis 2004 wurden immer noch Lösungsversuche veröffentlicht.

Infinitesimaler Ansatz

"Dann ist es notwendig, dass das eine einen gewissen Abstand vom anderen halten muss, und das gilt auch für das Vorstehende. Denn auch dieses hat Größe und etwas von ihm steht hervor. Dieses einmal zu sagen ist dasselbe wie es immer wieder zu sagen. Denn nichts davon ist das Äußerste und niemals wird etwas davon mit anderem unvergleichbar sein. Gibt es daher viele Dinge so müssen sie klein und groß sein: Klein, um überhaupt keine Größe zu haben, und groß für eine unendliche Ausdehnung".

Dies scheint im Widerspruch zu stehen mit den elementarsten Betrachtungen aus der Theorie der konvergenten Reihen, dass nämlich z.B. die Summe der unendlichen Reihe 1/2 + 1/4 + 1/8 + 1/16 + ... gleich 1 ist. Die mathematische Formel ist ein bequemes Symbol für die Tatsache, dass unbegrenzt fortgesetzt Zweiteilung der Eins die Eins nicht übersteigen kann, eine Tatsache, deren sich Zenon wohl bewusst war, wie andere Fragmente klar zeigen. Was er offenbar versuchte ist dies: Für den menschlichen Geist ist es nicht möglich, die Summe einer solchen unendlichen Reihe zu bilden, indem man sozusagen vom anderen Ende beginnt. Bei der Bildung der Summe muss man vielmehr mit Elementen beginnen, die eine Größe haben. Die Schwierigkeit ist wesentlich dieselbe wie bei der Bewegung (H.Fränkel Zeno of Elea's Attacks on Plurality) *zit nach Kurt von Fritz "Zenon aus Elea", s.a Weblink "Aufsatz ...".

Ein Exhaustionsbeweis nach Archimedes würde zeigen, wenn etwas nicht größer und nicht kleiner als ein Ergebnis (also einer Laufstrecke 100m) ist, es gleich dem Ergebnis (100m) sein muss, betrachtet aber keine Konvergenz von Reihen.(P.S.: Ein schönes Beispiel hierzu wäre schön! Intervallschachtelung?)

Ansatz:

Wir verfolgen Achilles' Lauf, bis seine Laufstreckenintervalle unendlich viele werden, über alle n wachsen, und addieren sie zu einer Gesamtlaufstrecke. (in Zenons Sinne werden nur Größen betrachtet die Größe, Länge haben und weiter teilbar sind)

Frage: Hat diese Laufstrecke eine endliche Länge? (Trägt etwas, was Größe hat zur Verlängerung der Gesamtlaufstrecke bei?)

Beispiel: Wir haben eine vorgegebene Laufstrecke als Anfangswert: a = 90 m bis zur Schildkröte. Dort angekommen haben wir eine neue vorgegebene Strecke von 9 m = 90 m, die formen wir um und geben dem Ergebnis einen Namen:

1. Folgerung

.

Wir haben mit Absicht q so benannt, dass 0<q<1.

Die nächste Strecke wird 0,9 m lang sein, oder:

.

Wir folgern: die nächste Teilstrecke ist lang, also 0,09 m. So finden wir als Laufstrecke S (n) für :

2. Folgerung

Das n-1 bedeutet, dass ist, und beispielsweise schon das (n=) vierte Intervall ist.

Und nach Umformung, weil wir unter geometrische Reihe nachschlagen:

Definition

für n=3 beispielsweise:

.

Erläuterung

Nun machen wir n groß und sehen, dass kleiner wird, ja wir können sogar einen Grenzwertübergang (Limes) machen und sagen wird beliebig klein, unendlich klein, denn wenn es uns noch nicht klein genug ist, wählen wir ein größeres n, bis es kleiner als unsere Vorgabe (, wir nennen es jetzt epsilon) ist. Und dann verkleinern wir unsere Vorgabe weiter und finden trotzdem noch ein größeres n, so dass auch kleiner als diese neue Vorgabe wird und können dies unendlich fortsetzen, also kann die Vorgabe gar nicht klein genug angegeben werden, als dass wir mit entsprechendem n nicht noch kleiner kriegten. Also wir sagen, wenn n gegen unendlich strebt, wird unendlich klein und strebt gegen Null, also verschwindet:

Definition

<

nach n aufgelöst, indem wir logarithmieren: (Das Zeichen < dreht sich um, wenn wir durch dividieren. Wegen 0<q<1, ist log q = = - 1 < 0, also negativ)

3. Folgerung

n > ;

wenn wir also n größer als dieses Ergebnis machen, kommen wir mit unter die Vorgabe .

Beispiel: Wählen wir = 0,001, so erhalten wir n > 3 und müssen n = 4 wählen, um zu unterbieten.

Satz

Für gilt

;

Hier kommt zum ersten Mal das Symbol vor , es ist aber nur ein Symbol. Wir rechnen weiterhin mit endlichen Größen, und auch wenn sie weiter Größe haben vergrößern sie nicht mehr die Rennstrecke. Lediglich wenn obige Definition erfüllt ist, sagen wir, dass wir weglassen. Beispiel: Wir setzen ein und sehen, Achilles' Laufstrecke bis zur Schildkröte endet und zwar im Endlichen bei dem Wert:

.

4. Folgerung

Also für Achilles geht diese Art von Rennen nur 100 Meter weit, und wenn er nicht stehen bleibt, ist er nach beispielsweise 102 Metern nicht mehr hinter der Schildkröte sondern 1,80 Meter vor ihr.

Ergebnis:

Die Schildkröte führt im Rennen natürlich nur auf zehn Metern, dann wird sie von Achilles eingeholt. Obwohl wir nur von Dingen mit Größe handelten, sehen wir, dass sie keinen Beitrag liefern, der das Rennen jenseits der hundert Meter ausdehnt. Ob Achilles die Schildkröte nun auch real einholt wissen wir nicht.

Kinematischer Ansatz

Der Ansatz v = s/t liefert für die Geschwindigkeit in einem ausdehnungslosen Augenblick den Wert v = 0/0 , der unbestimmt bleibt, was andeutet, dass der Pfeil (bzw. Achilles) keine Geschwindigkeit hat, sondern in Ruhe bleibt. Um aber die Geschwindigkeit 0 zu erzielen muss t einen positiven Wert haben und v = 0/t = 0. Vlastos (´´ A Note on Zeno's Arrow ´´) vergleicht dies mit der Frage, wie ein Kreis gekrümmt sein kann da, er doch aus Punkten besteht und diese sind nicht gekrümmt.

Ich hatte die Aufgabe mit Achilles jetzt in der Uni zu lösen und bin dabei auf einen weiteren Ansatz gestoßen, der allerdings das Paradoxon an sich ein wenig außer acht lässt:

In einer gegebenen Zeit t kommt Achilles 90 Fuß weit, die Schildkröte 9 Fuß. Wir können deshalb die Formel für Achilles und die Schildkröte aufstellen, d.h. .

Weiterhin erhalten wir als Ortsgleichungen s(t): sowie . Den Zeitpunkt, an dem Achilles die Schildkröte überholt, erhalten wir durch Gleichsetzen beider Ortsfunktionen:

Einsetzen in beide Bewegungsgleichungen ergibt den Überhol-Ort, der für Achilles als auch die Schildkröte gleich sein muss, wenn unsere Theorie stimmt:

Damit liefern beide Bewegungsgleichungen das gleiche Ergebnis, d.h. Achilles überholt die Schildkröte nach 100 Fuß.

Der Ansatz des Praktikers

Achilles läuft zehnmal so schnell wie die Schildkröte. Daher benötigt er für die Gesamtstrecke genau soviel wie die Schildkröte für ein Zehntel derselben und holt sie folglich im Ziel ein. Es gibt aber keine Gesamtlaufstrecke und Achilles muß sie auf jeder Laufstrecke einholen erst auf 90 Metern, dort tut er es aber nicht, dann auf 9 Metern, dort tut er es auch nicht, und dann auf 90 Zentimetern, dort tut er es auch nicht, und weil er sie auf den unendlich vielen "Gesamtlaufstrecken" einholt, und da das Ziel aus unendlich vielen Teilstrecken besteht, holt er sie nur unbestimmt ein.

Poetischer Ansatz

Scholastikerproblem

I

Wieviel Engel sitzen können
auf der Spitze einer Nadel-
wolle dem dein Denken gönnen,
Leser ohne Furcht und Tadel!

>Alle!< wirds dein Hirn durchblitzen.
>Denn die Engel sind doch Geister!
Und ein ob auch noch so feister
Geist bedarf schier nichts zum Sitzen.<

Ich hingegen stell den Satz auf:
Keiner! -- Denn die nie Erspähten
können einzig nehmen Platz auf
geistlichen Lokalitäten.

Christian Morgenstern, >>Palma Kunkel<<

Mengentheorie

Die gründlichste Untersuchung stammt von A. Grünbaum (A Consistent Conception of the Extended Linear Continuum as Agregate of Unextended Elements; The Nature of Time; Modern Science and Zenos's Paradoxes). Er unterscheidet einen "bewusstseinsabhängigen" oder "subjektiven" Zeitbegriff und einen "`bewusstseinsunabhängigen"' oder "objektiven". In der ersteren Zeit fließt das "Jetzt", wie bei Aristoteles, und teilt den Zeitablauf in die ständig erreichte Zukunft und die ständig verfließende Vergangenheit, in der das "Jetzt" versinkt. In der zweiten "objektiven" kann man klar zwischen früher und später unterschieden, aber es gibt in ihr weder Zukunft, Gegenwart noch Vergangenheit. Die "objektive" Zeit kann besser in ausdehnungslose Punkte der Gleichzeitigkeit eingeteilt werden. Die "Jetzt"- Punkte der "subjektiven" Zeit lassen eine quasigleichzeitige Wahrnehmung im Zeitablauf zu. Wie eine Abfolge von Tönen als Einheit, als eine Melodie, wahrgenommen wird.

Ein Intervall nicht aber seine Elemente besitzt Ausdehnung, ist schließlich Grünbaums Ergebnis, und ein ausgedehntes Intervall enthält eine überabzählbare Unendlichkeit ausdehnungsloser Elemente.

Geometrischer Ansatz

Datei:Aus.png
Diese Grafik im Sinne des kinematischen Ansatzes auffassen, bitte. Zum Nachmessen! (Ein Scherz).

Zitate von Zenon

Der Sprecher ist Simplizius, der Zeno teilweise wörtlich zitiert. Das "Eine" ist die Einheit. Zenons Gedanke ist: Wie weit die Division auch fortschreitet, was bleibt hat stets Größe, ist daher weiter dividierbar, hat also Teile, ist also keine wirkliche Einheit. Eine andere Äußerung Zenons: Wenn jemand ihm wirklich erklären kann was die Einheit (das Eine) sei, so wäre er in der Lage, Vielheit zu erklären. Eine wirkliche unteilbare Einheit muss also ohne Größe sein . Was aber ohne Größe ist, macht aber beim Hinzufügen nichts größer, noch beim Wegnehmen kleiner, erscheint also selbst als nichts.

1. Das der Größe nach Unendliche legt Zenon vorher nach demselben Beweisgang dar. Er zeigt zuerst, dass das Seiende wenn es keine Größe besitzt, es auch nicht sei. Dann fährt er so fort:" Wenn es aber ist, so muss notwendigerweise ein jeder Teil eine gewisse Größe und Dicke und Abstand, der eine vom anderen haben. Und von dem vor jenem liegenden Teile, d.h. dem Teil jenes Teiles, gilt dieselbe Behauptung. Auch dieser wird nämlich Größe haben, und es wird ein anderer vor ihm liegen. Die gleiche Behauptung gilt nun ein für allemal. Denn kein derartiger Teil desselben (des Ganzen) wird die äußerste Grenze bilden, und nie wird der eine ohne Verhältnis zum anderen sein. Wenn also viele Dinge sind, so müssen sie notwendig zugleich klein und groß sein: so klein, dass sie keine Größe haben; so groß, dass sie unbegrenzt viele sind."

2. Zenon will zeigen: "Wenn vieles ist, muss dies zugleich groß und klein sein, und zwar groß bis zur Grenzenlosigkeit und klein bis zur Nichtigkeit." Ein Ding, das weder Größe noch Masse besitzt kann überhaupt nicht sein. "Denn würde es zu einem anderen Seienden zugefügt, so würde es dieses um nichts vergrößern. Denn wird etwas, dessen Größe nichts ist, einem anderen hinzugefügt so kann dieses an Größe nichts gewinnen. Und so wäre denn bereits hiernach der Zuwachs gleich nichts.. Wenn ferner durch Abziehen von etwas das andere um nichts kleiner und andererseits durch Zufügen nicht größer werden wird, so war offenbar das Zugefügte wie das Abgezogene gleich nichts." Und dies führt Zenon nicht aus, um das Eine aufzuheben, sondern weil ein jedes der vielen und unendlichen Dinge Größe haben muss. Denn vor jedem Einzelnen, das man nimmt, muss stets wieder irgendein anderes sein wegen der Teilung ins Grenzenlose. Dies legt er dar, nachdem er zuvor gezeigt hat, dass nichts Größe besitzt, weil jedes der vielen Dinge mit sich selbst identisch und eins ist.

3. "Wenn Vieles ist, so müssen notwendig gerade soviele Dinge sein, als wirklich sind, nicht mehr, nicht minder. Wenn aber soviele Dinge sind, als eben sind, so dürften sie (der Zahl nach) begrenzt sein." (Anmerkung: hier ist vieles ein Individualbegriff, vieles aus genau soundsovielen Dingen, der mathematischen Logik nicht zugänglich, weil individuell) "Wenn Vieles ist, so sind die seienden Dinge (der Zahl nach) unbegrenzt. Denn stets sind andere zwischen den seienden Dingen und wieder andere zwischen jenen. Und somit sind die seienden Dinge (der Zahl nach) unbegrenzt."(Anmerkung: Hier ist Vieles ein Allgemeinbegriff für Alles und Gattungsbegriff für die grenzenlos großen Dinge, mit limitativer Verneinung (also setzt sich nicht aus größenlosen Dingen zusammen) für grenzenlos kleines.)

Literaturhinweise