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Doihara Kenji

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Kenji Doihara (Foto aus den 1930er Jahren)

Kenji Doihara (jap. 土肥原 賢二 Doihara Kenji, * 8. August 1883 in Okayama; † 23. Dezember 1948 in Tokio) war ein aggressiver japanischer Nationalist und Spion, der seit 1913 in China tätig war. Er war einer der Hauptverantwortlichen für den Ausbruch des Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges. Von dem westlichen Journalisten H.G.W. Woodhead[1] erhielt er den unpassenden[2] Spitznamen Lawrence von Mandschurien.

Leben

Doihara wurde als Sohn einer relativ armen Familie in Okayama geboren. Er besuchte ab 1904 die kaiserlich-japanische Heeresoffiziersschule und wurde nach dem erfolgreichen Abschluss aller Prüfungen Offizier. Er war der beste Absolvent seines Jahrgangs und zeigte ein besonderes Talent bei dem Erlernen von Fremdsprachen. Danach diente er in verschiedenen Infanterieeinheiten des japanischen Heeres. Später besuchte er die japanische Heereshochschule und schloss sein Studium im November 1912 29-jährig ab, während im Allgemeinen ein Mindestalter von 30 Jahren für die Aufnahme an der japanischen Heereshochschule galt.

Seit seiner Jugendzeit war sein größter Wunsch, die Mandschurei (heute Nordostchina) zu einem Teil des japanischen Kaiserreiches zu machen.

Spion in China

Nach dem Abschluss seines Studiums ging Doihara im Januar 1913 als Militärattaché nach Peking und wurde dort 1918 Assistent des Majors Shigeru Honjō[3], der wie Doihara bereits sehr früh ein Protagonist der japanischen Expansion war und in engem Kontakt zu Sadao Araki stand. Es wird in verschiedenen Quellen behauptet, das Doihara Fotos seiner jüngeren Schwester anfertigte und diese an einen Prinzen des japanischen Kaiserhauses weitergab, der Doiharas Schwester umgehend als Konkubine wählte. Als Dank soll Doihara die Stelle in Peking erhalten haben.[4] In Anbetracht seiner Fähigkeiten ist jedoch wahrscheinlich, das diese Geschichte erst später in die Welt gesetzt wurde, um ihn als besonders bösartig zu charakterisieren. Doihara hatte gelernt, Hochchinesisch, verschiedene chinesische Regionalsprachen sowie neun europäische Sprachen fließend zu sprechen. Darüber hinaus hatte er ein sympathisches und aufgeschlossenes Wesen, wodurch es ihm leicht fiel, neue Bekanntschaften zu schließen.[2] Diese Fähigkeiten prädestinierten ihn in den Augen des kaiserlich-japanischen Generalstabs für Spionagetätigkeiten.

Zum Zeitpunkt von Doiharas Versetzung regierte der General Yuan Shikai als Präsident der 1911 ausgerufenen Republik China mit Hilfe der ihm unterstehenden Peking-Armee, die einen Großteil der alten kaiserlichen Armee umfasste. Als sich Yuan jedoch 1915 zum chinesischen Kaiser ausrufen lassen wollte, rebellierten seine Untergebenen gegen ihn. Yuan starb 1916 und die Peking-Armee zerfiel in mehrere Fraktionen. Die Periode der chinesischen Warlords begann und mit ihr eine Zeit der verstärkten Einflussnahme Japans auf die chinesische Innenpolitik. Die treibende Kraft hinter den japanischen Bemühungen war der General, ehemalige Generalgouverneur Koreas und Premierminister Terauchi Masatake, der sich bereits bei der Ausplünderung der koreanischen Halbinsel und der Assimilation der koreanischen Bevölkerung einen zweifelhaften Namen gemacht hatte.[5]

Unterstützung der Anfu-Clique

Aus der Peking-Armee ging 1916 unter anderem die unter dem Befehl von General Duan Qirui stehende und als Anfu-Bewegung bzw. Anhui-Clique bekannte Fraktion hervor. Die Japaner favorisierten die Anfu-Bewegung als zukünftige chinesische Regierung und ließen sich von Duan Qirui als Gegenleistung für umfangreiche Militärhilfe großzügige Konzessionen zum Abbau von Bodenschätzen ausstellen, die von der japanischen Industrie bisher teuer importiert werden mussten. (→Nishihara-Kredite) Doihara leistete bei der Organisation der Unterstützung für Anfu erstmals eine bedeutende nachrichtendienstliche Tätigkeit. Ihm gelang es, aus den Reihen der Anfu-Bewegung ein eigenes Netzwerk krimineller Chinesen aufzubauen.[2] Mittels der japanischen Militärunterstützung gelang es Anfu in den Jahren 1916 bis 1920 den Norden Chinas zu dominieren und als international anerkannte Regierung Chinas zu gelten. Als der Handel zwischen Anfu und den Japanern öffentlich bekannt wurde, konnten die mit Anfu verfeinden Fraktionen ein Bündnis errichten und die Truppen der Anfu-Bewegung im Jahr 1920 besiegen. In der Stunde der Niederlage gelang es Doihara, mehrere hochrangige Anfu-Politiker aus der Stadt Peking in Wäschekörben in Sicherheit zu bringen.[6] Mit der Entmachtung von Anfu hatten auch die Japaner einen Rückschlag hinnehmen müssen, da sie nun gezwungen waren, sich nach einem neuen Partner umzusehen, der ihnen Zugang zu den für eine koloniale Expansion so dringend benötigten chinesischen Rohstoffvorkommen verschaffte. Doihara selbst hatte sich aber durch seinen erfolgreichen Einsatz erneut für verantwortungsvolle Aufgaben empfohlen.

Japanische Intervention im Russischen Bürgerkrieg

Doihara verbrachte fast die gesamte Zeit von 1913 bis 1930 mit geheimdienstlichen Tätigkeiten in Nordchina. Nach der Ende der Herrschaft der Anfu-Clique folgte jedoch ab April 1920 ein Aufenthalt im während des Russischen Bürgerkriegs japanisch besetzten Teil der sowjetischen Fernöstlichen Republik, der bis 1922 andauerte. Doihara wurde in der heutigen Region Primorje stationiert. Dort lernte er Itagaki Seishirō kennen, der später Generalleutnant und Heeresminister und ebenfalls eine treibende Kraft hinter den japanischen Expansionsbestebungen der 1930er Jahre werden sollte.[2]

Am 27. Oktober 1921 trafen sich in Baden-Baden drei Majore der kaiserlich-japanischen Armee mit dem Prinzen Higashikuni Naruhiko, um die Übernahme der Regentschaft durch Prinz Hirohito von dessen geisteskranken Vater Kaiser Yoshihito vorzubereiten. Gleichzeitig sollte mit Hilfe des jungen Regenten der Einfluss des alten Chōshū-Clans unter Führung von Yamagata Aritomo auf das kaiserlich-japanische Heer beseitigt werden. Die mit veralteter Technik ausgestattete Truppe musste in eine schlagkräftige und moderne Armee umgewandelt werden, die geeignet war, die imperialen Träume des zukünfigen Kaisers Hirohito zu verwirklichen. Um diese Pläne in die Realität umzusetzen, wurden durch die Offiziere und Prinz Higashikuni elf vertrauenswürdige Männer ausgewählt. Unter ihnen waren Hideki Tojo, Itagaki Seishirō und Kenji Doihara.[7]

Doihara stieg kontinuierlich aber unspektakulär in der Hierarchie der japanischen Armee auf. Im August 1913 wurde er zum Hauptmann befördert, im Juli 1919 wurde er zum Major ernannt. Im August 1923 erhielt er den Rang eines Oberstleutnants.

Militärhilfe für den Worlord Zhāng Zuòlín

In der Zwischenzeit gelang es anderen japanischen Diplomaten und Geheimagenten, zu denen auch Shigeru Honjō gehörte, gute Beziehungen zu dem chinesischen Warlord Zhāng Zuòlín aufzubauen, dessen Machtbereich sich hauptsächlich auf die Mandschurei erstreckte.[8] Er führte eine Fraktion an, die als die Fengtien-Clique bezeichnet wurde und mit der unter der Führung von Wu Peifu stehenden und von Italien unterstützten Chihli-Fraktion um die Macht kämpfte. Nachdem Zhāng Zuòlín bereits im April und Mai 1922 erfolglos versucht hatte, das chinesische Kernland zu erobern (→Erster Chihli-Fengtien-Krieg) startete er mit japanischer Unterstützung am 15. September 1924 einen zweiten Versuch. (→Zweiter Chihli-Fengtien-Krieg) Dem japanischen Geheimdienst war die Unterwanderung des Militärapparats von Wu Peifu gelungen, sodass alle wichtigen Informationen über seine Truppenbewegungen direkt an Zhāng Zuòlín weitergeleitet wurden.[9] Doihara spielte eine entscheidende Rolle bei der Herbeiführung des kriegsentscheidenden Seitenwechsels des ursprünglich zur Chihli-Fraktion gehörenden Befehlshabers Feng Yuxiang hin zur Fengtien-Clique, indem er Feng Dokumente über Wu Peifus Absicht, enge Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu knüpfen, zuspielen ließ.[10]

Tianjin

Kurz nach seinem Wechsel zur Fengtian-Fraktion ließ der Warlord Feng, dessen Truppen auch Peking kontrollierten, den ehemaligen chinesischen Kaiser Pu Yi aus der Verbotenen Stadt werfen. Pu Yi suchte Schutz im japanischen Konsulat in Peking. Da sich der ehemalige chinesische Kaiser trotzdem noch in Lebensgefahr befand, erhielt Doihara den Auftrag, den politisch wertvollen Flüchtling in die Konzession Tianjin zu bringen.[11] Dort quartierte er den ehemaligen Kaiser in der prachtvollen Residenz eines enteigneten chinesischen Kaufmanns ein. In den folgenden Jahren freundete sich Doihara mit Pu Yi an und übernahm für den Kaiser die Aufgabe eines Beraters und Bodyguards. Er sorgte dafür, das der ehemalige russische Bürgerkriegsgeneral Grigori Michailowitsch Semjonow Pu Yis Leibgarde organisierte. [12] Weiterhin gelang es Doihara während des Jahres 1925 in Zusammenarbeit mit britischen Behörden und Geschäftsleuten die Anhänger der Geheimgesellschaft Weißer Lotus in der Stadt zu beseitigen, die die Absicht hatten, den ehemaligen Mandschu-Kaiser zu ermorden. Sein Erfolg brachte ihm in der lokalen britischen Presse den Spitznamen "Lawrence von China" ein [13], auf den Doihara sehr stolz war.[14]

Während des Aufenthalts in Tianjin begann Doihara Beziehungen zur Unterwelt der Stadt aufzubauen und sich an dem illegalen Handel mit Opium zu beteiligen, der in den Händen chinesischer Triaden (in Tianjin die "Grüne Bande") als auch japanischer Yakuza lag. Er unterstützte die Produktion von Opium im japanisch besetzten Formosa (heute Taiwan) und organisierte über seine Verbindungen den Verkauf der Droge auf dem chinesischen Festland. Der Verkauf von Opium diente zum Einen dazu, schwarze Kassen des japanischen Militärs zu füllen, zweitens sollte mit der bewussten Herbeiführung der Drogenabhängigkeit eine Schwächung Chinas erreicht werden und drittens konnte Doihara seine Informanten durch ihre Drogenabhängigkeit stärker an sich binden.

Doihara nutzte während seiner Zeit in Tianjin die verzweifelte finanzielle Lage vieler russischer Emigranten aus und beschäftige hunderte von ihnen in einem Netzwerk als Zuträger, Auftragskiller und Geldeintreiber. Russische Frauen arbeiteten in Bordellen, die Doihara zu Spionagezwecken eröffnet hatte. Die Prostituierten erhielten für sechs an Kunden verkaufte Opium-Pfeifen eine Opium-Pfeife gratis.[15][2]

Ermordung Zhāng Zuòlíns

Datei:Zhang zuolin car.jpg
Der bei dem Attentat auf den Warlord Zhāng Zuòlín zerstörte Eisenbahnwaggon. (4. Juni 1928) Der Jinan-Zwischenfall manifestierte das Scheitern der von Japan in den 1920er Jahren betriebenen Politik einer verdeckten Kolonisierung Chinas

1927 wurde Doihara zum Oberst befördert und in den Stab der ersten japanischen Infanteriedivision versetzt. Diese Einheit war die traditionsreichste Division des japanischen Landheers und besonders stark mit militaristischen Offizieren durchsetzt.[16] Es ist aus diesem Grund nicht überraschend, das Doihara in den Jahren 1928 und 1929 Mitglied der Geheimgesellschaft Futabakai war.[17]

Ab dem 20. März 1928 wurde Doihara Militärberater des chinesischen Warlords Zhāng Zuòlín, der bereits seit vielen Jahren von Japan unterstützt wurde und den stärksten innerchinesischen Gegner Chiang Kai-sheks darstellte. Als Zhāng Zuòlín im Verlauf der von Chiang Kai-shek initiierten Nordexpedition Niederlagen erlitt und Peking räumen musste, begann er, sich aus der Abhängigkeit von Japan zu lösen. Aus Rache für seine Untreue wurde er am 4. Juni 1928 bei einem Attentat getötet, das allgemein als Jinan-Zwischenfall bekannt ist und von dem japanischen Oberst Kōmoto Daisaku eigenmächtig initiiert wurde, der wie Doihara zur Futabakai gehörte. Doihara war nach dem Autor Leonard Humphreys persönlich nicht in die Attentatsplanungen verwickelt und blieb bis zum 15. März 1929 in Mukden Militärberater von Zhang Xueliang, des Sohnes und Nachfolgers von Zhāng Zuòlín, bis sich dieser aus Rache für den Tod seines Vaters endgültig auf die Seite von Chiang Kai-shek schlug. Damit war der Weg hin zu einem militärischen Eingreifen Japans in China vorprogrammiert, da Chiang in der Folgezeit eine weitgehende Einigung des Landes möglich war und Japan nicht mehr auf die Bereitstellung großzügiger Konzessionen hoffen konnte.[18] Verzweifelte Versuche wie die von Doihara 1929 eingeleitete finanzielle Unterstützung des als opportunistisch bekannten Warlords Shi Yousan im Kampf gegen Chiang änderten an dieser Situation nichts mehr, da Chiang nicht zuletzt durch die Hilfe von Zhang Xueliang sämtliche starken Kontrahenten im Verlauf des Krieges in den zentralen Ebenen von Mai bis Oktober 1930 ausschalten konnte.[19]

Von 1929 bis 1930 befehligte Doihara das 30. japanische Infanterieregiment. Im gleichen Jahr wurde er in den kaiserlich-japanischen Generalstab versetzt und mit der Aufgabe betraut, die japanische Militärspionage der Guandong-Armee von der Residenz in Tianjin aus zu leiten. Doiharas Hauptaufgabe war nun, Konflikte mit der chinesischen Administration zu erzeugen und diese dann im Sinne der japanischen Expansionsbestrebungen in China zu lösen.[20]

Mandschurei-Krise

Kenji Doihara (mitte, in Uniform) bei der Übernahme des Bürgermeisteramts von Mukden (18. September 1931)

Im Sommer 1931 wurde Doihara mit Einwilligung von Kaiser Hirohito zum Chef des japanischen Geheimdienstes in der Mandschurei mit Sitz in der Stadt Mukden ernannt.[21] Seine Versetzung war ein deutliches Zeichen dafür, das die japanische Armee nun daran ging, ihre Eroberungsabsichten in der Mandschurei in die Tat umzusetzen, da bisher nur zweitrangige japanische Geheimdienstler diesen Posten übernommen hatten. Er arbeitete jetzt eng mit Kanji Ishiwara und Itagaki zusammen, die seit 1929 an einem konkreten Plan zur Besetzung der Mandschurei gearbeitet hatten. Doihara selbst war aber nicht die zentrale Figur, die hinter dem Ausbruch der Mandschurei-Krise stand, obwohl er die Pläne von Ishiwara und Itagaki tatkräftig unterstützte.[22]

Nach einem fingierten Sprengstoffanschlag auf die in japanischem Besitz befindliche Südmandschurische Eisenbahn am späten Abend des 17. September wurde in der darauffolgenden Nacht die unter dem Befehl von Zhang Xueliang stehende Garnision Mukdens überwältigt und die Luftwaffe des Warlords zerstört. Direkt nach dem japanischen Überfall, der vorgeblich zum Schutz der Bahnlinie diente, übernahm Doihara mit Zustimmung der lokalen chinesischen Prominenz die Funktion des Bürgermeisters von Mukden[23][24].

Während die militärische Besetzung der südlichen Mandschurei ein Erfolg war, waren sich die Japaner nicht im Klaren darüber, ob nicht doch eine der überraschten Großmächte wie beispielsweise Großbritannien, die USA oder die Sowjetunion zugunsten der Chinesen eingreifen würden. Am 5. Oktober 1931 schlug Doihara daher vor, die chinesische Stadt Jinzhou durch japanische Bomber angreifen zu lassen, um die genannten Großmächte und China noch weiter zu provozieren. Da nur auf diplomatischer Ebene protestiert, aber von keiner Seite ernsthafter militärischer Widerstand geleistet wurde, waren sich die Japaner nun im Klaren darüber, das die Invasion der Mandschurei international geduldet werden würde. Die japanische Regierung mit dem Premierminister Wakatsuki Reijirō war mit dem eigenmächtigen Vorgehen des Militärs nicht einverstanden, wurde jedoch von Kaiser Hirohito darüber in Kenntnis gesetzt, das sie nur unter Eigenverantwortung die Aktionen des Militärs zu stoppen habe.

Etablierung des Vasallenstaats Mandschukuo

Feld mit reifem Schlafmohn im Staat Mandschukuo während der 1930er Jahre. Die Herstellung und der Verkauf von Opium waren für das japanische Militär[25] ein wichtiges Mittel im Kampf um die Hegemonie über China.

Ende 1931 bis Anfang 1932 organisierte Doihara den sogenannten Tianjin-Zwischenfall, während dessen sich Pu Yi aus Tianjin mit einem japanischen Schiff in die Mandschurei absetzte. Dieser Erfolg war wesentlich der Agentin Yoshiko Kawashima zu verdanken, die Pu Yi dazu bewegen konnte, die Rolle des Staatschefs des japanischen Vasallenstaates Mandschukuo zu übernehmen.[20] Pu Yi wurde wenige Monate später als das Staatsoberhaupt von Mandschukuo eingesetzt, um die dortige japanische Truppenpräsenz international zu legitimieren. Aufgrund seines Erfolges bei der Erfüllung seiner Missionen wurde Doihara am 11. April 1932 zum Generalmajor befördert. Zeitgleich wurde sein bisheriger Förderer Shigeru Honjō von seinem Posten als Befehlshaber der Guandong-Armee abberufen und nach Japan zurückversetzt, was als verzweifelte Maßnahme der Tsuyoshi-Administration gegen das eigenständige Handeln des Militärs zu verstehen ist.

Japanischer Zeitungsartikel über den Zwischenfall am 15. Mai

In Japan fand einen Monat später eine Mordserie an verschiedenen Regierungsmitgliedern, die gegen die militärische Expansion des Landes eintraten, statt. Unter den Opfern befand sich auch der Premierminister Inukai Tsuyoshi, der am 15. Mai 1932 im Rahmen eines gescheiterten Putschversuches getötet wurde. Diese Aktionen wurden von Doihara mitinitiiert und sollten verhindern, dass die japanischen Truppen in der Mandschurei einen Rückzugsbefehl erhielten. Wenngleich der Putschversuch fehlschlug, wird die Ermordung Inukai Tsuyoshis von Historikern als Wendepunkt hin zu einer ganz durch das Militär bestimmten Politik Japans angesehen.

Im gleichen Jahr gründete Doihara die Sondereinheit Tokumu Kikan, die hauptsächlich alle antijapanischen Bewegungen in Mandschukuo eliminieren sollte und auch in dem nicht von den Japanern kontrollierten Teil Chinas tätig war.[2]

Weitere Tätigkeit in China

Auch nach der Gründung des Staates Mandschukuo konnten die japanische Armee und ihre chinesischen Verbündeten das Gebiet der Mandschurei nicht vollständig kontrollieren. Der chinesische General und Warlord Ma Zhanshan ordnete sich beispielsweise zunächst scheinbar den neuen Machthabern unter, nachdem Doihara mit ihm Verhandlungen geführt hatte. Er erhielt im Gegenzug von Doihara finanzielle Mittel, um seine Truppe neu auszurüsten, damit sie Teil der Armee des Staates Mandschukuo werden konnte. Tatsächlich begann Ma am 1. April 1932 ausgehend von Qiqihar wieder gegen die Japaner vorzugehen, mit dem Ziel die chinesische Herrschaft über die Provinz wieder herzustellen. In der Folge flammte immer wieder militärischer Widerstand gegen die japanische Besatzung des Landes auf, obwohl es Doihara in der Folge gelang, Ma's Streimacht zu zerschlagen und diesen zur Flucht in die Sowjetunion zu zwingen.

Doihara wurde hatte nach der Etablierung des Staates Mandschukuo eine Machtposition erreicht, die seinen Vorgesetzten nicht geheuer war. Die folgend beschriebenen Versetzungen müssen daher in dem Kontext zu betrachtet werden, dass sie den Zweck hatten, seine Macht bis zu einem gewissen Grad zu beschränken.[2] Von 1932 bis 1933 war Doihara Befehlshaber der 9. Infanterie-Brigade der 5. Japanischen Division. In dieser Funktion war er an der Durchführung der als Operation Nekka bezeichneten japanischen Militäraktion beteiligt, die den japanischen Einfluss auf die Mandschurei endgültig absichern sollte. Nach der erfolgreichen Eroberung der Stadt Jehol (heute Chengde) und der Eingliederung der umliegenden Provinz in den Staat Mandschukuo als Pufferzone zum restlichen China wurde Doihara bis 1934 wieder mit der Leitung des Houten-Geheimdienstes betraut. Danach war er bis 1936 der 12. Japanischen Division unterstellt. 1935 sorgte Doihara mit der nach ihm benannten Doihara-Qin-Vereinbarung dafür, das sich chinesische Truppen aus der nördlichen Chahar-Region der Mandschurei zurückzogen und so die Existenz des Staates Mandschukuo weiter gefestigt wurde.

Vom 23. März 1936 bis Ende Februar 1937 war Doihara der Befehlshaber der direkt in Japan stationierten 1. japanischen Versorgungs-Division.

Zweiter Japanisch-Chinesischer Krieg

Doihara war nach dem Ausbruch des Krieges zunächst Kommandeur der 14. Division der japanischen Guandong-Armee, die am 14. September 1937 den Grenzfluss Yongding He, dem Hauptzufluss des Hai He, überquerte. Die von ihm befehligte Division war maßgeblich an der japanischen Offensive entlang der Eisenbahnline Peking-Hankou sowie der darauf folgenden Schlacht um die nördlichen und östlichen Teile der chinesischen Provinz Henan beteiligt. Er erlitt eine Niederlage in der Schlacht bei Lankao, einem Ort nahe dem Gelben Fluss in der Provinz Henan.

Am 28. Mai 1938 wurde er dem Generalstab der Guandong-Armee als direkt als Chef der von ihm gegründeten Geheimdienstorganisation Tokumu Kikan unterstellt. Hier gelang es seinen Agenten und ihm, den Generalstab des chinesischen Generalissimus Chiang Kai-shek zu unterwandern. Doiharas Meisterstück war die Gewinnung von Huang-sen, des persönlichen Sekretärs von Chiang, als Informationsquelle. Huang-sen sammelte mit großer Leidenschaft Goldfische und Doihara konnte ihm einige außergewöhnlich schöne Exemplare beschaffen. Dankbar erzählte Huang-sen Doihara Geheimnisse, beispielsweise die Verteidigungsmaßnahmen der Chinesen, die ein weiteres Vordringen japanischer Schiffe entlang des Flusses Jangtse verhindern sollten. Aufgrund dieses Verrates wurde Huang-sen als Informationsquelle der Japaner enttarnt und wenig später hingerichtet. Der misstrauisch gewordene Chiang Kai-shek ließ den Vorfall gründlich untersuchen, was zu der wenig später erfolgenden Hinrichtung von insgesamt acht chinesischen Divisionskommandeuren führte, die ebenfalls für die Tokumu Kikan und damit für Doihara gearbeitet hatten.[2]

Im August 1939 wurde Doihara zum Befehlshaber der in Folge des Japanisch-Sowjetischen Grenzkonfliktes neu aufgestellten 5. Japanischen Armee ernannt, die die Grenze der Mandschurei zur Sowjetunion hin sichern sollte. 1940 wurde er in den Obersten Kriegsrat Japans berufen und übernahm von Tojo den Posten des Generalinspekteurs der kaiserlich-japanischen Heeresluftwaffe. Diese Positionen hatte er bis 1943 inne. Im Rat befürwortete er in der Sitzung vom 4. November 1941 den Angriffsplan auf Pearl Harbor, weil er der Meinung war, das Japan aufgrund des kurz zuvor in Kraft getretenen US-Embargos und der damit hervorgerufenen Erdölknappheit nur einen kurzen Krieg gegen die Sowjetunion führen könne. Er spekulierte dabei darauf, dass das Land unter den deutschen Angriffsschlägen zusammenbrechen würde. Erst dann sollten japanische Truppen in die Sowjetunion einmarschieren.

1944 wurde er zum Kommandeur der japanischen Landstreitkräfte in Südostasien ernannt und hatte sein Hauptquartier in Singapur. Zeitgleich war er Gouverneur der malayischen Provinz Johor. Doihara war in dieser Zeit mitverantwortlich für die Existenz einer Reihe von brutalen Kriegsgefangenenlagern auf der Malayischen Halbinsel, Sumatra, Java und Borneo.

Als er 1945 nach Japan zurückkehrte, wurde Doihara zum Generalinspekteur der japanischen Militärausbildung (ausgenommen der Luftwaffe) ernannt. Damit war er auf einen der prestigeträchtigsten Posten innerhalb des japanischen Militärapparats gelangt. Diese Position behielt er bis zum August 1945. Doihara gehörte zu denjenigen Militärs, die für eine unbedingte Fortsetzung des Krieges plädierten, obwohl die militärische Lage Japans schon seit langem hoffnungslos geworden war.[26] Während und nach der Kapitulation Japans übernahm er noch das Kommando über zwei verschiedene Armeen , die zur Verteidigung des Landes gegen die erwartete Invasion der amerikanischen Streitkräfte eingesetzt werden sollten und nun demoblisiert wurden. Es handelte sich um die 12. japanische Regionalarmee vom 25. August 1945 bis zum 12. September 1945, danach wechselte Doihara mit Zustimmung der amerikanischen Okkupationsbehörde zur 1. japanischen Armee, weil deren Befehlshaber Feldmarschall Hajime Sugiyama Selbstmord begangen hatte.

Verurteilung als Kriegsverbrecher

Kenji Doihara in Gefangenschaft

Am 23. September 1945 wurde für Doihara auf Anweisung von Douglas MacArthur[27] ein Haftbefehl durch die amerikanische Besatzungsmacht erlassen. Nachdem er davon erfahren hatte, fuhr Doihara nach Yokohama und stellte sich freiwillig.[28] Er wurde verhaftet und in das Sugamo-Gefängnis gebracht. Am 30. November 1945 endete Doiharas Militärdienst im Zuge der endgültigen Auflösung der Kaiserlich-Japanischen Armee. Später wurde er in den Tokioter Prozessen als einziger Angehöriger des japanischen Geheimdienstes Kempeitai wegen verschiedener Kriegsverbrechen angeklagt. Er wurde in Bezug auf die Anklagepunkte 1, 27, 29, 31, 32, 35, 36, und 54 für schuldig befunden und am 23. Dezember 1948 mit dem Tod durch Erhängen bestraft. Inwieweit Doiharas Verurteilung als juristisch einwandfrei zu betrachten ist, kann hinterfragt werden, wie das folgende Zitat aus den Memoiren des us-amerikanischen Geheimdienstoffiziers Elliot R. Thorpe zeigt:

„Kenji Doihara was something else. He was an able army officer with unusual ability in many directions.[...] There were many Japanese Leaders whose careers were much more dubious than Doihara's, but they were fortunate enough not to become known to the Western press. I finally put Doihara's name on the war criminal list, because he had taken an aggressive part in the unwarranted attack on China in 1938. Anyway, our people wanted to hang him. So they did.“[29]

Doihara selbst legte zusammen mit Hirota Kōki Revision gegen sein Urteil ein, konnte aber die Vollstreckung der Todesstrafe nur hinauszögern. Dies führte dazu, dass die ursprünglich für den 7. Jahrestag des Angriffs auf Pearl Harbor vorgesehene Hinrichtung erst drei Wochen später erfolgte. [30] Während seiner Haft wandte sich Doihara stark dem Zen-Buddhismus zu, was sich nach der Verkündigung seines Todesurteils noch weiter intensivierte. Trotzdem äußerte er bis zu seinem Tod nicht das geringste Bedauern über die Verbrechen, die er gegenüber dem chinesischen Volk begangen hatte.[31]

Zitate

  • „Wenn ich schaue, wie tief unser Vaterland verwüstet ist, denke ich nur an die Tiefe meiner Schuld [gegenüber Japan].“ [32]

Publikationen

  • Basic National Platform Toward China, erschienen in Zeitschrift Shinʼyūsha, 1938
  • Roots of Japan's National Policy toward China erschienen in Zeitschrift Amerasia März 1939 S. 20-24 [33]
  • Kōdō no seishin; Tamagawa Gakuen Shuppanbu, 1940

Quellen und Anmerkungen

  1. Waldron: From War to Nationalism, S.16
  2. a b c d e f g h Richard Deacon: A History of The Japanese Secret Service, S.141-156
  3. Edward Behr:Hirohito: Behind the Myth; S.93
  4. Terry Crowdy: The Enemy Within, S. 221 ff., Das Gerücht geht auf Amleto Vespa zurück.
  5. Seagrave: Gold Warriors, S.18-19
  6. John Gunther: Inside Asia S. 56
  7. Bergamini: Japan's Imperial Conspiracy, S.326
  8. Waldron: From War to Nationalism, S. 176
  9. Waldron: From War to Nationalism, S.177
  10. Mccormack: Chang Tso-lin in Northeast China, 1911-1928, S.132
  11. John Gunther: Inside Asia - 1942 War Edition, S. 146
  12. Brian Power: The Ford of Heaven: A Childhood in Tianjin, China, S.101
  13. Brian Power: The Ford of Heaven: A Childhood in Tianjin, China, S.103
  14. Amleto Vespa: Secret Agent of Japan; S.43
  15. Jamie Bisher: White Terror, S. 298
  16. Die Soldaten der ersten ersten japanischen Infanteriedivision waren später Mitglieder der Kōdōha und spielten eine tragende Rolle während des Putschversuchs vom 26. Februar 1936.
  17. Humphreys: The Way of the Heavenly Sword, S. 203
  18. Leonard A. Humphreys: The Way of the Heavenly Sword, S.149-170
  19. The China Quarterly; Contemporary China Institute of the School of Oriental and African Studies, London University, 1987; no.109-112 (Jg. 1987), S.47
  20. a b Norman Polmar, Thomas B. Allen: Spy Book: The Encyclopedia of Espionage S.170
  21. Bergamini: Japan's Imperial Conspiracy S. 415
  22. Bergamini: Japan's Imperial Conspiracy S. 420-426
  23. Edward Behr:Hirohito: Behind the Myth, S.37
  24. Bergamini: Japan's Imperial Conspiracy S. 422
  25. Auch die chinesische Bürgerkriegspartei Kuomintang finanzierte ihre Waffeneinkäufe über den Opiumhandel.
  26. Gar Alperovitz, Sanho Tree: The Decision to Use the Atomic Bomb and the Architecture of an American Myth S.653
  27. The World Almanac & Book of Facts 1946 , Newspaper Enterprise Association, 1946, S.98
  28. Time-Magazine, 01. Oktober 1945
  29. E. R. Thorpe: East Wind, Rain; S.200
  30. Butow: Tojo And the Coming of the War S. 526, Schilderung der Hinrichtung S. 536-537
  31. Brian Daizen Victoria: Zen War Stories, S. 181 - 183
  32. Ursula Heukenkamp (Hrsg.): Schuld und Sühne ? Kriegserlebnis und Kriegsdeutung in deutschen Medien der Nachkriegszeit (1945 - 1961); Rodopi-Verlag Amsterdam Atlanta; ISBN 90-420-1445-8; S.447
  33. auch in Donald George Tewksbury: Source Book on Far Eastern Political Ideologies, Berkeley, Univ. California, 1949

Literatur

  • Gar Alperovitz, Sanho Tree: The Decision to Use the Atomic Bomb and the Architecture of an American Myth; Knopf 1995; ISBN 0679443312
  • Edward Behr: Hirohito: Behind the Myth; Hamish Hamilton, 1989; ISBN 0-394-58072-9
  • Jack Belden: Still Time to Die; Kessinger Publishing 2005; ISBN 1419113283
  • David Bergamini: Japan's Imperial Conspiracy; William Heinemann Ltd London 1971
  • Jamie Bisher: White Terror: Cossack Warlords of the Trans-Siberian; Routledge, 2005; ISBN 0714656909
  • Robert Joseph Charles Butow: Tojo and the Coming of the War; Princeton University Press 1961
  • Terry Crowdy: The Enemy Within: A History of Spies, Spymasters and Espionage; Osprey Publishing 2008; ISBN 1846032172
  • Richard Deacon: A History of The Japanese Secret Service; New York, Toronto: Beaufort Books, 1983; ISBN 0-8253-0131-9
  • John Gunther: Inside Asia - 1942 War Edition; READ BOOKS, 2007; ISBN 1406715328
  • Shinshō Hanayama: The Way of Deliverance: Three Years with the Condemned Japanese War Criminals; Gollancz-Verlag London, 1955
  • Leonard A. Humphreys: The Way of the Heavenly Sword: The Japanese Army in the 1920's; Stanford University Press, 1995; ISBN 0804723753
  • B. Winston Kahn: Doihara Kenji and the North China Autonomy Movement, 1935-1936; Arizona State University Center for Asian Studies, 1973; ISBN 0-939-25202-3
  • Ping-jui Li: Two Years of the Japan-China Undeclared War and the Attitude of the Powers; Mercury Press 1933
  • Norman Polmar, Thomas B. Allen: Spy Book: The Encyclopedia of Espionage; London: Greenhill Books, 1997; ISBN 1-85367-278-5
  • Brian Power: The Ford of Heaven: A Childhood in Tianjin, China; Signal Books, 2005; ISBN 1904955010
  • Sterling Seagrave, Peggy Seagrave: Gold Warriors: America's Secret Recovery of Yamashita's Gold; Verso 2003; ISBN 1-85984-542-8
  • Ronald Seth: Secret Servants: A History of Japanese Espionage; Farrar, Straus and Cudahy, 1957
  • Elliott Raymond Thorpe: East Wind, Rain: The Intimate Account of an Intelligence Officer in the Pacific, 1939-49; Gambit-Verlag Boston 1969
  • Arthur Waldron: From War to Nationalism - Chinas Turning Point, 1924 - 1925; Cambridge University Press 1995; ISBN 0-521-47238-5
  • Amleto Vespa: Secret agent of Japan - A handbook to Japanese imperialism; Gollancz-Verlag London, 1938
  • Brian Daizen Victoria: Zen War Stories; Routledge 2002; ISBN 0700715819
  • Takehiko Yoshihashi: Conspiracy at Mukden : The Rise of the Japanese Military; London: Greenwood Press ISBN 0-313-22443-9

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