Andrei Dmitrijewitsch Sacharow
Andrei Dmitrijewitsch Sacharow (russisch Андрей Дмитриевич Сахаров, wiss. Transliteration Andrej Dmitrievič Sacharov; * 21. Mai 1921 in Moskau; † 14. Dezember 1989 in Moskau) war ein russischer Kernphysiker, Dissident und Nobelpreisträger.
Leben
Andrei Sacharow wurde als Sohn des Physiklehrers Dmitri Iwanowitsch Sacharow und Jekaterina Alexejewna, geborene Sofiano, geboren. 1938 schloß er die Oberschule mit Auszeichnung ab, studierte Physik an der Universität Moskau, beendete das Studium in Aschgabat, Turkmenistan. 1942 bis 1945 war er Ingenieur in einer Munitionsfabrik an der Wolga. 1947 promovierte er am Lebedew Institut der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Nuklearphysik.
Von 1948 bis 1968 arbeitete Sacharow am sowjetischen Atomwaffenprogramm zunächst in Moskau, später in Saratow. Er war davon überzeugt, dass ein nukleares Gleichgewicht die Welt vor der Zerstörung bewahren könne, fühlte sich als Soldat des naturwissenschaftlich-technischen Krieges. Er nahm maßgeblich an der Entwicklung der sowjetischen Wasserstoffbombe teil, die am 12. August 1953 gezündet wurde. Er wurde jüngstes Vollmitglied der sowjetischen Akademie der Wissenschaften, er erhielt den Titel Held der Sozialistischen Arbeit und den Stalinpreis.
Von Sacharow stammen die Grundideen der drei wichtigsten Verfahren zur Realisierung der kontrollierten Kernfusion: der magnetische thermonukleare Reaktor, die spätere Tokamak-Anordnung, die Myonenkatalyse von Kernfusionsreaktionen, die er Kalte Fusion nannte, und der Einsatz gepulster Laserstrahlung zur Aufheizung von Deuterium. Die bedeutendsten Arbeiten in der Kosmologie waren: die Erklärung der Baryonenasymmetrie des Weltalls und die induzierte Gravitation, die eine neue Richtung begründete.
Nach 1955 setzte bei Sacharow ein Umdenken über die Atombombe ein. In jenem Jahr gab es bei einem Bombentest die ersten Toten. Sacharow war überzeugt, dass jeder künftige Versuch über 10.000 Opfer kosten werde.
1961 wandte sich Sacharow bei einem Treffen mit Nikita Chruschtschow gegen den Plan, eine 100-Megatonnen-Wasserstoffbombe in der Atmosphäre zu testen.
1962 beteiligte er sich an der Wissenschaftsopposition gegen den stalinistischen Chefbiologen Trofim Lyssenko.
Er verurteilte 1968 die Zerschlagung des reformkommunistischen Prager Frühlings und veröffentlichte im Juli 1968 das Memorandum Gedanken über Fortschritt, friedliche Koexistenz und geistige Freiheit, in dem er sich für internationale Abrüstung und Kernwaffenkontrolle einsetzte. Als Folge wurde er aus dem sowjetischen Atomprogramm entlassen.
1970 gründete Sacharow ein Komitee zur Durchsetzung der Menschenrechte, verlangte in einem offenen Brief an die Regierung eine Demokratisierung der Sowjetunion. Die Regierung reagierte mit zunehmender Repression. Sacharow kümmerte sich um politische Häftlinge, setzte sich für das Selbstbestimmungsrecht von Krimtataren, Mescheten, Armeniern und Georgiern ein.
1974 trat Sacharow für seine Ziele erstmals in den Hungerstreik.
Am 10. Dezember 1975 wurde Sacharow der Friedensnobelpreis verliehen. Das Nobelkommitee würdigte seine Leistungen bei der Unterstützung Andersdenkender und seinem Streben nach einer rechtsstaatlichen und offenen Gesellschaft. Die sowjetische Regierung verbot ihm zur Verleihung nach Oslo zu reisen. Den Preis nahm seine Frau Jelena Bonner entgegen. In den Augen des KGB wurde Sacharow damit zum Feind Nr. 1. Nach Protesten gegen die sowjetische Invasion Afghanistans wurde Sacharow am 22. Januar 1980 verhaftet und nach Gorki (heute Nischni Nowgorod) verbannt, wo er unter Aufsicht des KGB leben mußte. Dort arbeitete er am Entwurf einer neuen sowjetischen Verfassung, wurde Mitbegründer der International Academy of Science.
Im Dezember 1986 wurde die Verbannung Sacharows aufgehoben. Parteichef Michail Gorbatschow bat ihn telefonisch, nach Moskau zurückzukommen und seine politische Tätigkeit fortzusetzen.
1987 wurde Sacharow als Parteiloser in den Kongress der Volksdeputierten gewählt, schloss sich dort der Gruppe der Radikalreformer an und versuchte die sowjetische Verfassung zu reformieren. 1988 wurde er in die Leitung der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften berufen. 1989 wurde Sacharow Gründungsvorsitzender der russischen Gesellschaft Memorial, die die Geschichte der Gulag-Lager aufarbeitete.
Sacharow war in erster Ehe mit Klawdija Alexejewna Wichirewa verheiratet und hatte mit ihr drei Kinder: Ljuba, Tanja und Dmitri.
Sacharow starb am 14. Dezember 1989 in Moskau an einem Herzinfarkt. Seine Gesundheit war seit seiner Verbannung nach Gorki geschwächt. Er wurde auf dem Wakangowskoje-Friedhof beigesetzt.
Das Europäische Parlament verleiht seit 1985 jährlich den Sacharow-Preis an Menschen und Organisationen, die sich um die Verteidigung der Menschenrechte und der Freiheit des Geistes verdient gemacht haben. Armenien hat einen Platz in der Hauptstadt Jerewan nach ihm benannt und dort ein Denkmal errichtet.
Literatur
- Richard Lourie: Sacharow. Eine Biographie. Luchterhand, München 2003, ISBN 3-630-88008-8
- Andrej D. Sacharow. Leben und Werk eines Physikers in einer Retrospektive seiner Kollegen und Freunde in der Moskauer Akademie der Wissenschaften, Spektrum Akademie Verlag, Heidelberg 1991, ISBN 3-86025-011-6
- Andrej Sacharow. Ein Porträt aus Dokumenten, Erinnerungen und Fotos. Kiepenheuer, Leipzig/Weimar 1991, ISBN 3-378-00447-9
Schriften
- Andrej Dimitrijewitsch Sacharow: Stellungnahme. Molden, Wien/München/Zürich 1974, ISBN 3217006259
- Andrej Dimitrijewitsch Sacharow: Mein Land und die Welt. Molden, Wien/München/Zürich 1975, ISBN 3217007417
- Andrej Dimitrijewitsch Sacharow: Furcht und Hoffnung. Neue Schriften bis Gorki 1980. Molden, Wien/München/Zürich 1980, ISBN 3217010477
- Andrej Dimitrijewitsch Sacharow: Ausgewählte Texte. Goldmann, München 1986, ISBN 3442084407
- Andrej Dimitrijewitsch Sacharow, Alexander Babjonyschew, Lew Kopelew: Für Sacharow. Texte aus Rußland zum 60. Geburtstag am 21. Mai 1981. DTV, München 1987, ISBN 3423017643
- Andrej Dimitrijewitsch Sacharow: Furcht und Hoffnung. Kampf für Freiheit und Menschenrechte. Goldmann, München 1987, ISBN 3442113636
- Andrej Dimitrijewitsch Sacharow, Cornelia Gerstenmaier (Hrsg.): Den Frieden retten. Aufsätze, Briefe, Aufrufe 1978 - 1983. Goldmann, München 1987, ISBN 3442113946
- Andrej Sacharow: Mein Leben. Piper, München 1991, ISBN 3-492-03259-1
- Andrej Sacharow, George Bailey: Der Weg zur Perestroika. Frankfurt am Main, 1991, ISBN 3-548-34791-6
Weblinks
- http://nobelprize.org/peace/laureates/1975/index.html Friedensnobelpreis 1975 (Offizielle Seite)
- Sacharow-Ausstellung online (en)
- Andrej Sacharow Stiftung, Moskau (en/ru)
- Europäisches Parlament: Sacharow-Preis für Geistige Freiheit (de)
Personendaten | |
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NAME | Sacharow, Andrei Dmitrijewitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Андрей Дмитриевич Сахаров (russisch) |
KURZBESCHREIBUNG | sowjetischer Atomwissenschaftler, Dissident, Friedensnobelpreisträger |
GEBURTSDATUM | 21. Mai 1921 |
GEBURTSORT | Moskau, Russland |
STERBEDATUM | 14. Dezember 1989 |
STERBEORT | Moskau, Russland |