Umlaufgesichertes Geld
Umlaufgesichertes Geld ist Geld mit einer zeitlich gestaffelten Verfallsgebühr. Das Konzept spielt in der heutigen staatlichen Wirtschaftspolitik keine Rolle, allerdings beruhten in der Vergangenheit bereits einzelne Wirtschaftsräume auf solchem Geld. Ein moderner Vertreter dieses Konzepts ist Bernard Lietaer, bekannt als einer der beiden Architekten des ECU/Euro.
Vertreter dieses Konzepts gehen von der Annahme aus, dass normales Geld ohne Umlaufsicherung wegen der Liquiditätsprämie zurückgehalten werden kann. Eine Umlaufsicherung macht diese Zurückhaltung unattraktiv, und stellt so sicher, dass immer Geld für Investitionen vorhanden ist.
Beispiele für umlaufgesichertes Geld sind:
- Ägyptische Getreidelagerbestätigungen
- Münzgeld im Hochmittelalter in Mitteleuropa
- Wörgler Schillinge
- jedes Freigeld
Eine Umlaufsicherung eines Geldes wird z.B. damit erreicht, dass Geldscheine nach einem bestimmten Zeitraum ihre Gültigkeit verlieren und man etwas tun muss, damit aus solch ungültigem Geld wieder gültiges Geld wird. Jeder Besitzer umlaufgesicherten Geldes versucht deswegen, das Geld bald nach dessen Erhalt wieder loszuwerden, da es sonst ungültig wird. Diese Tendenz, dass jeder Besitzer das Geld bald wieder loswerden will, sichert den Umlauf des Geldes.
Die Umlaufsicherung eines Geldscheins hat eine Höhe, und wird in Anteilen des Nennwertes des Geldscheins auf eine bestimmte Zeitspanne ausgedrückt. Ist die Umlaufsicherung mit Kosten für den Geldscheinbesitzer verbunden, so spricht man bei diesen Kosten von einer Umlaufsicherungsgebühr.
So betrug die Umlaufsicherungsgebühr des Wörgler Schillings 1% im Monat. Die Umlaufsicherung des Gogos beträgt 5% im Jahr.
Umlaufgesichertes Geld ist nicht zu verwechseln mit inflationiertem Geld.
- Bei umlaufgesichertem Geld (welches keiner Inflation oder Deflation unterliegen muss) ändert sich der Wert, der durch den Nennwert des Geldscheins ausgedrückt wird, nicht. Vielmehr ändert sich der Wert des konkreten Scheins selbst, ohne dass es zu einer Änderung des eigentlich durch ihn repräsentierten Nennwertes kommt. Ein Schein, der kurz vor dem Ungültigkeitsdatum steht, ist weniger wert, als einer, bei dem das Ungültigkeitsdatum noch fern ist, obwohl beide den gleichen Nennwert haben. Durch die Vorankündigung des Umtauschtermins und des Abschlagssatzes ist eine gewisse Planbarkeit gegeben.
- Bei inflationiertem Geld, welches keiner Umlaufsicherung unterliegt, ändert sich der Wert des Nennwertes des Scheins. Beispielsweise könnte ein 100-Euro-Schein in 12 Jahren nur noch so viel Wert sein wie ein 50-Euro-Schein heute. Dies würde daran liegen, dass die Kaufkraft der Währung als solche verfällt. Alle Verträge, die auf Euro lauten, z.B. Lebensversicherungen wären dann auch nur noch die Hälfte wert. Bei umlaufgesichertem Geld muss das nicht passieren. Lauten Verträge auf umlaufgesichertes Geld, so muss immer in den Geldscheinen gezahlt werden, die zum Zeitpunkt der Zahlung gültig sind. Diese Geldscheine sind aber noch nicht abgelaufen, haben somit noch etwa fast den vollen Wert.
Man könnte meinen, in der Wirkung sei umlaufgesichertes Geld und inflationiertes Geld gleich, schließlich will jeder es loswerden. Das ist jedoch nicht richtig. Während bei umlaufgesichertem Geld Investition oder Konsum gefördert wird, gilt dies nicht für inflationiertes Geld, dort wird nur Konsum gefördert. Dazu folgendes Szenario:
- Nehmen wir an, die Inflation läge bei 5% im Jahr und die Liquiditätsprämie bei 3% im Jahr. Dann würde ein Besitzer inflationierten Geldes sein Geld nur dann verleihen, wenn er mindestens 8% im Jahr Zinsen bekommt. Wäre der angebotene Zinssatz niedriger, so würde der Geldbesitzer keinen Vorteil sehen, in diese Anlage zu gehen. Statt dessen würde er versuchen, sein Geld in eine bessere Wertanlage (z.B. andere Währung) zu tauschen. Dies würde Kapitalflucht, aber keine Investition bedeuten.
- Nehmen wir dagegen an, der Höhe der Umlaufsicherungsgebühr läge bei 5% im Jahr und die Liquiditätsprämie bei 3% im Jahr. Dann würde ein Besitzer umlaufgesicherten Geldes sein Geld nur dann verleihen, wenn er mindestens -2% Zinsen im Jahr bekommt. Der Zinssatz jeder lohnenden Investition liegt bei mindestens 0% im Jahr. Somit sind Investitionen einem Umtausch in andere Währungen gegenüber nicht benachteiligt, in aller Regel sogar bevorteilt.
Ein ganz wichtiger Aspekt, der beim Vergleich zwischen inflationiertem Geld und umlaufgesichertem, kaufkraftstabilem Geld oft vergessen wird, ist, dass Geld neben der Tauschmittel- und Wertmittel-Funktion auch noch die Wertmess-Funktion hat. Beispielsweise werden Bilanzen auf Basis von Währungen aufgestellt, bei denen stillschweigend unterstellt wird, sie seien wertstabil. Wenn sich bei einem Unternehmen beispielsweise die Bilanzsumme in einem Jahr verdoppelt, aber sich inzwischen der Wert der Währung, in der die Bilanz aufgestellt wird, halbiert, hat das Unternehmen keine Betriebsvermögensvergrößerung erfahren, obwohl es durch die Bilanz (und z.B. das Steuerrecht) unterstellt wird. Ohne zuverlässigem Wertmesser lassen sich Ungerechtigkeiten zwischen Wirtschaftsteilnehmern nicht vermeiden, was in Risiko-Zuschlägen und damit weniger intensiverem Wirtschaften resultiert.
Ein weiterer Unterschied zwischen umlaufgesichertem Geld und inflationiertem Geld ist, dass bei inflationiertem Geld sowohl die Geldscheine als auch alle Verträge, die auf das Geld lauten, wertlos sind, während bei umlaufgesichertem Geld nur die Geldscheine, jedoch nicht darauf lautende Verträge verfallen.
Und schließlich ist bei umlaufgesichertem Geld der Verfall im Voraus bekannt, während er bei inflationiertem Geld erst hinterher bekannt ist, was das Vertrauen in die Währung stört und weswegen alle Vertragspartner Risikozuschläge in ihre Verträge einbauen, also Verträge mit geringen Margen (und damit für gesättigte Märkte) sehr risikovoll werden.
Z.B. Bernard Lietaer ist der Ansicht, dass umlaufgesichertes Geld und dauerhaftes Geld sich am besten in einer Koexistenz nebeneinander ergänzen.
Literatur
- Bernard Lietaer: Das Geld der Zukunft, 1999.
- John Maynard Keynes: General Theory of Employment, Interest and Money, 1935. Chapter 17 - The Essential Properties of Interest and Money. (Wirtschaftstheoretische Erläuterung der Zinsproblematik von Geld, Bestätigung der Gesellschen Annahmen zu dauerhaftem Geld).
- Silvio Gesell: Die natürliche Wirtschaftsordnung, 1916. (Theoretische Erstquelle, diese beschreibt eine sozialistische Utopie).
siehe auch
Freiwirtschaftslehre von Silvio Gesell, die die Wiederentdeckung des Konzepts in der Neuzeit einleitete
Externe Verweise
- Zum Umfang der Münzverrufungen im Mittelalter: Thesenpapier und verlinkte Kritik - u.a. wird im Thesenpapier ein Vergleich zu einer Hyperinflation gezogen, leider werden in der Kritik keine Aussagen zur Preisstabilität und zum planbaren Aspekt der Geldumtauschabschläge gemacht.
- Terra Trade Reference Currency - Bernard Lietaers Projekt einer umlaufgesicherten globalen Komplementärwährung