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Fritz Brupbacher

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Fritz Brupbacher (* 30. Juni 1874 in Zürich; † 1. Januar 1945 in Zürich; war Schweizer Arzt, libertärer Sozialist und Schriftsteller.

Jugend und Studienzeit

Sein Vater schaffte den sozialen Aufstieg vom armen Waisenkind zum Hotelbesitzer an der Zürcher Bahnhofstrasse, während seine Mutter aus bürgerlichen Kreisen stammte, in denen noch der intellektuelle Liberalismus der 1830er Jahre lebendig war. Im Gymnasium (1887-1893) prägte sich Fritz Brupbachers freiheitliche Weltanschauung, die sein Leben wie ein roter Faden durchzieht. Nach einem Vortrag von Auguste Forel gründete er mit Max Huber den abstinenten Gymnasialverein „Fortschritt“.

Ab 1893 studierte er Medizin in Genf und Zürich. 1896 wurde er Präsident der Zürcher Sektion des schweizerischen akademischen Abstinentenvereins. Dieser Verein diente ihm als Plattform für literarische und sozialethische Auseinandersetzungen. Mit dem Aufsatz „Unsere Kollegin“ setzte sich Brupbacher für das passive Wahlrecht der studierenden Frauen (vorwiegend aus Osteuropa und Russland, u.a. Rosa Luxemburg) an der Universität Zürich ein. Seit 1870 war die Universität Zürich neben Paris europäische Pionierin in Sachen Frauenstudium. 1897 lernte Fritz Brupbacher seine spätere Frau, die russische Studentin Lydia Petrowna Kocetkova aus Samara an der Wolga kennen, die sich dem Nihilismus und Sozialismus verschrieben hatte. Nach dem Staatsexamen 1898 wandte sich Brupbacher angeregt durch das Vorbild von August Forel, dem Leiter der psychiatrischen Klinik Burghölzli, der Psychiatrie zu. Zu diesem Zwecke begab er sich 1899 an das Hôpital Salpêtrière in Paris. Hier lernte er die geflüchteten, jungen Schriftsteller Oskar Panizza und Frank Wedekind kennen.

Arbeiterarzt und Sozialdemokrat

1901 eröffnete Brupbacher seine Arztpraxis an der Badenerstrasse 259 im Zürcher Arbeiterquartier Aussersihl. Im selben Jahr heiratete er Lydia Petrowna, die nach dem Studienabschluss mehrheitlich als Ärztin in russischen Bauerndörfern arbeitete. Das Elend, das Brupbacher als Arbeiterarzt kennen lernte, war nach seiner Ansicht die Folge von Alkoholismus und Kinderreichtum. Gegen den Alkoholismus kämpfte er bereits seit seiner Gymnasialzeit. Mit seiner Broschüre „Kindersegen – und kein Ende?“ setzte er sich für die Geburtenkontrolle ein, um das Los der Arbeiterfrauen zu verbessern. Diese Schrift hatte ein gewaltiges Echo in der Arbeiterbewegung der deutschsprachigen Länder und erlebte in 20 Jahren eine Auflage von 500'000 Exemplaren.

Neben seiner ärztlichen Tätigkeit widmete er sich der Erziehung der Arbeiter zu einem freiheitlichen Sozialismus. Er gründete Leserzirkel wie das „Schwänli“, hielt unzählige Referate und gab von 1899-1900 die Agitationszeitschrift „Junge Schweiz“ heraus. Von 1900 -1904 war Brupbacher als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz im Grossen Stadtrat (jetzt Gemeinderat) von Zürich. 1905 besuchte er während den Ferien mit seiner Frau Lydia Petrowna Peter Kropotkin auf der Insel Jersey, von dessen Buch „Gegenseitig Hilfe“ er sehr beeindruckt war. Dort lernte er James Guillaume kennen und begeisterte sich für den französischen revolutionären Syndikalismus. Im selben Jahr gründete er die Antimilitaristische Liga Zürich. 1907 beherbergte er Wera Figner als sie nach 22 Jahren im Zarengefängnis in den Westen kam. 1911 reiste er zweimal nach Russland, um seine an Hungertyphus leidende Frau zu besuchen, die in Archangelsk in der Verbannung lebten musste.

Volksaufklärer, „Revoluzzer“ und Kritiker

Mit seinem Freund Max Tobler war er von 1906-1908 Verleger des sozialistischen Monatsheft Polis. Er betätigte sich als Journalist und schrieb Beiträge für das Volksrecht, den Vorposten, Die Freie Jugend, Der Revoluzzer, Der Kämpfer, La Vie Ouvrière und andere französische syndikalistische Zeitungen. Von 1908 bis 1911 schulte er in Referentenkursen unzählige Arbeiter. Der Versuch ihn 1914 wegen seiner anarchistischen Beziehungen aus der Sozialdemokratischen Partei auszuschliessen, wurde wegen des starken Widerstands seiner Freunde sistiert. 1920 trat er selber aus der Partei und schloss sich 1921 der neu gegründeten Kommunistischen Partei der Schweiz an. Im selben Jahr begleitete er mit Willi Münzenberg einen Nahrungsmitteltransport der Internationalen Arbeiter-Hilfe (IAH) in die Hungergebiete der Sowjetunion. 1933 wurde Brupbacher, der Stalins Machtkampf gegen Trotzki kritisierte, von der kommunistischen Partei wegen seiner „völlig antimarxistischen anarchistischen Einstellung“ ausgeschlossen.

Freiheitskämpfer und Humanist

In den zwanziger Jahren wurde die russische Ärztin Paulette Raygrodski seine Lebensgefährtin. Sein Kampf für die legale Abtreibung war eine Fortsetzung seiner früheren Bemühungen um die Geburtenkontrolle. Während des Zweiten Weltkriegs schrieb er das Buch „Seelenhygiene für gesunde Heiden“ (1943) als Kampfansage an die totalitären Kräfte. Damit wollte er die Wachhaltung des demokratischen Gedankens fördern und mithelfen die Traditionen geistiger Freiheit und Unabhängigkeit der Schweiz weiterzuführen. Das Buch „Der Sinn des Lebens“ war sein Testament „nach dem Bankrott des Sozialismus“, die Bilanz seines eigenen Wirkens, „für den einfachen Menschen, der selbst denken will, der bei unsereinem ein Erbe antreten will, an dem der anknüpft, der lernen will an dem, was wir gelernt haben.“

Werke

  • Vorlage:PND
  • Kindersegen - und kein Ende? Ein Wort an denkende Arbeiter. München: Birk 1904
  • Die Psychologie des Dekadenten. Zürich: Thurow 1904
  • Marx und Bakunin: ein Beitr. z. Geschichte d. Internat. Arbeiterassoziation. München: Birk, [1913] (Nachdruck 1976 ISBN 3-87956-006-4)
  • Wann ist eine ärztliche Abtreibung rechtswidrig? Zürich: Bopp 1924
  • Michail Bakunin: der Satan der Revolte. Zürich 1929 (Nachdruck 1979 ISBN 3-922226-00-0)
  • Liebe, Geschlechtsbeziehungen und Geschlechtspolitik. Berlin 1930
  • 60 Jahre Ketzer. „Ich log so wenigals möglich.“ Selbstbiographie. Zürich 1935 (Nachdruck 1981 ISBN 3-85791-032-1)
  • Seelenhygiene für gesunde Heiden. Zürich: Oprecht 1943
  • Der Sinn des Lebens. Zürich: Oprecht 1946
  • Hingabe an die Wahrheit. Texte zur polit. Soziologie, Individualpsychologie, Anarchismus, Spießertum u. Proletariat. Westberlin: Kramer 1979 ISBN 3-87956-101-X

Literatur

  • Landauer, Gustav: Fritz Brupbacher, ein Symptom. In: Der Sozialist, 6. Jg., Nr. 5, 1. März 1914, S. 33-35
  • Reich, Wilhelm: In memoriam Fritz Brupbacher. In: Annals of the Orgone Institute, vol. 1 (1947), p. 140
  • Lang, Karl: Kritiker, Ketzer, Kämpfer. Das Leben des Arbeiterarztes Fritz Brupbacher. Zürich: Limmat-Verlag 1975 (21983) ISBN 3-85791-002-X
  • Huser, Karin: Eine revolutionäre Ehe in Briefen. Die Sozialrevolutionärin Lidija Petrowna Kotschetkowa und der Anarchist Fritz Brupbacher. Zürich: Chronos-Verlag 2003 ISBN 3-03-400640-3