Schachweltmeisterschaft 1986
Die Kontrahenten der Schachweltmeisterschaft 1986 | ||
Portraits (nicht zeitgetreu) | ![]() |
![]() |
Nation | ![]() Sowjetunion |
![]() Sowjetunion |
Status | Weltmeister | Herausforderer Ex-Weltmeister 1975–1985 |
Alter | 23 Jahre | 35 Jahre |
Elo-Zahl | 2720 (historische: 2845) |
2700 (historische: 2825) |
Die Schachweltmeisterschaft 1986 war ein vom 28. Juli bis 8. Oktober 1986 ausgetragener Zweikampf zwischen Garri Kasparow und Anatoli Karpow um den Weltmeistertitel im Schach. Spielorte waren London und Leningrad. Sie war die 33. Schachweltmeisterschaft, hundert Jahre nach der ersten 1886, und die dritte zwischen Kasparow und Karpow.
Kasparow hatte in der Schachweltmeisterschaft 1985 Karpow den Weltmeistertitel abgenommen. Doch nun forderte der Präsident des Weltschachbundes FIDE, Florencio Campomanes, einen Revanchekampf für Karpow – mit Verweis auf eine erst im selben Jahr erfolgte Regelung. Kasparow weigerte sich zunächst und stellte erstmals die Drohung in den Raum, durch eine Abspaltung von der FIDE die Schachwelt zu teilen. Erst im Jahre 1993 sollte er dies mit der Gründung der Professional Chess Association tatsächlich wahr machen.
Durch eine Einigung der beiden Spieler kam der Wettkampf schließlich doch zustande. Kasparow gewann nach 24 Partien mit 12,5 : 11,5 Punkten.
Vorgeschichte
Seit 1975 war Karpow Weltmeister und unbestritten stärkster Spieler der Welt. Der aufstrebende Kasparow qualifizierte sich als Herausforderer für die Schachweltmeisterschaft 1984. Doch Karpow erwies sich in dieser vorerst als zu zäh für Kasparows stürmisches Angriffsschach. Schon nach neun Partien stand der Wettkampf – bei sechs zu erzielenden Gewinnpartien – 4:0 für Karpow. Kasparow stellte seine Wettkampftaktik um und bemühte sich fortan erfolgreich, die Partien remis zu halten. Die folgenden, langen Remisserien belasteten den um 12 Jahre älteren Karpow stark und trugen den Wettkampf ins Jahr 1985. Nach 46 Partien stand es 5:1, doch dann verfiel Karpow und verlor zwei Partien in Folge.
FIDE-Präsident Campomanes – ein persönlicher Freund Karpows – brach daraufhin überraschend den Wettkampf ab mit dem Argument, die Gesundheit der Spieler schonen zu wollen. Er bezeichnete dies als einen passenden Zeitpunkt, da der Wettkampf nunmehr genau doppelt so viele Partien umfasst hatte wie einer im Modus, der von 1951 bis 1972 praktiziert wurde. Als Ersatz wurde Oktober/November 1985 ein Wettkampf in ebendiesem Modus auf 24 Partien ausgetragen. Der gereifte Kasparow gewann mit 13:11 den Titel des 13. Schachweltmeisters. Nun aber verlangte Campomanes mit Verweis auf die FIDE-Regeln einen Revanchekampf.
Zustandekommen der Rückkampf-Regelung
Revanchekämpfe gab es seit der Frühgeschichte der Weltmeisterschaften, jedoch kam es (mangels Kontrollinstanz für die nach Belieben bestimmenden Weltmeister) nur zweimal dazu. 1896/97 versuchte der erste Weltmeister Wilhelm Steinitz ohne Chance die Rückeroberung des Titels gegen den 1894 siegreichen Emanuel Lasker. 1937 vermochte Alexander Aljechin seine Niederlage von 1935 gegen Max Euwe wett zu machen.
Nach Aljechins Tod 1946 übernahm die FIDE unter sowjetischer Federführung die Ausrichtung der Weltmeisterschaften. Aus dem Fünferturnier um den Titel 1948 ging Michail Botwinnik als Sieger hervor. Für die Zukunft wurde festgelegt, dass alle drei Jahre der Weltmeister und sein Herausforderer einen Wettkampf auf Punktemehrheit bei maximal 24 Partien austragen sollten. Der Weltmeister hatte jedoch zwei Privilegien:
- Bei einem 12:12-Unentschieden behielt er den Titel.
- Wenn er verlor, erfolgte ein Rückkampf im folgenden Jahr.
Botwinnik verteidigte seinen Titel zweimal durch Unentschieden, zweimal holte er ihn zurück: 1958 von Wassili Smyslow, 1961 von Michail Tal. Die Kritik an dieser Doppelbevorzugung wurde daraufhin unüberhörbar, und die FIDE schaffte den Rückkampf ab. Das Unentschieden-Privileg blieb, jedoch sahen alle folgenden Wettkämpfe einen Sieger.
1977 – Karpow war bereits Weltmeister – änderte die FIDE den Modus auf jenen, den einst José Raúl Capablanca eingeführt hatte: sechs zu erzielende Siege bei einer nicht nach oben beschränkten Zahl von Remispartien. Dadurch war ein Unentschieden im Match unmöglich – doch stattdessen wurde der Rückkampf wieder eingeführt. Er kam allerdings durch Karpows siegreiche Titelverteidigungen gegen Viktor Kortschnoi bis 1984 nicht zum Tragen.
Ob des Marathonmatches von 1984/85 kehrte die FIDE zum 24-Partien-Modus zurück und restaurierte auch das Unentschieden-Privileg. Doch formal gehörte das Match von 1985 noch zum WM-Zyklus 1982–1984, in dem der Weltmeister das Recht auf einen Rückkampf hatte – und dieses wurde ihm für diesen Wettkampf auch belassen.
Faktisch war das eine klare Bevorzugung Karpows, gegen die Kasparow auch protestierte. Campomanes beharrte aber auf die Revanche und drohte Kasparow im Falle einer Verweigerung mit Absetzung. Als Matchbeginn setzte er den 10. Februar 1986 an. Sollte Kasparow bis zum 7. Januar nicht zugesagt haben, würde er zugunsten Karpows seinen Weltmeistertitel verlieren.
Öffentliche Meinung
Kasparow hatte schon vor der Herausforderung Karpows eine große Fangemeinde, was nicht nur an seinen Siegesläufen in mitreißenden Kampfpartien lag: Seine Kombination aus gutem Auftreten, Leutseligkeit und schlagfertigem Humor verliehen ihm Starqualitäten auch für die breite Öffentlichkeit – ein Novum in der Schachszene. Geschickt präsentierte er sich in den Medien mit publikumswirksamen Auftritten.
Der dubiose Abbruch des Matches 1984/85 war für die Presse eine willkommene Gelegenheit, das Bild des jugendlichen Helden Kasparow zu zeichnen, der von unlauteren Machenschaften der Schach-Machthaber um den Sieg betrogen wurde. Nach dem überzeugenden Sieg Kasparows 1985, bei dem er mehrere Glanzpartien spielte, konnte er sich der Unterstützung durch die Schachwelt und westliche Medien erst recht sicher sein. Karpow wurde von den Zeitungen mit Häme bedacht, seine Ära war nach allgemeiner Meinung zu Ende.
Zwischen den Weltmeisterschaften
In seinem ersten Interview nach dem Match für die Welt am Sonntag nannte Kasparow Campomanes einen „Diktator“, gegen den er einen Kampf um die „Demokratie im Weltschach“ führen wolle. Zum „unnötigen“ Rückkampf sei er nur bereit, wenn die Schachwelt dies wolle. Eine verbale Spitze gegen seinen Rivalen wurde nicht nur zur Schlagzeile, sondern sollte sich auch als prophetisch erweisen:
„Karpow wird lange mein Herausforderer sein!“
Da Kasparow nach dem WM-Kampf eine mehrwöchige Erholungspause einlegte, betrat Karpow als erster der beiden Konkurrenten wieder die Bühne der Schachturniere: Bei der ersten Schach-Mannschaftsweltmeisterschaft 1985 in Luzern, die eine Woche nach dem Ende der Einzelweltmeisterschaft stattfand, führte Karpow das siegreiche sowjetische Team an. Von 9 Runden spielte er 7 und errang dabei 5 Punkte (3 Siege, unter anderem gegen den nach Frankreich emigrierten Exweltmeister Boris Spasski, und 4 Remis) – eine solide, aber nicht überragende Leistung. Bester Spieler des Turniers wurde ausgerechnet Karpows alter Rivale Viktor Kortschnoi, jetzt am ersten Brett der Schweiz spielend, mit 7,5 aus 9 Punkten. Obendrein wich Karpow einer Begegnung mit ihm am Schachbrett aus, was sogar an seinem Status als Nummer 2 der Schachwelt nagte.
Kasparows Imagetour im Westen
Kasparow präsentierte sich im Dezember persönlich bei einer Tour durch die Niederlande und Deutschland dem Schachpublikum im Westen. Die Publikumszahlen und das Medieninteresse erreichten bei Schach bisher ungewohnte Größenordnungen. Zunächst besiegte er den Niederländer Jan Timman, den besten Spieler der westlichen Welt und Nummer 3 der Elo-Liste, bei einem Match in Hilversum mit 4:2. In den hart geführten, publikumswirksamen Partien war Timman wenigstens ein Sieg vergönnt.
Schon am Tag danach reiste er nach Deutschland weiter, um eine Simultanveranstaltung bisher noch nicht dagewesener Qualität zu spielen: Ein Uhrenhandicap gegen die Bundesliga-Mannschaft des Hamburger Schachklubs – also gegen acht starke Wettbewerbsspieler, wobei am ersten Brett sogar Großmeister Murray Chandler spielte. Nach den Anstrengungen der Vortage unterlag Kasparow in den von beiden Seiten aggressiv gespielten Partien 3,5:4,5. Ausschlaggebend war unter anderem seine Niederlage gegen den deutschen Jugendmeister von 1985, Matthias Wahls. In Hinkunft sollte Kasparow ausgeruht zu solchen Wettkämpfen antreten und souverän gewinnen.
Zu guter Letzt spielte er in München ein „normales“ Simultan, bei dem auch verschiedene Prominente wie Ephraim Kishon und Petra Schürmann teilnahmen. Bundespräsident Richard von Weizsäcker erschien als Zaungast. Nur drei von 32 Spielern erreichten ein Remis, darunter Weizsäckers 32-jähriger Sohn Robert, späterer Universitätsprofessor, Großmeister im Fernschach und Präsident des Deutschen Schachbundes.
Nach dem Ende der Tournee trat Karpow wieder auf den Plan. Er spielte im IBM-Turnier in Wien mit, wo er ungeschlagen blieb, aber hinter dem Sieger Kortschnoi (gegen den er remisierte) und dem Zweitplatzierten Alexander Beljawski nur einen geteilten dritten Platz belegte. Mit dem Präsidenten des Wiener Schachverbands und SPÖ-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Kurt Steyrer, spielte Karpow eine Imagepartie, die (wie in solchen Fällen üblich) remis ausging.
Die Entscheidung zur Weltmeisterschaft
Kasparow hatte die Tour zu einer Medienkampagne gegen Campomanes und das Revanchematch genutzt. Er spielte mit dem Gedanken, nach seiner Absetzung (so sie denn erfolgen würde) sich von der FIDE abzuspalten. Etwa gleichzeitig wurde auch ein Gegenkandidat für FIDE-Präsident Campomanes vorgestellt: der Brasilianer Lincoln Lucena.
Karpow erklärte in Interviews stets, auf dem Wettkampf zu bestehen. Allerdings ließ er anklingen, dass der von Campomanes angesetzte Beginn am 10. Februar 1986 auch ihm zu früh sei. Der sowjetische Schachverband bezog keine eindeutige Position; jedenfalls wurde Kasparow nicht daran gehindert, auch durch die TASS die Revanche als absurd zu bezeichnen.
Unter diesen Umständen fühlte sich Campomanes in einer zu schwachen Position, um seine für 7. Januar angekündigte Absetzung Kasparows durchzuziehen. Er verschob seine Entscheidung auf den 16., danach auf den 24. Januar. Noch vor diesem Datum kam jedoch die große Überraschung: Der sowjetische Schachverband, Kasparow und Karpow hatten sich ohne Beteiligung der FIDE geeinigt. Das WM-Match sollte erst Ende Juli oder Anfang August in Leningrad stattfinden, also nach einer für beide Spieler notwendigen Pause. Der Verlierer würde später ein Match gegen den Sieger des Kandidaten-Zyklus 1987 für die Qualifikation zur Schachweltmeisterschaft 1987 austragen.
Campomanes stand vor vollendeten Tatsachen. In den Versuchen, eigene Beiträge zu leisten und damit sein Gesicht zu wahren, erreichte er, dass die erste Hälfte des Matches in London ausgetragen wurde. Dieses war als „unbeteiligter“ Austragungsort laut einem FIDE-Beschluss zu bevorzugen und hatte 1,8 Millionen Schweizer Franken für das Match geboten, Leningrad dagegen nur 1 Million.
Kasparow enthüllte nie, warum er schließlich im Streit um eine Titel-Revanche nachgab. Mit Sicherheit nahm der sowjetische Schachverband dabei großen Einfluss, der bei einer Spaltung der Schachwelt Kasparow verloren, aber bei einer Ablehnung des Matches Karpow fallen gelassen hätte. Kommentatoren gaben aber auch plausible schachpolitische Motivationen für Kasparow an: Er hatte durch die Einigung mit Karpow ohne Konsultation von Campomanes letzteren gedemütigt und einen gewissen Keil zwischen die beiden getrieben. Außerdem konnte er ob seiner Spielstärke auf seinen Sieg vertrauen; und als unbestrittener statt abgespaltener Schachweltmeister wäre er in einer guten Position, Lucena bei der Wahl zum FIDE-Präsidenten gegen Campomanes zu unterstützen.
Schachereignisse bis zur Weltmeisterschaft
Die beiden Kontrahenten agierten weiter gemäß der schon vor der Entscheidung gezeigten Linie: Kasparow spielte Zwei- und Schaukämpfe, Karpow reguläre Turniere.
Beim Turnier in Brüssel trat Karpow gegen einen Großteil der Schachelite an, unter anderem wiederum Kortschnoi, der zwischendurch auch das wichtige Open in Lugano gewonnen hatte. Nach mäßigem Beginn und einer Krankheitspause konnte Karpow an seine frühere Dominanz anknüpfen: Mit einer Serie von sechs Siegen in Folge gewann er das Turnier schließlich mit zwei Punkten Vorsprung – eine Demonstration seiner Stärke und eine gute Werbung für das bevorstehende Match. Unter anderem schlug er Timman und Ljubomir Ljubojević.
Kasparow wollte nicht nachstehen: Mitte Mai gewann er in Basel einen Zweikampf gegen Tony Miles überragend mit 5,5:0,5. Miles kommentierte nach der letzten Partie: „Ich dachte, ich spiele gegen den Weltmeister, nicht gegen ein Monster mit 27 Augen, das alles sieht.“ Bei der abschließenden Simultanveranstaltung gewann Kasparow alle 30 Partien.
In einem erneuten Uhrenhandicap, diesmal gegen eine Auswahl der Deutschen Schachjugend in Frankfurt am Main konnte er eindrucksvoll die Niederlage von Hamburg wett machen: Kasparow gewann mit fünf Siegen und drei Remisen. Dabei gelang ihm auch die Revanche gegen Wahls, der als einziger bei beiden Uhrenhandicaps mitspielte. Am gleichen Abend hatte Kasparow einen Fernsehauftritt im Aktuellen Sport-Studio des ZDF. Er demonstrierte dabei durch einfache, aber publikumswirksame Vorführungen im Erkennen von Stellungen aus dem Kopf die Gedächtnisleistung eines Schachgroßmeisters und stahl damit dem anderen Gast, dem Rennfahrer Niki Lauda, die Show.
Einige Tage später besuchte Kasparow auch England, um sich die Örtlichkeiten des bevorstehenden Wettkampfes gegen Karpow anzusehen. Bei einem Auftritt in einer britischen Talkshow erhielt Kasparow großen Beifall. Eine Auswahl der englischen Junioren schlug sich im Simultan tapfer und trotzte Kasparow in 20 Partien 3 Siege und 6 Remis ab. Der Weltmeister nutzte den Aufenthalt aber auch schachpolitisch: Er knüpfte engere Bande mit dem englischen Großmeister Raymond Keene. Dieser stand Campomanes ablehnend gegenüber und scharte daher europäische Meister um sich, um Lucena zu unterstützen. Keene selbst kandidierte als FIDE-Generalsekretär. In Presseinterviews gab es naturgemäß wiederum schwere Angriffe gegen die „Schach-Mafia“ der FIDE-Funktionäre.
Im Juli 1986 reiste Kasparow zur Verleihung des von ihm erhaltenen Schach-Oscars nach Barcelona und zog sich danach zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft zurück. Damit blieb der letzte schachliche Auftritt bei Karpow: Er nahm am doppelrundigen „Superturnier“ in Bugojno teil, bei dem sich die Veranstalter auf acht Spieler aus der absoluten Weltspitze beschränkt hatten, um die ganz seltene Kategorie 16 eines Schachturniers zu erreichen. Karpow gewann souverän durch erneute Siege gegen Ljubojević, Timman und Spasski sowie Artur Jussupow. Wermutstropfen war jedoch seine einzige Niederlage zwischen den Weltmeisterschaften gegen Andrei Sokolov. Diese Partie wurde später vom Schachinformator zur besten im ersten Halbjahr 1986 gewählt. Außerdem konnte er gegen den vorher von Kasparow so deklassierten Miles nur mühsam ein verlorenes Endspiel remis halten.
Weltmeisterschaft
Organisation
Die Weltmeisterschaft wurde, wie üblich, von prominenten Schachgrößen getragen. Hauptschiedsrichter war der bereits beim „Match des Jahrhunderts“ (der Weltmeisterschaft 1972 zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski) eingesetzte Lothar Schmid. Als Analysatoren und Kommentatoren der Partien vor Ort wirkten zahlreiche Spieler der Weltspitze, unter anderem Miles, Timman und Nigel Short. Eine Sonderrolle hatten Jugendweltmeister Maxim Dlugy, IM Nigel Davies und IM Ricardo Calvo: Wenige Minuten nach Beendigung jeder Partie wurde ein Bulletin über ebendiese von dem Trio herausgegeben.
Der Wettkampfmodus ging über 24 Partien bzw. mindestens so lange, als einer der Spieler mindestens 12,5 Punkte erreichte. In den Partien hatte jeder Spieler 2 1/2 Stunden Zeit für 40 Züge. Wenn diese gespielt waren, konnte die Partie nach Belieben fortgesetzt werden, oder aber jeder Spieler konnte beim jeweiligen Zug in die Hängepartie übergehen. Dabei gab er seinen Zug ohne Ausführung in einem Kuvert ab, und die Partie wurde bis zum nächsten Tag unterbrochen („Abbruch“). Sie konnte in dieser Zeit analysiert werden. Auch Remisangebot (und dessen Annahme oder Ablehnung) oder Aufgabe der Partie waren dabei möglich; ohne derartiges Ende wurde am nächsten Tag fertig gespielt, wobei es eine zweite Zeitkontrolle nach je einer weiteren Stunde und insgesamt 56 Zügen gab.
Kasparow wies eine Elo-Zahl von 2740 (Historische Elo-Zahl: 2848[1]) auf, Karpow hatte 2705 (Historische Elo-Zahl: 2825) Punkte.
Einleitung in London
Die erste Hälfte der Schachweltmeisterschaft fand im Londoner Park-Lane-Hotel nahe dem Hyde Park statt. Die Züge wurden durch ein elektronisches System live auf Monitore im Presseraum, Saal und Hotel übertragen. Am Eröffnungstag waren etwa 550 akkreditierte Journalisten anwesend, wobei viele weitere dazukamen und die meisten höchstens eine Woche blieben. Zuschauer mussten durch einen Kartenverkauf an Plätze gelangen. Im Hotel wurden auch Schach-Souvenirs verkauft.
Im Spielsaal herrschte ein Verbot für Taschenschachspiele und Lebensmittel. Ein Kommentar aus einer schalldichten Kabine konnte per Kopfhörer empfangen werden. Der separate Analyseraum war einen Stock höher eingerichtet. Im Green Park gegenüber dem Hotel wurden bis zu 40 Schachbretter aufgebaut, an denen Spaziergänger spielen konnten.
Nach diversen negativen Äußerungen von Nigel Short gegen Campomanes wurde den Kommentatoren Kritik untersagt. Die schachpolitischen Spannungen waren fortan eher indirekt zu spüren.
Unter anderem in den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland war Schach während der Weltmeisterschaft mehr als üblich präsent. Auch das im Mai 1986 erfolgreich angelaufene Musical „Chess“ erlangte durch die Journalisten vor Ort mediale Aufmerksamkeit. Dessen Texter Tim Rice inszenierte die Eröffnungsfeier als Showevent. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher hielt eine publikumswirksame Eröffnungsrede. In einer Auslosung wurde festgelegt, dass Karpow die erste Partie mit den weißen Steinen eröffnen würde.
Diese wurde am nächsten Tag ab 17 Uhr ausgetragen. Etwa um 14:30 Uhr waren die Sitzplätze ausverkauft. Kasparow ließ in der Zwischenzeit seinen Stuhl auswechseln und nach der Partie zwei Zentimeter absägen – sehr wahrscheinlich ein „Geschenk“ an die Reporter, die über Parallelen zur „Stuhlaffäre“ bei der erwähnten Weltmeisterschaft 1972 spekulieren konnten. Unterrichtsminister George Walden führte stellvertretend für Karpow den ersten Zug aus.
Kasparow dominiert zu Beginn
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Die 1. Partie begann mit einer Überraschung. Erstmals benutzte Kasparow gegen Karpows 1. d2-d4 die Grünfeld-Indische Verteidigung, die bisher auch sonst in seiner Karriere selten zu sehen war. Im 6. Zug lenkte er mit dem Damenausfall auf a5 in eine als riskant bekannte Variante ein. Karpow fürchtete offenbar eine Verbesserung von Kasparows Analyseteam und wich allen zweischneidigen Fortsetzungen aus: Nach frühem Damentausch mündete die Partie bei symmetrischer Bauernverteilung (beiderseits c- und d-Bauer entfernt) zur Enttäuschung der Zuschauer schnell ins Remis.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Für die 2. Partie zwei Tage später, in der Kasparow Weiß hatte, erwarteten die Zuseher umso schärferen Angriff von seiner Seite. Karpow wandte gegen Kasparows gleichermaßen gespieltes 1. d2-d4 die Nimzowitsch-Indische Verteidigung an und brachte eine Neuerung im 6. Zug. Dann die Ernüchterung: Nach knapp dreiviertelstündigem Nachdenken Kasparows schritten beide wiederum schnell zum Damentausch, obendrein mit derselben symmetrischen Bauernverteilung wie in Partie 1.
Kasparow hatte zwar die etwas bessere Figurenstellung (Diagramm 1), doch solche „langweiligen“ Endspiele waren immer Karpows Domäne gewesen. In ungezählten Partien hatte er seine Gegner durch filigrane Züge in harmlosen Stellungen überspielt, inklusive Kasparow, und schlechtere Positionen zumindest Remis gehalten. Doch dann kam die nächste Überraschung: Kasparow spielte wie Karpow in seiner besten Zeit und stellte Karpow mit geringen Mitteln vor positionelle Probleme. Karpow musste pausenlos Varianten berechnen und einschätzen, ob sie remis zu halten sind. Dabei passierten ihm Ungenauigkeiten, die Kasparows Vorteil festigten.
Nach dem 37. Zug stand Karpow in bedenklicher Stellung bereit, sich durch den Ausfall 38. ... Tf8-f3+ zu wehren (Diagramm 2). Kasparow brachte vorsorglich mit 38. Ke3-e2! seinen König aus der Gefahrenzone. In hochgradiger Zeitnot spielte Karpow trotzdem 38. ... Tf8-f3? Nun hätte Kasparow mit 39. Tc6-c7! den Kampf sofort beendet: Es droht 40. Tc7xd7+ Ke7xd7 41. Sc4xe5+ nebst Se5xf3 und gewonnenem Endspiel, und sonst fällt zumindest ersatzlos der Bauer e5. Doch auch Kasparow übersah es, und nach 39. Sc4-e3? Sd7-f6 40. Tc6xb6 Sf6xe4 41. Tb6xa6 Tf3-f2+ wurde die Partie vertagt; für den Bauern hat Karpow nun endlich aktives Gegenspiel. Karpow hielt die Partie anderntags noch Remis.
Nach dieser Partie ging bereits das Rätselraten um, wie sich Karpow zu wehren gedenke: Ereignislose Remisen mit Weiß und schwierige Stellungen mit Schwarz würden ihn schnell das Match kosten. Doch in der 3. Partie sah man noch keinen Versuch von ihm, das Ruder herum zu reißen. Das Bulletin notierte spöttisch: „1. d4, Grünfeld, Remis“. Diesmal schwenkten beide in eine Variante mit annähernd symmetrischer Stellungsstruktur. In dem folgenden Manöverkampf, in dem die Königsspringer mehrmals Züge wiederholten (Sf3-e5-f3-e5 bzw. Sf6-d7-f6-d7-f6), erzielte Karpow durchaus leichten Vorteil, doch er versuchte erst gar nicht, sich mit einem analogen Druckspiel für die vorherige Partie zu revanchieren. Offenbar fand er bei allen denkbaren Offensivplänen störende schwarze Konter. Ohne Spannungsmomente wurde im 35. Zug Remis gegeben.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
In der 4. Partie war es dann soweit. Karpow versuchte wiederum eine Neuerung in Nimzowitsch-Indisch und spielte im 10. Zug seinen Damenspringer nach a5. Kommentator Miles hatte das vorher – ein Zuschauer schlug den Zug vor – als unlogisch abgetan und erntete nun Gelächter. Doch er behielt recht mit seiner negativen Prognose. Karpow machte den strategischen Fehler, seinen zweiten Springer auf e7 zu verstecken, anstatt jenen auf a5 zu unterstützen (Diagramm 1). Prompt richtete Kasparow sein Spiel gegen ebendiesen aus und brachte ihn mit einem publikumswirksamen Dreiecksmanöver mit der Dame, wie man es sonst von Königen in Endspielen kennt, unter Kontrolle (Diagramm 2). Den Damentausch (bei wiederum symmetrischen Bauern) sah nun niemand mehr als Remiszeichen: Zu groß war der Vorteil von Kasparows Figurenstellung. Weiß gewann den a-Bauern bei anhaltendem Stellungsvorteil, und Karpow gab während des Abbruchs die hoffnungslose Partie auf.
Kasparows Dominanz fand ihn den Schachpublikationen großes Lob, begleitet von nachrufartigen Kommentaren über Karpow. Zu jenem Zeitpunkt erwartete kaum noch jemand, dass der Rest spannend verlaufen würde.
Karpow schlägt zurück
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Die meisten Beobachter rechneten nun mit einer Auszeit Karpows, doch er trat pünktlich zur 5. Partie an. Die beiden Kontrahenten spielten dieselbe Variante von Grünfeld-Indisch wie in der ersten Partie, doch Kasparow wich mit 7. ... Sf6-e4 ab und lenkte gemäß seiner Eröffnungsvorbereitung in einen als zweifelhaft geltenden Damentausch ein. Trotz einer späteren Neuerung Kasparows spielte Karpow zügig – offenbar war er mit der Stellung gut vertraut. Im 18. Zug entstand die kritische Stellung der Partie. Beide schwarzen Läufer sind von dauerhafter Einsperrung durch die Bauernstruktur bedroht. Kasparow (samt Analyseteam) meinte, dass mit 18. ... c6-c5? beide Probleme zu lösen seien (er hätte hier 18. ... g6-g5 versuchen müssen). Nach 19. h2-h4 h7-h6 erwartete er 20. Sg1-f3 Ld7-c6 mit der Drohung, nach Tausch auf f3 g6-g5 zu spielen und den Königsläufer zu befreien. Doch mit 20. Sg1-h3!! widerlegte Karpow die gegnerischen Pläne. Nun kann sich Schwarz nicht mehr befreien und steht auf Verlust. Weiß kann nach Verstärkung seiner Blockade mit Th1-e1 und f2-f3 den Springer auf d3 überführen und dann mit Lf4-e3 den Bauern c5 aufs Korn nehmen. Spielt Schwarz seinen a-Bauern auf a4 und deckt c5 mittels Ta5, so dringen die weißen Türme bald entscheidend über die b-Linie ein; läuft der Bauer bis a2 vor, so ist er selbst auf Dauer nicht zu halten. Letzteres passierte auch, und Kasparow ging chancenlos unter. Im 25. Zug spielte er in hoffnungsloser Stellung doch noch das Bauernopfer g6-g5, gefolgt von einem wirkungslosen Königszug, der das Publikum geradezu frustrierte; doch jeder Gegenangriff wäre gescheitert.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Nach dieser ebenso schweren wie völlig überraschenden Niederlage war es nun Kasparow, der eine Auszeit nahm – wohl, um mehr Zeit für „wasserdichte“ Eröffnungsvorbereitungen zu haben. In den kommenden beiden Partien war von seiner vorherigen Überlegenheit nichts zu spüren.
In der 6. Partie eröffnete Kasparow erstmals im Wettkampf mit 1. e2-e4, was üblicherweise zu offenerem, aktiverem Kampf als 1. d2-d4 führt und in diesem Fall auch einen Überraschungseffekt bedeuten konnte. Karpow wählte die für ihn gut bewährte Russische Verteidigung. Kasparow brachte ein Bauernopfer, das er selbst in einer früheren Analyse als gut für Schwarz beschrieben hatte, doch wartete er mit einer Verstärkung auf. Aber Karpow reagierte gut und gab dem weißen Angriffsaufmarsch die richtigen Konter. Er erzwang ein für ihn leicht vorteilhaftes Endspiel, das im 42. Zug nach Abbruch remis gegeben wurde.
Damit hatte Karpow nach Ansicht der Kommentatoren erstmals mit beiden Farben einen guten Eindruck hinterlassen.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
In der 7. Partie ließ Kasparow sein angeschlagenes Grünfeld-Indisch zunächst im Hangar. Das beidseitig äußerst originell behandelte Damengambit führte zu verwickelten Stellungen, die beide Spieler viel Zeit kosteten und auch in späteren Analysen kontrovers beurteilt wurden. Das Diagramm 1 wird zumeist als die kritische Stellung der Partie angesehen: Die Analysatoren meinten, Karpow hätte hier durch einen geradlinigen Angriff am Königsflügel entscheidenden Vorteil erlangt. Als bester Zug wurde sofortiges f3-f4, von anderen Th1-f1, vorgeschlagen. Jedoch lassen sich die angegebenen Varianten für Schwarz verbessern. Kasparow hatte hier nur noch 16 Minuten Zeit, Karpow noch rund das Doppelte. Das mag ihn veranlasst haben, mittels 25. b3-b4!? Verwicklungen anzustreben, doch Kasparow reagierte auch in Zeitnot geistreich und effektiv. Im 35. Zug (Diagramm 2) entstand eine weitere kritische Stellung. Nach 35. ... Lg5-h6 oder Lg5-e7 erhält Weiß siegreichen Angriff. Doch es folgte 35. ... Tc8-c5!, was ein starkes Qualitätsopfer vorbereitet. Nun kam es zu einer für die Zuschauer spannenden, unklaren Zeitnotschlacht: 36. f4xg5 Tc5xd5 37. Le4xd5 Dd8xd5+ 38. Kg2-h2 Dd5xe5 39. Th1-f1 De5xb5 40. Dd2-f2 Se6xg5 41. Df2xd4+ Kg7-g8. Hier wurde die Partie unterbrochen und ohne Weiterspiel remis gegeben.
Nachträgliche Analysen zeigten, dass (wegen eines ungenauen Turmtausches Kasparows im 33. Zug) Karpow mit 36. Kg2-g1! nebst Dd2-h2 Gewinnchancen gehabt hätte; im 38. Zug hätte er desgleichen spielen müssen, um das Gleichgewicht zu halten. Nach 38. Kg2-h2(?) stand Schwarz besser, vergab den Vorteil aber im 40. Zug (nach 40. ... Db5-d7! hätte er auf Sieg spielen können).
Der in dieser Phase ausgeglichene Wettkampf nahm jedoch schon in der nächsten Partie wieder eine Wendung.
Kasparow geht wieder in Führung
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Die 8. Partie erschien den Analysten zunächst als die erste uninteressante Weißpartie von Kasparow. Das ging so weit, dass Kommentator Jan Timman mit den Zusehern die 7. Partie nachanalysierte. Die Kontrahenten lenkten in eine altbekannte Variante des Damengambits ein, in der Schwarz mit dem baldigen Vorstoß c7-c5 kurzzeitig einen isolierten Bauern auf d5 erhält, um durch dessen Vorstoß auszugleichen. Kasparow baute jedoch ohne ersichtlichen Fehler Karpows nach ebendiesem Vorstoß einen starken Königsangriff auf (Diagramm 1). Karpow unternahm statt Verteidigungszügen einen Damenausfall und schlug den Bauern auf a2. Die anwesenden Meister hielten dies für fehlerhaft, doch er hatte die Situation gut erfasst: Der Angriff ließ sich nur mit einem Qualitätsopfer abwehren, wonach sich Karpow mit dem Bauern Remischancen sichern wollte.
Tatsächlich missfiel Kasparow dieses Angebot. Im Hinblick auf die Zeitnot Karpows – nur noch 14 Minuten für 19 Züge – verzichtete er auf den Qualitätsgewinn und erhielt die Spannung der Angriffsstellung aufrecht. Er handelte dabei ähnlich wie Karpow in der vorigen Partie: Statt einfachen Vorteil zu erzielen, baute er psychologisch auf die Zeitnot des Gegners und startete brettumspannende Verwicklungen, um den Gegner vor Herausforderungen (und damit Fehlermöglichkeiten) zu stellen. Karpow war damit in der vorherigen Partie gescheitert, doch Kasparow hatte Erfolg (Diagramm 2). Mit 22. Ld3-b5!? nahm er das Feld e8 unter Kontrolle und engte die schwarze Dame ein, wodurch in weiterer Folge (22. ... Se8-g7 23. Lh6xg7 Lf6xg7 24. Td1-d6 De6-b3) ihre Flucht auf den Damenflügel erzwungen wurde. Dies zu bewerten, kostete Karpow weitere 4 Minuten. In der hochkomplexen Stellung musste er einige Züge in Sekundenschnelle ausführen. Doch er hielt bis zum 28. Zug die Balance.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Die Entscheidung fiel im 29. Zug (Diagramm 3): Gut sieht 29. Sf5-h6+ Kg8-g7 30. Tf6-f4 aus, wonach Weiß 31. Dg5-f6# droht. Doch im Moment geht das nicht, denn Schwarz würde durch 31. ... f7-f6! 32. Tf4xf6? Td2xg2+! siegreich Material gewinnen. Daher spielte Kasparow – wie schon in der zweiten Partie – einen prophylaktischen Königszug: 29. Kg1-h1! – das nahm Schwarz die Parade, mit Schach auf g2 einzuschlagen. Nun scheint die Drohung real zu sein: 30. Sf5-h6+ Kg8-g7 31. Tf6-f4 f7-f6 32. Tf4xf6 Td2xg2 33. Sh6-f5+ Kg7-g8 34. Tf6xf8+ Kg8xf8 35. Dg5-e7+ nebst Matt. Aber tatsächlich könnte sich Schwarz einfach mit 32. ... Tf8xf6! 33. Dg5xf6+ Kg7xh6 wehren, und nach 34. Df6-f8+ Kh6-g5 (oder Kh6-h5) hat Weiß nur ein Dauerschach. Doch dies vermochte Karpow in Sekunden nicht zu erfassen und fürchtete das Springerschach: 29. ... Kg8-h8? – eine interessante Symmetrie der Königszüge bei umgekehrter Bewertung. Nun drang der Angriff auf der langen Diagonale durch: 30. Sf5-d4! Nach einem Abzug des Se5 gewinnt nun leicht Tf6xf7. Es folgte 30. ... Td2xd4 31. Dg5xe5 und Schwarz überschritt die Zeit, woraufhin Kasparow von den Zuschauern Stehapplaus erntete.
Hätte Karpow weiterspielen können, wäre bei beiderseits bestem Spiel 31. ... Td4-d2 32. De5-e7 Td2-d8 33. Tf6xf7 Tf8xf7 34. Tf1xf7 Kh8-g8(!) die Folge gewesen (Diagramm 4). Dann hat Weiß einen weiteren prophylaktischen Königszug zur Verfügung: 35. Kh1-h2!! – danach ist Schwarz gegen die Drohung e3-e4-e5 mit Abschirmung der schwarzen Dame und Mattangriff wehrlos, während er ohne den Königszug noch Db2-c1+ nebst Dc1-h6 gehabt hätte. Durch Zufall sollte es später im Match noch zu diesem Motiv kommen.
Ausklang in London mit verschiedenerlei Remisen
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Nach der publikumswirksamen vorigen Partie war der Besucherandrang besonders groß. Nach Ausverkauf der Tickets wurde bei Schönwetter auch im gegenüberliegenden Park eine Publikumsanalyse durchgeführt. Doch kamen die Schachbegeisterten nicht auf ihre Rechnung: Die 9. Partie schloss eher an die langweiligen Partien 1 und 3 an. Kasparow spielte wiederum sein „repariertes“ Grünfeld-Indisch. Karpow brachte eine Neuerung: Mit 13. Sf3-d4 befragte er sowohl den schwarzen Springer auf c6, als auch den Läufer auf f5. Hätte Schwarz mit 13. ... Sc6xd4 14. e3xd4 getauscht, so hätte Karpow zwar wie in der Vorpartie einen Isolani im Zentrum gehabt, diesmal aber unter günstigen, Vorteil versprechenden Bedingungen. Doch Kasparow parierte trocken mit 13. ... Lf5-d7!, wonach die Partie bald mit Stellungswiederholung endete.
In der 10. Partie benutzte Karpow wieder das Damengambit, aber Kasparow lenkte in eine andere Variante als in der 8. Partie ein, um einer etwaigen Verbesserung Karpows zuvorzukommen. Auch diese Partie verlief wenig aufsehenerregend. Der größte Spannungsmoment kam im 13. Zug auf: Karpow sprengte das Zentrum und öffnete die Stellung, obwohl er klaren Entwicklungsrückstand hatte. Dies ist zwar üblicherweise ein strategischer Fehler, wie auch in einem Schachbuch Karpows zu lesen ist;[2] in diesem Fall jedoch gab es für Kasparow keine Möglichkeit, daraus einen zum Sieg ausreichenden Vorteil zu ziehen. Es entstand ein Endspiel Läufer gegen Springer. Die beiden Kontrahenten spielten über die Zeitkontrolle hinaus, erst im 44. Zug gab Kasparow seinen Zug ab. In der Analyse konnte er sich überzeugen, dass Karpows Stellung nicht zu knacken ist, wenngleich in London anderslautende Gerüchte rumorten. Die Partie endete ohne Weiterspiel remis.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Nun war eine Weißpartie Karpows dazu angetan, die Zuschauer auf ihre Kosten kommen zu lassen: Die 11. Partie wurde als einzige Remispartie zu einem schachlichen Höhepunkt des Matches. Beide spielten dieselbe Variante wie in der 9. Partie, wobei Karpow im 13. Zug abwich. Im 15. Zug – sein Läufer auf f4 stand angegriffen – holte er statt eines Rückzuges unerwartet zum Qualitätsopfer 15. Tc1xc6!? aus (Diagramm 1). Die Pointe lag in der Springer-Rundwanderung 15. ... b7xc6 16. Sd5-e7+ Kg8-h8 17. Se7xc6 Da5-b6 18. Sc6xe5, wonach Weiß in ruhiger Stellung zwei Bauern für die Qualität hat, aber keinen nennenswerten Vorteil. Trotzdem nahm Kasparow es nicht an; er bevorzugte Verwicklungen, in denen beide Spieler unter Opfern zum Königsangriff übergingen. Den Meistern im Analyseraum war völlig unklar, wer nun besser steht. Der Zug 22. ... Db5-h5? stellte sich nachträglich als Fehler heraus (Diagramm 2). Karpow opferte nun den Springer e7 auf g6. Das sieht selbstverständlich aus, da die Angriffslinie des Turmes c7 freigelegt wird, und der Springer h4 als Sperrstein gegen ein schwarzes Abzugsschach stehen bleibt. Doch ausschlaggebend wäre gewesen, dass der Se7 den schwarzen König einklemmt und die offene h-Linie für Weiß zur Angriffslinie wird: Mit 23. Sh4xg6+! h7xg6 24. Db1xg6 hätte Karpow entscheidenden Vorteil erreicht, etwa nach 24. ... Dh5-e5 25. Kh2xh3 Tf8-f6 26. Kh3-g4!! mit einem Wanderkönig und siegreichem Angriff auf der h-Linie. Statt dessen folgte 23. Se7xg6+ h7xg6 24. Db1xg6 Dh5-e5! – nun brach Karpow mit 25. Tc7-f7?! die Verwicklungen ab und ging in ein Endspiel über, in dem Kasparow mit Läufer gegen Springer besser stand (nach 25. Tc7xb7! Sh3xf2! bleibt der scharfe Kampf im Gleichgewicht). Karpow hielt die Partie remis. Das Publikum war begeistert und spendete beiden langen Beifall.
Die die Londoner Hälfte abschließende 12. Partie fiel wieder etwas langweiliger aus. Karpow spielte den Vorstoß c6-c5 nun etwas früher, als sein Bauer auf e6 noch vorhanden war. In dieser Partie schien es nun erstmals so, als ob Kasparow mit Weiß nicht mit ganzer Kraft auf Sieg spiele. Entsprechend endete sie nach wenigen Ereignissen im 34. Zug mit Remis.
Zwischenbericht nach der ersten Halbzeit
Nach der Londoner Hälfte der WM hatte Kasparow einen Punkt Vorsprung. Während des Wechsels nach Leningrad wurde der Wettkampf für eine Woche unterbrochen, in der plangemäß eine Auszeit nur bei medizinischen Problemen einzulegen war. Der physisch weniger robuste Karpow nahm dies in Anspruch durch ein umstrittenes Attest des Matcharztes („Atembeschwerden“).
Die 10. Partie gewann einen mit 10.000 £ dotierten Spezialpreis als die schönste in London gespielte. Kasparow mutmaßte in einem Interview, die Veranstalter wollten damit ihre Neutralität demonstrieren, und zeigte eine Vorliebe für die von ihm gewonnene 8. Partie.
Die zweite Hälfte wurde im Leningrader Great Eastern Hotel ausgetragen. Dort gab es nur eine bescheidene Eröffnungszeremonie durch den Bürgermeister. Während der Partien wurde der Verkehr vor dem Spielsaal umgeleitet, um Lärmbelästigung zu vermeiden. Aufgrund des traditionell hohen Stellenwert des Schachspiels in Russland waren bei jeder Partie tausende Zuseher anwesend.
Kasparow zieht davon...
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Karpows Auszeit ließ Spekulationen aufkommen: Beim Turniersieg in Brüssel war er nach seiner Krankheitspause aufgeblüht – was würde nun passieren? Doch die folgenden Partien gaben keine Nahrung für Interpretationen: Im Gegenteil dominierte Kasparow die ersten vier Partien in Leningrad noch stärker als jene in London.
In der 13. Partie wurde dieselbe Eröffnung wie in der 3. Partie gespielt. Diesmal entstand eine ausgeglichene, aber verschachtelte Stellung mit vielen symmetrischen Elementen, insbesondere je einem starken Springer im Zentrum. Wieder wurde die Zeitnot zum entscheidenden Faktor, da beide Spieler nach 27 Zügen nur noch etwa 15 Minuten auf der Uhr hatten. In Diagramm 1 spielte Karpow in Zeitnot ein missglücktes Manöver, um den schwarzfeldrigen Läufer zu aktivieren, was aber die schwarzen Felder in seinem Lager empfindlich schwächte: 30. Le1-b4?! a7-a5! 31. Lb4-a3? Lf6xe5! Das wäre früher nicht gegangen, weil Weiß in Folge gefährlich hätte Le1-h4! folgen lassen. Nunmehr ist es stark. 32. d4xe5 Tg8-g4! Der Bauer f4 ist nicht mehr zu halten, denn Weiß muss auch auf d5-d4 und Dd8-h4 achten. 33. Lg2xe4? Besser war 33. Lg2-f3 mit dem Versuch, eine Art Festung aufzubauen (Diagramm 2). Nun ließ Kasparow eine große Gewinnchance aus: 33. ... d5xe4? Es war verlockend, die d-Linie für die Dame zu öffnen, doch nach 33. ... f5xe4! wäre das zentrale Bauernpaar zum unlösbaren Problem für Weiß geworden. Nunmehr hält Weiß durch aktives Spiel die Balance: 34. La3-d6! Tg4xf4+ 35. Ke1-f1 Tf4-g4 36. Dh3-e3! Dd8-g5 37. De3xg5 Tg4xg5 und wegen der ungleichfarbigen Läufer Remis nach dem 40. Zug.
Damit lagen erstmals im Match die Gewinnchancen einseitig bei Schwarz.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
In der 14. Partie bekamen die Zuschauer erstmals die Spanische Eröffnung zu sehen. Die beiden Kontrahenten schwenkten in eine zu jener Zeit aktuelle Variante ein, in der Schwarz dem Gegner die Vorherrschaft im Zentrum überlässt, um mit einer Bauernwalze am Damenflügel anzugreifen. Um einem möglichen weißen Überfall am Königsflügel vorzubeugen, tauschte Karpow einige Figuren ab und ließ dabei eine Zerrüttung seiner Bauernstellung zu. Trotzdem bewerteten die Meister im Analyseraum die Stellung nicht als schlecht für ihn. Erst im 22. Zug wurden die Pfade der Hausanalyse verlassen, und beide Spieler mussten viel Zeit investieren. Kasparows Abtausch 24. Lb2xe5 d6xe5 (Diagramm 1) widersprach etlichen strategischen Prinzipien: Er tauschte seinen Angriffsläufer, der obendrein a3 deckte, verbesserte die schwarze Bauernstellung und gab Karpows Läufer auf f8 die Bahn frei. Allein es war wegen der unangenehmen schwarzen Drohung Se5-c4 erzwungen. In den weiteren Verwicklungen saß Kasparow wiederum am längeren Hebel: Karpow wählte im 31. Zug den falschen Weg, seinen angegriffenen Bauern e5 zu decken, worauf Kasparow in ein gewonnenes Endspiel einlenkte: Entscheidend war sein gedeckter Freibauer auf d5, während Karpows einsamer Bauer auf d3 dem Untergang geweiht war (Diagramm 2). Nach Abbruch gab Karpow die Partie auf.
Als tragikomischer Zufall sei angemerkt, dass in den beiden Diagrammen zwei verschiedene schwarze Bauern auf d3 stehen: Karpow fraß sich sowohl mit dem c-Bauern, als auch dem b-Bauern auf dieses Feld durch, das für sie den Untergang bedeutete.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Überraschend nahm Kasparow nach seinem Sieg, der ihm zwei Punkte Vorsprung bescherte, seine zweite Auszeit. In der folgenden 15. Partie vermochte Karpow die schwarze Stellung nicht zu knacken. Kasparow brachte einen Springer in eine zeitweilig sehr passive Position auf c8 (Diagramm 1), von wo er nicht ohne weiteres wieder abziehen konnte und obendrein die Verbindung der schwarzen Türme unterbrach – beides schwere strategische Nachteile. Doch obwohl Karpow zwischenzeitlich einen Bauern gewann, gelang es ihm nicht, nachhaltigen Vorteil zu erzielen, und auch nicht, den Bauern zu behalten (Diagramm 2). Nach dem 29. Zug wurde die Partie remis gegeben.
... bis auf drei Punkte Vorsprung
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Wie bereits im Vorjahr sollte auch hier die 16. Partie die „phantastischste“ (Hecht) werden. Karpow, von dem endlich eine härtere Gangart mit Weiß erwartet wurde, zeigte jetzt mit Schwarz sein wagemutigstes Spiel. Beide wiederholten schnell dieselbe Variante wie in der 14. Partie, sichtlich jeweils im Vertrauen darauf, die besseren Karten zu haben. Kasparow wich im 18. Zug ab, Karpow wartete jedoch sofort mit einer Neuerung auf. Im 19. Zug spielte er ein Bauernopfer, das eine Springerinvasion auf d3 vorbereitete (Diagramm 1). Tatsächlich stellte er Kasparow vor Probleme: Im 22. Zug hatte dieser bereits eine Stunde Bedenkzeit verbraucht, aber fast zur Gänze für die letzten vier Züge, während Karpow nur 14 Minuten benötigt hatte. Beide steuerten auf eine maximale Verschärfung zu: Anstatt Karpows Druckspiel am Damenflügel Konter zu geben, entschied sich Kasparow für einen Durchbruch im Zentrum, gefolgt von einem kompromisslosen Gegenangriff am Königsflügel. Am deutlichsten zeigte sich dies nach Karpows Zug 25. ... Sb4-d3?!, der b2 und f2 angriff (Diagramm 2). Kasparow hatte hier den vielseitigen Zug 26. Dd1-c2! zur Verfügung, was b2 und f2 deckt, c4 angreift und eine starke Batterie mit Dame und Läufer b1 aufbaut: Der Springer d3 kann nicht abziehen, weil sonst Dc2-h7 matt erfolgt. Danach hätte Karpow um das Remis kämpfen müssen (daher wäre 25. ... Sc5-d3 besser gewesen, wonach der Sb4 weiterhin c2 deckt). Stattdessen spielte Kasparow 26. Se5-g4?!, was ebenfalls f2 deckt, die Dame angreift und h6 aufs Korn nimmt. Konsequent folgte weiter 26. ... Df6-b6 27. Te3-g3 g7-g6 28. Lc1xh6 Db6xb2 29. Dd1-f3 Karpow hatte noch 49 Minuten auf der Uhr, Kasparow nur noch 18 – doch nun gab es keine andere Wahl mehr, als auf Königsangriff zu spielen. 29. ... Sc5-d7 Nach 29. ... Db2xa3 30. Sg4-f6+ Kg8-h8 31. Df3-h5! erreicht Weiß Dauerschach (31. ... g6xh5?? 32. Tg3-g8 matt), und Karpow spielt ja auf Gewinn. 30. Lh6xf8 Kg8xf8 (Diagramm 3).
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Nun liegt der Angriffszug Sg4-h6 in der Luft, aber im Moment würde dies durch Db2-c1+! nebst Dc1xh6 widerlegt werden. Daher spielte Kasparow hier genau jenes präventive Königmanöver, das in Partie 8 nicht mehr ausgeführt wurde: 31. Kg1-h2! Karpow setzte konsequent seinen Sturm am Damenflügel fort: 31. ... Tb8-b3, aber verbrauchte nach 32. Lb1xd3 29 seiner 32 verbliebenen Minuten auf der Suche nach einem Gewinnweg – vergeblich. Er entschloss sich zu 32. ... c4xd3?! – sicherer war, mit dem Turm zu nehmen, wie noch zu sehen sein wird. Wie schon in der 14. Partie brachte der Bauer auf d3 Karpow kein Glück.
Im nun folgenden „Blitzschach“ entschied Kasparow die Partie. 33. Df3-f4! Ein vielseitiger Angriffszug, der unter anderem eine Flucht des schwarzen Königs auf den Damenflügel verhindern sollte. Karpows letzte Chance auf ein Remis war nun das Bauernopfer 33. ... d3-d2! mit Ablenkung der weißen Dame. Er wähnte sich jedoch im Vorteil und zog 33. ... Db2xa3? 34. Sg4-h6 Da3-e7. Nach Kf8-e7 gewinnt Weiß mit der Folge 35. Tg3-e3+ Ke7-d8 36. Sh6-f7+ Kd6-c8 37. Sf7-d6+, und auf Kc8-c7(b8) gewinnt das Abzugsschach 38. Sd6-c4+ die Dame. 35. Tg3xg6 De7-e5 (Diagramm 4) Nun wäre Kasparow verloren, wenn er die gefesselte Dame tauschen müsste – wenngleich er den Läufer a6 gewinnt, sichert der Bauer d3 den Sieg für Schwarz. Das war wohl Karpows Vorausberechnung, und angeblich auch die Prognose der meisten anwesenden Großmeister.[3] Kasparow spielte jedoch 36. Tg6-g8+ Kf8-e7 37. d5-d6+!! – dieses studienartige Finale hatte Karpow übersehen: Die Dame fällt entweder durch eine Springergabel auf f7 oder f5, oder wie in der Partie. Hätte Karpow im 32. Zug mit dem Turm geschlagen, wäre das Feld d6 durch diesen geschützt gewesen. 37. ... Ke7-e6 38. Tg8-e8+ Ke6-d5 39. Te8xe5+ Sd7xe5 40. d6-d7 Tb3-b8 41. Sh6xf7
Das Publikum brach in Jubel aus wie noch selten in der Schachgeschichte. Schiedsrichter Lothar Schmid versuchte die Ordnung wiederherzustellen, und Kasparow verließ kurz die Bühne. Karpow nutzte das und „floh“, ohne Handschlag. Dann kam Kasparow zurück und genoss den Applaus.
Kasparow hatte den Vorsprung auf drei Punkte ausgebaut. Es herrschte Einigkeit bei Großmeistern, Journalisten und dem Rest der Schachwelt, dass dies die Vorentscheidung war. Es sollte jedoch in den nächsten Partien wieder sehr überraschend kommen.
Karpow gewinnt dreimal in Folge
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Der Jubel über die vermeintliche Vorentscheidung beeinflusste offenbar auch Kasparow selbst. Er verfiel in denselben Fehler wie nach der 4. Partie und nahm Karpow als Gegner nicht mehr hinreichend ernst. Dies zeigte sich schon in der 17. Partie, als er dieselbe Eröffnung wie in der 15. spielte, obwohl er mit Sicherheit annehmen musste, dass Karpows Analyseteam eine Verbesserung vorbereiten würde. Im Gegensatz zur 16. Partie kam Karpow ihm mit der Abweichung zuvor. Der schwarze Läufer e5, der c7 gegen einen auf d7 eindringenden weißen Turm deckte und einem etwaigen Gegenspiel mit Ta8-b8 Nachruck verliehen hätte, musste sich abdrängen lassen, wollte er nicht getauscht werden. Kasparow ging glatt unter, ohne die besten Verteidigungszüge zu finden. Die Partie erinnerte in Kasparows Hilflosigkeit an die fünfte, wozu auch der wiederum erfolglos vorgestoßene a-Bauer beitrug.
Der Partie wurde aber keine sehr große Bedeutung beigemessen. Nur wenige erwarteten, dass es noch knapp werden könnte.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Trotzdem wollte Kasparow in der 18. Partie den Fehlschlag wettmachen. Und tatsächlich verhieß der Eröffnungsverlauf einen nahtlosen Anschluss an die 16. Partie, obwohl Kasparow wieder auf 1. d2-d4 umstieg. Karpow erreichte wie schon zu Beginn des Matches mit Nimzowitsch-Indisch keinen Ausgleich. Mit wuchtigen und doch genauen Angriffszügen auf beiden Flügeln nahm Kasparow seinen Gegner in die Zange und erzielte Vorteil. Doch diesmal kam auf der Suche nach einem zwingenden Gewinnweg nur er selbst in Zeitnot.
Nach dem 37. Zug war der Sieg für Kasparow nahe. Der Königsangriff von zwei Seiten und die beiden weißen Freibauern am Damenflügel stellten Schwarz vor unlösbare Probleme. Die von Analysatoren vorgeschlagenen Züge 38. Lb4-c5! und 38. Dd4-e5! hätten bei bester Verteidigung klar gewonnene Endspiele ergeben. Doch mit nur noch Sekunden auf der Uhr griff Kasparow fehl: 38. Th6-h7+? Dieses Schach lockert nur die Umklammerung. 38. ... Se8-g7 39. a4-a5?? Mit dem vorletzten Zug vor der Zeitkontrolle wirft Kasparow die Partie weg. Nach 39. Lb4-c5 hätte er immer noch Gewinnchancen gehabt. 39. ... Kf7-g6?! So erreicht Karpow ein vorteilhaftes Endspiel, aber noch besser wäre 39. ... Dd7xb5! 40. Dd4xa7+ Kf7-g6 41. Th7-h4 Tg8-d8! gewesen, und auf einmal ist der Spieß umgedreht: Schwarz hat entscheidenden Königsangriff. 40. Dd4xd7 Ta7xd7 41. Th6-h4 Der Abgabezug. Beim Weiterspiel am nächsten Tag gerieten Kasparows König und die Bauern bei diesem in Bedrängnis durch die schwarzen Türme (41. ... Tg8-d8 42. c3-c4 Td8-d1+ usw.). Kasparow konnte diese Position nicht halten. Nach 58. a6-a7? e4-e3 gab er wegen undeckbaren Matts auf; 58. c6-c7 hätte ihm zwar keine echten Remischancen geboten, wie kolportiert wurde, aber noch Probleme gestellt.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Nach der zweiten Niederlage des Kasparows in Folge ging ein erstauntes Raunen durch die Schachwelt. Der Weltmeister nahm seine letzte Auszeit, um sein Grünfeld-Indisch länger zu analysieren. Allein es half nicht: In der 19. Partie tischte Karpow die Neuerung 14. Sc3-b5! auf. Nun standen die Felder c7 und d6 nicht mehr, wie geplant, den schwarzen Springern zur Verfügung. Schließlich opferte Kasparow mit 14. ... Dd8-f6 15. Le2-d3 Sa6-b4 16. Sb5-c7 die Qualität – über diesen Schritt und die Stellungsbewertung in Folge wurde kontrovers diskutiert. Jedenfalls beendete Karpow schließlich die Verwicklungen zu seinem Vorteil: Er erzielte ein Endspiel Läufer gegen Springer mit einem Mehrbauern. Kasparow gab nach Abbruch der Partie ohne Weiterspiel auf.
Drei Partien zuvor schien der Wettkampf klar entschieden. Nun stand er wieder ausgeglichen – und obendrein musste Kasparow mit der Demütigung leben, erstmals seit 25 Jahren in einem WM-Kampf drei Partien in Folge verloren zu haben. Als besonders böses Omen erschien der Umstand, dass dies zuletzt ausgerechnet im letzten Revanchekampf 1961 geschehen war, als Michail Tal seinen Titel an Michail Botwinnik zurückverloren hatte. Die Schachwelt sah nun umso gespannter auf die letzten fünf Partien.
Kasparow beschuldigte Jewgeni Wladimirow, ein Mitglied seines Sekundantenteams, als Spion für Karpow zu arbeiten und Geheimnisse der Eröffnungsvorbereitung verraten zu haben. Er entließ Wladimirow; der Vorwurf wurde niemals geklärt.
Kurze Schwebe
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Nach seinem unerwarteten Ausgleich nahm Karpow überraschend seine letzte Auszeit, obwohl er Kasparow damit Zeit gab, sich wieder zu fangen. Offenbar sah er Bedarf für eine bessere Eröffnungsvorbereitung, nachdem er dreimal in Folge mit Schwarz in Verluststellung geraten war. In der 20. Partie beendeten beide ihre Negativserien und begnügten sich mit einem bescheidenen Remis nach der Katalanischen Eröffnung und 21 Zügen – das einzige Kurzremis im Match, in dem Kasparow Weiß hatte.
In der 21. Partie überraschte Kasparow, indem er sich erstmals mit Damenindisch wehrte. Karpow mühte sich redlich, ihn unter Druck zu setzen, doch blieb die Partie in Mittelspiel und Endspiel stets in der Remisbreite. Karpow spielte auch nach Abbruch im 41. Zug weiter. Zum Schluss hätte er noch eine Figur gewinnen können, doch Kasparow hätte dafür genügend Bauern erobert, um ein Remis zu halten. Eine mögliche Variante nach der Schlussstellung wäre 46. Lc2xa4 Lb5xa4 47. Se4-c5+ Ke6-f5 48. Sc5xa4 g5xf4 49. g3xf4 Kf5xf4 und das schwarze Spiel am Königsflügel reicht zum Remis.
Die Entscheidung
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Die faktische Entscheidung des Wettkampfes zugunsten Kasparows fiel in der 22. Partie. Wieder versuchte Karpow das Damengambit; in der Notwendigkeit, noch eine Partie zu gewinnen, verzichtete er aber auf den Vorstoß c6-c5 (wie in der 10. und 12. Partie) zugunsten einer aktiven Figurenentwicklung. Seine Neuerung 17. ... Sb6-d7 gab aber Kasparow die Initiative. Nach dem 21. Zug entstand die Stellung in Diagramm 1. Hier hat Weiß noch keinen greifbaren Vorteil, aber die in manchen Varianten gefährliche Drohung Df4-g4 mit Angriff auf den Läufer g6 (der Bauer f7 ist gefesselt) ist lästig für Schwarz. Karpow beugte daher mit 21. ... h6-h5?! vor. Die Konstellation Lg6/Bh5 wurde im weiteren nun ebenso zur Schwäche wie das Feld g5. 22. Tc1-e1 b7-b5?! Karpow sucht Gegenspiel, doch gleich sollte ihm die nunmehrige Schwäche von c6 zu schaffen machen. 23. Sa4-c3 Dd8-b8 24. Df4-e3 Weiß hat die e-Linie erobert. 24. ... b5-b4?! Das Gegenspiel am Damenflügel ist harmlos und treibt den Springer nur dorthin, wo er ohnehin wollte. Nach diesen drei Ungenauigkeiten von Karpow erlangte Kasparows klaren Vorteil. Im folgenden muss Schwarz auf seine Bauernschächen aufpassen. 25. Sc3-e4! b4xa3 26. Se4xf6+ Sd7xf6 27. b2xa3 Sf6-d5 28. Lb3xd5 c6xd5 29. Sf3-e5! Damit hatte Kasparow einen starken Springer auf e5, der den Läufer g6 unter Druck setzte. Die daraus resultierende, zeitraubende und zermürbende Verteidigung vermochte Karpow nicht optimal zu bewerkstelligen. Im Diagramm 2 folgte 34. Dh3-g3! Wenn der schwarze Turm die sechste Reihe verlassen sollte, gewinnt Tb8-h8+! nebst Se5xf7+ die schwarze Dame. Karpow übersah das wohl. Es folgte 34. ... a5-a4? 35. Tc8-a8 Nun ist der a-Bauer verloren, da 35. ... Tb6-a6? 36. Se5xf7! Lg6xf7 (sonst matt) 37. Dg3-d3+ den Ta6 gewinnt. Nur aktives Gegenspiel mit dem Turm konnte Schwarz noch hoffen lassen – in der Abbruchstellung nach dem 40. Zug sahen viele immer noch Remischancen. Doch nach der Wiederaufnahme entschied Kasparow die Partie mit einem ebenso unerwarteten wie unparierbaren Angriff, der das Publikum begeisterte, schnell für sich (Diagramm 3).
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren
Nach 41. Se5-d7!! droht Weiß 42. Sd7-f8+ nebst Tb7-b8 und unparierbaren Mattdrohungen. Dagegen gibt es kein Mittel. Karpow spielte 41. ... Td2xd4 42. Sd7-f8+ Kh7-h6 und hätte nach 43. Tb7-b8? die Parade 43. ... Df5-f4! mit Damentausch gehabt. Jedoch 43. Tb7-b4! nimmt Schwarz diese Möglichkeit, wenn der Turm abzieht. Nach 43. ... Td4xb4 44. a3xb4 d5-d4 mit Durchlaufen beider Bauern entscheidet Weiß die Partie durch eine Dreifachdrohung. Karpow wählte 43. ... Td4-c4 44. Tb4xc4 d5xc4 45. Dg3-d6! (droht Dd6-d2#) c4-c3 46. Dd6-d4!. Wegen der Drohung Dd4-e3# verliert Schwarz den Bauern c3, wonach der weiße a-Bauer zum mindesten ein gewonnenenes Endspiel garantiert. Karpow gab auf.
Dieser Überfall, bei dem der Springer die feindliche Stellung „von hinten“ in die Zange nahm, ist in der Schachgeschichte ohne Gegenstück.
Remislicher Ausklang
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren.
Nun erwartete kaum noch jemand, dass Karpow das Schicksal wenden und die letzten beiden Partien gewinnen würde – doch schließlich hatte man sich ja schon zweimal getäuscht. Umso verblüffender (und Gegenstand zahlreicher Spekulationen) war, dass er in der 23. Partie (seiner letzten mit Weiß) absolut nichts unternahm, was Kasparow hätte unter Druck setzen können. Immerhin eröffnete er erstmals nicht mit 1. d2-d4 – konkret mit 1. Sg1-f3 samt späterem Übergang zur Englischen Eröffnung. Doch in der ruhigen Positionspartie setzte im Gegenteil Kasparow die Akzente, vor allem mit einem ungewöhnlichen, offensiven Turmmanöver. Nach dem Remisschluss im 31. Zug war Kasparow Weltmeistertitel sichergestellt.
Auch in der 24. und letzten Partie gab es von beiden keine ernsten Gewinnversuche. Der letzte Spannungsmoment war Kasparows 16. d4-d5, wonach 16. ... e6xd5?! 17. e5-e6! Weiß gefährlichen Angriff gegeben hätte. Stattdessen kam nach 16. ... Sd7xe5 ein Massenabtausch mit Abwicklung in ein völlig spannungsloses Turmendspiel, das nach Abbruch Remis gegeben wurde.
Der spannende Wettkampf war nach 73 Tagen zu Ende, und Kasparow hatte mit 12,5:11,5 gesiegt.
Partietabelle
Partie | Datum (1986) | Weiß | Schwarz | Ergebnis | Eröffnung | Züge | Kasparow | Karpow |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 28. Juli | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | D92 | 21 | ½ | ½ |
2 | 30. Juli | Kasparow | Karpow | ½ – ½ | E20 | 52 | 1 | 1 |
3 | 1. August | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | D79 | 35 | 1½ | 1½ |
4 | 4. August | Kasparow | Karpow | 1 – 0 | E20 | 40 | 2½ | 1½ |
5 | 6. August | Karpow | Kasparow | 1 – 0 | D82 | 32 | 2½ | 2½ |
6 | 11. August | Kasparow | Karpow | ½ – ½ | C42 | 41 | 3 | 3 |
7 | 13. August | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | D31 | 41 | 3½ | 3½ |
8 | 15. August | Kasparow | Karpow | 1 – 0 | D35 | 31 | 4½ | 3½ |
9 | 20. August | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | D93 | 20 | 5 | 4 |
10 | 22. August | Kasparow | Karpow | ½ – ½ | D55 | 43 | 5½ | 4½ |
11 | 25. August | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | D93 | 41 | 6 | 5 |
12 | 27. August | Kasparow | Karpow | ½ – ½ | D55 | 34 | 6½ | 5½ |
13 | 5. September | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | D79 | 40 | 7 | 6 |
14 | 8. September | Kasparow | Karpow | 1 – 0 | C92 | 41 | 8 | 6 |
15 | 12. September | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | D98 | 29 | 8½ | 6½ |
16 | 15. September | Kasparow | Karpow | 1 – 0 | C92 | 41 | 9½ | 6½ |
17 | 17. September | Karpow | Kasparow | 1 – 0 | D98 | 31 | 9½ | 7½ |
18 | 19. September | Kasparow | Karpow | 0 – 1 | E13 | 58 | 9½ | 8½ |
19 | 24. September | Karpow | Kasparow | 1 – 0 | D97 | 40 | 9½ | 9½ |
20 | 29. September | Kasparow | Karpow | ½ – ½ | E05 | 21 | 10 | 10 |
21 | 1. Oktober | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | E15 | 45 | 10½ | 10½ |
22 | 3. Oktober | Kasparow | Karpow | 1 – 0 | D55 | 46 | 11½ | 10½ |
23 | 6. Oktober | Karpow | Kasparow | ½ – ½ | A30 | 32 | 12 | 11 |
24 | 8. Oktober | Kasparow | Karpow | ½ – ½ | E16 | 41 | 12½ | 11½ |
Analyse
Das Ergebnis von 12,5:11,5 spiegelt einigermaßen treffend die Situation wider, dass Kasparow der etwas stärkere Spieler war. Zu keinem Zeitpunkt des Wettkampfs lag er im Rückstand. Hätte seine Dominanz nicht zweimal dazu geführt, Karpow zu unterschätzen, hätte der Abstand größer ausfallen können. Der mathematische Erwartungswert des Resultats aufgrund der Elo-Zahlen wäre 12,6:11,4 gewesen und wurde somit so genau wie möglich erreicht.[1]
Der Wettkampf zeigte eine starke Dominanz von Weiß – die Farbbilanz lautete 8:1, und auch der schwarze Sieg war im Grunde ein verschenkter von Weiß. Wenngleich ein Übergewicht an Weißsiegen sich durch die Geschichte des Schachspiels zieht, war es in dieser Deutlichkeit gerade zwischen diesen beiden Topspielern doch keineswegs selbstverständlich – sowohl in der Weltmeisterschaft 1985, als auch in jener 1987 lautete die Bilanz nur 5:3 für Weiß.[4] Im Grunde war die Linie während es gesamten Wettkampfes, mit Weiß auf Sieg und mit Schwarz auf Ausgleich zu spielen. Kasparow löste diese Aufgabe besser als sein Gegner. Die wesentlichste Ausnahme war die 16. Partie, die jedoch ebenfalls in einer Niederlage für Schwarz endete.
Der Wettkampf brachte fruchtbringende Fortschritte für die Theorie der gespielten Eröffnungen. Spektakuläre Neuerungen wie das Kasparow-Gambit im Jahr zuvor blieben jedoch aus.
Großmeister Mark Taimanow nannte das Match das „faszinierendste“, an das er sich erinnern könne.[5]
Konsequenzen


Die unmittelbaren Auswirkungen des Wettkampfes waren gering. Im Wesentlichen hatte sich der status quo bestätigt. Kasparow blieb ungefährdet Weltmeister, Karpow hatte seine Stellung als sein einziger und würdiger Gegenspieler gefestigt. Er nutzte seine festgeschriebene Chance, gegen den Gewinner der Kandidatenturniere um die Teilnahme an der Schachweltmeisterschaft 1987 zu spielen, und gewann souverän gegen Andrei Sokolov (der ihn in Bugojno geschlagen hatte) mit 7,5:4,5. In der WM selbst erwies sich Karpow dann als ebenbürtiger Gegner und hätte beinahe den Titel zurückgewonnen – Kasparow hielt durch einen Sieg in der letzten Partie das Match 12:12 unentschieden. Erst die Schachweltmeisterschaft 1990, die Kasparow wieder mit 12,5:11,5 gewann, sollte die letzte zwischen den beiden sein.
Der Plan, Campomanes abzuwählen, scheiterte: Er konnte sein Amt bis 1995 behaupten.
1993 kam es zu genau jener Spaltung, die sich 1986 angedroht hatte: Kasparow und sein Herausforderer Nigel Short (der in der Ausscheidung Karpow überraschend besiegt hatte) sagten sich wegen finanzieller Streitigkeiten von der FIDE los und gründeten die Professional Chess Association. Kasparow blieb von der Mehrheit der Schachspieler anerkannter Weltmeister bis 2000, dann wurde er von Wladimir Kramnik besiegt. FIDE-Weltmeister wurde 1993 wiederum Karpow, der seinen Titel bis 1999 verteidigte, dann jedoch wegen Ablehnung des neuen Modus nicht mehr antrat. Die Spaltung der Schachwelt wurde 2006 durch den Wiedervereinigungskampf zwischen Kramnik und FIDE-Weltmeister Wesselin Topalow beendet.
Die 22. Partie des Wettkampfes wurde vom Schachinformator zur besten des zweiten Halbjahres 1986 gewählt.
Literatur
- Vladimir Budde: Schach-WM Revanche-Kampf 1986. Sonderdruck des SchachReport. Beyer-Verlag 1986.
- Hans-Joachim Hecht und Gerd Treppner: Schach-WM Revanche-Kampf 1986. Sonderband des SchachReport. Beyer-Verlag 1986. ISBN 3-88805-064-2
- Helmut Pfleger, Otto Bonk und Michael Kipp-Thomas: Die Schach-Revanche. Falken-Verlag 1986. ISBN 3806808317
- Raymond Keene und David Goodman: The Centenary Match Kasparov-Karpov III. Macmillan Pub Co. 1986. ISBN 0020287003
- Garri Kasparow und Kenneth P. Neat: London-Leningrad Championship Games: Rematch Championship Games With Annotations by the World Champion. Macmillan Pub Co. 1987. ISBN 0080320538
Weblinks
- Bericht auf chessgames.com (englisch)
- Highlights des Zweikampfes bei mark-weeks.com (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ a b Turnierdetails bei Chessmetrics
- ↑ Anatoli Karpow und Anatoli Mazukewitsch: „Stellungsbeurteilung und Plan“, Edition Olms, ISBN 3283005109
- ↑ Analyse von Partie 16 (englisch)
- ↑ Wettkampfstatistiken
- ↑ Partiebericht in der New York Times