Martin Waldseemüller

Martin Waldseemüller (* um 1470 in Freiburg; † 1522 in Saint-Die) war ein deutscher Kartograf.
Leben

Waldseemüller wurde nicht – wie früher häufig angenommen – in Radolfzell geboren, sondern in Freiburg im Breisgau, als Sohn eines Metzgers. Andere Quellen nennen jedoch auch Schallstadt-Wolfenweiler als Geburtsort. Seine Mutter stammte aus Radolfzell.
Im Alter von etwa 20 Jahren wurde er 1490 unter dem Namen Martinus Waltzemüller an der Universität Freiburg immatrikuliert. Er studierte Mathematik und Geographie. Einer seiner Lehrer war Gregor Reisch, der ihn mit der Kosmographie bekannt machte. Während des Studiums lernte er auch den Elsässer Matthias Ringmann kennen.
Nach seinem Studium reisten Waldseemüller und Ringmann gemeinsam in den französischen Vogesenort Saint-Dié-des-Vosges in der Region Lothringen. Das dortige Kloster entwickelte sich im Mittelalter zu einem Zentrum der humanistischen Bewegung. Der Freiburger lehrte dort als Professor für Kosmologie, arbeitete jedoch gleichzeitig zusammen mit Ringmann, der Professor für Latein war, als Kartograf.
Um das Jahr 1520 stirbt Martin Waldseemüller in Saint-Die`-des-Vosges.
Werk
Hylacomylus
Eine der ersten Schriften, die Waldseemüller in Frankreich verfasste, war Hylacomylus. Es stellte eine Beschreibung der Reisen des italienischen Seefahrers Amerigo Vespucci dar.
Waldseemüller-Ringmann-Karte

Das bekannteste Werk Waldseemüllers ist die von ihm mit Hilfe seines Partners 1507 erstellte Weltkarte. Sie ist, zusammen mit einem Erdglobus und einer Beischrift als dreiteiliges Projekt anzusehen, dem Waldseemüller den lateinischen Namen
- Universalis cosmographia secundum Ptholomaei traditionem et Americi Vespucii aliorumque lustrationes,
gab, was auf Deutsch soviel heißt wie:
- Die vollständige Kosmografie nach der Überlieferung des Ptolemäus und nach Amerigo Vespucci sowie nach anderen Abbildungen
Der Globus und die Karte, welche zusammengefaltet eine Größe von 34,2 Zentimeter mal 18 Zentimeter hat, sind die ersten kartografischen Zeugnisse, die die „Neue Welt“ als einen neuen Kontinent sehen und ihn mit Amerika betiteln. Es ist nicht geklärt, woher die beiden Kartographen die östliche Kontur Amerikas kannten.
Entstehung und Einfluss
Die Karte besteht aus zwölf quadratischen Einzelstücken und wurde zuerst als Holzstich vorgearbeitet. Es wird angenommen, dass sie im Auftrag und mit Förderung von René II., des Herzogs von Lothringen entstand. Dieser verfügte über gute Kontakte zu den europäischen Königshäusern und auf Grund der zentralen Lage seines Reiches besaß er große Macht. Man geht davon aus, dass ihm, von dem man wusste, dass er sich sehr für Kartografie interessierte, anstatt von Bestechungsgeldern neue geographische Informationen zukommen ließ, die Seefahrer auf ihrem Weg gen Westen gesammelt hatten. Dieses Wissen gab er an Waldseemüller weiter.
Ausgehend von Vespuccis Reisebericht Mundus Novus, welcher in Europa veröffentlicht wurde, vertrat Waldseemüller als erster die Ansicht, dass die Inseln, - die Kolumbus entdeckt, Westindische Inseln getauft und als Indien, also Asien vorgelagerte Inseln, angesehen hatte, - in Wirklichkeit einen neuen, unbekannten Kontinent im Weltmeer darstellten. Er sah Vespucci, wie auch schon im Hylacomylus erwähnt, als den wahren Entdecker des Kontinents, da dieser auch ausführlich die Küste erkundet und sie beschrieben hatte. Auf Anregung Ringmanns trug Waldseemüller für die neue Landmasse zu Ehren Vespuccis den Namen „America“ ein. (Ob dies mit oder ohne Vespuccis Wissen geschah, konnte nicht endgültig geklärt werden.) Er verweiblichte dafür Vespuccis Vornamen, eine durchaus übliche Praxis, da alle damals bekannten Kontinente - Europa, Asien und Afrika - ebenfalls bereits eine weibliche Endung besaßen.

Aufbau
Die Karte setzt sich aus zwölf einzelnen Teilen zusammen, vier in der Länge und drei in der Breite. Jedes Teil für sich ist 46 Zentimeter breit und 62 Zentimeter lang. Insgesamt hat die Karte also Abmessungen von 1,38 Meter mal 2,48 Meter. Sie ist auf Europa zentriert und als flächentreue Kegelprojektion angelegt, so dass die Meridiane gekrümmt sind. Am Nordpol befinden sich noch einmal zwei kleine Darstellungen der Westlichen und der Östlichen Hemisphäre. Durch diese wird besonders deutlich, dass der neue Kontinent nicht an Asien grenzt, sondern separat im Meer liegt. An der westlichen Hemisphäre steht Claudius Ptolemäus, an der östlichen Vespucci. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass diese Karte das alte Wissen mit dem neuen verbindet.
Verbreitung
Die Karte wurde mehrfach kopiert. Es existierten ungefähr 1.000 Exemplare, welche an namhafte Kaufleute, Adelige und Geistliche geschickt wurden.
Bedeutung
Die Bedeutung der Karte für die damalige Wissenschaft und deren Weltanschauung war sehr groß. Stieß sie in konservativen Kreisen anfangs auf Ablehnung, wurde sie von Wissenschaftlern und Gleichgesinnten schon bald akzeptiert und angenommen. Man sah sie als jenen Maßstab an, nach dem sich andere Kartografen zu richten hatten.
Wiederentdeckung und heutige Situation
Von den zahlreichen Kopien der Karte existiert nach heutiger Forschung nur noch ein einziges Exemplar. Es gehörte ursprünglich Johannes Schöner, einem Nürnberger Wissenschaftler des 15. und 16 Jahrhunderts. Im Jahre 1901 wurde das Stück auf Schloss Wolfegg in Oberschwaben wiederentdeckt. Über Jahrzehnte versuchte die Library of Congress in Washington D. C. das gut erhaltene Stück zu erwerben, doch es blieb noch für ein Jahrhundert im Besitz des Hauses zu Waldburg-Wolfegg und Waldsee - und der Öfffentlichkeit nicht zugänglich, da die Sicherheitsvorkehrungen zu aufwendig gewesen wären und auch staatliche Einrichtungen in Deutschland derartige Kosten nicht übernehmen wollten und konnten. Am 27. Juni 2001 veräußerte das Oberhaupt des Hauses, Fürst Johannes zu Waldburg-Wolfegg, die Karte. Seiner Aussage am 18.11.2007 im Rahmen der Gesprächsreihe "Adel verpflichtet" im Stuttgarter Haus der Geschichte zufolge wurden 10 Mio US-Dollar aufgewendet. Das ist der höchste Preis, der je für ein kartografisches Gut gezahlt wurde.

Beim Verkauf wurde, begleitet von öffentlicher Kritik, durch eine Sondergenehmigung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Baden-Württemberg der Schutz als national wertvolles Kulturgut gemäß dem Kulturgutschutzgesetz bewusst umgangen. Die feierliche Übergabe erfolgte 2007 im Rahmen eines Staatsakts. 2005 war die Karte von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt worden. Sie ist heute für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich unter aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen in Washington ausgestellt. Für die adäquate Präsentation der Karte wurden nochmals 1,5 Mio Dollar investiert.
Beischrift
Noch im gleichen Jahr verfasste Waldseemüller die Cosmographiae introductio (dt.: Einführung in die Kosmografie). In diesem Buch schrieb er Amerigo Vespucci nach dem Studium von dessen Briefen an Lorenzo de Medici die Hauptentdeckung der „Neuen Welt“ zu. Er begründete die Namensgebung folgendermaßen:
- Nun in Wahrheit wurden diese Teile der neuen Welt besonders erkundet und ein weiterer Teil von Americus Vesputius entdeckt … und es ist nicht einzusehen, warum jemand es verbieten sollte, das neue Land Amerige, Land des Americus, zu nennen, nach seinem Entdecker Americus, einem besonders scharfsinnigen Mann, oder America, da sowohl Europa als auch Asien ihre Namen von Frauen haben [...]
Globus
Der Erdglobus wurde gleichzeitig mit der Karte und der Schrift veröffentlicht und wird auch im Namen des Projektes angesprochen. Er zeigt, ebenso wie die Karte, Amerika als neuen Kontinent.
Von der Globuskarte existieren heute nur noch vier Exemplare. Die wahrscheinlich älteste wurde 1993 im Bestand der Historischen Bibliothek Offenburg entdeckt, ein weiteres Exemplar befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Die zwei anderen Exemplare sind in den USA. Eine besitzt die James Ford Bell Library der Universität von Minnesota in Minneapolis, die andere wurde im Jahre 2005 von Christie’s versteigert, ihr heutiger Aufbewahrungsort ist unbekannt.
Karte von 1513
Nach dem Tod Ringmanns wich Waldseemüller von seinen eigenen Ideen ab und glaubte anscheinend selber nicht mehr daran, dass Amerika ein eigener Kontinent war. In einer neuen Karte, die er 1513 erstellte, bezeichnete er es daher wieder mit Terra incognita (dt.: Unbekanntes Land). Der Name war jedoch schon so weit verbreitet und hatte allgemeine Annahme gefunden, dass die Öffentlichkeit ihn als Bezeichnung der „Neuen Welt“ behielt.
Siehe auch
Literatur
- Martin Waldseemüller: Die Cosmographiae Introductio. Im Faksimiledruck hrsg. von Fr. R. von Wieser. J. H. Ed. Heitz, Straßburg 1907.
- Franz Ritter von Wieser, Wilhelm Bonacker, Karl-Heinz Meine (Hrsg.): Erläuterungen zur ersten gedruckten (Straßen-)Wandkarte von Europa, der Carta itineraria Evropae. d. Jahre 1511 bzw. 1520 von Martin Waldseemüller. Kirschbaum, Bad Godesberg. ISBN 3-7812-0649-1
- Martin Waldseemüller: Tabula nova heremi Helvetiorum. In: Mitteilungen der Geographisch-Ethnographischen Gesellschaft. Zürich 1939 (Repr.). ISSN 1013-8846
- Andreas Venzke: Der "Entdecker Amerikas" - Aufstieg und Fall des Christoph Kolumbus. Benziger, Zürich 1991. ISBN 3-545-34091-0
- Stefan Zweig: Amerigo, die Geschichte eines historischen Irrtums. Fisher, Stockholm 1944, Frankfurt a.M. 1989. ISBN 3-596-29241-7 (Über die Ernennung Amerikas nach Amerígo Vespucci durch Martin Waldseemüller 25 April 1507)
- Petra Gabriel: Der Kartograph. Roman. Knecht, Frankfurt 2006. ISBN 3782008936 (über die Entstehung der Waldseemüller-Weltkarte)
- Wolfgang M. Gall: Martin Waldseemüller - Leben und Wirken. In: Neue Welt & Altes Wissen. Wie Amerika zu seinem Namen kam. Begleitbuch zur Ausstellung hrsg. v. Fachbereich Kultur der Stadt Offenburg. Offenburg 2006. ISBN 3-937295-64-X
- Ute Obhof: Der Erdglobus, der Amerika benannte - die Überlieferung der Globensegmente von Martin Waldseemüller aus dem Jahre 1507. In: Neue Welt & Altes Wissen. Wie Amerika zu seinem Namen kam. Begleitbuch zur Ausstellung hrsg. v. Fachbereich Kultur der Stadt Offenburg. Offenburg 2006. ISBN 3-937295-64-X
Weblinks
- Eintrag in der Catholic Encyclopedia, Robert Appleton Company, New York 1913.
- Waldseemüllerkarte von 1507 bei der Library of Congress
- Erstpublikation 1903, Digitalisat
- Druck von 1509, PDF
- Vorlage:PND
- Polynomanalyse der Karte (englisch)
- America's Birth Certificate: Library Acquires 1507 Waldseemüller Map
- National Geographic News: US Buys Oldest Map Marked "America"
- Ausstellung im Museum im Ritterhaus in Offenburg mit der wahrscheinlich ältesten Globussegmentkarte von Waldseemüller
- Artikel des Library of Congress über den Kauf der Karte
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Waldseemüller, Martin |
| ALTERNATIVNAMEN | Hylacomylus |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kartograf |
| GEBURTSDATUM | um 1470 |
| GEBURTSORT | Freiburg im Breisgau |
| STERBEDATUM | um 1521 oder 1522 |
| STERBEORT | Saint-Die |