Ölpreiskrise

Als Ölkrise bezeichnet man im Allgemeinen Phasen starker Ölpreisanstiege, die gravierende gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben. Im engeren Sinne werden die beiden Erhöhungen des Rohölpreises 1973 und 1979/80 als Ölkrise bezeichnet, da beide in den Industrieländern starke Rezessionen auslösten. Für die Zukunft wird - insbesondere nach einer Warnung der IEA vom Juli 2007 vor einer Ölkrise ab 2012 - aufgrund der steigenden Nachfrage nach Öl und des sinkenden Angebots durch das erreichte Ölfördermaximum eine weitere Krise mit ungewissem Ausgang erwartet.
Voraussetzung für eine Ölkrise ist es, dass mehr Öl gebraucht wird, als zur Verfügung steht. Der Grund dafür kann auf der Angebots- (logistische oder politische Probleme sowie Erschöpfung der Lagerstätten) oder der Nachfrageseite (starker Anstieg des weltweiten Rohölbedarfs) liegen. Bei der Beurteilung der Ölpreise ist zu berücksichtigen, welche Preise gemeint sind. Die Preise sind abhängig von der Qualität und der Art des Vertrages. Angegeben werden oft die Preise beim Rotterdamer Spotmarkt, über den nur sehr wenig Öl gehandelt wird. Hauptsächlich wird Öl über langfristige Lieferverträge gehandelt.
Die erste Ölkrise 1973
Beschreibung
Die erste und bisher folgenreichste Ölkrise begann im Herbst 1973, als die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) bewusst die Fördermengen drosselte (um ca. fünf Prozent), um den Preis für Erdöl zu erhöhen.
Am 17. Oktober 1973 stieg der Ölpreis von rund drei Dollar pro Barrel (159 Liter) auf über fünf Dollar. Dies entspricht einem Anstieg um ca. 70 Prozent. Im Verlauf des nächsten Jahres stieg der Weltölpreis auf über zwölf Dollar.
Dieses Ereignis ging auch unter dem Namen "Ölembargo" in die Geschichte ein. Die angesprochene Drosselung der Fördermengen war Kalkül und politisches Druckmittel der OPEC-Staaten, die mit der Politik einiger erdölimportierender Staaten betreffend den Yom-Kippur-Krieg nicht einverstanden waren. Am Ölembargo nahmen Iran, Algerien, Irak, Katar, Kuwait, Libyen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate teil.
Auswirkungen
Die Ölkrise von 1973 demonstrierte die Störanfälligkeit moderner Industriestaaten gegenüber einer Vielzahl von Einflussfaktoren sowie deren Abhängigkeit von fossiler Energie, insb. von fossilen Treibstoffen.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde als direkte Reaktion auf die Krise viermal ein Sonntagsfahrverbot im November und Dezember 1973 verhängt sowie neue Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt. Diese Politik hatte zwar kaum einen wirtschaftlichen Effekt, gab der Bevölkerung aber das Gefühl, aktiv etwas zur Bewältigung der Krise beitragen zu können. 1974 musste die Bundesrepublik für ihre Ölimporte rund 17 Milliarden DM mehr bezahlen als im Jahr zuvor (Ölpreisschock), was eine Konjunkturkrise einleitete. Die Ölkrise markiert damit das Ende des Wirtschaftswunders. In der Folge traten bisher weitgehend unbekannte Erscheinungen auf, etwa Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, steigende Sozialausgaben, verstärkte Inflation bzw. Stagflation, steigende Staatsverschuldung, Rationalisierung, Streiks und Unternehmenspleiten. In Österreich wurde unmittelbar als Sparmaßnahme ein autofreier Tag pro Woche verordnet. Dazu wurden die Fahrzeuge mit einem Aufkleber für den jeweiligen Wochentag auf der Windschutzscheibe gekennzeichnet. In den Schulen wurden Sonderferien im Februar für eine Woche eingeführt, die im Anschluss als Semesterferien weitergeführt wurden. Den umgangssprachlichen Namen Energieferien führen sie heute noch.
Die Ölkrise gebar Initiativen, die eine größere Unabhängigkeit vom Öl zum Ziel hatten. So rückten etwa alternative Treibstoffe wie Pflanzenöl und Biodiesel in das öffentliche Interesse. Es wurde vermehrt in Kernenergie, regenerative Energiequellen, die Wärmedämmung von Gebäuden und in die Effizienzsteigerung von Motoren und Heizgeräten investiert. Auch mit dem Abklingen der Ölkrise blieb ein gestiegenes Bewusstsein zum energiesparenden Verhalten in der Bevölkerung erhalten. Zudem wurde der Anteil des aus OPEC-Staaten bezogenen Öls durch Erschließung unterseeischer Ölfelder in der Nordsee sowie eine Diversifikation der Handelspartner gesenkt. Diese Entwicklung ist inzwischen zugunsten der OPEC rückläufig, da das Nordsee-Erdöl seinen Födermaximumspunkt inzwischen erreicht hat und die Förderraten kontinuierlich abnehmen.
Während einige Länder sofort von der Normalzeit auf die Sommerzeit umstiegen, dauerte die Wiedereinführung der Zeitumstellung von der Normalzeit auf die Sommerzeit in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Österreich im Jahr 1980 etwas länger.[1] Sie gilt aber ebenfalls als Nachwirkung der Ölkrise 1973. Die Entscheidung beruhte auf der Überzeugung, mit der Regelung durch eine bessere Nutzung des Tageslichts Energie sparen zu können. Dieses trifft jedoch zumindest für Deutschland nicht zu.[2] In einigen westlichen Staaten wurden in der Folge der Krise militärische Optionen erwogen. Einem über 30 Jahre geheim gehaltenen gemeinsamen Plan der britischen und amerikanischen Regierungen zufolge war eine Invasion von Saudi-Arabien und Kuwait Gegenstand der Planung."It was thought that US airborne troops would seize the oil installations in Saudi Arabia and Kuwait and might even ask the British to do the same in Abu Dhabi."[3]
Zum Ausgleich der Preissteigerungen wurde in einigen Industrieländern durch die Zentralbanken vermehrt Geld in Umlauf gebracht. Dieses führte jedoch, wie nach der Quantitätstheorie zu erwarten, zu einer erhöhten Inflationsrate in den folgenden Jahren, die erst durch eine rigidere Finanz- und Geldpolitik während der 1980er beendet werden konnte.
Zur Reduzierung der politischen Erpressbarkeit wurden in allen Staaten Strategische Ölreserven angelegt oder massiv verstärkt.
Der allgemeine Ölboom weltweit mit Wachstumsraten der Förderung über 7% wurde durch die Ölkrise abrupt beendet. Einer der wenigen Sektoren, die von der Krise profitierten war die Offshore-Förderung von Öl, die aufgrund der gestiegenen Preise profitabel wurde. Dies zog eine rasante Entwicklung der damit verbundenen Technologien nach sich, vom Bau von Bohrinseln bis zur Pipelineverlegung und dem Einsatz von Tauchrobotern (Remotely Operated Vehicle) für Prospektierung, Anlagenbau und Wartung in größeren Wassertiefen.
Die zweite Ölkrise 1979
Eine weitere drastische Preissteigerung fand während der zweiten Ölkrise 1979/80 statt. Ausgelöst wurde sie im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Revolution in Iran und dem folgenden Angriff Iraks auf Iran (Erster Golfkrieg). Der damalige Preisanstieg fand bei ca. 38 US-Dollar für einen Barrel (159 Liter) sein vorläufiges Ende.
Weitere Phasen starken Ölpreisanstiegs
Zweiter Golfkrieg 1990
1990 und 1991, als der Irak Kuwait annektierte und den Zweiten Golfkrieg verlor, sprach man wieder von einer bevorstehenden Ölkrise, denn beide Länder gehörten zu diesem Zeitpunkt zu den größten Erdölproduzenten. Es kam aber nur zu einem kurzzeitigen Hochschnellen des Preises.
Weltwirtschaftliche Erholung nach der Asienkrise 2000
Nach Überwindung der Asienkrise wuchs die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell an. Die Witterungsbedingungen im strengen Winter 2001/02 führten ebenfalls zu einem erhöhten Ölbedarf. Die Auswirkungen waren geringer als in den 70er Jahren. Aufstockungen der Erdölfördermenge verhinderten eine ernsthafte Ölkrise, und logistische Probleme (etwa eine mangelnde Zahl von Öltankern) wogen schwerer als eine tatsächliche Knappheit der Ölmenge.
Ölpreisspitzen der näheren Vergangenheit
Nach einer längeren Phase niedrigerer Preise erreichte im Laufe des Jahres 2004 der Ölpreis zeitweilig einen Stand von 53 Dollar in einem Umfeld politischer, wirtschaftlicher und spekulativer Belastungen. 2005 stiegen die Rohölpreise auf Grund des verheerenden Hurrikans Katrina, der die Ölförderung im Golf von Mexiko und die Raffination in den USA beeinträchtigte, auf 70 USD pro Barrel (159 Liter). Seine bisherige Rekordmarke erreichte der Ölpreise pro Barrel am 13. September 2007, als er das erste Mal auf über 80 Dollar stieg, und am 07. November, als er über 98 Dollar stieg(WTI Dezember Kontrakt).
Die finale Ölkrise
- Hauptartikel: Ölfördermaximum
Da die Ölvorkommen der Erde endlich sind, besteht die Möglichkeit, dass es in Zukunft zu einer finalen Ölkrise kommt. Es wird angenommen, dass, wenn der Höhepunkt der jährlichen Fördermenge für Erdöl (Peak Oil) erreicht wird, es im Zuge der dann fallenden Fördermengen bei unverändert bestehender Nachfrage zu massiven Preiserhöhungen kommt. Anders als die bisherigen, im Wesentlichen politisch motivierten Produktionsdrosselungen würde diese finale Ölkrise durch den realen Rückgang der Förderung ausgelöst. Die Folge wäre ein erzwungener Paradigmenwechsel in der bisherigen, auf Öl basierenden Weltwirtschaft. Ein Vorschlag zur Vermeidung eines denkbaren plötzlichen und radikalen Preisanstieges kommt von dem Geologen Colin J. Campbell in Form des Rimini-Protokolls (auch Oil Depletion Protocol genannt).
Das Erreichen der maximalen Erdölfördermenge wird teils für 2010 prognostiziert; teils wird auch vermutet, sie sei jetzt (2007) bereits erreicht[4]. Dem entgegen arbeiten technologische Fortschritte, durch die man Öl günstiger fördern kann oder die aus bisher nicht förderbaren Ressourcen förderbare Reserven machen. Dadurch haben sich historische Prognosen über das frühere Eintreten einer finalen Erdölkrise noch nicht bewahrheitet (Stichwort Erdölkonstante). Aufgrund der Vielzahl an Einflussfaktoren geologischer und wirtschaftlicher Natur sowie Unsicherheiten in den Daten zu den tatsächlichen Ressourcen ist zu erwarten, dass das Überschreiten des Ölfördermaximums erst einige Jahre nach dessen Eintreten mit Sicherheit festgestellt werden kann.
Ein überproportional steigender Ölpreis führt zu vielfältigen Einflüssen auf die Weltwirtschaft. Da der Rohstoff Erdöl in der Industrie Grundlage vieler Werkstoffe und unverzichtbarer Energieträger ist, ist ein Anstieg des allgemeinen Preisniveaus zu erwarten (Inflation). Dadurch werden die globale Zins- und Fiskalpolitik, der Aktienmarkt und indirekt Staatshaushalte, die Zahl der Arbeitslosen, die sozialen Sicherungssysteme und viel mehr beeinflusst. Die Folge wäre, dass es durch dauerhaft stark steigende Preise zu einer anhaltenden weltweiten Wirtschaftskrise kommt.
Direkte Auswirkungen sind zu erwarten bei:
- Treibstoffversorgung (Flugverkehr, Militär, Warentransport, Individualverkehr)
- Energiegewinnung (Heizöl, Elektrizitätswerke, Energiepreise)
- Landwirtschaft (Maschinen, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Futtermittel)
- Chemische Industrie (Pharmazeutik, Grundstoffe)
Über die weiteren Auswirkungen einer finalen Ölkrise existiert eine große Anzahl von Thesen und Spekulationen.
Z.B. ist in der Regel eine Preiserhöhung bei Rohstoffen letztendlich beschäftigungssichernd, wenn nicht durch Arbeitszeitsverkürzung die ständige Produktivitätssteigerung kompensiert wird. [5]
Da Erdöl in fast allen Bereichen des modernen Lebens direkt oder indirekt eingesetzt wird und in unglaublich vielen Stoffen vorkommt, lassen sich sehr schwer genaue Prognosen erstellen, wo sich die Verknappung von Erdöl in welcher Form bemerkbar machen wird. Bestenfalls sind allgemeine und globale Aussagen mit einiger Sicherheit machbar. In konkreten Anwendungsfällen dagegen ist jede noch so gut erwogene Überlegung Spekulation. Es lässt sich aber mit Blick auf historische Ölkrisen sagen, dass die Auswirkungen sicher größer sind, als die meisten Zeitgenossen sich vorstellen können. Wie bereits bemerkt wurde ist der entscheidende Unterschied, dass die kommende Ölkrise kein Ende haben wird. Nach dem Ölembargo des Jahres 1973 wurde der Ölhahn rasch wieder aufgedreht; das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein.
Siehe auch
Weblinks
- Ölpreiskrise
- Preisverlauf ab 1947 (GIF)
- Verbrauch im Transportgewerbe
- Interview
- Cheap oil (PDF)
- The Association for the Study of Peak Oil and Gas
- Die Zeit:Die kleine Ölkrise
- Vergleich nominaler und inflationsbereinigter Ölpreis, 1947–2004
- Matthew Simmons: "Ölpreis in den nächsten Jahren bei 200–250 Dollar pro Fass"
- Hintergründe zum Thema "peak of oil"
Quellen
- ↑ ORF: Relikt der Ölkrise
- ↑ http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2005/2005_139/04.html
- ↑ BBC News: US ready to seize Gulf oil in 1973, 2. Januar 2004
- ↑ So etwa die in Deutschland von dem grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell initiierte "Energy Watch Group" auf einer Pressekonferenz im Oktober 2007 in London; vgl. "Steep decline in oil production brings risk of war and unrest, says new study - Output peaked in 2006 and will fall by several a year", GUARDIAN, 22. Okt. 2007 [1]
- ↑ Norbert Walter: Teures Öl schadet erst und nützt uns dann (PDF)