Rötelfalke
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Der Rötelfalke (Falco naumanni) ist ein kleiner, dem Turmfalken äußerst ähnlicher Falke aus der Familie der Falkenartigen (Falconidae). Unterarten oder Rassen werden nicht unterschieden.
Aussehen
Eine feldornithologische Bestimmung eines einzelnen Rötelfalkens ist sehr schwer, dazu ähneln beide Geschlechter dem Turmfalken zu sehr. Insgesamt wirkt der männliche Rötelfalke grauer als der Turmfalke. Der Rötelfalke ist ein wenig kleiner, der Schwanz wirkt auf Grund der etwas verlängerten Mittelfedern stärker keilförmig. Die Strichelung der Bauchunterseite erscheint beim Rötelfalken mehr punkt- oder ringförmig. Die meist deutliche Oberseitenfleckung des Turmfalken fehlt. Aber auch bei älteren Turmfalken kann diese Gefiederzeichnung fehlen. Weibchen und Jungvögel sind dem Turmfalken noch ähnlicher und feldornithologisch kaum unterscheidbar. Die Weibchen sind nur unwesentlich größer und schwerer als die Männchen. Im Verhalten, Vorkommen sowie in der Stimme unterscheiden sich die beiden Arten aber sehr deutlich, sodass fast immer eine sichere Bestimmung möglich ist.
Stimme
Als Koloniebrüter ist der Rötelfalke sehr ruffreudig. Alle seine Lautäußerungen haben eine etwas heisere, manchmal auch scheppernde Klangfarbe und wirken gedämpft, nicht greifvogeltypisch schrill und gellend. Häufig ein wenig vokalisiertes, mehrsilbiges 'Tsche-tschee' - diese Ruffolge wird stark variiert und bei steigender Erregung greller, etwa 'gii-gik'. Zur Paarungszeit ist vor allem vom Weibchen ein zitterndes, ansteigendes Lahnen ('die - die - die', zuweilen auch 'huiirr' oder 'iiieerrr') zu hören.
Lebensraum
Der Rötelfalke ist ein Bewohner offener, trockener und wärmebegünstigter, insektenreicher Landschaften wie Steppen oder Halbwüsten. Dazu nützt er auch wenig genütztes Kulturland, wenn er Brutmöglichkeiten und eine hohe Beutedichte vorfindet. Als Koloniebrüter ist er auf das Vorhandensein natürlicher oder künstlicher Höhlen oder Halbhöhlen angewiesen (Baumhöhlen, Felsnischen, Ruinen).
Vorkommen und Verbreitung
Die früher zahlenmäßig nicht unbeträchtlichen Brutbestände des Rötelfalkens in Mitteleuropa sind erloschen. Hauptvorkommen liegen in den Steppengebieten Osteuropas und Asiens. Isolierte Vorkommen bestehen noch in Spanien, Nordafrika und China. Sporadisch kommt die Art noch auf einigen griechischen Inseln, in Süditalien, Sizilien und Sardinien, sowie an wenigen Stellen in Frankreich vor. Alle diese Vorkommen sind sehr großen Schwankungen unterworfen, so können große Kolonien innerhalb weniger Jahre völlig zusammenbrechen, ohne dass die Ursachen hierfür einwandfrei festgestellt werden können.
Verhalten und Brut
Ein später Aktivitätsbeginn, eine ausgeprägte Mittagsruhe und Flugjagden bis in die späte Dämmerung kennzeichnen den Tagesrhythmus der Rötelfalken. Sein Flug ist weniger hastig als der des Turmfalkens, auch das Rütteln ist gleitender und schwebender. Häufig werden Aufwinde entlang von Felswänden zum in der Luft Stehen ausgenützt, wobei der sich ständig drehende und sich wendende Schwanz die Luftströmungen ausgleicht.
Der Rötelfalke ist ein Höhlen- oder Halbhöhlenbrüter. Sehr häufig brütet er in Kolonien. Die Brutplätze sind dabei manchmal nur wenig mehr als 2 Meter voneinander entfernt.
Neststandorte sind natürliche Baumhöhlen, Höhlen in Sandstein - oder Lössabbrüchen, Halbhöhlen in Gebäuden oder Ruinen. Nistmaterial wird nicht eingetragen. Der durchschnittliche Brutbeginn in den ehemaligen steirischen Kolonien lag in der ersten Maidekade.
Die 3-6 Eier werden von beiden Eltern bebrütet, die sich auch die Fütterungsarbeit teilen. Die Jungen schlüpfen nach etwa 28 Tagen, ebenso lange dauert die Nestlingszeit. Nach weiteren zwei Wochen verlassen die Jungen das Elternrevier.
Nahrung und Nahrungserwerb
Der Rötelfalke ist ein ausgesprochener Insektenjäger. Er erbeutet vor allem Grillen, Heuschrecken und verschiedene Käfer, zuweilen auch Tausendfüßer und Skorpione, im Frühjahr zudem kleine Säugetiere und Reptilien. Im Winterquartier gehören vor allem verschiedene Arten von Wanderheuschrecken und Termiten zu den Beutetieren. Die Beute wird im Suchflug, Rüttelflug oder von einer Warte aus entdeckt und meist am Boden gefangen oder geschlagen. Oft wird sie bereits im Flug verzehrt, größere Beutetiere werden zu einem Ansitz getragen. In den Abendstunden betreibt er auch Flugjagd. Der Rötelfalke nützt nur ein auffallend kleines Jagdrevier, selten führen ihn seine Beuteflüge weiter als 1 km von seinem Neststandort weg.
Zugverhalten
Der Rötelfalke ist ein obligater Fernzieher mit Überwinterungsgebieten im südlichen Afrika. Alle europäischen Populationen ziehen in diese Gebiete und offenbar auch die zentralasiatischen. Nur wenige alte Männchen versuchen in Südspanien und Marokko zu überwintern. Der Wegzug beginnt schon im Juli mit einem ungerichteten Zwischenzug, sodass der eigentlich Zugbeginn schwer feststellbar ist. Möglicherweise werden Mittelmeer und Sahara direkt überflogen, da keine besonderen Häufungen an den bekannten Engstellen (Bosporus, Gibraltar) festgestellt wurden. Möglicherweise ist er ein Schleifenzieher, doch gibt es insgesamt wenige gesicherte Erkenntnisse über das Zugverhalten dieser Art. In ihrem Winterquartier treffen sie ab Mitte Oktober ein, im Januar beginnt der Heimzug. Die ersten Rötelfalken trafen an ihren steirischen Brutplätzen fast taggenau am 1. April ein.
Bestand, Bestandtrends und Populationsdynamik
Der Rötelfalke hat unter allen Vogelarten Europas die stärksten Bestandseinbußen erlitten. 1960 gab es in der Steiermark und Kärnten noch fast 300 Brutpaare, die sich auf mehrere Kolonien verteilten. 1984 gelang der letzte Brutnachweis. Ähnlich dramatisch verlief die Entwicklung in Ungarn. Seit den 1980er-Jahren bricht der Rötelfalkenbestand auch in Spanien katastrophal zusammen: 1960 schätzte man das Vorkommen noch auf etwa 100 000 Brutpaare, zur Zeit sind es weniger als 3500. Es gibt weltweit nur mehr 5% des Bestandes der 50er-Jahre. Das weltweit einzige stabile Vorkommen liegt in Kasachstan.
Die Populationsdynamik dieser Art war von jeher sehr groß - manche Kolonien entstanden, wuchsen schnell an und verschwanden wieder. Mit dieser natürlichen Fluktuation ist aber die momentane Entwicklung nicht erklärbar. Möglicherweise leidet diese Art besonders stark durch die Bekämpfung der Wanderheuschrecken in den Überwinterungsgebieten. In den Brutgebieten haben Lebensraumzerstörung, Beutemangel durch Biozideintrag, sowie das atlantischer werdende mitteleuropäische Klima den Zusammenbruch der Art beschleunigt. Zudem sind viele Populationen so klein geworden, dass der genetische Austausch nicht mehr gewährleistet ist.
Literatur
- HBV: Bd. 4. S. 741 - 767
- Bauer/Berthold: Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung. Aula-Wiesbaden. 1997. S. 118f
- Mebs: Greifvögel Europas. Biologie, Bestandsverhältnisse, Bestandsgefährdung. Kosmos Naturführer. Frankh-Stuttgart. 1989. S.131f
