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Hitzeschutzkachel

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Hitzeschutzkacheln sind Verkleidungselemente, die eine wärmedämmende Funktion übernehmen. Sie finden vor allem im Ofenbau zur Sicherheit und Energieeinsparung Anwendung - ihre bekannteste Verwendung findet sich aber am Space Shuttle und anderen wiederverwendbaren Raumfahrzeugen.

Hitzeschutzkacheln an der Unterseite des Space Shuttles
Aufbau eines Typs von Hitzeschutzkacheln des space shuttle: Eine Deckschicht aus Borsilikat widersteht Temperaturen von 1200 bis 1600 °C, darunter befindet sich ein Material aus gesinterten Kieselglasfasern mit einem Porenanteil von 90%

Die Kacheln bilden den Hitzeschild, der beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verhindern soll, dass das Raumschiff durch die enorme Reibungshitze verglüht. Im Gegensatz zu Hitzeschutzschilden sind die Kachelverkleidungen wiederverwendbar und überstehen bis ca. 100 Wiedereintritte ohne wie jene durch Ablation zerstört zu werden.

Die Reibungshitze entsteht durch die sehr hohe Geschwindigkeit des Shuttles (anfangs etwa das Siebenfache der Schallgeschwindigkeit) im Zusammenhang der zum Erdboden hin dichter werdende Atmosphäre. Die beiden Faktoren bewirken beim Bremsvorgang eine extreme Erhitzung der Luft, die sich dadurch teilweise in Plasma verwandelt, das unter allen Umständen vom Raumschiff selbst ferngehalten werden muss.

Aufbau und Anforderungen

Hitzeschutzkacheln für die Raumfahrt müssen extremen Temperaturen standhalten und zugleich eine gute Wärmeisolation aufweisen, sie sind deshalb aus keramischen Verbundwerkstoffen sehr geringer Dichte gefertigt. Die Stoffe müssen sowohl den Bedingungen im Weltraum (je nach Sonnenbestrahlung wenige Kelvin über dem Absoluten Nullpunkt bis über 150 °C) als auch dem tausende Grad Celsius heißen Plasma beim Wiedereintritt standhalten. Sie isolieren das Raumschiff sowohl im Orbit als auch beim Wiedereintritt ausreichend lange gegen die Hitze.
Der kachelartige Belag der Raumschiffstruktur ist nötig, um die thermische Ausdehnung und mechanische Verformungen auszugleichen, ohne dass die mechanisch empfindlichen Kacheln zerstört werden. Die Kacheln sind aus diesem Grund, von Dehnungsfugen unterbrochen, separat auf den Rumpf geklebt.

Eine typische Kachel besteht aus einer dünnen spröden Deckschicht aus Borsilikat, gefolgt von einer durch Sinterung verfestigten Quarzglasfaserschicht (Dicke 2,5…12,5 cm), die einen Porenanteil um 90% aufweist, um das nötige Maß an Wärmeisolation zu liefern. Die Kacheln sind daher äußerst leicht und empfindlich - sie können mit der bloßen Hand zerstört werden.

Während die Kacheln beim Eintritt in die Atmosphäre hell aufglühen, kann man sie kurze Zeit später schon ohne Gefahr berühren. Durch die überaus geringe Wärmeleitfähigkeit tritt gar erst Minuten nach der Landung im Shuttle die größte Hitze auf.

Am Space Shuttle werden insgesamt ca. 30.000 Kacheln und je nach thermischer und mechanischer Belastung verschiedene Kacheltypen eingesetzt.
An kritischen Stellen (z.B. Flügelkanten) werden Kohlenstofffaserwerkstoffe eingesetzt (vgl. Hitzeschutzsystem des Space Shuttle (engl.).

Grenzen des Hitzeschutzes

Wenn durch herumfliegende Teile beim Start oder im Weltraum der Hitzeschild schon vor dem kritischen Wiedereintritt geschädigt wird, kann dies katastrophale Folgen haben - so geschehen beim Verlust des Space Shuttles Columbia, das beim Start durch vom tiefgekühlten Haupttank herabfallendes Eis ein größeres Loch im Hitzeschild davongetragen hatte. Die Beschädigung befand sich an einer Flügelkante, welche mit Kohlefaser-Verbundwerkstoff geschützt ist. Aufgrund der kritischen Position des Schadens konnte der Schild die Fähre beim Wiedereintritt deshalb nur unzureichend schützen, was letztendlich zur Schwächung der Schiff-Struktur und damit zum Zerbrechen und dem anschließenden Verglühen in der Atmosphäre führte.

Dagegen sind Schäden am Kachelbelag nach der kritischen Phase des Eintritts (Moment der höchsten Temperatur und der Unterbrechung des Funkkontakts) relativ unkritisch. Mehrmals sind bereits Schäden, etwa gelockerte oder gelöste Hitzeschutzkacheln, festgestellt worden, die aber nicht zur Katastrophe geführt haben.
Die Fähren werden nach der Landung inspiziert, defekte oder fehlende Kacheln werden nachgefertigt und ersetzt. Jede Kachel trägt hierzu eine Kennung, die ihre Position, die Dicke, die Form und den Aufbau festlegt. Auch ein Verfahren zur Reparatur im Orbit wurde entwickelt.