Goten
Die Goten waren ein Stamm der Germanen, der zur Zeitenwende im Bereich der Weichselmündung angesiedelt war. Damals war er unter dem Namen Gotonen (gotisch Gutans) bekannt.In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts zog ein Teil nach Südosten zum Schwarzen Meer. Nach ersten Auseinandersetzungen mit dem römischen Reich in Südosteuropa in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, kam es am Ende des 3. Jahrhunderts zur Spaltung in Ost- und Westgoten (Ostrogoth und Wisigoth). Während der nächsten einhundert Jahre sprach man von den Westgoten als Terwingen, von den Ostgoten als Greutungen. Die Ostgoten wurden 375 von den Hunnen unterworfen. Sie wurden nach deren Niedergang zu römischen Foederati und eroberten 488 unter Theoderich Italien im Auftrag von Byzanz. Nach Theoderichs Tod zerfiel das Ostgotenreich. Die Westgoten, die noch im Jahre 378 das oströmische Heer unter Kaiser Valens in der Schlacht von Adrianopel schlugen, wurden 382 Föderierte und gründeten Anfang des 5. Jahrhunderts ein Reich in Gallien, das von den Franken nach Spanien verdrängt wurde. Das Westgotenreich unterlag 711 den Mauren.
Kultur
Struktur
Um Verwirrung vorzubeugen müssen erstmal die Namen der Gotenvölker, die folgend verwendet werden, geklärt werden. Die Westgoten heißen auch Tervingi-Vesi. Terwingen bedeutet Waldleute; Vesi ist eine prunkende Selbstbezeichnung. Für die Ostgoten stehen auch die Namen Greutungi-Ostrogothi, wobei Greutungen frei übersetzt Steppen oder Strandbewohner heißt; Ostrogothi ist, wie bereits erwähnt, ein mythologischer Name aus der Ahnenreihe der Amaler. Später wurden die Namen Vesi und Ostrogthi von Cassiodor, einem Minister Theoderichs des Großen, in West- und Ostgoten umgedeutet. Die Trennung der Stämme war von nun an deutlich. Die Gepiden blieben größtenteils im Hinterland, nahe der Karpaten - sie sollten von da an eine politisch eher untergeordnete Rolle spielen. Die Westgoten siedelten nördlich der Donau und die Ostgoten breiteten sich an der Mündung des Dnjepr aus - unter anderem auch auf der Krim. Die Westgoten konstituierten sich in einer von vielen Kleinkönigen beherrschten Oligarchie, während sich das abgedrängte Königshaus der Amaler bei den Ostgoten ihre Macht erhalten konnte.
Sprache
Das Gotische ist die älteste germanische Schriftsprache. Es gilt als Hauptsprache des Ostgermanischen zum dem auch Wandalisch und Burgundisch gezählt wird. Heute ist das Gotische ausgestorben. Bis zum 17./18. Jahrhundert existierte noch das Krimgotische.
Religion
Grundlage des religiösen Lebens war die dörfliche Kultgemeinschaft mit Ahnenverehrung und Opfergaben. Der vornehmeste der Ahnen war der Stammesgründer Gapt der ohne guten Grund mit Gaut gleichgesetzt wurde. Des weiteren ist praktisch nichts über die vorchristlichen Götter der Goten bekannt.
Die Religion der Goten war heidnisch. An der Spitze der Götter stand Gaut, der von den Amalern als Gründergott verehrt wurde. Bei den Westgoten stand möglicherweise der Kriegsgott Tius an erster Stelle. Einen gotischen Wodan-Odin hat es nicht gegeben. Auch wurde die Donau und andere Flüsse als Gottheit verehrt. Der Flussgott empfing Menschenopfer und Eide wurden auf seinen Namen geleistet. Schlachten wurden mit Preisliedern auf die Ahnen und die Götter und dem trinken von Met eröffnet. Die Priester und Schamanen (auch Priesterinnen) der einzelnen Stämme predigten ihren Gläubigen auch von lokalen Gottheiten. Athanarich, gewählter Sprecher der Gotenkönige, ein erklärter Feind Roms, verfolgte die Christen im Namen dieser Gottheiten, denn der christliche Glaube war bereits über die römischen Provinzen den Goten bekannt geworden und hatte auch einige Anhänger. Da das Christentum sich „von unten nach oben“ verbreitete, sah die terwingische Oberschicht, wie einst auch die römische, eine Bedrohung der religiösen und sozialen Ordnung in den Christen und verfolgte sie in einer Weise, wie es in der germanischen Welt keinen Vergleich gibt. Sie wurden als Römerfreunde und Leugner der gotischen Überlieferung geächtet. Jedoch war dies rein politischer Natur. Kein Priester oder Geistlicher beteiligte sich an den Greueltaten und Vertreibungen. Im Laufe dieser Konflikte, die eine starke innenpolitische Zerüttung zur Folge hatten, verbündete sich der Reiks Fritigern mit Kaiser Valens und stand damit auf Seiten der Christen. Bei innergotischen Kämpfen im Jahre 367 zwischen Athanarich und Fritigern konnte sich ersterer durchsetzen. Dies hatte folgenreiche Auswirkungen auf das Verhältnis zu Rom und auch die Christen mussten stark darunter leiden.
Wulfila schrieb mit seinen Helfern die erste Germanische Bibel, nachdem er aus dem Gotenreich vertrieben und vom römischen Kaiser Konstantius II im Landstreifen der rechten unteren Donau angesiedelt worden war. Er schrieb sie teils mit Hilfe von bereits von lateinischen und griechischen Missionaren übersetzten Stücken ab 350 bis zum Jahre seines Todes 383. Sie war auf purpur gefärbter Kalbshaut mit silberner und goldener Tinte geschrieben und sehr lange Zeit einmalig in der germanischen Welt. Damit wurde das Gotische zur bei weitem ersten germanischen Sprache, die den Rang der Schriftlichkeit erreichte. Wulfila selbst wurde wahrscheinlich schon bei seiner Geburt getauft, dreisprachig erzogen und erhielt eine rhetorische Bildung. Um 341 etwa muss er seine Weihe zum Bischof der Christen im gotischen Land erhalten haben.
Über die Christianisierung der Ostgoten ist nicht viel bekannt. Spätestens die pannonischen Goten unter Theoderich galten als arianisch.
Stammeslegende und Sippen
Gemäß der von Jordanes überlieferten Stammeslegende aus dem 6. Jahrhundert stammten die Goten vom sagenhaften Stammesgründer Gapt auf der Insel Scandza ab. Von dort seien sie unter König Berig mit drei Schiffen in Gothiscandza gelandet und hätten sich nach fünf Generationen unter Filimer auf den Weg Richtung Süden gemacht. Die Spaltung des Volkes sei passiert, als während der Überquerung eines großen Flusses die Brücke eingestürzt sei. Diese Darstellung enthält kaum historische Wahrheiten. Dagegen konnte die Archäologie zeigen dass die Sachkultur zu der die Goten gerechnet werden (Wielbark/Willenberg Kultur) ohne signifikante Zuwanderung östlich der Weichsel entstanden ist.
Es sind vier Königssippen der Goten überliefert: Amaler, Balthen, Berig- und Geberich-Sippe. Stammvater der Amaler war Amal, legendärer Urenkel des Gapt, dessen Urenkel wiederum Ostrogotha, Vater der Ostgoten. Der erste historische Amaler war Ermanarich, ein weiterer prominenter Vertreter war Theoderich der Große. Zu den Balthen, den "Kühnen", zählten Alarich I., Rikimer und Gesalech. Aus Berig-Sippe sind nur Berig selber, ein ansonsten unbekannter Gadarig, sowie Filimer bekannt. Zur Geberich-Sippe gehörte, neben dem Namensgeber, möglicherweise auch Cniva. Die politisch motivierte Überlieferung sieht die Amaler und Balthen als legitime Herrscher der Ost- bzw. Westgoten.
Staat
Das Herrschaftgebiet der Goten war die gútþiuda unterteilt in Kleinstämme, die kunja. Letzteren standen die Häuptlinge reiks vor, die in dem Rat, gafaúrds, zusammentraten. Bei Gefahr wurde ein Richter, kindins, bestellt. Richter oder Rat bestellten für militärische Unternehmungen einen Heerführer, drauhtins. Das Land wurde beherrscht von der Aristrokatie in Haus gards und Burg baúrgs in Konkurrenz zum genossenschaftlichen Dorf haims.
Im Laufe der Zeit, besonders mit den Wanderungen, setzten sich immer stärker die Elemente des germanischen Heerkönigtums durch: Der König wurde von der Versammlung der Krieger auf den Schild gehoben. Diese Entwicklung mündete schließlich in der Konkurrenz von Wahlkönigtum und Erbmonarchie der spanischen Westgoten.
Theoderich verstand sich hingegen als römischer Bürger und latinischer König, Flavius rex. Sein Bestreben war es, die gotische Geschichte zu einem Teil der römischen zu machen.
Gemeinsame Geschichte
Anfänge
Die ersten Erwähnungen der Goten finden sich bei den antiken Schreibern Tacitus, Strabon und Ptolemäus als Gotonen. Aus deren Nachrichten ergibt sich das Bild eines Stammes mit einem, für germanische Verhältnisse, bemerkenswert starken Königtum, der zur Zeitenwende nördlich des Weichselknies im Machtbereich der Markomannen siedelte. Seine Nachbarn waren die Lugier im Süden und Rugier im Norden. Die Herkunft gotischer Tradition aus dem südskandinavischen Raum gilt als möglich, wird aber von der modernen Forschung zunehmend zurückgewiesen.
Der Sage nach gelangten zuerst zwei Boote der Goten und einige Zeit später das der Gepiden, ihrem Brudervolk, im Norden Polens an. Die Küste dort hieß angeblich noch im 6. Jh. Gothiskandza("Skandza (=Küste) der Goten) Auch gab es eine Insel in der Weichselmündung, „Geped oios“ genannt, was so viel bedeutet wie Insel der Gepiden. Ob die Goten jedoch tatsächlich aus Skandinavien stammten, wie damals alle germanischen Völker in ihren Ahnenreihen angaben, ist jedoch fraglich. Es galt als schicklich von dort zu kommen, aus der „Gebärmutter der Völker“, da man damit Stärke und Fruchtbarkeit assoziierte. In Skandinavien gibt es nur ein paar wenige Hinweise, dass einst Goten dort lebten. Allerdings wäre es nach dem heutigen Wissensstand wahrscheinlicher, wenn sich die Goten bereits auf dem Festland, das heißt im Gebiet des heutigen Polen und Südrußland, gebildet hätten. Archäolgisch ist eine nicht sehr starke Zäsur um 150 v. Chr. an der Weichselmündung belegt, die wahrscheinlich mit der Ankunft der noch am ehesten aus Skandinavien gekommenen Gutonen zusammenhängt. Fest steht jedenfalls, dass sie kein homogenes Volk waren. Sie setzten sich aus vielen einzelnen Stämmen unterschiedlicher Abstammung zusammen. Unter ihnen gab es im frühen Stadium, vor ihrer Wanderung, baltische Gruppen, den Stamm der Aesten, der Gutonen (die möglicherweise aus Skandinavien stammten und als erstes genannt werden), der Gauten, Guten, Götar, Gepiden und natürlich die Goten. Die Namen der letzten sechs Stämme haben alle die selbe Bedeutung, was auf einen gemeinsamen Ursprung schließen lässt, und zwar „Ausgießer“. Damit könnte irgendeine Flußmündung gemeint sein, oder aber auch einfach nur Männer. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie ihren Verstorbenen keine Waffen ins Grab legten, was für Germanen untypisch ist. Sie sind demnach Mischvölker aus Germanen und Kelten.
Die erste bezeugte historische Aktivität war eine Verwicklung in eine gegen den Markomannenkönig Marbod gerichtete römische Intrige zwischen 16 - 18. Diese Intrige stand im Zusammenhang mit dem Cheruskeraufstand.
Gotensturm
Als nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts die Zahl des Volkes immer mehr zunahm, fasste König Filimer den Entschluss, mit Heer, Weib und Kind auszuwandern. Daraufhin zogen die Goten entlang der Weichsel flussaufwärts bis ans Schwarzen Meer und die Donau. Dabei war die Teilgruppe der Goten, die Amalern, die herausragendste und insgesamt das erfolgreichste Element. Von ihnen stammten viele gotische Könige ab. Pro Generation wanderten sie nur etwa 50 bis 60km Richtung Südosten. Auf ihrem Weg verdrängten sie die Markomannen, die im böhmischen Raum siedelten, und lösten dadurch die Markomannenstürme aus, mit denen die Römer schwer zu kämpfen hatten.
Sie tauchten dann spätestens 238 an der Nordküste des Schwarzen Meeres auf. Es begann der so genannte Gotensturm, er fiel in die Zeit der bis dahin größten Krise des römischen Imperiums (Soldatenkaiser).
238 überfielen die Goten und Carpen das römische Histros südlich der Donaumündung. Nach Plünderung der Stadt und Erpressung von Jahresgeldern zogen sie wieder ab. Als zehn Jahre später Kaiser Philippus Arabs nach Siegen über die Carpen die Zahlung der Jahresgelder einstellte, fielen die Goten unter Kniva 250 mit mehreren Heeresgruppen nach Dakien, Thrakien, Mösien und Illyrien ein. Der mittlerweile neue Kaiser Decius wurde in mehreren Schlachten besiegt und fiel schließlich in der Schlacht von Abrittus 251.
Der nächste Kaiser Trebonianus Gallus gestand den Goten wieder Jahresgelder zu, wurde jedoch von Aemilianus gestürzt, der die Zahlung wieder einstellte. Wieder griffen die Goten in Thrakien und Mösien an, wurden jedoch diesmal geschlagen. Nach erneutem Kaiserwechsel drangen die Goten 254 bis Thessaloniki vor. Mittlerweile waren viele Städte im Dauerkriegsgebiet stark befestigt, das Land litt unter den starken Verwüstungen.
Die Goten gingen ab 255 zu seegestützten Angriffen, zunächst im Raum des östlichen Schwarzen Meeres über, 256 wurden Pityus und Trapezunt erobert. Ab 257 durchfuhren die Goten erstmals den Bosporus und nehmen eine ganze Reihe kleinasiatischer Städte ein. Die zweite Welle begann 268, als eine große gotisch-herulische Armada unterstützt von Landstreitkräften gegen Byzanz zog, die Dardanellen durchquerte und plündernd in die Peloponnes einfiel. Claudius II. besiegte die Angreifer und nahm als erster römischer Kaiser den Ehrentitel Gothicus an.
Mit dem Ende der Krise des Imperiums unter Diokletian beruhigte sich vorerst auch die Lage an der Donau wieder. In diese Zeit fiel auch die Spaltung der Goten in die Terwingen-Vesier/Westgoten und Greutungen-Ostrogothen/Ostgoten.
Ostgoten
Greutungen
Das Herrschaftsgebiet der Ostgoten, das Ermanarich, ein großer ostrogothisch-greutungischer Heerkönig beherrschte, war vor dem Einfall der Hunnen etwa in der Mitte des vierten Jahrhunderts beachtlich. Die genaue Ausdehnung des Gebietes ist nicht bekannt. Die höchste Schätzung geht von einem gotischen Einflussbereich vom Baltikum bis zum Ural aus. Das Zentrum des ostgotischen Herrschaft lag jedenfalls in der Ukraine und umfasste neben den Goten auch Eruler, die indogermanischen Alanen und Sarmaten, sowie Aesten und Finnen, wahrscheinlich auch Slawen, Anten und vielleicht sogar schon einige Hunnen. (siehe auch: Ethnogenese)
Der Einfluss der iranischen Steppenvölker hatte zur Folge, dass der gepanzerte Lanzenreiter einen bedeutenden Teil der ostgotischen Streitkraft ausmachte - im Gegensatz zu den Terwingen, bei denen der Fussoldat überwog. Der gotische Reiterkrieger trug Zweikämpfe zu Pferde aus und konnte ungeheure Entfernungen überwinden. Zu seiner Welt gehörte die Beizjagd, das heißt jagen mit Raubvögeln, der Schamanismus sowie religiöse Praxis.
Im Jahre 375 überschritten die Hunnen den Don und unterwarfen das Reich der Alanen. Damit war Ermanarich der Krieg erklärt. Die asiatischen Reiterscharen waren mit ihren damals hochmodernen Reflexbögen und ihrer Guerillataktik den gotischen Kriegern weit überlegen. Der König selber, so erzählt es Ammianus Marcellinus, wollte das weder erleben noch verantworten. Nach mehreren Niederlagen, Angesichts der Schrecklichkeit der drohenden Gefahren und aus Furcht vor den großen Entscheidungen, setzte er selbst seinem Leben ein Ende. Sein Volk gab den Kampf aber noch nicht auf und wählte aus der Königssippe einen Nachfolger. Dieser fiel bereits nach einem Jahr und der ostrogothische Widerstand brach zusammen. Der Großteil des Volkes geriet unter die Oberherrschaft der Hunnen, doch gelang es einer starken Gruppe von Ostrogothen und Alanen sich mit dissidenten Hunnen zu verbinden und der Unterwerfung zu entziehen, worauf sie Zuflucht im Römerreich suchten. Diese Gruppe war es, die den Westgoten ein Jahr später in der Schlacht gegen die Römer zum Sieg verhalf.
Der Großteil der Goten, auch die Gepiden, unterwarf sich den Hunnen und wanderte mit ihren Herren in den Westen. Nur eine Minderheit blieb auf der Krim zurück, welche sich aber äußerst lange als selbständige Kultur behaupten konnte. Noch im 16. Jahrhundert wurde dort Gotisch gesprochen. Der flämische Gesandte Ghislain von Busbecq schrieb anläßlich einer Reise auf die Krim einige Wörter auf, unter anderem „reghen“ für Regen, „stul“ für Stuhl und „handa“ für Hände. Die so genannten „Gotenburgen“, die Städte der Goten, sind direkt in den Stein gehauen. In ihrer Hauptstadt Dori sind alle Straßen und Häuser mitten in den Fels gehauen. Insgesamt 60.000 Goten lebten auf der Krim.
Ostgoten
Im Zuge des Niedergangs der Hunnenherrschaft drängten viele Völker ins Reich, darunter auch die Ostgoten. Sie erhielten einen Föderatenvertrag und siedelten in Pannonien. Der Sohn des Ostgotenkönigs Valamir, Theoderich, kam als Geisel an den Hof in Byzanz (459 - 469). Nach seiner Entlassung erkämpfte er sich die Herrschaft über die Ostgoten und wurde 471 deren König.
Im Auftrag des Kaisers Zenon zog Theoderich 488 nach Italien, um den Eroberer Roms, Odoaker, zu vertreiben und Rom für das Imperium zurückzuerobern. Die fünfjährige Rabenschlacht begann. Am 5. März 493 ermordete Theoderich Odoaker bei Verhandlungen in Ravenna. Fortan herrschte Theoderich als princeps Romanus und an Stelle des Kaisers über Italien.
Nach Ausschaltung der Konkurrenz im eigenen Lager war die Herrschaft Theoderichs gekennzeichnet vom Bestreben um einen Ausgleich zwischen Goten und Römern, Arianern und Katholiken und die Konsolidierung der Macht (Heirats- und Bündnispolitik). Er konnte jedoch nicht die Etablierung der fränkischen Herrschaft über Gallien verhindern. 511 machte er sich zum König über die von den Franken besiegten Westgoten. Er starb am 30. August 526, es gibt zahlreiche Legenden über seinen Tod.
Die Zeit danach war chaotisch: Als Vormund des designierten, aber nur 10-jährigen Nachfolgers Athalarich, regiert Amalasuintha. Ihr Vetter Theodahad entmachtete sie 534. Ostrom griff in den Kampf ein: Der Feldherr Belisar landete 535 in Sizilien und stieß rasch bis nach Rom vor. Die rebellierenden Goten stürzten Theodahad und erhoben 536 Vitigis zum König, der Belisar bis 540 standhalten konnte. Im Mai 540 eroberte Belisar Ravenna und nahm Vitigis gefangen: Die Ostgoten schienen besiegt.
Die Reste des Gotenheeres erhoben Totila 541 zum König, dem es dann völlig überraschend gelang innerhalb kurzer Zeit größere Teile Italiens zurückzuerobern. Zwischen 543 und 550 tobte in Italien ein Krieg mit wechselndem Glück. 551 wurden die oströmischen Armeen dann von Narses angeführt, der Totila 552 in der Schlacht in der Ebene von Busta Gallorum schlug (Tod Totilas).
Mit Teja endete 552 in der Schlacht am Milchberg die ostgotische Agonie. Die Goten unterwarfen sich Narses. Die überlebenden Goten wurden teils zu byzantinischen Untertanen, teils schlossen sie sich den Franken an.
Westgoten
auch: Visigoten
Terwingen
Gegen Ende des 3. Jahrhunderts begannen die Terwingen, die den Quellen jener Zeit als westlicher Teil der Goten gelten, das von den Römern aus strategischen Gründen aufgegebene Dakien zu besiedeln. Bis kurz vor Beginn der Hunnengefahr blieb die Situation, bis auf gelegentliche Raubzüge kleiner terwingischer Scharen, ruhig. Mit der Ära Athanarichs verschärften sich jedoch ab 365 die römisch-terwingischen Auseinandersetzungen. Athanarich wurde 369 vom oströmischen Kaiser Valens entscheidend geschlagen. Die mittlerweile begonnene Christianisierung der Terwingen (hervorzuheben ist hier besonders Wulfila) führte zu Christenverfolgungen und der Bildung einer Opposition unter dem zum Arianismus übergetretenen Fritigern gegen Athanarich.
Obwohl Fritigern von Valens unterstützt wurde, behielt Athanarich vorerst die Oberhand. Dies änderte sich jedoch mit dem Anwachsen der Hunnengefahr, die Athanarich nicht abwenden konnte. Große Teile der Terwingen flohen 376 unter Fritigern mit Erlaubnis der Römer unter chaotischen Bedingungen ins Reich. Die logistischen Probleme der Römer führten immer wieder zur Revolten und militärischen Konflikten während des Jahres 377. Sie mündeten schließlich in der Schlacht bei Adrianopel 378, bei der die Römer vernichtend geschlagen wurden (Tod des Valens).
Unter dem neuen oströmischen Kaiser Theodosius I. erhielten die Terwingen 382 den ersehnten Föderatenvertrag. Sie wurden in Thrakien und Mösien angesiedelt und wurden dort zum Staat im Staate.
Westgoten
Kaiser Valens hatte 376 den Goten unter Fritigern erlaubt, die Donau zu überschreiten und sich in Teilen Thrakiens anzusiedeln. Sie wurden jedoch wegen Versagen der dortigen Verwaltung nicht entwaffnet. Es kamen so viele Zehntausende Goten, dass das kleine Land mit seiner viel zu schwachen Armee völlig überfordert war und nicht verhindern konnte, dass mit den Goten etliche andere Stämme auch die Donau passierten. Die Römer verloren den Überblick und Mord und Totschlag, Krieg und Verwüstung waren die Folge. Die Regionalarmee wurde über den Haufen gerannt und römisch Sklaven und bereits romanisierte Goten gingen zu Fritigern über. Eine Gruppe von Ostgoten, die sich zum selben Zeitpunkt ganz in der Nähe befand, nahmen mit den Westgoten Kontakt auf. Die Römische Reaktion war, dass Kaiser Valens die gesamte östliche Hofarmee von 30-40.000 Mann nach Thrakien führte. Sein Neffe Gratian sollte von Norden mit seinen Elitetruppen anrücken, wurde jedoch durch einen plötzlichen Einfall der Alemannen aufgehalten und traf erst 378 im Nordwesten des heutigen Bulgarien ein. Valens entschloss sich, am Morgen des 9. August 378 anzugreifen bevor sein Neffe eintraf. Er dachte das Gotenheer bestünde aus 10.000 Mann, als er jedoch ankam, fand er ein vielfach größeres Heer hinter einer gewaltigen Wagenburg verschanzt vor. Man wollte nochmals verhandeln, um eine friedliche Lösung herbeizuführen, doch begannen zwei römische Einheiten wegen Disziplinlosigkeit ohne Befehl den Angriff und zogen den Rest mit hinein. Die Goten wehrten ab, so dass die Römer gezwungen waren, sich neu zu formieren. Das schwierige Manöver gelang und sie griffen erneut in konzentrischen Wellen die Wagenburg an. In diesem Moment kehrten jedoch die Reiter der Ostgoten von ihrer Nahrungssuche zurück und griffen sofort ein, während Fritigern einen Ausfall startete. Die Römer waren in die Zange genommen und wurden nun von zwei Seiten niedergemetzelt. Viele sogar von den eigenen Kameraden im Schlachtgetümmel. Der linke Flügel schaffte es jedoch weiter vorzudringen, um dann unter Kriegsgeschrei und erhobenen Schwertern anzugreifen. In letzter Minute waren auch hier die ostgotischen Reiter zu Stelle, worauf hin die römische Kavallerie und die taktische Armeereserve floh. Zwei Drittel des römischen Heers, ihr Kaiser und fast alle Generäle und Stabsoffiziere wurden getötet. Die kampfstärksten Teile der römischen Armee waren damit weitgehend vernichtet. Nach dieser Schlacht änderte sich einiges. Die Westgoten wurden beritten, die Christianisierung gefördert und die römische Politik gegenüber reichsangehörigen Barbaren musste geändert werden, dass heißt, sie wurden von nun an integriert und dementsprechend wurden wirtschaftliche, politische und rechtliche Maßnahmen getroffen.
Möglicherweise aufgrund des immer stärker gewordenen hunnisches Drucks, drangen ab 391 westgotische Verbände plündernd nach Süden vor. Als dann 394 die Hunnen in großem Stil die Donau überschritten, verlassen die Goten ihre Wohnsitze und ziehen unter Alarich plündernd über den Balkan bis nach Byzanz und die Peloponnes. Nachdem sie von dem römischen Feldherrn Stilicho geschlagen wurden, erhalten sie 397 einen neuen Föderatenvertrag und werden in Makedonien angesiedelt.
Dort blieben sie aber nur vier Jahre; 401 gingen sie erneut auf Wanderschaft und zogen kreuz und quer durch das Ostreich und Italien, um sich schließlich 408 vor Rom festzusetzen. Am 24. August 410 nahmen die Westgoten Rom ein und plündern es drei Tage lang (Was bleibt heil, wenn Rom fällt?). Wegen der prekären Versorgungslage versuchte Alarich vergeblich nach Nordafrika zu gelangen: Auf dem Rückzug nach Norditalien starb er. Sein Nachfolger Athaulf führte die Westgoten nach Gallien.
Nach weiteren militärischen Konflikten (Vorstöße nach Spanien, ein weiterer Versuch nach Nordafrika vorzustoßen), erhielten die Goten 418 wieder einmal einen Föderatenvertrag und wurden in Aquitanien angesiedelt: Das Tolosanische Reich in Toulouse (Tolosa) der Westgoten entsteht.
Die nächsten Jahrzehnte beschäftigten sich Westgoten und Römer mit beständigem Kräftemessen, Auseinandersetzungen mit diversen anderen Germanenstämmen und schließlich mit der immer massiver werdenden Hunnengefahr. 451 kam es dann zur legendären Schlacht auf den Katalaunischen Feldern. Dort standen sich auf der einen Seite Hunnen, Gepiden, verschiedene andere Germanenstämme, sowie Ostgoten, auf der anderen Seite Römer, Gallier, ebenfalls diverse Germanenstämme und Westgoten gegenüber. Die Schlacht endete zwar unentschieden, aber der Nimbus der Unbesiegbarkeit Attilas ist dahin. Der Legende nach starb der damalige König der Westgoten Theoderid durch einen Speerwurf des Ostgoten Andagis.
In der Folgezeit konsoldierte sich das Westgotenreich zunehmend, besonders unter Eurich. Spanien geriet zunehmend in den Fokus gotischer Aktivitäten. Mit dem Untergang des Weströmischen Reiches im Jahre 476 wurde das Tolosanische Reich eigenständig und reichte in der Zeit seiner größten Ausdehnung bis nach Spanien und Mittelfrankreich (an der Loire).
Gegen die vordringenden Franken unter Chlodwig I. verloren die Westgoten unter Alarich II., insbesondere durch die Niederlage bei der Schlacht von Vouillé (507), weitgehend ihre französischen Länder und waren danach auf die Iberische Halbinsel und einen schmalen, aber wertvollen Streifen an der französischen Mittelmeerküste (Septimanien) eingeschränkt. 511 gerieten sie nominell unter ostgotische Herrschaft: Theoderich, die westgotische Anarchie ausnutzend, erklärte sich zu ihrem König. Nach dessen Tod 526 wurden sie endgültig von den Franken auf die Halbinsel zurückgedrängt.
König Leowigild gelang es, die iberische Halbinsel völlig unter westgotische Kontrolle zu bringen: Er besiegte die Sueben im Nordwesten und die Oströmer die unter Narses zwischenzeitlich den Süden erobert hatten.
Die folgenden Jahrhunderte waren wesentlich geprägt von Auseinandersetzungen um die Thronfolge. Aus dem alten germanischen Heerkönigtum hatte sich ein Wahlkönigtum entwickelt, es konkurrierten mächtige Adelige und Militärs um die Krone. Das jeweilige Königshaus versuchte dagegen eine Erbmonarchie durchzusetzen. Ein weiterer Machtfaktor war die katholische Kirche. Auf dem 3. Konzil von Toledo 589 wurde der Katholizismus Reichsreligion, womit der Arianismus endgültig verdrängt wurde. Dadurch wurde die bis dato verbotene Vermischung der bisher arianischen Westgoten (nur etwa 2-3% der Gesamtbevölkerung Spaniens) mit den übrigen Bevölkerungsgruppen möglich. Als Folge schwand der Gebrauch der gotischen Sprache schnell zugunsten einer frühspanischen Umgangssprache. Zum Zeitpunkt der arabischen Invasion 711 wird mit Ausnahme der höchsten Adelskreise niemand mehr die gotische Sprache verwendet haben. 710 wurde Roderich (Rodrigo) zum König gewählt, seine Konkurrenten ließen sich mit den islamischen Mauren ein, die in einem Sturmlauf sondergleichen ganz Nordafrika an sich gerissen hatten. Die Araber überquerten mit einem Expeditionscorps von ca. 8.000 Mann bei der Meerenge von Gibraltar (von arab. "Dschebel al-Tarik" -Berg des Tarik- nach dem arabischen Heerführer) das Mittelmeer. König Roderich (Rodrigo) eilte mit nahezu dem gesamten gotischen Heerbann aus Asturien, wo er die renitenten Basken bekämpfte, zum Schauplatz. In der Schlacht am Rio Guadalete in der Nähe des heutigen Jerez de la Frontera unterlag er den Invasoren. Der König fiel in einem der Schlacht folgenden kleineren Gefechte. Die westgotische Hauptstadt Toletum (heute Toledo) fiel kampflos. Sevilla und einige große Städte konnten sich noch fast zwei Jahre gegen die in der Folge in großer Zahl ins Land strömenden Araber halten. Von Asturien aus begann unter dem Gotengrafen Pelagius (Don Pelayo) die sogenannte Reconquista (Sieg Pelayos über eine arabische Streitmacht bei Covadonga im Jahr 722).
Zitat
Frankreich ist ebenso verschieden von Spanien wie die Franken von den Westgoten. - José Ortega y Gasset (Aufbau und Zerfall Spaniens)
Was bleibt?
Die Westgoten in Asturien wurden zum Teil der spanischen Geschichte, der spanische König trägt noch heute den Titel "Prinz von Asturien".
Das berühmteste Artefakt der Goten ist sicher der Codex Argenteus, die Silberbibel, geschrieben mit Silber- und Goldtinte auf Pergamentseiten, die mit dem Rot der Purpurschnecke gefärbt wurden: ein unendlich wertvolles Manuskript. Es liegt heute in Uppsala.
Der Gotenschatz in Bukarest, 1837 von einem Bauern gefunden, gehört zu den Dingen, welche die Terwingen auf der Flucht vor den Hunnen zurückließen. Im Schatz enthalten sind auch die berühmten Adlerfibeln. Der Adler war seit der Zeit am Schwarzen Meer das gotische Symbol schlechthin.
Das Mausoleum Theoderichs in Ravenna ähnelt ein wenig dem Grabmal Konstantins. Theoderichs Gebeine sind jedoch verschollen.
Hinweise: Die Gotik ist eine Epoche der Kunstgeschichte und
hat mit den Goten selber nichts zu tun.
Einige Wissenschaftler zweifeln die Identität
- Greutungen = Ostgoten
- Terwingen = Westgoten
an.
Literatur
- Wolfgang Giese: Die Goten, Kohlhammer-Urban Taschenbücher, Stuttgart 2004. ISBN 3170176706 Gut verständliche und konzise Darstellung, basierend auf der aktuellen Forschungslage.
- Peter J. Heather: Goths and Romans 332-489, Oxford 1991, ISBN 019820535X Grundlegend zu den gotisch-römischen Beziehungen.
- Ders.: The Goths (The Peoples of Europe), Oxford 1996, ISBN 0631209328.
- Herwig Wolfram: Die Goten C.H. Beck 2001, ISBN 3406337333 Grundlegendes Werk, das auf den Studien von R. Wenskus fusst.
Weblinks
- Jordanes,lateinisch
- dito, englisch
- Die Silberbibel
- Project Wulfila
- Gotisch im WWW
- Die Westgoten in Spanien als Teil des Reconquista-Projektes
- Westgoten/Visigodos, eine ausführliche Seite auf span.