Bayerisches Viertel

Das Bayerische Viertel liegt im Berliner Ortsteil Schöneberg. Es liegt rund um den Bayerischen Platz zwischen Hohenstaufen und Badenscher Straße nahe dem Stadtzentrum West. Es wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet und zählt zu einer der bevorzugten Wohnlagen Berlins.
Geschichte
Die Berlinische Boden-Gesellschaft (BBG) unter ihrem Mitbegründer Salomon Haberland errichtete das Viertel zwischen 1900 und 1914 für ein großbürgerliches Publikum. Finanzstarke Bevölkerungsschichten sollten gewonnen werden, um mehr Steuereinnahmen für die damals selbständige und kreisfreie Stadt Schöneberg zu erzielen.
Elegante Fassaden, bis zu 250 Quadratmeter große Wohnungen mit Empfangsräumen, Vorgärten, grüne Schmuckplätze und eine eigene U-Bahnlinie prägten das Viertel. Die Straßen erhielten die Namen bayerischer Städte. Die Planung der Häuser besorgten Architekten, die sich auf den süddeutschen Renaissancestil, die Alt-Nürnberger Bauweise, verstanden. Die Gebäude bekamen verzierte Türmchen, gestufte Giebel und Sprossenfenster.
Die Bewohner des Viertels waren Ärzte, Rechtsanwälte, gehobene und höhere Beamte, Künstler und Intellektuelle. Zu ihnen zählten Albert Einstein, Alfred Kerr, Arno Holz, Eduard Bernstein, Erich Fromm, Gottfried Benn, Emanuel Lasker, Kurt Pinthus, Rudolf Breitscheid, Erwin Piscator und Inge Deutschkron. Marcel Reich-Ranicki wuchs dort auf und Gisèle Freund.
Das Viertel war ein Anziehungspunkt für jüdische Bürger. In der Münchener Straße errichteten sie 1909 eine orthodoxe Synagoge mit Kinderhort, Schulräumen und einer Bibliothek. Die evangelische Kirche Zum Heilsbronnen an der Heilbronner Straße entstand erst drei Jahre später, 1912. Nach 1933 emigrierten viele jüdische Einwohner des Viertels aus Deutschland. Das Werner-Siemens-Realgymnasium in der Hohenstaufenstraße, dessen Schüler zur Hälfte aus jüdischen Familien stammten, musste 1934 die Oberstufe wegen Schülermangels schließen und wurde 1935 aufgelöst. Der Holocaust entvölkerte den Stadtteil. Von etwa 16.000 jüdischen Bewohnern des Bayerischen Viertels wurden 1943 rund 6.000 in NS-Vernichtungslager deportiert.
In den Nächten vom 30. zum 31. Januar und vom 22. zum 23. November 1943 zerstörten alliierte Bombardements und anschließende Feuer das Viertel zu 90 %. Der U-Bahnhof Bayerischer Platz wurde im Februar 1945 von einer Fliegerbombe getroffen. Vor allem nördlich der Grunewaldstraße klafften große Lücken. Zwischen 1956 und 1958 wurden sie durch vierstöckige Neubauten geschlossen, die historische Blockbebauung dabei aufgebrochen. Die schwer beschädigte Synagoge in der Münchener Straße wurde 1956 abgerissen. In den 1960er Jahren wurde historischer Fassadenschmuck bei Renovierungen entfernt. Später renovierte alte Gebäude sind denkmalpflegerisch wiederhergestellt worden.
Orte des Erinnerns

Zum Gedenken an die von den Nationalsozialisten ermordeten Einwohner brachte das Schöneberger Bezirksamt 80 Gedenktafeln und mehrere Hinweistafeln mit Orientierungsplänen an Lampenmasten des Viertels an. Sie fungieren als flächendeckendes Denkmal unter dem Titel Orte des Erinnerns im Bayerischen Viertel: Ausgrenzung und Entrechtung, Vertreibung, Deportation und Ermordung von Berliner Juden in den Jahren 1933 bis 1945.
Die Tafeln zeigen auf der einen Seite Bilder, Symbole oder Piktogramme, auf der anderen Seite Auszüge aus nationalsozialistischen Gesetzes- und Verordnungstexten, die die Entrechtung der Juden in Deutschland markierten.
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Wohnhaus Gottfried Benns, Bozener Str. 20
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Wohnhaus Eduard Bernsteins, Bozener Str. 18
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Wohnhaus von Arno Holz, Stübbenstr. 5
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Schule Marcel Reich-Ranickis, Hohenstaufenstr. 47-48
Literatur
- Kunstamt Schöneberg (Hrsg.): Orte des Erinnerns: Jüdisches Alltagsleben im Bayerischen Viertel, Berlin 1995, ISBN 3-89468-147-0 (Nachdruck ISBN 3-7759-0473-5)