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Willibald Gatter

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Willibald Gatter 1923 in Wien

Willibald Gatter (* 12. Dezember 1896 in Hühnerwasser (heute Teil von Ralsko) in Nordböhmen, † 14. Mai 1973 in Kirchheim unter Teck, Baden Württemberg) war ein sudetendeutscher Automobilfabrikant der heute in der Tschechei als Erfinder des „Lidového Auta“ gilt, des „Volksautos“ oder "Volkswagens"

Leben

Er wurde als ältestes von acht Kindern des Maschinenbauers Josef Gatter (1854-1929) und seiner Frau Marie Eiselt (1870-1941) geboren. Bereits im Elternhaus wurde sein Interesse an Maschinen geweckt. Hier hatte er Zugang zum Betrieb des Vaters wo neben Wasserkraftwerken mit großen Schaufelrädern auch hydraulische Widder, Pumpen, und Feuerspritzen hergestellt wurden.

Nach dem Besuch der Bürgerschule in Niemes studierte Gatter an der Höheren Industriefachschule in Reichenberg Mechanik und Technologie. Obgleich ab 1914 der Erster Weltkrieg wütete, wurde der begabte Student nicht zu Armee einberufen, sondern im Juni 1915 als Konstrukteur den ŠKODA-Werken zugeteilt. Hier arbeitete Gatter in der Produktion großkalibriger Kanonen und erprobte diese im Gefechtseinsatz an der italienischen Front. Zugleich arbeitete er im Skoda-Schwesterwerk Austro-Daimler zusammen mit Ferdinand Porsche an der Entwicklung benzin-elektrischer C-Züge zum Transport schwere Artilleriegeschütze, wie Skodas 30,5 cm Mörser. Mit Kriegseintritt der USA und der Verkündung der „14 Punkte“ von US-Präsident Woodrow Wilson für eine gerechte europäische Nachkriegsordnung, meldete sich Willibald Gatter im März 1918 zum aktiven Kriegsdienst als Einjährig-Freiwilliger.

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Elternhaus Gatters, die „Alte Posthalterei“ am Marktplatz in Hühnerwasser

Ab dem 15 Juni 1918 nahm er an der Piave-Offensive des k.u.k. Heeres teil und lernte so noch kurz vor seinem Ende den Krieg in all seiner Grausamkeit kennen. Gatter kehrte nach seiner Ausmusterung zunächst in die böhmische Heimat zurück und leitete dort bis zur Rückkehr seines Bruders aus der Kriegsgefangenschaft die elterliche Maschinenfabrik. Den Vater unterstützte er bei der Planung der dortigen Wasserwerke, beim Bau und der Vermessung von Tiefenquellen-Wasserleitungen und der Pumpwerke, mit denen - unserer Albwasserversorgung vergleichbar - die dortigen Bergdörfer mit fließendem Wasser versorgt werden sollten. Mit der zunehmenden Ausgrenzung der Deutschen in der Tschechoslowakischen Republik konnte der Ingenieur Gatter auf kein rechtes Fortkommen mehr hoffen und begab sich im August 1919 in die neu ausgerufene Republik Deutschösterreich. Durch Kontakte die Gatter während des Krieges zu Austro-Daimler in Wiener Neustadt geknüpft hatte, in dem während des Krieges die Zugwagen für den Skoda Mörser hergestellt wurden, konnte der damals 23jährige schnell eine Anstellung als Automobil-Konstrukteur finden.

Austro-Daimler stand trotz der erfolgreichen Jahre des Krieges vor dem Ruin, der größte Auftraggeber, die k.u.k. Armee existierte nicht mehr. Es galt nun wieder auf zivile Produkte umstellen und nur die schnelle Wiederaufnahme der Automobilproduktion mit verbesserten Vorkriegsmodellen versprach Rettung. Direktor Ferdinand Porsche warb dazu fähige und findige Ingenieure zumeist aus dem Gebiet des ehemaligen österreichisch-ungarischen Reiches an, darunter auch Willibald Gatter. Neben schnellen und leichten Tourenwagen wurden nun auch große Luxusautos hergestellt mit modernen Motoren in aerodynamisch ausgefeilten Karosserien. Gatter war hier zunächst in der Entwicklung von elektrischen Omnibussen und Benzin-Lastwagen tätig, später auch in der Konstruktion von schweren und leichten Personenwagen. Mit Porsche und Ingenieur Karl Bettaque konstruierte Gatter 1921/22 den „Sascha“, den ersten Sport-Rennwagen der Nachkriegszeit, benannt nach dem Filmpionier Alexander „Sascha“ Graf Kolowrat. Mit diesem Wagen fuhr Willibald Gatter Anfang der zwanziger Jahre seine ersten Rennen.

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Der von Porsche und Gatter gebaute „Sascha“, der erste Sport-Rennwagen der Nachkriegszeit

An der Technischen Hochschule in Wien im Fachbereich Maschinenbau gab Gatter damals als Gastlektor auch Kurse über Motoren, Getriebe und Schaltungen. In diese Zeit fallen seine ersten Publikationen in Fachzeitschriften wie Werkstatt-Technik und Auto-Technik sowie die ersten seiner uns bekannten Patente. Am 6. Februar 1923 meldet er die österreichischen Patente für eine “Kopiereinrichtung für Werkzeugmaschinen” (No. 97 881) und für die “Einrichtung zum Schneiden von ein- und mehrgängigen Gewinden auf der Drehbank” (No. 97 882) an. Die finanzielle Leitung des Werkes in Wiener Neustadt hatte Camillo Castiglioni inne, der durch Kriegsspekulationen ein riesiges Vermögen zusammengerafft hatte. Er kontrollierte unter vielen anderen Firmen auch die Österreichische Daimler Motoren AG. Seine rein auf den persönlichen Gewinn ausgerichteten Interessen vertrugen sich nicht mit dem technischen Interessen seiner Ingenieure. So verlangte Castiglioni etwa im Februar 1923 die sofortige Entlassung von 2000 Arbeitern und die Übergabe aller Devisen an ihn, um an der Amsterdamer Börse eine Baisse zu erzeugen. Direktor Porsche verließ daraufhin Österreich und ging zu Daimler nach Stuttgart. Willibald Gatter wechselte 1925 zur Georg Schicht A.G. in Aussig/Elbe. Der Fettsäure verarbeitende Schicht-Konzern betrieb damals Vorstöße in andere Wirtschaftssektoren, um seine im Seifen-Geschäft erwirtschafteten Überschüsse gewinnbringend anzulegen.

Willibald Gatter besuchte die Tschechoslowakei auch nach Krieg und Vertreibung wieder, doch um seine Heimatstadt Hühnerwasser, die als Bestandteil eines russischen Truppenübungsplatzes völlig zerstört wurde, schlug er einen großen Bogen.

Gatter-Auto

zur Geschichte des Gatter-Autos s. Hauptartikel Gatter (Auto)