Constaffel
Die «Constaffel» (Konstaffler) stellte in der Brunschen Zunftverfassung die Vertreter aus dem Adel und der Kaufmannschaft (Patriziat) im Stadtrat («Kleinen Rat») der Reichsstadt und späteren Stadtrepublik Zürich. In der Zeit von 1336 bis 1798 stammten 22 der insgesamt 68 Bürgermeister aus den Reihen der «Constaffel».
Sieben «Geschworene Briefe» waren in dieser Zeit in etwa das Equivalent einer städtischen gesetzgebenden Verfassung, in denen im Verlauf der Jahrhunderte die wechselnde Zusammensetzung und Aufgaben des Rats festgelegt wurden.
Mit Aufhebung der Brunnschen Zunftverfassung (1798, Beginn der Helvetik) organisierten sich die Mitglieder in der gemeinnützigen «Gesellschaft zur Constaffel» – ihr Zunfthaus ist bis heute das «Haus zum Rüden» in Zürich.
Begriffsdefinition
Der Begriff «Constaffel» leitet sich vom lateinischen «comes stabuli» ab, was sinngemäss mit Stallmeister zu übersetzen ist, einem in Frankreich und England zuerst für den den Inhaber des königlichen Haushofmeisters und später als «Conétable» oder «Constable» für den obersten Heerführer in Kriegszeiten üblichen Amtstitel. Als «Constaffel» (Konstaffel) wurde in Rechtstexten aber auch die Bewohnerschaft einer Burg, einer Stadt oder eines Stadtquartiers bezeichnet.
Brunnsche Zunftverfassung (Zusammenfassung)
Die Handwerker der Stadt Zürich wollten im 14. Jahrhundert nicht länger aus dem Stadtrat ausgeschlossen sein. Wie in anderen Städten im Deutschen Reich kam es deshalb auch in Zürich zu einer Zunftrevolution. Die Zunftbewegung Zürichs stellte sich als eine gemeinsame Erhebung des Stadtzürcher Adels und des Handwerkerstandes gegen die im Rat vertretenen Kaufleute und vornehmen Handwerksgeschlechter dar, de facto nutzte Rudolf Brun wohl eher geschickt Spannungen in der adligen und kaufmännischen Führungsschicht aus.
Die Kaufleute dominierten zu Beginn des 14. Jahrhunderts den ursprünglich zu gleichen Teilen zusammengesetzten Rat, so dass 'nur' noch ein Drittel der Räte Adlige waren. Der Rat suchte zudem seine Oberhoheit auch auf die Grundherrschaften und Lehen der adeligen Stadtbürger auszudehnen. Der Aufstand der Handwerker und Adligen brach am 7. Juni 1336 mit einem Sturm auf das Rathaus aus. Am 8. Juni 1336 versammelten sich die Aufständischen beim Franziskaner «Barfüsserkloster», wo ihr Anführer, der Adlige Ritter Rudolf Brun, zum Bürgermeister der Stadt ernannt wurde.
Geschichte der «Gesellschaft der Constaffel»
Brun arbeitete die nach ihm benannte Brunsche Zunftverfassung – den sogenannten «1. Geschworenen Brief» – aus, die nach dem Vorbild des «Schwörbrief der Stadt Strassburg» aus dem Jahre 1334 gestaltet war.
Die Zusammensetzung des Stadtrats wurde neu geregelt, indem die bisher allein regierenden Adels- und Kaufmannsgeschlechter des einstigen Meliorats (Oberschicht) zur «Constaffel» mit 13 Mitgliedern (6 Adlige und 7 Bürger) und die Handwerker ebenfalls 13 Mitglieder abordneten, d.h. in Form von je 13 «Constafflern» und 13 Handwerkszünften respektive deren Zunftmeistern als Mitglieder des neuen Rats.

Die Wahl der 13 Mitglieder der «Constaffel», die die Bezeichnung «Räte» (Consules) beibehielten, erfolgte durch eine vom Bürgermeister ernannte Kommission von 6 Mitgliedern, von denen zwei dem Adelstand angehören mussten. Diesen standen im «Halbjahresrat» eine gleiche Anzahl von Zunftmeistern (Scabini) gegenüber.
Vorbehalten blieb der «Constaffel» weiterhin das Führen des Stadtbanners und das Stellen des auf Lebzeiten zu wählenden Bürgermeisters.
Vermutlich ein Streit zwischen dem Ritter Götz Mülner und einigen Kaufleuten belastete die neue Verfassung gleich zu Beginn, nachdem der Stadtrat nicht im Sinne der Adligen entschied. 22 (mehrheitlich Angehörige des Kaufmannspatriziats) wurden aus der Stadt Zürich verbannt und flüchteten im Jahr 1336 nach Rapperswil zu Graf Johann I. von Habsburg-Laufenburg.
Die Verbannten versprachen dem Grafen und später seinem jungen, politisch unerfahrenen Sohn, Graf Johann II., die Tilgung aller Schulden und die Einlösung der an die Stadt Zürich verpfändeten Höfe Wollerau, Bäch und Pfäffikon. Während der Jahre ihres Exils in Rapperswil warben sie Söldner an und planten mit Hilfe ihrer Parteigänger in der Stadt Zürich den Sturz der «Brunschen Zunftverfassung».

Die sogenannte «Mordnacht von Zürich» vom 23. zum 24. Februar 1350 misslang aber: Einige der Verschwörer wurden im Handgemenge getötet und 35 von ihnen hingerichtet. Unter den zahlreichen Gefangenen war auch Graf Johann II. Nur wenige Tage später zogen Rudolf Brun und seine Truppen vor Rapperswil, das sich aus Sorge um den in Zürich gefangen gehaltenen Grafen Johann II. ergab. Die Brüder des Grafen Johann sollen jedoch auf ein Eingreifen der habsburgischen Verwandten gehofft und einen Friedensschluss sabotiert haben. Brun zerstörte mit dieser Begründung die Festung Alt-Rapperswil in der March, besetzte die untere March, und schleifte die Mauern und die Burg von Rapperswil, sodass diese nicht mehr verteidigt werden konnte.
Eine direkte Folge der Zerstörung von Rapperswil war am 1. Mai 1351 Rudolf Bruns «Bund von 1351» mit den vier Waldstätten, um gegen Habsburg bestehen zu können.
Mit Beschluss des Rates wurde 1348 das an der Limmat gelegene städtische Münzhaus den Gesellen (Burschengemeinschaft), «die vormals auf dem Estrich (Trennboden) auf dem Haus der Herren von Lunkhofen getrunken haben» überlassen, mit der Auflage, dass das Erdgeschoss des damals offenbar aus Holz-Riegelwerk gebauten Hauses mit Steinmauern zu versehen und so der Stadt zum Gebrauch zu überlassen sei – dem Zürcher Rat diente es bis 1401 auch als Rathaus. Bei diesen «Gesellen» dürfte es sich um eine Gruppe Adliger oder reicher Kaufleute gehandelt haben, die der «Gesellschaft der Constaffel» angehörten.
Constaffel wie Zünfte hatten neben ihrer berufsständischen und gesellschaftlichen Funktion auch eine soziale Komponente: Die Fürsorge für ihre Mitglieder und das Beerdigungswesen. Einher ging dies 1417 mit der Gründung der «Gemeinen Constaffel», einer spätmittelalterlichen Bruderschaft, mit militärischen, aber auch gemeinnütziger und kirchlich-religiöser Zweckbestimmung, deren Kasse (Vermögen) nach der Reformation als «Constaffelgut» erhalten blieb.
Bereits Ende des 14. Jahrhunderts setzte durch Abwanderung, sozialen Abstieg und das Aussterben führender Zürcher Adelsfamilen bis zum Alten Zürichkrieg ein Bedeutungsverlust der Constaffel ein, eine Konsolidierung fand nach dem Waldmannhandel 1489 statt. Mit dem «3. Geschworenen Brief» von 1489 wurde auch in der Constaffel für die abzudelegierenden Räte das Wahlrecht eingeführt, d.h. die Constaffel als politische Zunft organisiert. Dem beträchtlich gesunkenen Bevölkerungsanteil entsprechend, wurden nun vier «Constaffelherren» und zwei «Constaffelräte» pro Amtsjahr für den kleinen Rat delegiert (bislang 24), und die übrigen bisherigen 18 Constaffel-Ratssitze neu geregelt: 12 als «Zunftsratsherrensitze» an die Zünfte und sechs als «Ratsherren von freier Wahl», in die Constaffler und Zunftangehörige gewählt werden konnten.
In dem als «Constaffelbrief» bekannten Ratsbeschluss vom 6. Dezember 1490 wurde bestimmt, dass (ursprünglich im Sinne von aus wohlhabenden und adligen Familien stammende Männer) «Leute», die in keiner Zunft untergebracht werden konnten, «Constaffel heissen und seyn sollen». So wurden ihr mit der Zeit neben «Hintersässen» (Niedergelassene ohne Bürgerrecht) auch «wenig angesehene und Leute ohne Vermögen» und der Scharfrichter zugeteilt.
In der Reformation (siehe 1. Zürcher Disputation) verlor die «Constaffel» weiter an Bedeutung, nachdem Adlige und angesehene Familien sich als Katholiken aus Zürich zurückgezogen hatten. Sie konsolidierte sich aber wieder, indem die «Constaffel» einflussreiche Persönlichkeiten aus den Zünften rekrutierte. Diese bildeten ab ca. 1523 die «Bürgerlichen Constaffel», die «Stubenhitzen» (Jahresbeitrag an die Heizkosten) zu bezahlen hatten und nicht die volle Teilhaberschaft am «Haus zum Rüden» erhielten: 1679 übereignete der Rat der «Adeligen Gesellschaft», der einstigen «Trinkstubengesellschaft zum Rüden», das Zunfthaus, die zu jener Zeit aber keine (nichtadligen) Mitglieder mehr aufnahm.
Mit dem Einzug von französischen Revolutionstruppen wurde 1798 in Zürich das Zunftregime abgeschafft.
«Constaffel» und Zünfte erlangten ab 1803 mit der Mediationsakte und 1815 nochmals Bedeutung, als einer der dreizehn Wahlkreise bzw. der städtischen «Wahlzünfte».
1838 wurden Wahlzünfte auf kantonaler und 1866 auch auf kommunal-städtischer Ebene abgeschafft. Damit verloren «Constaffel» und Zünfte endgültig ihre politische Bedeutung.
1868 verkaufte die «Adelige Gesellschaft» das «Haus zum Rüden» an die Stadt und löste sich 1878 auf.
Aus der amtlichen «Wahlzunft zur Constaffel» hatte sich bereits um 1820 ein «lockerer, festfreudiger und trinkfester Mitgliederkreis» gebildet, der sich um 1841 zur «Zunftgesellschaft» formiert hatte und sich Statuten gab, den so genannten «Sechseläutenfonds». In der neuen Rechtsform als Verein entstand 1899 die heutige «Gesellschaft zur Constaffel», die 1937 das «Haus zum Rüden» erwarb, an ihren ’angestammten’ Ort zurückkehrte und sich wie alle städtischen Zünfte am Sechseläuten beteiligt.
Siehe auch
Literatur
- Martin Illi. Geschichte der Constaffel, von Bürgermeister Rudolf Brun bis ins 20. Jahrhundert, NZZ Buchverlag, Zürich, 2003
- Markus Brühlmeier / Beat Frei. Das Zürcher Zunftwesen, 2 Bde. NZZ,: Zürich, 2005, ISBN 3038231711
- Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte 1218–2000. Herausgegeben vom Staatsarchiv des Kantons Zürich im Auftrag der Direktion der Justiz und des Innern auf den Tag der Konstituierung des Zürcher Verfassungsrates am 13. September 2000. Chronos, Zürich, 2000, ISBN 3905314037