Panzerkampfwagen VI Tiger
Der Panzerkampfwagen VI "Tiger" Ausf. E (Sd.Kfz. 181) – auch als Tiger I bekannt – war der erste schwere deutsche Kampfpanzer, der im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam. Er wurde im Jahre 1942 eingeführt, nachdem sich die Unterlegenheit der bisherigen Modelle Panzer III sowie Panzer IV gegen den sowjetischen T-34 wie auch den KW-1 gezeigt hatte.

Entwicklung
Das Auftreten des T-34 leitete eine Wende im deutschen Panzerbau ein. Für die Blitzfeldzüge wurden vor allem leichte und bewegliche Typen mit hoher Feuerkraft gefordert. Nunmehr wurden schwerbefaffnete und gepanzerte Fahrzeuge konzipiert auch wenn die Beweglichkeit darunter litt. Ein Panzer mit der 8,8 cm Kanone war bei den Firmen Porsche und Henschel in der Entwicklung. Am 20.4.1942 (dem "Führergeburtstag") wurde jeweils ein fahrbereiter Prototyp vorgestellt. Der Henschelpanzer erhielt den Vorzug und wurde zum Tiger E. Die bereits produzierten Fahrwerke des Porschetyps wurden mit einer starren Kanone versehen zum Jagdpanzer "Ferdinand" welcher auch manchmal als Tiger bezeichnet wird. Da Hitler auf den Fronteinsatz drängte war die Konstruktion noch keineswegs ausgereift als im August die lediglich 4 frontfertigen Tiger der schweren Panzerabteilung 502 zur Heeresgruppe Nord befördert wurden.
Beschreibung
Der "Tiger I" war für seine Zeit (Start der Serienproduktion August 1942) außergewöhnlich stark gepanzert, und die verwendete 88-mm-Kanone (8,8 cm KwK 36 L/56) hatte eine enorme Durchschlagskraft, die bis Kriegsende von nur wenigen Panzergeschützen übertroffen wurde und der Panzerung der alliierten Panzerfahrzeuge mehr als gewachsen war.
Schwächen des Tigers waren seine ungünstige Formgebung (im Gegensatz z. B. zum T-34 oder Panzer V Panther hatte er keine gerundete / abgeschrägte Panzerung), seine (im Verhältnis zum bewegten Gewicht) schwache Motorisierung (V12 Maybach HL 230 P45 Vergasermotor mit maximal 700 PS Leistung) und das anfällige Schachtellaufwerk. Auch der hohe Produktionsaufwand und der hohe Bedarf an hochwertigen Rohstoffen stellten angesichts der zunehmend schlechter werdenden Versorgungslage einen gravierenden Nachteil dar. Ein weiterer Nachteil war, dass zur Verladung des Tigers auf Züge extra Verladeketten aufgezogen werden mussten (20 cm schmaler als Geländeketten). Das hohe Gefechtsgewicht (56.900 kg) beschränkte auch stark die Anzahl der Brücken, die benutzt werden konnten.
Daher sollte der Tiger im Notfall Flüsse auch ohne Brücken überwinden können. Aufgrund der hohen Silhouette und den nach oben ragenden Auspuffrohren hatte der Tiger ohnehin eine Wattiefe von zwei Metern, jedoch genügte dies nicht für die teils tiefen Flüsse der Sowjetunion. Daher wurde am Motor im Heck ein Schnorchel angebracht, der Kampfraum und Motor mit Luft versorgen sollte. Luken und Klappen wurden luftdicht verschlossen. So konnte die Watfähigkeit auf über vier Meter erhöht werden. Jedoch wurden nur die ersten 495 Tiger so ausgestattet; ab 1943 wurde aufgrund von Materialengpässen darauf verzichtet. Der Stahl wurde dringender bei der Herstellung der eigentlichen Panzer benötigt.
Einsatz

Die ersten Einsätze der vier weiter oben genannten Tiger waren herbe Fehlschläge. Es traten technische Mängel auf und die Besatzungen sowie Begleitinfanterie waren noch nicht genügend mit dem neuen Gerät vertraut. Zudem wurde von höchster Stelle ein Angriff in ungeeignetem Gelände befohlen bei dem alle vier Tiger abgeschossen wurden oder im Sumpf stecken blieben. Einer davon konnte nicht mehr fahrbereit gemacht werden und wurde im Niemandsland der Front festliegend gesprengt. Trotzdem stellten die Tigerpanzer schon bald ihre Vorteile unter Beweis und wurden zu den bei den Alliierten gefürchtetesten deutschen Kampfpanzer.
Wegen der geringen Produktionszahlen war eine geschlossene Ausstattung der Panzerdivisionen nicht möglich. Deshalb wurden zur Führung der Tigerpanzer selbständige sogenannte schwere Panzerabteilungen geschaffen (Abteilung = Bataillon). Die drei Kompanien einer Abteilung hatten ein Soll von 45 Tigern. Lediglich besondere Elite-Panzerdivisionen wie z.B. Großdeutschland oder Das Reich hatten zeitweise eine eigene Tiger-Kompanie in ihrem Panzerregiment.
Die bis Kriegsende insgesamt 14 Tigerabteilungen wurden aufgrund der schlechter werdenden Kriegslage an die verschiedensten Fronten verteilt und kämpften – wechselnden Großverbänden unterstellt – stets an den Brennpunkten der Abwehr oder als Speerspitze von Gegenangriffen. Die Tigerbesatzungen erreichten extrem hohe Abschusszahlen, so das die Erwartungen in den neuen Panzer mehr als erfüllt wurden. Wegen der geringen Zahl der einsatzbereiten Fahrzeuge konnte jedoch keine Kriegswende herbeigeführt werden. Bis August 1944 wurden insgesamt 1355 Tiger ausgeliefert. Dann wurde die Produktion auf den Tiger II umgestellt. Der Tiger I Ausf. E wurde jedoch bis Kriegsende bei einigen Abteilungen eingesetzt.
Der erfolgreichste Panzerkommandant des Zweiten Weltkrieges Michael Wittmann befehligte ab 1943 ebenfalls einen Tiger.
Legenden
Der Tiger war der erste deutsche Panzer mit einem Tiernamen. Nicht nur deshalb nimmt er eine Sonderstellung ein. Er war von Anfang an bevorzugtes Objekt der deutschen sowie der gegnerischen Propaganda, so dass viele Legenden und Übertreibungen kursieren.
Schon über den ersten Tigereinsatz gibt es in militärhistorischen Werken und Memoiren die verschiedensten Versionen. Nach der Schlacht von Kursk haben die Sowjets eine Zahl an zerstörten Tigerpanzern angegeben, welche die Zahl der insgesamt produzierten Tiger bei weitem überstieg. Auch in neueren Werken finden sich zum Teil vollkommen falsche Vorstellungen über die Anzahl der bei den deutschen eingesetzten Tiger.
Derivate
Auf Basis des Tiger wurden nur wenige andere Modelle gebaut, und diese in geringer Anzahl:
- Sturmpanzer VI Sturmtiger (38 cm-Mörser)
- Bergetiger (Sd.Kfz. 185)
- Panzerjäger Tiger(P) Ferdinand/Elefant (Porsche-Fahrgestell) (Sd.Kfz. 184)
- Bergepanzer Tiger(P), ähnlich dem Bergetiger aber Porsche Fahrgestell, Umbau von mindestens 3 Tiger(P) Prototypen
- Rammpanzer Tiger(P),stark abgeschrägter, nach oben verjüngender Aufbau, gedacht um feindliche Panzer zu rammen und umzukippen oder Barrikaden zu durchbrechen, Umbau von drei Tiger(P) Prototypen
- Befehlspanzer Tiger(P), ein Tiger(P) Prototyp (Fahrgestellnummer 150013) mit zusätzlicher Funkausrüstung
Technische Daten
- Besatzung: 5
- Gewicht
- Gefechtsgewicht: 56,9 t
- Verladegewicht: 52,5 t
- Turm: 11 t
- Bodendruck: 1,088 kg/cm² mit Geländekette / 1,442 kg/cm² mit Verladekette
- Gewicht der einbaufertig gebohrten Wanne mit Decke: 20,8 t
- Länge
- über alles, Rohr nach vorn: 8,45 m
- über alles, Rohr nach hinten: 8,434 m
- Wanne ohne Rohrüberstand: 6,316 m
- Rohrüberstand bei Rohr nach vorn: 2,116 m
- Breite
- Breite über Kette, Geländekette: 3,547 m
- Breite über Kette, Verladekette: 3,142 m
- Kettenbreite: 72,5 cm Geländekette / 52 cm Verladekette
- Spurweite: 2,822 m
- Höhe: 3,00 m
- Bodenfreiheit: 47 cm
- Feuerhöhe: 219,5 cm
- Kletterfähigkeit: 79 cm
- Steigfähigkeit: bis zu 35°
- Watfähigkeit: 160 cm
- Grabenüberschreitfähigkeit: 250 cm
- Tauchfähigkeit: 410 cm (nur die ersten 495 Exemplare, danach 200 cm)
- Hersteller: Henschel, Wegmann
- Stückzahl: 1.355 (1942: 82 Stück / 1943: 649 Stück / 1944: 623 Stück (die letzten im August))
- Preis je Fahrzeug: 250.800 RM
- durchschnittliche Bauzeit je Fahrzeug: 14 Monate
Bewaffnung
- 88 mm KwK-36/L 56
- Zielmittel: TZF 9 b
- maximale Schussweite: 10.500 m bei 15° Erhöhung / im direkten Richten: 1150 m
- Feuerrate: bis zu 10 Schuss/min
- Mündungsgeschwindigkeit
- Panzergranate: 810 m/s
- Sprenggranate: 780 m/s
- Munition: 92 Schuss
- Gewicht der Kanone: 1,3 t
- Lebensdauer des Rohres: rund 6.000 Schuss
- ein 7,92 mm MG 34 im Bug
- ein 7,92 mm MG 34 o. 42 koaxial im Turm
- Munitionsvorrat der MGs insgesamt: 5.850 Schuss (39 Gurtsäcke à 150 Schuss)
- eine MP40 Kal. 9 mm
- eine Signalpistole
- sechs Nebelkerzenwerfer (nur späte Version)
Antrieb
- Motor: 700 PS Maybach HL 230 P 45, 12-Zylinder-Ottomotor; Hubraum 23 l (erste 250 Exemplare: Maybach HL 210 P 45 mit 478 kW (650 PS))
- Leistungsgewicht: 9,1 kW/t bzw. 8,4 kW/t
- Geschwindigkeit
- Straße: 38 km/h
- Gelände: 20 km/h
- Kraftstoffvorrat: 540 l
- Fahrbereich: 195 km auf Straße, 110 km in mittelschwerem Gelände
Panzerung
- Wanne
- 100 mm Bug / 66° Neigung
- 100 mm Fahrerfront / 81°
- 60 mm Wannenseite unten / 90°
- 80 mm Wannenseite oben / 90°
- 82 mm Heck / 81°
- 25 mm Boden / 0°
- Turm
- 110 mm Turmblende
- 100 mm Turmfront / 80°
- 80 mm Turmseite / 90°
- 80 mm Heck / 90°
- 25 mm Decke / 0-9°
Durchschlagsleistung der Hauptwaffe
Die Durchschlagsleistung der 88 mm KwK 36 L/56 betrug mit der Panzergranate 39 auf 500 m bei einem Auftreffwinkel von 30 Grad 110 mm Panzerstahl, auf 1000 m waren es noch 100 mm. Die nur in geringen Stückzahlen vorhandene Panzergranate 40 mit Wolframkern erreichte 155 bzw 138 mm auf 500/1000 m bei ebenfalls 30 Grad.
Literatur
- Kleine/Kühn : "Tiger" die Geschichte einer legendären Waffe.
- Walter J. Spielberger: Militärfahrzeuge, Bd.7, Der Panzerkampfwagen Tiger und seine Abarten, Motorbuch Verlag Stuttgart, 2003, ISBN 3-87943-456-5
- Wolfgang Fleischer & Horst Scheibert: Panzerkampfwagen Tiger, Nebel Verlag, 2002, ISBN 3-89555-051-5
- Roger Ford: Tiger-Panzer, Nebel Verlag, 2000, ISBN 3-89555-768-4
- Egon Kleine & Volkmar Kühn: Tiger - Die Geschichte einer legendären Waffe 1942-1945, Flechsig, 2006, ISBN 3-88189-633-3
- F. Senger und Etterlin & F. M. von Sen Etterlin: Die deutschen Panzer 1926-1945, Bernard & Graefe Verlag, ISBN 3-76375-988-3
- Thomas J. Lentz: Tiger I & II Kampf und Technik, Podzun-Pallas Verlag, ISBN 3-79090-691-3
- Wolfgang Fleischer: Waffen-Arsenal Tiger in der Truppe, Special-Band 21, Podzun-Pallas, ISBN 3-79090-637-9
- Horst Scheibert: Waffen-Arsenal Tiger I im Einsatz, Sonderband S-20, Podzun-Pallas, ISBN 3-79090-410-4
Siehe auch
Weblinks
- www.tigerpanzer.de
- Umfangreiche englische Seite zum Thema (engl.)
- Tiger auf WaffenHQ.de
- Tiger beim Lexikon der Wehrmacht
- www.tiger-tank.com: Restauration eines Tiger bis zum fahrfähigen Zustand (engl.)
- Tiger Tank in Allied Intelligence (engl.)
- Allgemeines - Techn. Daten - Entwicklung & Die Tiger-Abteilungen (engl.)