Werner Gitt
Werner Gitt (* 1937 in Raineck, Kreis Ebenrode in Ostpreußen) war Direktor des Fachbereichs Informationstechnologie der Abteilung für Wissenschaftlich-Technische Querschnittsaufgaben innerhalb der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Er ist Buchautor und einer der bekannteren Vertreter des Kreationismus in Deutschland.
Lebenslauf
Von 1963 bis 1968 absolvierte Gitt ein Ingenieurstudium an der Technischen Hochschule Hannover, das er als Diplomingenieur abschloss. Im Anschluss war er als Assistent am Institut für Regelungstechnik der Technischen Hochschule Aachen tätig. Hier promovierte er 1971 zum Dr.-Ing. Seit 1971 war er Leiter des Fachbereichs Informationstechnologie an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, wo er 1978 zum Direktor und Professor ernannt wurde. In dieser Position ging er 2002 in den Ruhestand.
1997 schlug Gitt ein „neues Maß zum Vergleich hoher Speicherdichten“ vor, das er „Kennzahl der Informationsdichte“ (Formelzeichen: q) nennt. Die maximale Informationsdichte des DNA-Moleküls lebender Zellen schätzt er dabei mit 1,9 × 1018 Bit/mm3 ab; q soll der Quotient aus der vorliegenden Informationsdichte und der der DNA sein. Dieser Quotient ist bei technischen Realisierungen stets kleiner als 1, beim damals aktuellen 256-Megabit-Speicher abgeschätzt etwa 5 × 10-13.
- „Dieser kleine Wert zeigt an, daß die moderne Computertechnologie noch weit entfernt ist von der Speicherdichte in der Natur. Da die beschriebene Kennzahl sich jedoch am Maximalwert orientiert, bleibt für alle künftigen Technologien genug Spielraum, so daß 0 < q < 1 stets gewährleistet bleibt. Die vorgestellte Maßzahl erlaubt es, auch den Integrationsgrad beliebiger anderer Speichermedien ... zu vergleichen.“ (Zitat aus „Neues Maß ...“, siehe unter Schriften.)
Gitt lebt heute in Braunschweig und ist ehrenamtlicher Ältester der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (Baptistengemeinde) „Braunschweiger Friedenskirche“. Er ist auch Mitglied der Studiengemeinschaft Wort und Wissen.
Gitts Standpunkt
Gitts Hauptthese aus seiner Interpretation der Informatik und der Stochastik besagt, bestimmte Arten von Information könnten nicht aus dem Nichts entstehen, sondern müssten immer einen Urheber haben. Damit die von ihm formulierten "Naturgesetze für Information" (NGI) auf einen Informationsträger zutreffen, müsse er folgende Bedingungen erfüllen:
- Es müssen Zeichen zur materiellen Repräsentation vorhanden sein (Buchstaben, Magnetisierungen auf einer Festplatte, DNS-Basenpaare, Schallspektrum). Diese Ebene der Informationsübertragung wird Statistik genannt.
- Die Zeichen sind nach bestimmten syntaktischen Regeln einer Grammatik angeordnet
- Aus der syntaktischen Struktur lässt sich durch einen Code die Semantik der Nachricht erschließen. Wenn der Code nicht bekannt ist, lassen die NGI keine Aussage zu. Die codierten Zeichen auf dem Informationsträger müssen Stellvertretercharakter haben: "Automobil" steht im Codesystem "deutsche Sprache" stellvertretend für das Konzept einer sich aus eigener Kraft fortbewegenden Maschine, und "GGA" steht im Codesystem "genetischer Code" stellvertretend für ein Glycin-Molekül
- Die Information muss einen pragmatischen Aspekt umfassen, d. h. beim Empfänger wird eine Handlung hervorgerufen oder es lag zumindest in der Absicht des Senders, den Empfänger zu etwas zu veranlassen. Eine HTTP-Anfrage an einen Server hat offensichtlich eine senderseitige Pragmatik; beim genetischen Code lässt sich zumindest eine empfängerseitige Pragmatik beobachten, denn er bewirkt in lebenden Zellen die Synthese von Proteinen, auch wenn der Sender je nach Weltanschauung als nicht sichtbar oder nicht vorhanden angenommen wird.
- Den fünften notwendigen Aspekt nennt Gitt "Apobetik" (von griechisch ap?ße????: Ergebnis, Erfolg). Er meint damit den beim Sender intendierten oder den beim Empfänger erreichten Zweck der Nachricht.
Dabei ist anzumerken, dass weder Sender noch Empfänger zum Nachweis gehören müssen; diese Forderung würde zu Zirkelschlüssen führen. Diese Einschränkungen umfassen zwar nicht das gesamte Bedeutungsspektrum von Information, da z. B. ein Foto mangels Code und Zeichensatz keine Information im gittschen Sinne enthält, obwohl Semantik vorhanden ist. Sie seien aber notwendig, um den Gültigkeitsbereich der naturgesetzlichen Informationstheorie (NGIT) zu definieren. Gitt argumentiert, dass z. B. auch der Begriff Energie für die wissenschaftliche Betrachtung präzise definiert werden musste und nicht mehr den gleichen Bedeutungsumfang wie in der Umgangssprache habe. Er betont, dass die NGI falsifizierbar seien (man müsse nur einen Prozess angeben, in dem zwar Information (im gittschen Sinne) vorkommt, auf den die NGI aber nachweislich und reproduzierbar nicht zutreffen), aber sich bisher an allen von ihm selbst und von Kritikern angeführten vollständig bekannten Beispielen nur bestätigt haben. Biologische Information zählt er nicht zu den vollständig bekannten Beispielen, da ihre Entstehung weder empirisch zugänglich sei noch bisher reproduziert werden konnte. Weil sich nach den NGI jede Information und jedes Codesystem zu einem mit kreativer Intelligenz ausgestatteten Urheber zurückverfolgen lasse (in den vollständig bekannten Beispielen handelt es sich dabei um Menschen) und der genetische Code im Definitionsbereich der NGIT liege, müsse auch er einen Urheber haben, der logischerweise kein Mensch sein könne. Werner Gitt identifiziert diesen Urheber als den Gott der Heiligen Schrift.
Kritik
Es gibt etliche Gegenargumente von Kritikern:
- Sein Ansatz zur Informationstheorie steckt voller Fehler und Selbstwidersprüche. Deshalb hat er für die Wissenschaft keinerlei Relevanz. Zum Beispiel ist von Gregory Chaitin bewiesen worden, dass die Zufälligkeit eines Systems nicht bewiesen oder widerlegt werden kann. Andererseits behauptet Gitt, dass in rein statistischen Prozessen keine Information stecke. Hier stellt sich die Frage, wie Gitt nun beurteilen kann, welche Systeme zufälliger Natur sind und welche nicht. Gitts Antwort, man könne dies nur aufgrund einer zuverlässigen Metainformation (=Informationen über andere Systemdaten) beurteilen, ist keine echte Antwort, sondern kommt einer Bankrotterklärung gleich. Dass man eine Eigenschaft eines Systems, wenn man sie nicht aus dem System selbst herleiten kann, nur durch Informationen über das System aus anderen Quellen herleiten kann, ist trivial. Die Frage ist vielmehr, woher diese Metainformation stammt, sofern sie wissenschaftlichen Kriterien genügen soll. Er entzieht damit letztlich seiner eigenen Argumentation die Grundlage, weil bei der biologischen Information diese Metainformation eben fehlt.
- In der Naturwissenschaft wird Gitts Art des Schlussfolgerns im Allgemeinen als für nicht zulässig erachtet: Wenn Gitt ausschließlich "aufgrund von Erfahrung" mit von Menschen erstellter Information Sätze aufstellt, die auch für nicht von Menschen erstellte Information gelten sollen, so ist das eine unangemessene Extrapolation, die auf einer nicht repräsentativen Stichprobe beruht. Vor allem weil der Satz "Jede Information stammt von intelligenten Wesen" für von Menschen erstellte Information - im Gegensatz zu biologischer Information - offensichtlich wahr ist, ist eine Verallgemeinerung von Erkenntnissen, die mit dieser Eigenschaft zusammenhängen, nicht zulässig.
- Man kann aus dem Vorhandensein bestimmter Arten von Information, sowohl in rein physikalisch-chemisch ablaufenden Prozessen in der Mikrobiologie als auch als zentrales Element der menschlichen Intelligenz, auch umgekehrt schließen, dass sich letztendlich auch diese menschliche Intelligenz auf neuronale, und damit physikalisch-chemische Prozesse zurückführen lässt. Transzedente Erklärungen sind dann weder für biologische Information noch für von Menschen erstellte Information notwendig, was gerade metaphysischen Welterklärungen eher zuwiderläuft.
- In der Gittschen Argumentation ist der typische Fehler zu beobachten, der auftritt, wenn Begriffe und Methoden aus einem Fachgebiet in ein fremdes Fachgebiet übertragen werden, ohne sie adäquat anzupassen, in diesem Fall Begriffe aus der Informationstheorie in ein naturwissenschaftliches Gebiet. In der Informationstheorie, welche sich größtenteils auf künstliche, von Menschen geschaffene Systeme bezieht, darf der Mensch als Benutzer oder Entwickler dieser Systeme durchaus selbst Objekt der jeweiligen Theorien sein, womit die dort verwendeten Begriffe oftmals eine teleologische Komponente enthalten. In naturwissenschaftlichen Disziplinen ist dies nicht erlaubt, da dort die "objektive Realität" unabhängig vom Menschen beschrieben werden soll. Abgesehen von metaphorischem Sprachgebrauch müssten informationstheoretische Begriffe, wenn sie überhaupt in naturwissenschaftliche Bereiche übernommen werden sollen, deshalb von jeglichem, insbesondere teleologischem, Ballast befreit werden und dem neuen Anwendungsbereich entsprechend definiert werden. Sonst kommt es fast unweigerlich zu Fehlschlüssen, bei denen nur scheinbar neue Erkenntnisse gewonnen, genaugenommen aber nur offengelegt wird, was vorher durch unsachgemäßen Gebrauch der Begriffe unnötigerweise in die jeweilige Theorie - bewusst oder unbewusst - "hineingeschmuggelt" worden ist. Beispiel einer solchen Neudefinierung eines informationstheorietischen Begriffes in der Naturwissenschaft ist der Begriff "Code". Unter "Genetischer Code" wird in der Genetik eine Menge von Regeln verstanden, welche rein physikalisch-chemische Prozesse beschreiben, durch welche DNA-Strukturen in Protein-Strukturen übertragen werden, und natürlich keine Vereinbarung von bewussten Wesen über die Verwendung von Symbolen zum Austausch von Botschaften, wie der Begriff "Code" in der Informationstheorie meist verstanden wird. Sobald man fälschlicherweise letztere teleologische Definition verwendet, liegt der Fehlschluss nicht fern, dass bewusste Wesen den genetischen Code willentlich geschaffen hätten, wobei der Mensch selber hier aber nicht in Betracht kommt. Letztlich ist die Forderung auf den Verzicht unnötiger teleologischer Elemente in der Naturwissenschaft durch Ockhams Sparsamkeitsprinzip begründet.
- Die oft verbreitete Behauptung, die Entstehung von Information verstoße gegen den zweiten Hauptsatz der klassischen Thermodynamik, ist aus mehreren Gründen nicht gültig. So ist die klassische Thermodynamik nur gültig für das thermodynamische Gleichgewicht, Leben ist aber weit entfernt vom thermodynamischen Gleichgewicht. Es muss vielmehr die Nichtgleichgewichtsthermodynamik angewandt werden. In jedem offenen physikalischen System, das thermodynamisch im Ungleichgewicht ist, ist prinzipiell lokal die Abnahme von Entropie und damit die Entstehung von Strukturen die ein Mensch als Information interpretieren könne - etwa von DNA - nicht nur möglich, das Glansdorff-Prigogine-Theorem sagt die Entstehung solcher Strukturen sogar voraus.
- Außerdem sind in seinen Veröffentlichungen keine quantitativen Ansätze und empirische Daten vorhanden.
Schriften
- Parameterbestimmung an linearen Regelstrecken mit Hilfe von Kennwertortskurven für Systemantworten deterministischer Testsignale. Dissertation Technische Hochschule Aachen 1970.
- zusammen mit Arnd Koch: Kriterien zur Bewertung eines Grossrechnersystems im technisch-wissenschaftlichen Bereich während der Planungsphase (= PTB-Bericht : ATWD ; 9). Braunschweig 1977.
- Neues Maß zum Vergleich hoher Speicherdichten. In: Physikalisch-Technische Bundesanstalt Jahresbericht 1997, S. 307.- ISSN 0340-4366.
- Logos oder Chaos: Aussagen und Einwande zur Evolutionslehre sowie eine tragfähige Alternative. Hänssler Verlag 1980. ISBN 3-77510502-6
- Am Anfang war der Urknall? (PDF) - Bielefeld: CLV, - ISBN 3-89397-433-4
- Am Anfang war die Information. Herkunft des Lebens aus der Sicht der Informatik. - Holzgerlingen: Hänssler, 2004. - ISBN 3-7751-3702-5
- Das biblische Zeugnis der Schöpfung - Holzgerlingen: Hänssler, 2004. - ISBN 3-7751-1492-0
- Faszination Mensch. (PDF) - Bielefeld: CLV, 2003. - ISBN 3-89397-649-3
- Fragen, die immer wieder gestellt werden. (PDF) - Bielefeld: CLV, siehe auch - ISBN 3-89397-127-0
- Schuf Gott durch Evolution? (PDF) - Holzgerlingen: Hänssler, 1988. - ISBN 3-7751-1391-6
- Signale aus dem All. (PDF) Wozu gibt es Sterne? - Bielefeld: CLV, 1993. - ISBN 3-89397-705-8
- So steht's geschrieben. Zur Wahrhaftigkeit und Autorität der Bibel - Holzgerlingen: Hänssler, 2000. - ISBN 3-7751-1703-2
- Und die anderen Religionen? (PDF) - Bielefeld: CLV, 2001. - ISBN 3-89397-146-7
- Wenn Tiere reden könnten (PDF) - Holzgerlingen: Hänssler, 1992. - ISBN 3-7751-1528-5
- Zeit und Ewigkeit (PDF) - Bielefeld: CLV, 2000. - ISBN 3-89397-420-2
- Wunder und Wunderbares (PDF) - Bielefeld: CLV, 2005. - ISBN 3-89397-658-2
- In 6 Tagen vom Chaos zum Menschen. Logos oder Chaos. Woher kommt das Leben? Naturwissenschaftliche und biblische Grundfragen zur Schöpfung. Aussagen und Einwände zur Evolutionslehre - Hänssler, 6. Aufl., 2002, ISBN 3-7751-3207-4
Weblinks
- Vorlage:PND
- seine eigene Homepage
- Vorträge, Bücher u.a. Beiträge von Werner Gitt bei sermon-online.de zum Herunterladen
- Mehr zu und von Werner Gitt
- Buchkritik zu Gitts "Am Anfang war die Information"
- Englische Seite, auf der die konzeptionellen Fehler in Gitts Ansatz zur Informationstheorie aufgezeigt werden.
- Telepolis-Artikel von Klaus Schmeh mit Kritik an Aussagen von Gitt
Personendaten | |
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NAME | Gitt, Werner |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Vertreter des Kreationismus |
GEBURTSDATUM | 1937 |
GEBURTSORT | Raineck in Ostpreußen |