Kurt Gerstein
Kurt Gerstein (* 11. August 1905 in Münster (Westfalen), † 25. Juli 1945), war Mitglied des Hygieneinstituts der Waffen-SS und wurde 1942 Augenzeuge der Vorgänge und des Massenmordes an Menschen in den Vernichtungslagern Belzec und Treblinka. Hierüber fertigte er 1945 einen ausführlichen Bericht an, der als "Gerstein-Bericht" in die Geschichte eingegangen ist.
Lebenslauf
Sein erstes Studium schloss Gerstein 1931 mit dem Grad eines Diplom-Ingenieurs ab, er wurde Bergassessor im Staatsdienst der Nationalsozialistischen Regierung. Mitglied in der NSDAP war Gerstein seit 1933. Als evangelischer Jugendführer, Mitglied der Bekennenden Kirche und des CVJM sowie Mitarbeiter in Bibelkreisen kam er in Konflikt mit der religiösen Bestrebungen misstrauisch gegenüberstehenden Partei. 1936 erfolgte sein Parteiausschluss, womit auch seine Betätigung im Staatsdienst ihr Ende fand.
Im Dezember 1936 begann Gerstein sein Medizinstudium in Tübingen. Anfang 1941 meldete er sich als Freiwilliger bei der SS und trat im März 1941 in die Waffen-SS ein. Seine militärische Ausbildung erfolgte in Hamburg, Arnheim und Oranienburg. Aufgrund seiner medizinischen Kenntnisse wurde er schließlich zum Hygiene-Institut der Waffen-SS versetzt. Dort avancierte er bereits im Januar 1942 zum Chef der Abteilung Gesundheitstechnik, zuständig für den technischen Desinfektionsdienst und somit beteiligt an der Beschaffung von Zyklon B.
Im August 1942 erhielt Gerstein den Auftrag, in Belzec und in Treblinka den Massenmord an Menschen mittels Giftgas zu beobachten. Hierbei wurde er Zeuge, wie Menschen in Gaskammern mit Dieselmotorabgasen (Belzec) und mit Zyklon B (Treblinka) umgebracht wurden. Seiner späteren Darstellung zufolge sei er darüber so erschüttert gewesen, dass er auf der Zugrückfahrt von Treblinka am 20. August 1942 dem schwedischen Gesandtschaftsrat Baron von Otter seine Erlebnisse erzählt habe mit der Bitte, diese an das Ausland weiterzugeben. Auch will er einen Versuch unternommen haben, in gleicher Absicht den Apostolischen Nuntius in Berlin zu treffen, was jedoch gescheitert sei.
Nach dem Krieg geriet Gerstein in französische Gefangenschaft. Er schrieb den "Gerstein-Bericht" in dem Bewusstsein, damit ein wichtiges Zeugnis zu den Geschehnissen in den Vernichtungslagern abzugeben. Am 25. Juni 1945 erhängte Gerstein sich in seiner Zelle.
Historische Bewertung
Die Person Kurt Gerstein ist nicht unumstritten. Es gibt ein paar insbesondere aus christlichen Kreisen beförderte Darstellungen, die Gerstein (wegen des Parteiausschlussverfahrens von 1936) als "Widerstandskämpfer" glorifizieren, ihn überhöhen als "Spion Gottes", der seine Anstellung im Hygiene-Institut der Waffen-SS sowie seine Mitgliedschaft in dem Verein nur gesucht habe, um herauszufinden, was in den Konzentrations- und Vernichtungslagern vor sich geht. Unerwiesen ist auch die in dem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, Gerstein habe nach seinen Erlebnissen in Belzec und Treblinka größere Lieferungen von Zyklon-B unterdrückt, um sie dem Massenvernichtungsprogramm der Nationalsozialisten zu entziehen. Tatsache ist jedoch, dass Gerstein bis Kriegsende beim Hygiene-Institut gearbeitet hat und seine persönlichen Kenntnisse über den Menschenmord in Belzec und Treblinka vor dieser Zeit nicht an die Öffentlichkeit gedrungen sind.
Literarisch wurde die Figur des Kurt Gerstein in einer Szene des Dramas "Der Stellvertreter" (1963) von Rolf Hochhuth verarbeitet. Sehr ausführlich sticht Gerstein aber erst in der erfolgreichen Verfilmung des Werkes aus dem Jahre 2002 hervor, die ihn ganz in den Mittelpunkt des Dramas stellt.
Literatur
Sachbuch
- Joffroy, Pierre: Der Spion Gottes. Berlin: Aufbau, 2002. ISBN 3746680174.
- Hey, Bernd u.a.: Kurt Gerstein (1905 - 1945). Widerstand in SS-Uniform. Bielefeld, 2003. ISBN 3895344869.
Belletristik
- Hochhuth, Rolf: Der Stellvertreter. ISBN 3499109972. (Roman über Kurt Gerstein und die Rolle des Vatikans während des Holocaust)