Bedarfsgemeinschaft
Bedarfsgemeinschaft ist ein Begriff aus dem deutschen Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Sozialgesetzbuch II. Dem Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft liegt die Prämisse zu Grunde, dass Personen, die besondere persönliche oder verwandtschaftliche Beziehungen zueinander haben und die in einem gemeinsamen Haushalt leben, sich in Notlagen gegenseitig materiell unterstützen und ihren Lebensunterhaltsbedarf gemeinsam decken. Daraus wird gefolgert, dass Angehörige einer solchen Bedarfsgemeinschaft weniger sozialstaatliche Hilfe benötigen als Personen, die nicht in einer solchen Gemeinschaft leben.
Angehörige der Bedarfsgemeinschaft nach dem Sozialgesetzbuch II
Zur einer Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 SGB II
1. erwerbsfähige Hilfebedürftige
2. die im Haushalt lebenden Eltern oder ein im Haushalt lebender Elternteil eines unverheirateten, erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils
3. als Partner der hilfebedürftigen Person
- der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
- der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner
- eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,
4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder von den in den Nummern 1. bis 3. genannten Personen, wenn die Kinder das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können.
Nach § 7 Abs. 3a SGB II wird ein wechselseitiger Wille Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen vermutet, wenn Partner
- länger als ein Jahr zusammenleben,
- mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
- Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
- befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Eine eindeutige Willenserklärung der Mitglieder einer vermuteten Bedarfsgemeinschaft, nicht füreinander einstehen zu wollen und nicht füreinander Verantwortung zu tragen, widerlegt die Vermutung einer Bedarfsgemeinschaft.
Auswirkungen auf den Leistungsanspruch
Das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft führt dazu, dass bei der Prüfung, ob der Hilfesuchende bedürftig und damit anspruchsberechtigt ist, nicht nur dessen eigenes Einkommen und Vermögen, sondern auch das Einkommen und Vermögen der mit ihm in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen berücksichtigt wird.
Ausnahme: Nicht berücksichtigt wird Einkommen und Vermögen der Kinder bei ihren Eltern. Außerdem bleibt Einkommen und Vermögen der Eltern bei einem Kind unberücksichtigt, das bereits selber ein Kind unter 6 Jahren hat oder schwanger ist.
Alle Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft sind verpflichtet, der Behörde Auskunft über Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben. Sind die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch, kann die Bedarfsgemeinschaft aufgefordert werden, in eine kostengünstigere Wohnung umzuziehen.
Der Regelsatz zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Arbeitslosengeld II für volljährige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft, die in einer Partnerschaft miteinander leben, beträgt mit je 311,00 € nur 90 % dessen eines Alleinstehenden, der einen Regelsatz von 345,00 € beanspruchen kann.
Kritik
Kritik an dem Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft wird vor allem in Hinblick auf die Berücksichtigung des Partners der eheähnlichen Gemeinschaft geübt. Diese Lebensform fände nur Beachtung, wenn es sich nachteilig auf Sozialleistungsansprüche auswirke, dagegen blieben den Partnern der eheähnlichen Gemeinschaft Ansprüche verwehrt, bei denen es auf das Verheiratetsein ankomme, wie etwas dem steuerrechtlichen Ehegattensplitting oder dem Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente im Falle des Todes des Partners. Es sei widersprüchlich, die eheähnliche Gemeinschaft nur dann der Ehe gleichzustellen, wenn es sich nachteilig für die Partner auswirke, Vorteile dagegen mit dem Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der beiden Lebensformen zu versagen. Gewissermaßen durch die Hintertür werde eine eigene sozialrechtliche Unterhaltsverpflichtung eingeführt, die es nach Bürgerlichem Recht nicht gibt.
Eingetragene Lebenspartner sind beim Arbeitslosengeld II zwar als Bedarfsgemeinschaft Ehepartnern gleichgestellt, genießen aber umgekehrt nicht die entsprechenden Vorteile. Während einer eheähnlichen Gemeinschaft zumindest in der Theorie eine Ehe und damit unter anderem der steuerliche Vorteil des Ehegattensplittings offensteht, besteht diese Möglichkeit für eingetragene Lebenspartner erst gar nicht.
In der Kritik steht auch die Berücksichtigung volljähriger Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Auch hier werde über das bürgerlich-rechtliche Unterhaltsrecht hinaus eine faktische Unterhaltsverpflichtung eingeführt.
Die Schlechterstellung von Bedarfsgemeinschaften gegenüber Einzelpersonen untergrabe die Solidarität in gelebten Sozialbeziehungen[1]. Insgesamt stelle der durch die Bedarfsgemeinschaft entstehende faktische Zwang zu gegenseitiger Hilfe einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit dar.
Die Kritik an der Bedarfsgemeinschaft wird damit zurückgewiesen, dass Grundsicherungsleistungen gegenüber anderen Hilfen nachrangig seien und Bedarfe nur insoweit decken sollten, wie es zur Führung eines menschwürdigen und existenzgesicherten Lebens erforderlich sei. Transferleistungen innerhalb von Familien und eheähnlichen Partnerschaften seien aber faktisch gegeben. Deshalb müssten sie bei Hilfen, die die Funktion der Bedarfsdeckung haben, berücksichtigt werden. Erst die Nichtberücksichtigung der faktischen Transferleistungen führe dazu, dass Hilfeempfänger, die sonst rechtlich verpflichtet seien, sich gegenseitig zu unterstützen, ungleich behandelt und damit benachteiligt würden.
Fußnoten
- ↑ Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, Zehn Thesen zur Fortentwickling der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) vom 18. Mai 2006 http://www.dw-bonn.de/Downloads/ThesenSGBII.pdf