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Kinderkardiologie

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Die Kinderkardiologie ist ein eigenständiger Zweig der Kinderheilkunde. Die Kinderherzchirurgie ist Teil der Chirurgie, aber eng mit der Kinderkardiologie verzahnt.

Dies resultiert aus der Problematik, Fehlbildungen am kindlichen Herzen so früh wie möglich zu korrigieren bevor Folgeschäden auftreten. Daher ist eine enge Zusammenarbeit der 'erkennenden' Kinderkardiologie, den Herzkatheterlabors (die sowohl diagnostisch wie auch interventionell arbeiten) und der Kinderherzchirurgie nötig, um im Einzelfall die optimalen Therapiemöglichkeiten auszuloten. Eine frühe chirurgische Behandlung von angeborenen Herzfehlbildungen ist heute (2004) sowohl technisch (Herz-Lungen-Maschine) als auch von der Erfahrung der Chirurgen her möglich.

Angeborene Fehlbildungen des Herzens bzw. herznaher Gefäße

  • Herz allgemein:
    • Atriumseptumdefekt (=ASD) - Vorhofscheidewanddefekt mit den Ausprägungen Persistierendes Foramen ovale (= PFO), ASD II, ASD I und Sinus venosus-Defekt (Loch in der Herzscheidewand zwischen den Vorkammern)
    • Atrio-ventrikulärer Septumdefekt (=AVSD - AV-Kanal) - (Fehlbildung der Herzscheidewand auf Vorhof- und Kammerebene + Fehlbildung von Trikuspidalklappe und Mitralklappe)
    • Ebstein-Anomalie (Fehlbildung der Trikuspidalklappe zwischen rechten Vorhof und rechter Kammer mit Verlagerung der Klappenebene nach unten)
    • Fallot'sche-Tetralogie (komplexe Herzfehlbildung, bestehend aus einer Verengung der Pulmonalklappe (Pulmonalstenose), einem Ventrikelsepteumdefekt, der "übereitenden Aorta" und einer Vermehrung der Herzmuskelmasse des rechten Herzens)
    • Persistierendes Foramen ovale (=PFO) (s. auch Atriumseptumdefekt II) (Verbliebene fetale Verbindung in der Vorkammerscheidewand)
    • Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankungen)
    • Klappenstenose - Verengung einer der Herzklappen (Mitral-,Tricuspidal-, Pulmonal- bzw. Aortenklappe)
    • Lungenvenenfehlmündung
    • Pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck als Folge eines angeborenen Herzfehlers)
    • Transposition der großen Arterien (=TGA) - Lungenschlagader (Pulmonalis) und Aorta sind vertauscht an der jeweils falschen Herzkammer angeschlossen. Damit sind die normalerweise in Reihe geschalteten Kreisläufe parallel geschaltet und der Körper erhält (wenn nicht ein zusätzlicher Shunt vorliegt) ungesättigtes Blut. Ohne zusätzliche fehlbildungen oder rasche Intervention nicht überlebensfähig.
    • Truncus arteriosus communis (=TAC) (Aorta und Lungenarterie sind nicht vollständig getrennt, Aortenklappe fehlgebildet als "Truncusklappe", Ventrikelseptumdefekt)
    • Ventrikelseptumdefekt (=VSD) (Loch in der Hauptkammerscheidewand)


  • Single ventricle: mit morphologisch linkem Ventrikel, die rechte Herzkammer (Lungenkreislauf) ist nicht ausreichend ausgebildet. Dafür gibt es diverse mögliche Gründe, z.B.


  • Single ventricle: mit morphologisch rechtem Ventrikel, die linke Herzkammer (Körperkreislauf) ist nicht ausreichend ausgebildet. Dafür gibt es diverse mögliche Gründe, z.B.
    • HLHS - Hypoplastisches Linksherz-Syndrom (komplexe Herzfehlbildung, bei der sowohl die Aortenklappe als auch die Mitralklappe nicht ausgebildet/verschlossen oder hochgradig verengt sind. Die linke Herzkammer ist unterentwickelt und völlig oder weitgehend funktionslos. Auch der erste Anteil der absteigenden Aorta ist unterentwickelt.)
    • Mitral- oder Aortenklappenatresie - Nichtanlage ('Fehlen') einer Klappe des Körperkreislaufs
    • Aortenatresie - Nichtanlage der Körperschlagader
    • Double outlet right Ventricle (=DORV) - Fehlabgang der Aorta aus der rechten Kammer
    • Double inlet right Ventricle (=DIRV) - Fehlmündung der Lungenvenen in die rechte Vorkammer
    • etc.


  • Gefäß- und Klappenfehlbildungen:
    • Aortenisthmusstenose (=ISTA) (Verengung im Aortenbogen und absteigenden Anteil der Aorta)
    • Aortenstenose - Verengung/Missbildung der Aortenklappe zwischen linker Kammer und Aorta
    • Persistierender Ductus arteriosus Botalli (=PDA) (Verbliebene fetale Verbindung zwischen Lungen- und Körperschlagader)
    • Pulmonalstenose - Verengung/Missbildung der Pulmonalklappe zwischen rechter Herzkammer und Lungenschlagader



aktuelle Situation

Während in den Anfängen der modernen Kinderkardiologie den Therapien enge Grenzen gesetzt waren, ergaben sich nach 1950 verschiedene einfache OP-Techniken (z.B. Blalock-Taussig-Anastomose). Nach der Einführung von Herz-Lungen-Maschinen für Kinder ging es in großen Schritten voran, so dass seit Ende der 80er Jahre mit der Fontan-Methode sogar univentrikuläre Herzen palliativ operierbar wurden und Ross-Operation und Norwood-Operation keine Seltenheit mehr sind. Durch die Entwicklung guter Ultraschallgeräte hat sich die Diagnostik angeborener Herzfehler stark verbessert und inzwischen wird auch die Magnetresonanzthomographie (MRT) in zunehmendem Maße für die Diagnostik angeborener Herzfehler eingesetzt.

Auch die „modern“ operierten ehemaligen Kinder (jetzt 20-40 Jahre alt) werden weiterhin überwiegend von Kinderkardiologen in Herzzentren oder eigener Praxis medizinisch betreut. Kardiologen und Internisten sind aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung mit angeborenen Herzfehlern gar nicht oder kaum vertraut, so dass es zu Versorgungslücken für jugendliche und erwachsene Patienten im ambulanten Bereich kommen kann. Inzwischen finden sich aber auch zunehmend Herzzentren für angeborene Herzfehler, in denen Spezialsprechstunden für die erwachsenen Patienten mit angeborenen Herzfehlern angeboten werden.

Im experimentellem Stadium befinden sich Versuche (2004), einige Fehlanlagen des Herzens bereits im Mutterleib operativ zu beheben, um Folgeschäden zu verhindern (Beispielsweise eine Klappenatresie operativ zu öffnen, um eine Kammerhypoplasie zu vermeiden) oder auch kindliche Herzrhythmusstörungen pränatal zu behandeln.


Neben der Diagnostik und Behandlung angeborener Herzfehler beschäftigt sich die Kinderkardiologie auch mit früh erworbenen Herz- und Gefässerkrankungen sowie mit Rhythmusstörungen. Auch die Prävention späterer Herz- Kreislauferkrankungen gehört zu den Zielen.

Therapien (Auswahl)

  • interventionelle Herzkatheter:
    • Rashkind-Manöver = Ballonatrioseptostomie - Aufreißen des Vorhofseptums mittels Ballonkatheter
    • Verschluss des Atriumseptumdefektes - ein 'Doppelschirmchen' oder ein selbstzentrierendes Metallgerüst aus Nitinol (Amplatzer-System) wird durch den Katheter in das Loch eingeführt und dort entfaltet. Nach Überwachsen mit Herzinnenhaut (Endokard) ist das Loch 'dicht'. Experimentell auch beim Ventrikelseptumdefekt.
    • Verschluss des Ductus arteriosus - bei kleinem Ductus oder Ductus mit einer oder mehreren Engstellen wird von der arteriellen Seite eine (oder gegebenenfalls auch mehrere) selbstkonfigurierende Spiralen im Ductus platziert. Bei großem Ductus wird von der venösen Seite (also über die rechte Vorkammer und die Lungenschlagader) ein Drahtgeflecht aus Nitinol platziert. Nach Überwachsen der Implantate ist der Ductus verschlossen.
    • Dilatation einer Herzklappe - die stenotische (verengte) Herzklappe wird mit Hilfe eines Ballonkatheters aufgedehnt
    • Stent-Implantation - Stents sind kleine Röhrchen aus Kunststoff oder Metall, die in ein verengtes Gefäß mittels Herzkatheter eingeführt werden. Sie halten das Gefäß offen und können z. T. mit dem Wachstum des Kindes "aufdilatiert" (aufgedehnt) werden.
    • Coils - in der Regel Drahtgebilde, mit denen Gefäße mittels Herzkatheter verschlosssen werden können.
  • operativ:
    • palliativ:
      • Blalock-Taussig-Anastomose - Verbindung zwischen großer Arterie (Halsschlagader) und Lungenschlagader zur Verbesserung der Lungendurchblutung bei Rechtsherzproblemen
      • Pulmonalstenosen oder -atresie: Ersatz durch einen klappentragenden Conduit
        • Homograft/Allograft: Spenderarterie von einem anderen Menschen
        • Rinderhalsvenenklappe (Contegra-Xenograft): Entspricht morphologisch der menschlichen Pulmonalklappe, wird seit 1999 erfolgreich eingesetzt, bis 22mm Durchmesser.
      • Transposition der großen Arterien (=TGA) - Vorhofumkehr nach Senning oder Mustard, wobei der Blutstrom auf Vorhofebene in das richtige Gefäß umgeleitet wird, Operation nach Rastelli (diese drei Operationsverfahren werden heute nur noch äußerst selten und nur dann angewandt wenn ein Arterieller Switch (s. o.) nicht möglich ist. Am ehesten noch die Rastelli-Operation)
      • Glenn-Operation - Verbindung der oberen Körpervene mit den Lungenschlagadern, erster Schritt zum Fontankreislauf
      • Fontan-Operation - OP-Technik zur Kreislauftrennung, meistens in 2 Schritten: Glenn + TCPC
      • TCPC - Totale Cavo-Pulmonale Connection, vollständige Venen-Lungenarterienverbindung, nach Anschluss der unteren Körpervenen mit den Lungenschlagadern. Vervollständigung des Fontankreislaufs.
      • Norwood-Operation - OP-Technik in drei Schritten bei hypoplastischem Linksherz. Zuerst die Schaffung einer neuen Körperhauptschlagader mittels Zusammenfassung des Stamms der Lungenschlagader und der zu kleinen Körperhauptschlagader zum Einbinden der verbliebenen rechten Herzkammer in den Körperkreislauf PLUS eine Blalock-Taussig-Anastomose oder seit neuestem eine direkte Verbindung von der rechten Herzkammer zu den Lungenschlagadern (=Sano-Modifikation). Im Alter von etwa 6 Monaten folgt dann die Glenn-Operation, etwa mit 2 Jahren die TCPC.

Medikation zur Blutgerinnungshemmung (Antikoagulation)

Bei manchen Herzfehlern und insbesondere nach der Korrektur mancher Herzfehler erhalten die Patienten eine dauerhafte Gabe von blutgerinnungshemmenden Medikamenten um das Risiko von Thrombosen zu verringern. Neben der schwach wirkenden Acetylsalicylsäure (ASS) gibt es die stark wirkenden Cumarine (Marcumar, Warfarin).

Diese Medikamente müssen vor Operationen rechtzeitig abgesetzt werden, da sie bis zu 14 Tage den Organismus beeinflussen!

Als dritten Wirkstoff gibt es Heparin, das vor allem in der Klinik und intravenös gegeben wird. Es wirkt sofort mit sehr kurzer Nachwirkungszeit.

Die Dauereinnahme von Cumarinen (Marcumar oder Warfarin) bedarf einer regelmäßigen Blut-Kontrolle, die der Patient oder seine Eltern in der Regel selber durchführen können. Der Blutgerinnungsstatus, der nach dem vermehrten Verzehr von Vitamin K-haltigen Nahrungsmitteln oder möglicherweise infolge von Infekten schwanken kann, muss dann durch eine Anspasssung der Medikamenten-Dosis ausgeglichen werden. Dieses "Problem" besteht bei der Gabe von ASS und Heparin nicht.