Bahnstrecke Ribeauvillé-Gare–Ribeauvillé-Ville
Ribeauvillé-Gare–Ribeauvillé-Ville | |||||||||||||||||||||||||||||
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![]() Stadt-Bahnhof Ribeauvillé / Rappoltsweiler | |||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 3,8 km | ||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1000 / 1435 mm | ||||||||||||||||||||||||||||
Maximale Neigung: | 40 ‰ | ||||||||||||||||||||||||||||
Minimaler Radius: | 50 m | ||||||||||||||||||||||||||||
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Die Bahnstrecke Ribeauvillé-Gare–Ribeauvillé-Ville (Rappoltsweiler-Reichsbahnhof–Rappoltsweiler-Stadtbahnhof[4]) war eine 3,8 Kilometer lange Bahnstrecke, die den Bahnhof Ribeauvillé-Gare an der Bahnstrecke Strasbourg–Basel mit dem stadtnahen Bahnhof Ribeauvillé-Ville verband.
Geografische Situation
Die Bahnstrecke verband die wirtschaftlich sehr aktive Gemeinde Ribeauvillé mit deren an der Strecke Strasbourg–Basel, aber weit vom Ortskern gelegenen Bahnhof. Die Strecke Strasbourg–Basel wurde 1841 eröffnet. Die „abseitige“ Lage von Ribeauvillé zur Eisenbahn drohte, die Gemeinde ins wirtschaftliche Abseits zu drängen. Da die Gemeinde Ribeauvillé aber nie über 5000 Einwohner anwuchs, war das für die Compagnie du chemin de fer de Strasbourg à Bâle und in deren Nachfolge ab 1854 für die Compagnie des Chemins de fer de l’Est (EST) wirtschaftlich nicht interessant. Deshalb entstanden in Ribeauvillé Überlegungen, diese „Versorgungslücke“ mit einer eigenen Eisenbahn zu überbrücken.[3]
Der Bahnhof von Ribeauvillé-Gare an der Strecke Strasbourg–Basel lag kilometerweit östlich des Ortskerns von Ribeauvillé auf dem Gebiet der Gemeinde Guémar. Der Bahnhof in Rappoltsweiler lag dann am damaligen Rand der Bebauung von Rappoltsweiler.[3]
Nach der Eröffnung galt die Strecke galt als „kleinste“ (kürzeste) Eisenbahn Deutschlands.[5]
Geschichte
Schmalspur
Planungen für die Strecke gab es ab 1869. Bevor die sich aber konkretisierten, wurden sie durch den Deutsch-Französischen Krieg zunichte gemacht. Es dauerte dann bis 1878, als der Straßburger Ingenieur Hager an die Gemeinde herantrat, und das Bahnprojekt vorstellte. Am 27. Februar 1878 stimmte die Gemeinde zu, Hager[3] oder die Gemeinde[4] traten als Konzessionsnehmer auf und die staatliche Genehmigung erfolgte am 12. Juni 1878. Kurz zuvor übernahm die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) die Konzession.[3][4] Die Konzession lief ursprünglich bis 1929.[3] Für den Betrieb der Rappoltsweiler Bahn gründete die SLM< oder lokale Interessenten[4] eine eigene Gesellschaft, die Rappoltsweiler Straßenbahn-Gesellschaft (RSB).[3] Von 1883 bis 1889 betrieb die RSB auch die Bahnstrecke Lutzelbourg–Drulingen.
Die eingleisige Strecke ging am 24. Juli 1879 oder 4. August 1879 für den Personen- und Ende Juli oder am 1. Oktober 1879 auch für den Güterverkehr in Betrieb. Sie war als Schmalspurbahn in Meterspur ausgelegt.[4][3]
Die Bahn hatte – mit Schwankungen – jährliche Einnahmen von etwa 40.000 Mark. Das war offensichtlich nicht ausreichend: Ab 1890 häuften sich die Betriebsstörungen und am 16. Mai 1893 untersagte die Aufsichtsbehörde wegen Sicherheitsbedenken sogar den Betrieb.[3] Grund dafür war auch die leichte Konstruktion des Oberbaus, die doch recht starke Belastung durch den Verkehr mit den Rollwagen und der nicht ausreichende Unterhalt der Anlage.[4] Der Betrieb konnte zwar für den Personenverkehr am 22. Mai 1893 wieder aufgenommen werden, aber schon einen Monat später wurde der Betriebsleiter wegen ungerechtfertigter Abwesenheit entlassen und durch den Direktor des Gaswerks (!) ersetzt. In dieser Situation übernahm die Gemeinde einen weiteren Monat später den Betrieb. Das übernommene Defizit und der Investitionsstau betrugen etwa 110.000 Mark.[3] Im Oktober 1893 waren nach einem Zusammenstoß zweier Züge und einer weiteren Entgleisung nur noch eine Lokomotive und nur noch ein Teil der Wagen einsatzbereit. Außerdem gab es nur noch einen Lokführer, der den gesamten Verkehr zwischen 5:30 und 23:30 fahren sollte. Daraufhin wurde der Betrieb erneut eingestellt und der öffentliche Verkehr offiziell am 6. April 1894 aufgegeben, die Anlage aber zum Bau der Nachfolgestrecke noch genutzt.[3][4]
Normalspur
Mittlerweile hatte sich der Landesausschuss hinter einen Neubau der Strecke in Normalspur gestellt, woraufhin Banken entsprechende Kredite gewährten. Mit dem Neubau beauftragt wurde die Elsässische Maschinenbau-Gesellschaft Grafenstaden (EMBG). Die Strecke in Normalspur verlief südlich der Straße nach Rappoltsweiler und wahrte 6,50 m Abstand zu deren Alleebäumen. Die Gleisanlagen in Rappoltsweiler wurden, ebenso wie alle Hochbauten der Bahn, neu errichtet. Auch der Bahnhof Rappoltstein an der Hauptstrecke musste baulich angepasst werden. Anlässlich des Neubaus in Normalspur wurde die Konzession bis 1959 verlängert. Bereits im September 1894 war der Oberbau fertiggestellt, aber noch keine Lokomotive geliefert. So konnte der Betrieb erst im Dezember 1894 aufgenommen werden.[3]
Mit der Rückkehr des Elsass nach Frankreich 1918 wurden alle Eisenbahnen unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt, die Bahn Ribeauvillé-Gare–Ribeauvillé-Ville schließlich 1923 dem Département Haut-Rhin übereignet. Für den Betrieb der Strecke wurde die Société du Tramway de Ribeauvillé (TR) gegründet.[4] 1934 wurde direkter Omnibusverkehr von Ribeauvillé in benachbarte Zentren eingeführt, vor allem nach Colmar. Das führte zu einem drastischen Einbruch der Einnahmen, der Bahnbetrieb war plötzlich defizitär[3] und die TR geriet in finanzielle Schwierigkeiten, so dass 1937 die Gemeinde den Betrieb wieder übernahm.[4] Sie versuchte, die Bahn zu veräußern, fand aber keinen Kaufinteressenten, auch die benachbarte Staatsbahn, die Administration des chemins de fer d'Alsace et de Lorraine (AL), war nicht bereit, sich zu engagieren. 1937 waren dann beide Lokomotiven ausgefallen und der Betrieb konnte nur noch mit einer von der AL gemieteten Maschine aufrechterhalten werden. Die Miete betrug 275 Francs pro Tag. Um den Betrieb zu sanieren, wäre eine Investition von etwa 1 Mio. Francs erforderlich gewesen. Das zu leisten, war die Stadt nicht in der Lage. Der letzte planmäßige Zug fuhr Ende 1937. Ab dem 1. Januar 1938 wurde der Verkehr durch Busse ersetzt. Im ersten Halbjahr 1938 verkehrten noch einige Sonderzüge mit von der AL geliehenen Fahrzeugen, der letzte am 9. Juli 1938.[4] Die Bahn wurde anschließend stillgelegt.[6]
Streckenführung und Infrastruktur
Die Strecke folgte dem Verlauf der Straße, die die Gemeinde Rappoltsweiler und ihren Bahnhof verband. Das Gleis war am Straßenrand verlegt. Die Strecke wies neben den beiden Endbahnhöfen einige Unterwegs-Haltepunkte auf, darunter einen mit der Bezeichnung Steinerna Kriz. Der „Stadtbahnhof“ hatte ein Empfangsgebäude, eine Güterabfertigung und ein kleines Bahnbetriebswerk.[1] Eine Besonderheit war, dass es im Bahnhof von Rappoltsweiler (Ort) von Anfang an zwei Gleise in Normalspur gab. Dort konnten entsprechende Güterwagen, die auf Rollwagen hierher gebracht worden waren, abgestellt werden, während die Rollwagen erneut eingesetzt werden konnten.[3]
Betrieb
Schmalspur 1879–1894
Der Fahrplan war so ausgelegt, das zu jedem Zug, der auf der Hauptstrecke verkehrte und im Bahnhof Ribeauvillé-Gare hielt, ein Zug aus dem Ort zur Staatsbahnstrecke verkehrte, der dann auf der Rückfahrt auch die ankommenden Reisenden nach Ribeauvillé brachte. Die Züge waren immer nur mit einem Mann auf der Lokomotive und einem Schaffner besetzt.[1] Die Fahrzeit betrug etwa 15 Minuten. Insgesamt beschäftigte die Bahn 13 Personen im Betrieb, weitere in der Verwaltung.[3]
Auch Güterverkehr wurde angeboten. Eine Innovation bei Aufnahme des Betriebs war der Rollwagen-Verkehr, bei dem normalspurige Güterwagen auf flache, schmalspurige Fahrzeuge aufgebockt und über die Schmalspurbahn bis in den Ort transportiert wurden.[1] Im Güterverkehr wurde Holz, Mineralwasser, Textilien und Leder abgefahren und vor allem Steinkohle angeliefert.[4]
Normalspur 1894–1938
Bereits im September 1894 war der Oberbau fertiggestellt, aber noch keine Lokomotive geliefert. So konnte der Betrieb erst im Dezember 1894 aufgenommen werden. Fahrzeuge konnten nun von der Hauptstrecke direkt in die Bahnstrecke Ribeauvillé–Ribeauvillé-Gare einfahren. So benötigte die Bahn auch keine eigenen Güterwagen mehr. Insgesamt beschäftigte die Bahn nun 19 Personen im Betrieb, weitere vier in der Verwaltung. Die Fahrzeit änderte sich gegenüber der Schmalspurbahn nicht und betrug weiter 15 Minuten.[3]
1932 wurden 32.850 km Strecke zurückgelegt, 170.838 Reisende gezählt, 19.048 t Güter transportiert, 349.081 Francs eingenommen und die Ausgaben betrugen 346.101 Francs.[3]
Fahrzeuge
Schmalspurfahrzeuge

- 3 Dampflokomotiven des Typs Bt (0-4-0T) mit je neun Tonnen Leergewicht, gebaut von der SLM.[3] Alle anderen Fahrzeuge stammten der Schweizer Firma SIG Neuhausen[1][4]:
- 4 Reisezugwagen (Durchgangswagen mit Endplattform), mit vierzehn Sitz- und zwölf Stehplätzen,
- 5 Güterwagen,
- 4 Rollwagen,
- 1 gemischter Gepäck- und Postwagen.[3]
Normalspurfahrzeuge
Die EMBG lieferte die beiden Lokomotiven, wiederum 0-4-0T. Die erste erhielt den Namen Rappoltstein (Fabriknummer 590), die zweite Taennschel (Fabriknummer 591). An Personenwagen wurden zweiachsige Plattformwagen von 9,70 m Länge beschafft[3][4]:
- 1 Wagen 2./3. Klasse mit Ofenheizung,
- 2 Wagen 3. Klasse ohne Ofenheizung,
- 2 Sommerwagen,
- 1 gemischter Gepäck- und Postwagen,
- 1 Güterwagen für Bahndienstzwecke
Güterwagen wurden keine beschafft, sondern die genutzt, die die benachbarten Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen (EL), später die AL bereitstellten. Bei Verkehrsspitzen wurden auch Personenwagen von der EL angemietet.[3]
Wissenswert
In der Literatur findet sich die Feststellung, dass die Bahn, als Straßenbahn-Betrieb betrachtet, die älteste deutsche Schmalspur-Straßenbahn gewesen sei, zeitnah gefolgt von der Straßenbahn Braunschweig in 1100 mm Spurweite.[7] Dabei handelt es sich aber wohl um einen Übersetzungsfehler, da im Französischen der Begriff „tramway“, der auch für die Bahn Ribeauvillé-Gare–Ribeauvillé-Ville verwendet wird, sowohl „Straßenbahn“ als auch „Kleinbahn“ bedeuten kann.
Literatur
- Jacques Chapuis: Le tramway de Ribeauvillé. In: Fédération des amis des chemins de fer secondaires (Hg.): Chemins de fer régionaux et urbains 240 (1993), S. 3–8.
- Henri Domengie und José Banaudo: Les petits trains de jadis. Les éditions du Cabr, Breil-sur-Roya [1995]. ISBN 2-908816-36-9, S. 139–143.
- Eisenbahnatlas Frankreich. Bd. 1: Nord – Atlas ferroviaire de la France. Tome 1: Nord. Schweers + Wall, Aachen 2015. ISBN 978-3-89494-143-7, Taf. 55, B2.
- Henri Spenlinhauer, A. Findeli, R. Rinckenbach: Les heurs et les malheurs du tramway de Ribeauvillé. In: Bulletin du Cercle de recherches historiques de Ribeauvillé et environs 4 (1988).
Weblinks
- Liste des chemins de fer secondaires – Rhin (Haut) (68) , hier: Rappoltsweiler Strassenbahn Aktiengesellschaft (RSB). In: FACS – Patrimoine Ferroviaire; abgerufen am 12. März 2022.
- Transport des wagons de la voie normale sur la voie étroite. In: Annales industrielles. Paris, 1880, S. 73–74; abgerufen am 12. März 2022.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Transport des wagons de la voie normale sur la voie étroite. In: Annales industrielles. Paris, 1880, S. 73–74
- ↑ Eisenbahnatlas Frankreich. Bd. 1: Nord – Atlas ferroviaire de la France. Tome 1: Nord. Schweers + Wall, Aachen 2015. ISBN 978-3-89494-143-7, Taf. 55, B2
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u Jacques Chapuis: Le tramway de Ribeauvillé. In: Fédération des amis des chemins de fer secondaires (Hg.): Chemins de fer régionaux et urbains 240 (1993), S. 3–8.
- ↑ a b c d e f g h i j k l m Henri Domengie und José Banaudo: Les petits trains de l’Est. Les éditions du Cabr, Breil-sur-Roya [1995]. ISBN 2-908816-36-9, S. 139–143.
- ↑ Victor von Röll: Deutsche Eisenbahnen. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2., vollständig neu bearbeitete Auflage 1912–1923 in 10 Bänden. Urban & Schwarzenberg, Berlin/Wien 1912–1923, S. 286ff. (302).
- ↑ Liste des chemins de fer secondaires – Rhin (Haut) (68) , hier: Rappoltsweiler Strassenbahn Aktiengesellschaft (RSB). In: FACS – Patrimoine Ferroviaire.
- ↑ Wolfgang Hendlmeier und Rainer Slotta: Der städtische Nahverkehr. In: Eisenbahn und Denkmalpflege II. Zweites Symposium, Eine Tagung des Deutschen Nationalkomitees von Icomos, Frankfurt am Main, 2. bis 4. April 1992 = Hefte des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz IX. Karl M. Lipp, München 1993, S. 28–34 (30).