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Walter Gotschke

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Walter Gotschke (* 14. Oktober 1912 in Bennisch; † 28. August 2000 in Rangendingen) war ein deutscher Grafiker, Pressezeichner und Automobil-Illustrator, der weltweit berühmt wurde durch seine Grand-Prix-Rennillustrationen.


Leben

Die ersten Jahre

Walter Gotschke wurde 1912 als fünftes Kind eines Huf- und Wagenschmieds in Bennisch, Kreis Freudenthal, im damals Österreichisch-Schlesien geboren. Soweit er zurück denken konnte, hatte er immer wie besessen gezeichnet. Seine anfängliche zeichnerische Liebe zu den Tieren seiner ländlichen Umgebung wurde 1922 von Skizzen und Zeichnungen des Autos abgelöst. Alles rein spielerisch, ohne die Verfolgung eines Zwecks, aus reiner Neugier und Faszination an der neu auftauchenden Technik, dem Automobil. Es gab ja nur wenige damals. In Bennisch eins, später ein zweites, ein drittes... Oft wartete er außerorts an der Landstraße, während er am Wegrain die Ziege hütete, sehnsüchtig auf eine Staubwolke weit drüben am Waldrand. Das Zeichen, dass ein Auto nahte. Wenn dann ein besonderes daherkam, ein sehr gepflegtes, Chrom und Lack blitzten nur so, mit Chauffeur und Herrschaften an Bord, zweiter Windschutzscheibe und Drahtspeichenrädern, lief er nach Hause, um es frisch aus dem Gedächtnis zeichnen. Bis zu seinem Studium in der großen Stadt mit ihrem unentgeltlichen Zeitschriftenangebot in den Cafehäusern hatte er keine Abbildung eines Automobils gesehen, erst hier erfuhr er ihre Namen.

Zwischen 1928 und 1932 studierte er Architektur, Hochbau und Ingenieurwissenschaften an der Baufachschule/Bautechnik in Brünn (Brno) -- aus Verlegenheit, auf der Suche nach einem zeichnerischen Beruf.

1930 gewann er den vom tschechischen Automobilclub ausgeschriebenen Plakatwettbewerb für den vor den Toren Brünns zum zweiten Mal stattfindenden Masaryk-Grand Prix. Jetzt trug er die Clubbinde, mit der er überall Zutritt hatte. Jetzt konnte er die gesamte Rennprominenz aus nächster Nähe beobachten, ihre Rennwagen aus nächster Nähe betrachten. Für Walter Gotschke ein visuelles Abenteuer ohnegleichen. Und dies bis 1937 Jahr für Jahr. Am Ende hatte sich der ganze Modellwechsel zweier Epochen fest in sein Gedächtnis gebrannt, auch kannte er Körperhaltung und Fahrstil eines jeden Rennfahrers ganz genau.

Obwohl die Brünner Rennjahre für ihn fast schicksalhafte Bedeutung hatten, waren sie vorerst nur Erlebnis, mit gelegentlichen kleinen Veröffentlichungen seiner Rennskizzen in der Tageszeitung. Über zwei Jahrzehnte später erst sollten sie und die ganze Materie ihren künstlerischen Niederschlag finden. Vorerst hatte Gebrauchsgrafik Vorrang als soziales und fachliches Fundament. Auch brannte ihm die Dringlichkeit, für seinen Unterhalt selbst aufzukommen, unter den Nägeln. Zwei Jahre zuvor war urplötzlich sein noch junger Vater gestorben und seither wurde er von Mäzenen seiner Heimatstadt Bennisch, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, unbemittelten, aber begabten Jungen zu helfen, unterstützt.[1] 1933 nach Abschluss seines Hochbau-Studiums machte sich Walter Gotschke in Brünn als Werbegrafiker selbstständig.[2] Einer seiner Hauptkunden war Baťa-Reifen, sein 'Entdecker' und Förderer Meister Rudolf Kohl, ein weit über die Stadtgrenzen Brünns hinaus bekannter Inhaber einer Feinbuchbinderwerkstätte.

In seinem, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Zerfall des Kaisertums Österreich-Ungarn 1918, zu Deutschösterreich mutierten Heimatlandes, das ein Jahr später schon gegen den Willen seiner deutschen Bevölkerung in die 1918 neu gegründete Tschechoslowakei eingegliedert worden war, war die politische Lage für die Deutschen inzwischen immer unerträglicher geworden und die wachsenden Autonomiebestrebungen der Sudetendeutschen machten die internen Spannungen immer brisanter. Im März 1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs, war die Sudetenfrage der Brennpunkt der europäischen Politik.

Genau zu dem Zeitpunkt, im April, „flüchtete“ Walter Gotschke aus der Tschechoslowakei (als jetzt tschechischer Staatsbürger wäre er bei einer Mobilmachung zur tschechischen Armee einberufen worden) ins Deutsche Reich, unternahm eine Berufs-Orientierungs-Rundreise und noch vor der Besetzung durch die deutschen Truppen Anfang Oktober, landete er am 1. Juni 1938 mit einem Monatsgehalt von 300 RM in der Werbeabteilung[3] von Daimler-Benz in Stuttgart, dem Ziel seiner heimlichen Träume. Sein Aufgabengebiet umfasste Technische Zeichnungen, Prospekte und Anzeigen für Flug- und Schiffsmotoren. Nach Feierabend entstanden, zuerst in seinem Hotelzimmer, dann in seiner kleinen Wohnung, die heute von Automobiliasammlern sehr begehrten Mercedes-Benz Siegerplakate. Es waren die siegreichen Jahre der Silberpfeile.[4] Ende 1939 heiratete er die Professorentochter Erika Krohmer (geb. 18. Juli 1915) aus Brünn, die er zu sich nach Deutschland holte. 1940 gewann er den firmeninternen Kalenderwettbewerb, wobei er bei der Ausführung desselben mit Gouachefarben (jede Seite war ein gemaltes Motiv) zu seiner Maltechnik fand, die er bis an das Ende seines produktiven Lebens beibehielt.

Kriegsjahre

Nach 1940 wurde durch die Kriegsereignisse die Werbetätigkeit bei Daimler-Benz gedrosselt, bei Walter Gotschke weitete sich sein Betätigungsfeld in kriegspropagandistische Verlagsbereiche aus, so dass er sich Anfang März 1941 wiederum selbstständig machte. Prompt wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen, wo er vom Juli bis Oktober 1941 als Sonderführer der Propaganda-Kompanie im Auftrag der Zeitschrift 'Signal' im Osten ein Panzerregiment bis nach Stalingrad begleitete (Unternehmen Barbarossa), um zeichnerisch darüber zu berichten. Damals glaubte man noch an einen kurzen schnellen Sieg der Deutschen Armee über die Russische. 1942 erhielt er den Karl-Schnebel-Preis für die beste Kriegs-Pressezeichnung des Jahres.

Nachdem seine Ostfrontberichte längst ihren Weg durch die Presse genommen hatten, stand Walter Gotschke Ende 1942 qualm- und rauchumhüllt im Kriegshafen von Toulon in Südfrankreich und zeichnete die brennenden und explodierenden Schiffe, die die Franzosen selbst zerstörten, damit sie nicht in deutsche Hände fielen (Operation Lila). Sein zeichnerischer Auftrag führte ihn Anfang 1943 die ganze Mittelmeerküste entlang, so unter anderem nach Marseille, wo er neben der Demontage der französischen Flotte auch die „Säuberung der Altstadt“ unter seinen Zeichenstift bekam. Gemessen am Osteinsatz war dieser Beobachtungsposten in Südfrankreich relativ ungefährlich, so dass die Soldaten Ausflüge in die nähere Umgebung unternehmen durften, die Côte d'Azur entlang bis Nizza.

Der Geburtstag des Führers am 20. April jeden Jahres, war immer ein besonders festlicher Tag. So auch im Jahre 1943. Gemeinsam mit dem OKH war der A. Daehler-Verlag in Berlin auf die Idee gekommen, in einer Mappe einige der besten Gotschke-Originalzeichnungen vom Russlandfeldzug dem Führer zu überreichen. „Wo ist der Künstler?“ entfuhr es Hitler. Daran hatte natürlich niemand gedacht – aber sofort wurde eine Depesche losgeschickt und Walter Gotschke zurückgeordert.

Die sich verschärfenden kriegerischen Ereignisse verhinderten ein Treffen mit dem Führer. Er wurde von Generaloberst Guderian empfangen und gleich dabehalten, wo er auf den Panzertruppenschulen ein neues Betätigungsfeld erhielt.

Seine Frau Erika hatte inzwischen am 27. Juli 1943 Stuttgart, als besonders luftgefährdetes Gebiet, verlassen und mit den Kindern Karin (geb. 8. September 1941) und Ulricke (geb. -.Januar.43) zu ihren Verwandten nach Karlsthal (Sudetengau) reisen dürfen, wo sie ab Oktober vom Landkreis Freudenthal einen Räumungs-Familienunterhalt von monatlich RM 447,70 erhielt. Im Winter 1944 starben hier die Kinder an einer Rauchvergiftung, als eines Abends im Schlafzimmer hinter dem Kaminofen zum Trocknen aufgeschichtetes feuchtes Holz zu schwelen begann. Ende Januar 1945 erhielt sie die Erlaubnis zu ihrem Mann in die Kaserne nach Potsdam-Krampnitz zu fahren.

Kurz nach ihrer Ankunft wurde Walter Gotschkes Einheit nach dem Süden verlegt, nach Landeck. Es war eine abenteuerliche Reise durch zerbombtes Gebiet, in Lastautos mit Plane, zu Fuß des Nachts und -ab Bamberg- mit dem Zug. Seine Frau Erika immer dabei, unauffällig, von den Soldaten verdeckt, unter den Sitzen versteckt -

Ende März passierten von Bayern her französische und amerikanische Truppen die Grenzen zum Vorarlberg und Tirol. In Landeck erfuhren die in Hotels untergebrachten Soldaten vom Tode Roosevelts und dass Hitler gefallen sei -- sie wussten, der Krieg ist verloren und warteten nur noch auf ihre Gefangennahme. Erika Gotschke machte sich auf die Suche nach einer Unterkunft, in der sie und ihr Mann sich später wiedertreffen könnten. Diese Unterkunft fand sie auf der Wand oberhalb des 30 Kilometer entfernt liegenden Dorfes Pfunds.

Nach einem Besuch bei seiner Frau blieb Walter Gotschke einfach da, desertierte sozusagen, meldete sich aber später bei einer schwäbischen Infanterie-Einheit, die in Pfunds stationierte. Er half den Bauern den Lawinenschutt wegräumen und hütete ihre Kühe. Seine ersten Kuh- und Bergskizzen entstanden, die später in der Tiroler Tageszeitung veröffentlicht wurden. Vorerst ging es noch nach Bayern in die amerikanische Gefangenschaft.[5] Als versprengter Truppenteil wurde er der durchziehenden, auf dem Rückzug befindlichen, Italienarmee zugeschlagen. Nach kurzer Einquartierung in die Scheune eines Bauernhauses durfte er als heimatloser Volksdeutscher aus der Tschechoslowakei nach Tirol zurückkehren, wo er seine Tätigkeit als Kuhhirte wieder aufnahm.

Der Auto-Autodidakt

Ab Sommer 1945 begann für Walter Gotschke das Leben neu. Wieder kamen die Tiere des ländlichen Alltags unter seinen Zeichenstift, durch Illustrationen in Zeitschriften begann er bekannt zu werden und bekam Aufträge als Grafiker bei Firmen und Verlagen. Er begegnete Matejko und Stuck und Porsche. Der Cisitalia kam unter seinen Pinsel und der erste Porsche aus Gmünd. Sein Kundenweg führte ihn von Innsbruck bis Bregenz. Und da begegneten ihm zum ersten Mal die „Amerikaner“, die Buick, die Cadillac und Dodge[6]. Im Rinnstein ist er gelegen, um sie sich von allen Seiten genau anzusehen. Ein neues Element war in sein Leben getreten: das des Autostylings, das ihn jahrzehntelang beschäftigen sollte.

Von der Wand war er längst weg, bewohnte ein kleines Atelier im Stubaital, seine Frau hatte ihm Renata Angelica, das „wiedergeborene Engelchen“ (geb. 19. Februar 1946) geschenkt, als Daimler-Benz ihn 1949 wiederfand und nach Stuttgart rief. Er war jetzt 37 Jahre alt und wähnte sich zum ersten Mal in seinem Leben sesshaft. Die Straßen zwischen den Ruinen waren leer und die wenigen Autos erweckten die selben Sehnsüchte wie in dem 12jährigen Jungen 25 Jahre zuvor. Aber diesmal war Walter Gotschke zeichnerisch gerüstet und konnte eine atemberaubende Produktivität entfalten. Seine Mercedes-Kataloge der ersten 50er Jahre erzielen heute bei Auktionen Preise, wie man sie nur von Kunstbüchern kennt.

Die wenigen Menschen, die der Krieg verschont hatte, fanden wieder zusammen. Walter Gotschke traf den Rennsportfotografen Corrado Millanta und den Redakteur Heinz-Ulrich Wieselmann, beide Mitarbeiter der Zeitschrift 'das Auto', (später 'das Auto Motor und Sport'). Wie schon in Österreich bei dem Autofachmagazin 'Austro Motor' zierten jetzt Gotschke-Gemälde und -Zeichnungen Titelseiten. Doch nicht nur das. Initiiert durch hitzige abendliche Diskussionen bei den Wieselmanns erschien 1951 Walter Gotschkes Artikel 'Automobilarchitektur - Eine fast zu späte Betrachtung der Formprobleme im Automobilbau', dessen Inhalt bis Ende der 50er Jahre in heftigen Kontroversen mit der Leserschaft in dieser Zeitschrift ausgetragen wurde und bis in die Autodesignstudios Amerikas hinüberschwappte. Dieser eigentlich ganz allgemein-sachliche Artikel pikierte den Vorsitzenden des Vorstandes der Daimler Benz AG Dr. Ing. Wilhelm Haspel, der die Einstellung seiner Firma an der Formgebung in der Öffentlichkeit kritisiert fand, derart, dass daraufhin Walter Gotschke von DB die Aufträge entzogen wurden.[7]

Im durch den Krieg zerstörten Stuttgart war Wohnraum knapp. Bis in die 60er Jahre hinein war eine Mietwohnung (außer durch Beziehungen und Fördermaßnahmen) nur zu bekommen, mit Leistung eines verloren Baukostenzuschusses. Walter Gotschke war der Zuzug nach Deutschland nur unter Nachweis einer Wohnung gestattet worden, so hatte er die Verpflichtung eines sehr hohen Baukostenzuschusses zur Herrichtung eines zerbombten Zweifamilienhauses auf sich genommen. Außerdem war er frischer Führerscheininhaber und Autobesitzer, und die Wechsel für seinen Mercedes 170 D mussten pünktlich beglichen werden. Walter Gotschke war von einer sicheren finanziellen Basis durch Aufträge von Daimler-Benz ausgegangen, die ihm jetzt schlagartig entzogen waren.

Aber der wirtschaftliche Aufschwung in den ersten Nachkriegsjahrzehnten bescherte ihm bald neue Aufträge. 1952 meldete sich Ford Deutschland, die für das neukonzipierte Taunus M-Modell einen Illustrator ihrer Werbemittel suchten. Fallweise arbeitete er außerdem für Schenk-Anhänger, MAN, Klöckner-Humboldt-Deutz, Kässbohrer, Shell, Maybach, Goodyear, Gulf Benzol, Austin, Ford England, Fiat, Nissan, Marwitz-Brillen, Volkswagen, Clymer Publications...[8] Das was damals entstand, sind heute kleine Zeitdokumente. Das Auto wurde als Begleiter des Menschen bei der Arbeit oder in der Freizeit dargestellt, es wurde in eine Beziehung gesetzt zum Menschen, zur Landschaft, zur Architektur. Seine Bilder leben, sie sprühen vor Lebenslust.

An Wochenenden freute sich Walter Gotschke immer auf Regentage - die erlaubten ihm, wieder Autos zu zeichnen: aus dem Gedächtnis heraus holte er jene Rennen aufs Papier, die ihn als jungen Menschen faszinierten – und jetzt, mit dem inzwischen erworbenen zeichnerischen Können, gehorchten ihm Pinsel und Farbe. Soweit es seine Termine erlaubten, besuchte Walter Gotschke Automobil-Rennen, denen er dann auch Regenwochenenden widmete. Aus diesem Hobby ging – nachdem ab Mitte 1960 in der Werbung die Zeichnung der Fotografie weichen musste – sein letzter „Beruf“[9] hervor, wo Aktuelles und Historisches bis zu den Anfängen des Automobilsports unter seiner Hand lebendig wurde und in Magazinen wie Motor-Revue, ams, Sports-Illustrated, Quatroruote, Road&Track, Automobile Quarterly... in die Welt hinausgetragen wurde.

Das Verlagshonorar aber war nicht vergleichbar mit seinen Einnahmen durch Werbeaufträge, so dass seine Frau Erika, nach langen Jahren des Hausherrinnen-Daseins, 1965 beschloss, mit ihrer noch 1940 erworbenen Abschlussprüfung als Lehrerin für das Lehramt an höheren Schulen, die finanzielle Lebensbasis der Familie zu sichern: das Haus mit dem hohen verlorenen Baukostenzuschuss war inzwischen erworben worden und musste abgezahlt werden, und die Kinder Angelica und Wolfgang (am 17. Februar 1955 hatte sie Ihrem Mann noch einen Sohn geschenkt) waren in Ausbildung...

1976 starb Erika Gotschke an Magenkrebs, den man lange nicht erkannte, und als er diagnostiziert wurde, waren es nur noch wenige Monate bis zu ihrem Tod. Für Walter Gotschke ein nicht geringer Schock. Tochter Angelica lebte verheiratet in Norddeutschland und Sohn Wolfgang war auf dem Wege zu seinem Studium ins Art Center nach Pasadena/USA. Plötzlich stand Walter Gotschke ganz alleine da. Zum ersten Mal erntete er die Pflaumen seines Gartens und brachte sie zum Schnapsbrenner. Er intensivierte die Hundespaziergänge mit seiner Nichte Gerhild, mit der schon immer regen Kontakt hatte und der er Anfang der 70er Jahre neben seiner Frau auf dem Stuttgart-Bild ein Denkmal setzte. Nach und nach schlüpfte Gerhild in die Rolle seiner verstorbenen Frau: Sie begleitete ihn zu seinen Auftraggebern, nahm ihm die Korrespondenz ab und erledigte seine Büroarbeiten.

1981 heirateten sie. Walter Gotschke fühlte sich geborgen und das Auto ergriff wieder Besitz von ihm. Zu seinen publizistischen Arbeiten traten jetzt verstärkt auch Ausstellungen, er wurde Mitglied der Automotive Fine Art Society in den USA (AFAS), die ersten Autokunstsammler meldeten sich. Wieder war Walter Gotschke war in seinem Element. Für die verschiedensten Anlässe lebte unter seinem Pinsel das Renngeschehen erneut auf, bis ihn 1984 auf der Höhe seines Schaffens das Schicksal ereilte. Gerade vom Dallas Grand Prix zurück und im Begriff eine Publikation 'Hundert Jahre Mercedes' abzuschließen, begannen Sehstörungen sein rechtes Auge zu irritieren. Das linke war schon vor Jahren durch einen leichten Schlaganfall erblindet. Das folgende Jahr verbrachte er fast ganz in Kliniken, wo man sein Augenlicht nicht retten konnte.

Anfang 1990 zog er mit seiner Frau aufs Land, wo er nach einem trotz allem glücklichen Lebensabend am 28. August 2000 starb. Aus ländlicher Stille kommend, in die er im Alter wieder zurückkehrte, und wo es damals zu seiner Zeit mit Autos nicht weit her war, hatte er sich ausgerechnet mit dem Auto einen Traumberuf geschaffen.

Zitate

  1. Da hatten wir überhaupt keine Existenz mehr - - mein ältester Bruder, der Erbe, die Hoffnung - - , die Hoffnung - - , war ja schon weg. Gefallen noch kurz vor Ende des 1. Weltkriegs. Also wenn ich daran denke, an die ganze Kindheit und Jugend, da graust's mir ja dermaßen. Diese Armut und Unwissenheit. Da wunder' ich mich nur, dass ich überhaupt was geworden bin.
  2. Ich arbeitete keinen einzigen Tag in meinem erlernten Beruf - ich hatte nur Zeichnen im Kopf.“; „In der Familie galt er ja als verrückt. Da hat man ihm dieses Studium ermöglicht, und dann schmiss er alles hin. Und am Ende heiratete er noch eine Professorentochter!“ (seine Nichte Trude)
  3. Ja und dann bin ich natürlich jetzt täglich ins Büro gegangen, in die Werbezentrale. Und da war gar kein Platz für mich. Da hab' ich mich an so einen Ablagetisch gesetzt. Im Hotel hab' ich die Plakate gemacht... Und dann habe ich einen Antrag gestellt, dass ich ein Zimmer bekäme, einen Arbeitstisch und eine Staffelei. Das ist dann in der Firmentischlerei angefertigt worden. Oih je, das war damals - , das war ja damals alles primitiv – Jesses –
  4. Es wurden Flugrekorde aufgestellt, Weltrekorde gefahren, Zuverlässsigkeits- und Geländefahrten gewonnen und über allem die Siege von Rudolf Caracciola, Hermann Lang und Manfred von Brauchitsch auf den Rennstrecken der Welt“, erinnert sich Walter Gotschke. „Manchmal lag schon frühmorgens um 5 Uhr ein brüllender Sound über der Stadt. Da liefen die Rennmotoren in Untertürkheim auf dem Prüfstand fauchend in allen Drehzahlen, bevor sie verladen wurden und auf die Reise gingen.
  5. Man hätte nicht einmal in einer Felsspalte verschwinden können, sie fanden einen überall.
  6. Und dann '46, das weiß ich allerdings genau, '46 sah ich die aktuellen ‚Amerikaner‘, den Buick eight... Also, da war ich platt. Nein sowas von - , sowas Tolles. Die warn eigentlich ganz normal, die Autos. Aber die Blechkrümmungen, die waren so vollkommen. Die waren so fabelhaft. so fantastisch, das war reine Geometrie. - Ein Ei und eine Kartoffel, die in der Größe und in der Form einander gleichen, aber der Unterschied ist ungeheuer. Die Kartoffel ist eine hässliche Sache und das Ei eine vollkommene. Und das sah ich hier zum ersten Mal, und konnt' es mir selbst nicht erklärn. Und das ist ja das Problem, das ich dargestellt hab' -- so richtig verstanden hat das aber keiner.“ (AQ Vol 6 No 4, 1968)
  7. ... dass Sie als freischaffender Künstler wie jeder andere auch das Recht zur freien Meinungsäußerung haben... Wir möchten Ihnen aber nicht zumuten, aus Erwerbsgründen gegen Ihre innere Einstellung arbeiten zu müssen.“ W. Haspel, 11. Juni 1951 an Walter Gotschke
  8. In dieser Zeit arbeitete ich wie ein Besessener. In wenigen Tagen zog ich einen 30-Seiten-Katalog durch. Nach 5 Stunden Schlaf war ich wieder hellwach.
  9. Würde man mich nach meinem Beruf fragen – ich wüsste nicht, was ich darauf antworten soll.

Referenzen

  • Der Autodidakt Christian Steiger, Mercedes-Benz Classic, 04-2003, S. 34-40
  • Auto-motoviert: Besser als Walter Gotschke fing kein anderer Künstler den Automobilen Zeitgeist ein Reinhard Bogena, Markt, Cabrio Revue, Juni 6/92, S. 36-40
  • Walter Gotschke: Capturing Movement on Paper Jacques Vaucher, VINTAGE motorsport, Nov/Dec 1991, P. 54-55
  • Zeichen der Zeit Corinna Freudig, auto motor und sport, 21/1992, S. 216-219
  • Auf die Tube gedrückt: Automaler aus Leidenschaft Rainer Schneekloth, iwz, 23.-29. März 1985, Titelseite, S. 6-10,
  • They were there: Walter Gotschke I DRAW CARS Reinhard Seiffert, christophorus, No.151/February 1981, P. 22-26
  • "Walter Gotschke: Picasso an der Rennstrecke - Fotos mit dem Malerpinsel", Peter Groshupf, hobby: magazin der technik, 26.10.1981, S. 19-27
  • Autokünstler aus Berufung Reinhard Bogena, Drive International, 10/97, S. 62-65
  • WALTER GOTSCHKE Perhaps the world's greatest automotive artist, John Lamm, ROAD&TRACK, November 1978, P. 20-28
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 2 No 2: recollection of an enthusiast -- the illustrations of walter gotschke
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 4 No 1: RACING IMPRESSIONS
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 6 No 3: The Grand Prix Cars of The Thirties
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 6 No 4: Is Your car an EGG or a POTATO?
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 7 No 1: The Caracciola Story
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 8 No 1: AUTO UNION RENNWAGEN
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 9 No 2: PORSCHE: RACING PORTFOLIO
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 11 No 3: The Grand Prix Cars of the Forties
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 15 No 4: ADLER The Eagle from Frankfurt
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 20 No 1: The Grand Prix Cars of the Fifties
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 24 No 1: The power and glory of Mercedes-Benz, as captured by its most gifted witness
  • Automobile Quarterly Magazin: Vol 38 No 3: The Grand Prix Cars of the Twenties
  • The Color and Emotion of Le Mans", Sports Illustrated, June 23, 1958, P. 20-24
  • Ich zeichne Autos", Herbert Buzas, Die Wochenpost (Österreich), 9. August 1947, S. 5