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Prognose

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Die Prognose (griechisch, πρóγνωσις - wörtlich das Vorwissen, die "Voraus-Kenntnis") (selten auch: Prädiktion) bezeichnet die Vorhersage eines Ereignisses, Zustands oder einer Entwicklung.

Grundlegung

Die Basis einer validen Prognose bilden Fakten, die oft mit formalisierten Methoden (Messungen, zeitlich gegliederten Messreihen oder Simulationen) zur Erstellung von Datenmaterial erhoben werden. Auf diesen Grundlagen können dann mit mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit Voraussagen für die Zukunft gemacht und Entscheidungen getroffen werden. Hierbei werden Daten, auf die sich die Prognose stützt, als (bessere oder schlechtere) Prädiktoren bezeichnet. Im Gegensatz zur reinen Intuition zählen auch begründbares Erfahrungswissen und seine Extrapolation zu den anerkannten Prognosemethoden. Solche argumentierbaren Vorhersagen sind in allen Bereichen der Wissenschaft methodisch bedeutsam.

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  • Ein wesentliches Merkmal der Entscheidungen im politisch-wirtschaftlichem Bereich ist ihre Zukunftsbezogenheit:
  1. Entscheidungen beruhen stets auf Prognosen oder prognostischen Erwartungen
  2. Entscheidungen müssen objektiv unter Unsicherheit gefällt werden. Sie sind risikobelastet, da die Entscheider nur unvollkommene Informationen besitzen.

Anforderungen

Eine Anzahl Erfordernisse einer triftigen Prognose werden genannt:

  1. Nichttrivalität: Folgendes Aussagenschema sollte nicht vorkommen:"Morgen regnet es oder auch nicht"
  2. Objektivität: Überprüfbarkeit der Methode, dazu gehört auch die vollständige Angabe und Spezifikation der Bedingungen (sogenannte Rahmenbedingungen), von denen das Eintreffen des prognostizierten Ergebnisses abhängig gemacht wird.
  3. Validität: Wird tatsächlich das prognostiziert, was prognostiziert werden soll?

Arten von Prognosetechniken

Ein Prognoseverfahren sollte besser sein als die Naive Prognose, da sich sonst der Mehraufwand gegenüber der Naiven Prognose nicht lohnt.

Prognosetechniken lassen sich auf verschiedene Arten einordnen. Bezüglich ihres Horizonts lassen sich kurz-, mittel- und langfristige Prognosen unterscheiden. Darüber hinaus unterscheidet man qualitative und quantitative Techniken. Zusätzlich lassen sie sich bezüglich ihrer Erstellungsperspektive in "Top-Down" und "Bottom-Up" unterscheiden. Das einfachste Prognoseverfahren ist die Naive Prognose.

Qualitative Prognosetechniken
- sind subjektive Einschätzungen, die von Experten mit einem gereiftem Fachwissen intuitiv erstellt werden
- eine mögliche Variante ist die Lineare Extrapolation --> Vergangenheitswerte werden grob in die Zukunft projiziert
- weitere Varianten --> Meinungsbefragungen oder Lebenszyklusanalysen
- versuchen Trends vorherzusehen
- sind aufwendiger
- liefern eher wenig konkrete Zahlen
- (z.B.Aktienkurse,technische Entwicklung, längerfristige Wettervorhersage)

Quantitative Prognosetechniken
- bestehen hauptsächlich aus der Aufarbeitung von Datenmaterial
- geben konkrete, zahlenmäßige Resultate
- (z.B. Steueraufkommen, Bevölkerungentwicklung, Wahl-Ergebnisse)

Top-Down/Bottom-Up-Prognose
Der Top-Down-Prognoseansatz ist zentralistisch und eignet sich vor allem für stabile Nachfragesituationen. Hat ein Unternehmen beispielsweise 4 Vertriebszentren, deren Bedarf in der Vergangenheit 4:3:2:1 verteilt war, so würde eine aggregierte Bedarfsmenge auf Basis der Nachfrage des gesamten Marktes in entsprechenden Verhältnis an die Vertriebszentren verteilt werden.
Bei der Bottom-Up-Prognosemethode würde jedes Vertriebszentrum seine Prognosen selbst erstellen und an die Produktionsstätte übermitteln, wo sie aggregiert würden. Die Methode berücksichtigt die regionalen Marktentwicklungen, ist aber schwieriger zu organisieren.

Beispiele für wichtige quantitative Prognosetechniken

Bei den quantitativen Verfahren, die auf Heuristiken und Rechenverfahren basieren, werden eindimensionale und multidimensionale Verfahren unterschieden.

Eindimensionale Verfahren benötigen eine große Datenmenge, sie liefern schlechtere Werte bei langfristigen Prognosen und liefern auch bei starken Absatzschwankungen häufig schlechte Prognosen. Sie lassen sich allerdings gut systematisieren und bei einer großen Produktanzahl einsetzen. Darüber hinaus sind sie leicht verständlich. Bekannte eindimensionale Verfahren sind --> Exponentielle Glättung, Trendprognose, Gleitende Durchschnitte (Hier werden rollierende Durchschnittswerte benutzt)
Mulitdimensionale Verfahren basieren auf der Kausalität der Absatzzahlen zu verschiedenen Variablen, wie z.B. Preis und Promotionen. Es wird unterstellt, dass der Absatz mit Faktoren, wie z.B. dem Wetter beim Eis oder der Jahreszeit beim Mineralwasser in direkter Beziehung steht. Bekannte multidimensionale Verfahren sind --> Ökonometrische Modelle und Regressionanalyse

  • Trendprognose: Projizierung einer Wertereihe in die Zukunft.
  • Exponentielle Glättung:Bei der exponentiellen Glättung handelt es sich um ein Prognoseverfahren, mit dem Zukunftswerte auf der Basis vergangener Werte vorhergesagt werden.
  • Regressionsrechnung: Analyse funktionaler Zusammenhänge zwischen mindestens zwei Größen.
  • Ökonometrische Modelle: Analyse wirtschaftswissenschaftlicher Zusammenhänge aufgrund der Bildung von Gesamtmodellen mit vielen Variablen und Aussagen über den Zusammenhang all dieser Variablen untereinander.
  • Portfolio-Analyse: Zumeist graphisch orientierte Analyse von zwei oder manchmal drei Größen.
  • Lebenszyklus-Analyse: Analyse des Verlaufs einer Entwicklung im Zeitablauf.Setzt genaue Marktbeobachtung und Marktforschung voraus.

Beispiele für wichtige qualitative Prognosetechniken

  • Delphi-Methode: Dies ist eine schriftliche, mehrphasige Befragung von Experten, wobei diese bei jeder neuen Fragerunde über die Ergebnisse der vorherigen Runde informiert werden.
  • Szenario-Technik: Gedankliche Analyse der erwarteten Entwicklung einzelner Teilsysteme und Berechnung der Entwicklung des Gesamtsystems aufgrund dieser Einzelprognosen.
  • Relevanzbaum-Verfahren: Steht der Spieltheorie nahe. Retrograde Ableitung von Lösungsmöglichkeiten für gegebene Situationen aufgrund der Entscheidungstheorie.
  • Historische Analogie: Analyse einer Entwicklung im Zeitablauf. Marktspezifische Details werden in hohem Maße berücksichtigt.

Anwendungsgebiete im Bereich der Sozialwissenschaften

Hier ist vor allem im Bereich der Politiksoziologie die Wahlforschung zu nennen.

siehe Prognose (Psychologie)

  • Langfristige Vorhersage von Absatzmöglichkeiten und Marktpotentialen für neue Produkte (z.B. Delphi-Methode).
  • Ableitung von Teilzielen und Strategien, zum Beispiel zur Entwicklung langfristiger Strategien (z.B. Relevanzbaum-Verfahren).
  • Vorhersage von Produktlebenszyklen für neue Produkte (z.B. Historische Analogie).
  • Lagerbestandsprognose (z.B. Trendprognose, Exponentielle Glättung)
  • Umsatzprognose bei stabilen Bedingungen (z.B. Trendprognose, Exponentielle Glättung)

Volkswirtschaftliche Prognosen werden in der Regel im Frühjahr und im Herbst erstellt für das laufende und das kommende Jahr. Mittelfristige Prognosen umfassen einige weitere zukünftige Jahre. Langfristprognosen bemessen sich nach Jahrzehnten. Die meisten gesamtwirtschaftlichen Prognoseinstitutionen sind öffentlich-rechtlich, manche Firmen - z.B. Großbanken - haben auch eigene volkswirtschaftliche Abteilungen, die gesamtwirtschaftliche Prognosen erstellen.

Siehe hier auch die Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute.

Politik und Politologie

Neben den in ihrer Methodenwahl nicht immer öffentlichen Think Tanks von Parteien und Politiker/inne/n existieren zu Prognosezwecken - etwa bei der deutschen Bundesregierung - besondere Kommissionen, etwa der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder die Schutzkommission beim Bundesminister des Innern; auch gibt die Regierung selber Prognosen ab (vgl. ihre Jahreswirtschaftsberichte).

Internationale Organisationen wie OECD, IWF und EU-Kommission haben entsprechende Unterorganisationen bzw. Beiräte und geben ebenfalls Prognosen ab.

Prognosefehler

Trotz aller Bemühungen, Prognosen technisch zu optimieren, werden zwischen der Prognose und dem tatsächlich eintretenden Ereignis immer grössere oder kleinere Abweichungen bestehen. Es ist daher - auch bei der Wahl des richtigen Prognosemodells - sehr wichtig, die Güte des gewählten oder des betrachteten Verfahrens durch Ermittlung der Prognosefehler zu bewerten.
Im Rahmen des qualitativen Prognostizierens lassen sich Prognosefehler nicht von vornherein quantifizieren. Fehlerursachen sind u.a.:

  • Jüngere Werte werden überbewertet
  • Scheinbare Muster werden erkannt, die jedoch heuristisch nicht existent sind,
  • besondere Ereignisse bleiben im Gedächtnis, während normale schnell vergessen werden
  • Wunschvorstellungen können in Prognosen einfließen


Beim quantitativen Prognostizieren wird mit dem ermittelten Prognosefehler die Prognosegenauigkeit bewertet. Die gängigsten Verfahren sind im Folgendem kurz aufgeführt:

  • Mean squared error (MSE)
  • Mean absolute deviation (MAD)
  • Mean absolute percentage error (MAPE)


MAPE gibt einen relativen Wert an, wodurch er andere Vergleichsmöglichkeiten eröffnet als der MSE und MAD, die in absoluten Zahlen angegeben werden.

Siehe auch

Zitate

  • "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." (zugeschrieben Karl Valentin, Mark Twain, Winston Churchill u.a.)

Literatur

  • John E. Hanke, Business forecasting, 1998
  • Petér Horváth, Controlling, München 1998
  • Donald J. Powersox, Logistical management, 1996
  • Thomas Schneckenburger, Prognosen und Segmentierung in der Supply Chain , 2000
  • Günter Schweiger: Materialien zur Lehrveranstaltung Prognosetechniken Teil 1